Kein Kindergeld infolge Freiwilligendienstes nach Bachelor-Abschluss
Der BFH hat sich in einer Grundsatzentscheidung umfassend mit den Voraussetzungen des Anspruchs auf Zahlung von Kindergeld für ein volljähriges, noch nicht 25 Jahre altes Kind bei Unterbrechung eines einheitlichen Bachelor-/Masterstudiengangs durch ein freiwilliges soziales Jahr auseinandergesetzt.
Freiwilligendienst nach Bachelor-Abschluss
Die Tochter des Klägers hatte zum Ende des Sommersemesters 2018 im Alter von 22 Jahren den 1. Abschnitt ihres Studiengangs mit der Prüfung zum „Bachelor of Science“ erfolgreich abgeschlossen. Sie hatte vor, die Ausbildung mit dem Masterstudium fortzusetzen. Zuvor absolvierte sie einen 8-monatigen Freiwilligendienst (freiwilliges soziales Jahr) im Ausland. Danach nahm sie für die Dauer von 3 Monaten eine bezahlte Aushilfstätigkeit mit einer Beschäftigungszeit von 25 Wochenstunden auf. Im Juli 2019 wurde sie zum Masterstudiengang zugelassen, den sie im Oktober 2019 mit Beginn des Wintersemesters 2019/2020 - inzwischen 24-jährig - aufnahm.
Klage des Vaters auf Zahlung von Kindergeld
Die Familienkasse hob nachträglich die bereits erlassenen Bewilligungsbescheide für den im Gerichtsverfahren strittigen Zeitraum der bezahlten Aushilfstätigkeit Juli bis September 2019 auf und forderte die schon gezahlten Beträge zurück. Hiergegen richtete sich die Klage des Vaters.
Kindergeldanspruch erstinstanzlich vom FG bejaht
Erstinstanzlich gab das FG der Klage mit der Begründung statt, der Kläger habe Anspruch auf Kindergeld, solange die Tochter weder das 25. Lebensjahr noch ihre berufliche Ausbildung vollendet habe. Da die Tochter bei Beginn ihres Studiums bereits die Absicht gehabt habe, dieses nach dem Bachelor-Abschluss bis zur Master-Prüfung fortzuführen, handelte es sich nach Auffassung des FG trotz der Unterbrechung durch den Freiwilligendienst insgesamt um eine einheitliche Erstausbildung. Der Kläger habe daher auch für den strittigen Zeitraum der entgeltlichen Aushilfstätigkeit der Tochter Anspruch auf die Zahlung von Kindergeld.
Anspruch auf Kindergeld für Zeit des Freiwilligendienstes
Der BFH hielt die gegen das erstinstanzliche Urteil eingelegte Revision der Familienkasse für begründet. Er gab der Vorinstanz insoweit recht, als die Tochter des Klägers in den Monaten des Freiwilligendienstes gemäß §§ 62 Abs.1 Satz 1 Nr.2, 63 Abs.1, 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2d EStG bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres kindergeldrechtlich zu berücksichtigen sei. Daran ändere auch der vorläufige Abschluss des Studiums durch den Bachelor-Abschluss nichts. Die Vorschrift gelte nach dem Gesetzeswortlaut allerdings nicht für die Zeit eigener Erwerbstätigkeit und damit nicht für die Zeit der Aushilfstätigkeit.
Einheitliche Berufsausbildung nur bei enger zeitlicher Abfolge der Studienabschnitte
Die kindergeldrechtliche Berücksichtigung gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchstaben a und c EStG gelte nur für die Zeit der Berufsausbildung. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz vertrat der BFH die Ansicht, dass der Bachelor-Abschluss im Zusammenhang mit dem 8-monatigen Freiwilligendienst zu einer Unterbrechung des Studiums in einer Weise geführt hatte, dass von einer einheitlichen Erstausbildung nicht mehr gesprochen werden konnte. Für die Zusammenfassung einzelner Ausbildungsabschnitte zu integrativen Teilen einer einheitlichen Ausbildung sei ein enger zeitlicher Zusammenhang der einzelnen Ausbildungssegmente erforderlich. Dies erfordere, dass das Kind den nächsten Teil einer mehraktigen Berufsausbildung zum nächstmöglichen Zeitpunkt aufnimmt (BFH, Urteil v. 9.9.2020, III R 2/19).
Freiwilliges soziales Jahr gehört nicht zur Berufsausbildung
Der vom BFH vorausgesetzte zeitliche Zusammenhang muss zwischen den Ausbildungsabschnitten des eigentlichen Studiums bestehen. Ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Ende des Freiwilligendienstes und dem Beginn des weiteren Ausbildungsabschnitts genügt nicht, denn das freiwillige soziale Jahr gehört nach der Rechtsprechung des BFH nicht zur Berufsausbildung, sondern dient der Erlangung sozialer Erfahrungen und der Stärkung des Verantwortungsbewusstseins für das Gemeinwohl (BFH, Urteil v. 13.12.2018, III R 25/18).
Erstausbildung durch Bachelor-Abschluss beendet
Die Erstausbildung war nach dem Diktum des Gerichts daher mit dem Bachelor-Abschluss beendet. Dies führt zur Anwendung des § 32 Abs. 4 Sätze 2 und 3 EStG. Danach wird ein Kind
- nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums beim Kindergeld zwar grundsätzlich berücksichtigt,
- allerdings nur unter der Voraussetzung, dass das Kind keiner Erwerbstätigkeit oder
- einer nur geringfügigen Erwerbstätigkeit mit bis maximal 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit nachgeht.
Revision der Familienkasse erfolgreich
Diese Vorschrift war der entscheidende Ansatzpunkt des BFH für die Verweigerung des Kindergeldes für den strittigen Zeitraum der Aushilfstätigkeit des Kindes Juli bis September 2019. Da die wöchentliche Arbeitszeit für diese Tätigkeit mehr als 20 Stunden wöchentlich betragen hatte, waren nach der Entscheidung des BFH die Voraussetzungen für die Berücksichtigung dieses Zeitraumes beim Kindergeld nicht gegeben und daher der Anspruch auf Kindergeld für diesen Zeitraum entfallen. Die Revision der Familienkasse war damit erfolgreich.
(BFH, Urteil v. 12.10.2023, III R 10/22)
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