Leitsatz (amtlich)
Bei einem Studienrat kann ein häuslicher Schreibtisch ein Arbeitsmittel i. S. des § 9 Abs. 1 Nr. 6 EStG sein.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 Nr. 6, § 12 Nr. 1 S. 2
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), ein lediger Oberstudienrat, machte in der Einkommensteuererklärung 1972 Aufwendungen für die Einrichtung und Unterhaltung eines häuslichen Arbeitszimmers geltend. In seiner gemieteten Zweizimmerwohnung ist ein Raum als Wohnzimmer mit Schlafmöglichkeit, der andere Raum als Arbeitszimmer eingerichtet. Das Arbeitszimmer ist ausgestattet mit WK-Schrankwand, WK-Schreibtisch, Schreibtischlampe, Schreibtischgarnitur, Papierkorb, fahrbarem Ablagetisch, Stehlampe, zwei Sesseln und zwei Brücken. Im Streitjahr 1972 standen auch Privatbücher und ein Fernsehgerät in diesem Raum. Der Beklagte und Revisionskläger (das FA) erkannte die Aufwendungen nicht als Werbungskosten an. Der Einspruch blieb erfolglos.
Das FG, dessen Entscheidung in Entscheidungen der Finanzgerichte 1975 S. 518 (EFG 1975, 518) veröffentlicht ist, beurteilte die Aufwendungen für die Unterhaltung des Arbeitszimmers (anteilige Miete, Heizungs- und Lichtkosten) ebenfalls nicht als Werbungskosten, da der Raum nicht unwesentlich privat mitbenutzt werde. Es ließ jedoch die Anschaffungskosten für einen Teil der Einrichtungsgegenstände - verteilt auf die Dauer ihrer Nutzung - als Aufwendungen für Arbeitsmittel (§ 9 Abs. 1 Nr. 6 EStG) zum Abzug zu. Es führte im wesentlichen aus: Die Kosten für die Anschaffung des Schreibtisches, der Schreibtischlampe, der Schreibgarniture, des Papierkorbes und der Brücke unter dem Schreibtisch könnten als Aufwendungen für Arbeitsmittel anerkannt werden, da es sich um typische für die Berufsausübung erforderliche Gegenstände handle. Der Abzug als Werbungskosten könne nicht deshalb versagt werden, weil diese Arbeitsmittel sich in einem Raum befänden, der nicht als berufliches Arbeitszimmer anerkannt werden könne. Für einen Lehrer sei die Anschaffung eines Schreibtisches und der dazu gehörenden Gegenstände in der Regel beruflich bedingt. Er sei darauf angewiesen, zu Hause den Unterricht vorzubereiten und die Klassen- und Hausarbeiten seiner Schüler nachzusehen. Die Benutzung des Schreibtisches für private Zwecke (zum Briefeschreiben) falle demgegenüber nicht ins Gewicht.
Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung von § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG. Bei den vom FG als Arbeitsmittel anerkannten Einrichtungsstücken handle es sich um Gegenstände der allgemeinen Lebensführung, die in jeder Wohnung vorhanden seien. Ein Schreibtisch könne nur dann typisches Arbeitsmittel sein, wenn er ausschließlich beruflich genutzt werde, was das FG nicht festgestellt habe. Es entspreche der Lebenserfahrung, daß Einrichtungsgegenstände eines nicht nur beruflich genutzten Raumes notwendigerweise auch privat und nicht ausschließlich beruflich genutzt werden. Da sich im Streitfall die Aufwendungen, die den Beruf förderten, von denen, die der privaten Lebensführung dienten, nicht leicht und sicher abgrenzen ließen, seien die Anschaffungskosten für die streitigen Einrichtungsgegenstände in vollem Umfang nicht absetzbar.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Zu den bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigungsfähigen Werbungskosten gehören Aufwendungen für Arbeitsmittel (§ 9 Abs. 1 Nr. 6 EStG). Sie sind jedoch bei Wirtschaftsgütern, deren Nutzung sich erfahrungsgemäß über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erstreckt, nur in Höhe der jährlichen AfA abzugsfähig (§ 9 Abs. 1 Nr. 7 EStG). Arbeitsmittel sind Wirtschaftsgüter, die unmittelbar zur Erledigung der dienstlichen Aufgaben dienen (Urteil des BFH vom 7. Oktober 1954 IV 630/53 U, BFHE 59, 395, BStBl III 1954, 362).
Bei Gegenständen, die ihrer Art nach nur der beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen zu dienen bestimmt sind, kann die Zugehörigkeit zu den Arbeitsmitteln in der Regel ohne weiteres bejaht werden. Dagegen ist bei Gegenständen, die auch im Rahmen der allgemeinen Lebensführung benutzbar sind, die Zuordnung oft zweifelhaft. Nach § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG dürfen Aufwendungen für die Lebensführung, die die wirtschaftliche und gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt, nicht als Werbungskosten berücksichtigt werden, auch wenn sie zur Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen. Nach dem zu dieser Vorschrift ergangenen Beschluß des Großen Senats des BFH vom 19. Oktober 1970 GrS 2/70 (BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17) ist für die Einordnung eines Gegenstandes als Arbeitsmittel grundsätzlich der tatsächliche Verwendungszweck im Einzelfall entscheidend. Dient das Wirtschaftsgut nach seiner tatsächlichen Zweckbestimmung im Einzelfall der Ausübung der beruflichen Tätigkeit, und ist eine private Mitbenutzung nur von ganz untergeordneter Bedeutung, so können die Anschaffungskosten, verteilt auf die Nutzungsdauer, nach § 9 Abs. 1 Nr. 6 EStG als Werbungskosten abgezogen werden. Der erkennende Senat hat so z. B. die Schreibmaschine eines Richters und das Tonbandgerät eines hauptberuflich tätigen Musikers als Arbeitsmittel anerkannt (Urteile vom 29. Januar 1971 VI R 31/68, BFHE 101, 381, BStBl II 1971, 327, und vom 29. Januar 1971 VI R 6/68, BFHE 102, 35, BStBl II 1971, 459).
Bei Arbeitnehmern, die auf geistigem Gebiet tätig sind, und die zur Ausführung ihrer beruflichen Arbeiten einen Schreibtisch benötigen, kann ein Schreibtisch in einer Privatwohnung unter Umständen ein Arbeitsmittel i. S. von § 9 Abs. 1 Nr. 6 EStG sein. Der erkennende Senat hat, soweit er bisher Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer zum Abzug zuließ, nicht nur Kosten für die Unterhaltung des Raumes, sondern auch die Anschaffungskosten für die Einrichtungsgegenstände, zu denen typischerweise auch ein Schreibtisch gehört, als Werbungskosten anerkannt (vgl. z. B. Urteil vom 21. Januar 1966 VI 92/64, BFHE 85, 18, BStBl III 1966, 219). Wird - wie im Streitfall - ein häusliches Arbeitszimmer steuerlich nicht anerkannt, weil in dem Raum auch ein Clubsessel mit Stehlampe, ein Fernsehgerät und Privatbücher aufgestellt waren, besitzt der ledige Kläger aber im übrigen ein zusätzliches Wohnzimmer, so kann es gerechtfertigt sein, den Schreibtisch nebst den dazu gehörenden Gegenständen als Arbeitsmittel anzuerkennen, wenn nach den gesamten Umständen des Einzelfalls einwandfrei feststeht, daß sie weit überwiegend zu dienstlichen Zwecken benutzt werden.
Das FG hat im Streitfall festgestellt, daß der Kläger den Schreibtisch fast ausschließlich nur beruflich benutzt hat. Für einen Lehrer sei die Anschaffung und Benutzung eines Schreibtisches in der Regel beruflich bedingt, da er darauf angewiesen sei, zu Hause den Unterricht vorzubereiten und die Klassen- und Hausarbeiten seiner Schüler nachzusehen. Das sei auch hier der Fall. Der Senat ist nach § 118 Abs. 2 FGO an diese tatsächliche Feststellungen gebunden, soweit hiergegen nicht zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht wurde. Er kann im Revisionsverfahren nur prüfen, ob die vom FG getroffene Sachwürdigung möglich war; es ist nicht erforderlich, daß das FG zu seiner Entscheidung kommen mußte (vgl. Urteil des Senats vom 17. Oktober 1973 VI R 26/73, BFHE 111, 69, BStBl II 1974, 186). Das FG konnte aufgrund der festgestellten Tatsachen ohne Rechtsverstoß zu dem Ergebnis kommen, daß es sich bei dem Schreibtisch im Streitfall um ein für einen Lehrer typisches Arbeitsmittel handelt. Da dem ledigen Kläger in der Wohnung noch ein anderes Wohnzimmer und im sogenannten Arbeitszimmer ein Sessel mit Ablagetisch und Stehlampe zum Lesen privater Bücher und zum Fernsehen zur Verfügung standen, konnte das FG davon ausgehen, daß der Schreibtisch, den der Kläger als Lehrer für die Unterrichtsvorbereitung und das Nachsehen der Klassenarbeiten benötigte, überwiegend beruflich genutzt wurde.
Der Hinweis des FA, daß Einrichtungsgegenstände in einem nicht ausschließlich beruflich genutzten Raum nach der Lebenserfahrung notwendigerweise auch privat und nicht ausschließlich beruflich genutzt werden, ist nicht zwingend. So wird man z. B. auch bei einer Lehrerfamilie die berufliche Nutzung eines Schreibtisches nicht deshalb verneinen können, weil der Lehrer, der sich aus Platzmangel kein Arbeitszimmer einrichten kann, den Schreibtisch etwa ins Schlafzimmer stellt, um dort in Ruhe zu arbeiten. Es kommt, wie dieses Beispiel zeigt, stets auf die Umstände des Einzelfalles an. Bei einem Lehrer fällt gemäß den zutreffenden Ausführungen des FG vor allem ins Gewicht, daß er den häuslichen Schreibtisch in der Regel täglich für längere Zeit dienstlich benutzen muß, so daß ein gelegentlicher privater Gebrauch, insbesondere zum Briefeschreiben, stark in den Hintergrund tritt.
Die für die Benutzung des Schreibtisches erforderlichen Gegenstände, wie Schreibtischlampe, Schreibtischgarnitur und Papierkorb, konnte das FG in diese Wertung miteinbeziehen. Nicht als Arbeitsmittel kann jedoch die unter dem Schreibtisch liegende Brücke angesehen werden, da sie mit der Arbeit am Schreibtisch nicht in einem so direkten Zusammenhang steht; sie dient daher nicht unmittelbar der Erledigung dienstlicher Aufgaben. Die Brücke ist ein Gegenstand der persönlichen Lebensführung, deren Anschaffungskosten nach § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG nicht abziehbar sind.
Die Vorentscheidung war aufzuheben, da das FG auch die AfA für die Brücke zum Abzug zugelassen hat. Die vom FG berücksichtigten Werbungskosten vermindern sich um die AfA für die Brücke von 48 DM.
Fundstellen
Haufe-Index 72300 |
BStBl II 1977, 464 |
BFHE 1977, 444 |
NJW 1977, 1471 |