Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen für die Gewährung von Kindergeld bei Leistung eines freiwilligen sozialen Jahres im Ausland; Einschränkung der Amtsermittlungspflicht
Leitsatz (NV)
1. Für ein Kind, das ein freiwilliges soziales Jahr im Ausland leistet, ist Kindergeld nur zu gewähren, wenn die vermittelnde Stelle durch die zuständige Landesbehörde als Träger eines freiwilligen sozialen Jahres im Ausland zugelassen worden ist. Diese Voraussetzung hat der Kindergeldberechtigte nachzuweisen.
2. Während eines Auslandsdienstes des Kindes i.S.v. § 14b ZDG besteht ein Anspruch auf Kindergeld nur dann, wenn das Kind diesen Dienst anstelle des Zivildienstes leistet.
3. Die Pflicht des FG zur Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen wird eingeschränkt durch die Pflicht der Beteiligten, bei der Erforschung des Sachverhalts mitzuwirken, insbesondere hinsichtlich der ihrem Einfluss- oder Wissensbereich zuzurechnenden Tatsachen.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. d; FGO § 76 Abs. 1 Sätze 1, 5; SozDiG § 5 Abs. 2; ErsDiG § 14b
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der im Jahr 1984 geborene Sohn (S) der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) leistete vom 5. Mai 2003 bis zum 29. Februar 2004 seinen Zivildienst. Die Beklagte und Revisionsbeklagte (Familienkasse) hob deshalb die Kindergeldfestsetzung ab Juni 2003 auf.
Im November 2003 übersandte die Klägerin der Familienkasse eine "Bestätigung" der "… Friedensdienste" (F), eines in Deutschland ansässigen eingetragenen Vereins, nach welcher S vom 1. März 2004 bis zum 31. August 2005 einen Freiwilligendienst in den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) leisten werde. Dieser Freiwilligendienst sei ein Dienst im Sinne des Beschlusses Nr. 1031/2000/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 13. April 2000 zur Einführung des gemeinschaftlichen Aktionsprogramms "Europäischer Freiwilligendienst".
Die Familienkasse wertete dies als Antrag auf Gewährung von Kindergeld, den sie mit Bescheid vom 5. Januar 2004 ablehnte. Die vorgelegte Bestätigung der F reiche nicht aus, um den --nach der Dienstanweisung zur Durchführung des steuerlichen Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes (DA-FamEStG) 63.3.5 erforderlichen-- Nachweis des Europäischen Freiwilligendienstes zu erbringen. Der Einspruch der Klägerin war erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es führte im Wesentlichen aus, S habe kein freiwilliges soziales Jahr i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d des Einkommensteuergesetzes i.d.F. für 2004 und 2005 (EStG) i.V.m. dem Gesetz zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres (FSJG) in der Bekanntmachung der Neufassung vom 15. Juli 2002 (BGBl I 2002, 2596) absolviert, weil Träger eines im Ausland zu leistenden freiwilligen sozialen Jahres nach § 5 Abs. 2 FSJG nur inländische juristische Personen sein könnten, die von der zuständigen Landesbehörde zugelassen seien. Den Nachweis der behördlichen Zulassung habe die Klägerin jedoch trotz des richterlichen Hinweises in der mündlichen Verhandlung und der eingeräumten Frist nicht erbracht. S habe auch keinen Europäischen Freiwilligendienst absolviert, da der Dienst nicht im europäischen Ausland, sondern in den USA geleistet worden sei. Es handele sich auch nicht um einen Dienst i.S. des § 14b des Zivildienstgesetzes (ZDG). Weder habe S seinen Dienst nach den Angaben der Klägerin unentgeltlich geleistet, da er 350 US$ monatlich erhalten habe, noch habe die Klägerin trotz eines entsprechenden richterlichen Hinweises in der mündlichen Verhandlung die erforderliche behördliche Anerkennung der F nachgewiesen.
Im Verfahren wegen Nichtzulassung der Revision legte die Klägerin eine Bescheinigung der zuständigen Behörde vor, dass die F als Träger des freiwilligen sozialen Jahres im Ausland zugelassen ist, sowie eine amtliche Bestätigung, dass die F ein gemäß § 14b ZDG zur Durchführung eines Dienstes im Ausland anerkannter Träger ist.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen und formellen Rechts.
Sie beantragt sinngemäß, das FG-Urteil sowie den Ablehnungsbescheid vom 5. Januar 2004 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 12. Februar 2004 aufzuheben und für den Zeitraum März 2004 bis August 2005 Kindergeld zu gewähren.
Die Familienkasse beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet und wird zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Zu Recht hat das FG kein Kindergeld gewährt, weil die Klägerin im finanzgerichtlichen Verfahren nicht nachgewiesen hat, dass die F als Träger eines freiwilligen sozialen Jahres im Ausland zugelassen ist.
a) Nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 1, § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG wird ein Kind, das das 18. Lebensjahr, nicht aber das 27. Lebensjahr vollendet hat, für die Gewährung von Kindergeld berücksichtigt, wenn es ein freiwilliges soziales Jahr im Sinne des FSJG leistet.
b) Das freiwillige soziale Jahr kann nach § 3 Abs. 1 FSJG auch im Ausland geleistet werden. Die nach § 3 Abs. 2 Satz 2 FSJG vorgesehene pädagogische Begleitung ist durch eine zentrale Stelle eines nach § 5 FSJG anerkannten Trägers sicherzustellen (§ 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 FSJG). Als anerkannte Träger eines freiwilligen sozialen Jahres im Ausland gelten nach § 5 Abs. 2 FSJG nur solche juristische Personen, die von der zuständigen Landesbehörde zugelassen sind.
c) Da die Klägerin nicht innerhalb der ihr hierfür gesetzten Frist den Nachweis über die Zulassung erbracht hat, durfte das FG davon ausgehen, dass die ASF nicht als Träger eines freiwilligen sozialen Jahres im Ausland i.S. des § 5 Abs. 2 FSJG zugelassen ist.
d) Entgegen der Auffassung der Klägerin hat das FG seine Pflicht zur Sachaufklärung nicht verletzt.
Nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO hat das FG den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen. An das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten ist es dabei nicht gebunden (§ 76 Abs. 1 Satz 5 FGO). Das FG ist nicht verpflichtet, einen Sachverhalt ohne bestimmten Anlass zu erforschen. Es muss aber von sich aus solchen Zweifeln nachgehen, die sich ihm nach Lage der Akten und dem Vortrag der Beteiligten oder aufgrund sonstiger Umstände aufdrängen (z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 13. September 2007 VI B 100/06, BFH/NV 2007, 2331, m.w.N.). Die Beteiligten haben bei der Erforschung des Sachverhalts mitzuwirken, insbesondere hinsichtlich der ihrem Einfluss- oder Wissensbereich zuzurechnenden Tatsachen. Insoweit wird der Amtsermittlungsgrundsatz eingeschränkt (z.B. BFH-Beschluss vom 28. Juni 2006 V B 199/05, BFH/NV 2006, 2098, m.w.N.).
Die Familienkasse hat im finanzgerichtlichen Verfahren auf ein Schreiben der F vom 10. November 2003 an die Klägerin verwiesen, nach dem der internationale Freiwilligendienst dieses Vereins von den Familienkassen kindergeldrechtlich nicht anerkannt werde. Das FG hatte daher keinen Anlass zu gegenteiligen Vermutungen.
In der mündlichen Verhandlung vom 31. Oktober 2005 hat die Klägerin zwar möglicherweise vorgetragen, die F sei als Träger eines freiwilligen sozialen Auslandsjahres anerkannt. Insoweit brauchte das FG aber nicht von sich aus Nachforschungen anzustellen, sondern durfte sich darauf beschränken, der Klägerin eine Frist nach § 155 FGO i.V.m. § 283 der Zivilprozessordnung (ZPO) zum Nachweis der Trägerschaft zu setzen. Denn der Träger des freiwilligen sozialen Jahres stellt nach Abschluss des Dienstes eine Bescheinigung aus, in der auch der dem Träger erteilte Zulassungsbescheid anzugeben ist (§ 6 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 5 FSJG). Da der Dienst bereits Ende August 2005 beendet war, hatte die Klägerin ausreichend Gelegenheit, diese Bescheinigung vorzulegen.
Die erst im Beschwerdeverfahren wegen Nichtzulassung der Revision vorgelegte Kopie des Anerkennungsbescheids nach § 5 Abs. 2 Satz 2 FSJG vom 15. Juni 2004 über die Trägerschaft der F für ein freiwilliges soziales Jahr kann nicht mehr berücksichtigt werden, da der BFH auch im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren an die tatsächlichen Feststellungen des FG nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist (Senatsbeschluss vom 8. Oktober 1998 III B 35/98, BFH/NV 1999, 497, m.w.N.).
2. Nach zutreffender Entscheidung des FG hat S auch keinen anderen Dienst im Ausland geleistet, der einen Anspruch auf Kindergeld begründet.
a) Nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG i.V.m. § 14b ZDG kann ein Kind beim Kindergeld berücksichtigt werden, wenn es als anerkannter Kriegsdienstverweigerer nicht zum Zivildienst herangezogen wird und es sich gegenüber einem anerkannten Träger zur Leistung eines unentgeltlichen Dienstes im Ausland verpflichtet.
b) Abgesehen davon, dass die Klägerin erst im Verfahren wegen Nichtzulassung der Revision eine amtliche Bestätigung vorgelegt hat, dass die F ein gemäß § 14b ZDG zur Durchführung eines Dienstes im Ausland anerkannter Träger ist, sind auch die Tatbestandsmerkmale des § 14b ZDG nicht erfüllt. § 14b ZDG setzt u.a. voraus, dass der andere Dienst im Ausland anstelle des Zivildienstes und unentgeltlich ausgeübt wird. Im Streitfall hat S aber zum einen seinen Zivildienst bereits von Anfang Mai 2003 bis Ende Februar 2004 geleistet und im Anschluss daran den Freiwilligendienst in den USA absolviert. Zum anderen hat das FG auch zu Recht die Unentgeltlichkeit des Einsatzes verneint, da S neben der kostenlosen Unterkunft monatlich einen Betrag von 350 US$ erhielt.
Fundstellen
Haufe-Index 2142148 |
BFH/NV 2009, 747 |