Leitsatz (amtlich)
Wird die Abrechnung mit gesondertem Steuerausweis in einen gegenseitigen Vertrag aufgenommen, der unter Verwendung eines vom Leistungsempfänger gestellten Vertragsmusters abgeschlossen wird, ist nicht der Leistende, sondern der Leistungsempfänger Aussteller der Abrechnung.
Normenkette
UStG 1967 § 14 Abs. 1, § 15 Abs. 1 Nr. 1; UStG 1980 § 14 Abs. 5; 1. UStDV § 5; AGBG § 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger betrieb in den Jahren 1971 bis 1975 einen Handel mit Kraftfahrzeugen. Soweit hier einschlägig, verwendete der Kläger für den Ankauf von Gebrauchtfahrzeugen, die häufig auch beim Neuwagenkauf in Zahlung genommen wurden, folgendes, von ihm jeweils zur Verfügung gestelltes Formular:
[Formular hier nicht aufgenommen]
Die Formulare wurden, sobald Einigung mit einem Kunden erzielt worden war, in den Geschäftsräumen des Klägers von diesem bzw. seinen Angestellten ausgefüllt und dem Kunden zur Unterschrift vorgelegt. Der Kläger machte in den Umsatzsteuererklärungen 1971 bis 1975 die in den Formularen gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer als abziehbare Vorsteuerbeträge geltend; die Umsatzsteuer wurde nach Erklärung festgesetzt.
Bei einer Betriebsprüfung wurde festgestellt, daß in den Streitjahren 58 Verkäufer von Gebrauchtwagen nicht zum gesonderten Steuerausweis berechtigt waren, weil sie Nichtunternehmer bzw. Kleinunternehmer i. S. des § 19 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (Mehrwertsteuer) - UStG 1967 - waren. Die in den Vertragsmustern gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer betraf in Höhe von 37 583,35 DM Verträge mit Nichtunternehmern, in Höhe von 13 952,47 DM Verträge mit Kleinunternehmern.
Das Finanzamt (Beklagter) versagte mit Änderungsbescheiden vom 12. Juni 1978 (1971 bis 1974) und vom 15. Juni 1978 (1975) die Berechtigung zum Vorsteuerabzug in Höhe des Gesamtbetrages von insgesamt 51 535,82 DM und setzte die Umsatzsteuerschuld entsprechend höher fest. Es ging dabei davon aus, daß die Vertragsformulare, in denen jeweils die Steuer gesondert ausgewiesen war, keine Rechnungen der liefernden Kunden, sondern Gutschriften i. S. des § 5 der Ersten Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (1. UStDV) darstellten; diese Gutschriften führten nicht zum Vorsteuerabzug, weil es an der Voraussetzung des § 5 Abs. 2 Nr. 1 der 1. UStDV fehle.
Demgegenüber vertrat der Kläger die Auffassung, ihm stünden die geltend gemachten Vorsteuerbeträge auch dann zu, wenn es sich bei den verwendeten Vertragsformularen um Gutschriften handle; denn in diesem Fall dürfe ihm - anders als bei gesondertem Steuerausweis in Rechnungen - die fehlende Berechtigung der Gebrauchtwagenverkäufer zum gesonderten Steuerausweis nicht angelastet werden. Eine derartige unterschiedliche Behandlung von Rechnungen und Gutschriften in bezug auf den gesonderten Steuerausweis sei nicht Rechtens.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob der Kläger Klage mit dem Antrag, die Änderungsbescheide ersatzlos aufzuheben.
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Finanzgericht (FG) der Klage insoweit stattgegeben, als die geltend gemachten Vorsteuerbeträge auf dem gesonderten Steuerausweis in denjenigen Vertragsformularen beruhen, die von Kleinunternehmern unterzeichnet waren. Es bejahte insoweit das Vorliegen einer gesonderten Inrechnungstellung von Steuern durch die Gebrauchtwagenverkäufer, weil sich diese durch die Unterzeichnung des Vertragsformulars die vom Kläger vorbereitete Erklärung zu eigen gemacht hätten. Soweit dagegen die gesonderten Steuerausweise in den Vertragsformularen von Nichtunternehmern unterzeichnet waren, hat das FG die Klage mit der Begründung abgewiesen, wegen des Fehlens der Unternehmereigenschaft der Gebrauchtwagenverkäufer seien die gesetzlichen Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967 (Unternehmereigenschaft der Leistenden) nicht erfüllt.
Mit der Revision verfolgt das Finanzamt seinen Antrag auf Abweisung der Klage weiter mit der Begründung, hinsichtlich der von Kleinunternehmern unterzeichneten Vertragsformulare, die den gesonderten Steuerausweis jeweils enthalten, lägen keine Rechnungen der Gebrauchtwagenverkäufer, sondern Gutschriften des Klägers vor, so daß dieser das Risiko der fehlenden Berechtigung zum gesonderten Steuerausweis allein trage.
Der Kläger erstrebt mit der Anschlußrevision die ersatzlose Aufhebung der Änderungsbescheide in vollem Umfang. Zur Begründung meint er im wesentlichen, sein guter Glaube in die Unternehmereigenschaft der Gebrauchtwagenverkäufer müsse geschützt werden.
Entscheidungsgründe
I. Revision des Finanzamts
Die Revision des Beklagten ist begründet, weil die in den von Kleinunternehmern unterzeichneten Vertragsformularen enthaltenen und gesondert ausgewiesenen Steuern dem Kläger nicht von den liefernden Gebrauchtwagenverkäufern in Rechnung gestellt worden sind (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967) und ein Vorsteuerabzug aus Gutschriften jedenfalls daran scheitert, daß die Gebrauchtwagenverkäufer Kleinunternehmer i. S. des § 19 UStG 1967 waren, die keine Berechtigung zum gesonderten Steuerausweis in einer Rechnung hatten (§ 19 Abs. 1 Satz 2 UStG 1967 i. V. m. § 5 Abs. 2 Nr. 1 der 1. UStDV).
1. Für die Frage, ob ein Abrechnungspapier als Rechnung i. S. des § 14 Abs. 1 UStG 1967 oder als Gutschrift i. S. des § 5 Abs. 1 der 1. UStDV (= § 14 Abs. 5 des Umsatzsteuergesetzes - UStG 1980 -) zu beurteilen ist, ist - wie der Senat mit Urteil vom 4. März 1982 V R 107/79 erkannt hat - nicht die Gestaltung und Bezeichnung des Abrechnungspapiers maßgeblich. Die Abgrenzung zwischen den beiden möglichen Formen einer Abrechnung ist vielmehr danach zu beurteilen, wen von den beiden am Leistungsaustausch Beteiligten die Abrechnungslast trifft. Diese ist anhand des schuldrechtlichen Rechtsverhältnisses oder einer den tatsächlichen Gegebenheiten und ihrer schuldrechtlichen Einordnung entsprechenden vertraglichen Verpflichtung zu bestimmen. Die Verpflichtung zur Abrechnung schließt eine Preisberechnung unter gesondertem Ausweis der auf das Nettoentgelt entfallenden Umsatzsteuer ein.
2. Wie bereits im Urteil V R 107/79 angesprochen, zeigt sich besonders deutlich bei schriftlichen Verträgen, die eine Abrechnung mit gesondertem Steuerausweis enthalten, daß die äußere Form der Abrechnung ein untaugliches Abgrenzungskriterium ist. Da solche Verträge - wie auch im vorliegenden Fall - von beiden Beteiligten am Leistungsaustausch unterschrieben worden sind, läßt sich an der äußeren Gestaltung des Vertrages (und auch an der - nach dem Urteil V R 107/79 unmaßgeblichen - Unterschrift) nicht ablesen, wer der Aussteller der Abrechnung ist. Dieser läßt sich nur anhand der Abrechnungslast bestimmen. Dies wird im Regelfall bei schriftlichen Verträgen der leistende Unternehmer sein.
3. Abweichend von diesen Grundsätzen ist jedoch dann der Leistungsempfänger Aussteller des Abrechnungspapiers, wenn Verträge unter Verwendung von vorformulierten Vertragsmustern des Leistungsempfängers abgeschlossen werden. Denn in diesem Fall zieht der Verwender des Formulars (Leistungsempfänger) die Verantwortung für die Abrechnung und damit die Abrechnungslast an sich. Hier sind die einzelnen Vertragsklauseln - so auch die Preisberechnung mit gesondertem Steuerausweis - vom Verwender in dem Formularvertrag aufgenommen und verwendet worden. Der Leistende hat die Vertragsklauseln nicht formuliert; sie sind auch nicht zwischen den Beteiligten des Leistungsaustauschs ausgehandelt worden. Sie werden vielmehr vom Verwender (Leistungsempfänger) einseitig gestellt. Deshalb ist davon auszugehen, daß der Leistungsempfänger die Abrechnungslast an sich gezogen hat. Diese Beurteilung beruht im einzelnen auf folgenden Erwägungen:
a) Im Zivilrecht war schon vor Erlaß des AGB-Gesetzes vom 9. Dezember 1976 - AGBG - (BGBl I 1976, 3317) anerkannt, daß an die Wirksamkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Formularverträgen besondere Anforderungen zu stellen sind, weil deren Inhalte allein von der sie verwendenden Vertragspartei aufgestellt worden sind bzw. beim Vertragsabschluß gestellt und damit einseitig verwendet wurden. Trotz wirksamer Einbeziehung solcher Allgemeiner Geschäftsbedingungen (bzw. Verwendung von Vertragsformularen) in den einzelnen Vertrag wurde bei der Wirksamkeitsprüfung solcher Vertragsklauseln stets berücksichtigt, daß die jeweiligen vertraglichen Regelungen letztlich einseitig vom Verwender stammten, denen sich der Kunde zu unterwerfen hatte. Da die rechtsgeschäftliche Verantwortlichkeit beim Verwender von vorformulierten oder vorgedruckten Vertragsklauseln lag, hat die Rechtsprechung deshalb schon vor dem Inkrafttreten des AGBG besondere Auslegungsregeln und inhaltliche Wirksamkeitsschranken für solche Vertragsklauseln angenommen, um die rechtsgeschäftliche Verantwortungsfähigkeit des den vorformulierten Vertragsklauseln unterworfenen Vertragspartners nicht zu überfordern und diesen nicht unangemessen zu benachteiligen. Mit Wirkung ab dem 1. April 1977 sind diese Grundsätze in das AGBG eingegangen.
b) Diese zivilrechtlichen Grundsätze sind bei der Bestimmung desjenigen, dem innerhalb eines vom Verwender einseitig gestellten, vorformulierten schuldrechtlichen Vertragsmusters die darin enthaltene vorformulierte Abrechnung mit gesondertem Steuerausweis als seine Erklärung zuzurechnen ist, auch in umsatzsteuerrechtlicher Hinsicht zu berücksichtigen. Denn auch im Umsatzsteuerrecht geht es beim Vorliegen von beiderseits unterschriebenen Abrechnungen mit gesondertem Steuerausweis um die Frage, wer diese Erklärung zu verantworten hat, mithin der Aussteller ist. Es kommt bei der Verwendung von Vertragsformularen und Allgemeinen Geschäftsbedingungen, welche eine Abrechnung oder Rechnung mit gesondertem Steuerausweis enthalten, für die Bestimmung des Ausstellers also maßgeblich darauf an, von wem diese vorformulierten Erklärungen stammen, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob diese vorformulierten Erklärungen in die Gestalt eines Angebotes des Liefernden oder der Annahmeerklärung des Lieferungsempfängers gekleidet sind, sich der Vertragspartner den Allgemeinen Geschäftsbedingungen also unterworfen oder sie sich gar zu eigen gemacht hat. Diese Einbettung spielt auch im Rahmen des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen keine Rolle.
4. Im vorliegenden Fall stammen die Vertragsformulare, welche der Kläger verwendet hat, von diesem. Er bzw. seine Angestellten haben das gesamte Vertragsmuster, also auch die Preisvereinbarung mit dem gesonderten Steuerausweis, im Einzelfall ausgefüllt. Somit ist der Kläger als Verwender der Abrechnungsklausel innerhalb des von ihm verwendeten Vertragsformulars anzusehen; mit dem Vertragsabschluß ist der vom Kläger verwendete Abrechnugsentwurf somit zu seiner Abrechnung geworden. Damit trifft ihn auch die rechtsgeschäftlich-zivilrechtliche Verantwortung für den Inhalt dieser Klausel, und zwar ohne Rücksicht darauf, daß die Gebrauchtwagenverkäufer nach dem Formular als Anbieter aufgetreten sind und das Formular unterzeichnet haben. Auch die Abrechnungsklausel mit dem gesonderten Steuerausweis bleibt somit eine vom Kläger verwendete Vertragsklausel, die diesem als deren Aussteller zuzurechnen ist.
Daraus folgt zugleich, daß den Gebrauchtwagenverkäufern, die das vom Kläger gestellte Vertragsmuster unterschrieben haben, die darin enthaltene Abrechnung mit gesondertem Steuerausweis - ungeachtet ihrer Unterschrift unter das ganze Formular - nicht als ihre Abrechnung zugerechnet werden kann. Dies gilt jedenfalls, soweit die Lieferer Nichtunternehmer und Kleinunternehmer sind, denen es erfahrungsgemäß häufig an der notwendigen Geschäfts- und Rechtskundigkeit fehlt und die überfordert würden, Würde man das umsatzsteuerliche Risiko einer Inrechnungstellung von Steuern (ohne die entsprechende Berechtigung hierzu) diesen Personen aufladen (vgl. § 14 Abs. 3 UStG 1967). Dies würde auch den besonderen Schutzgedanken widersprechen, die dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen und dem AGBG zugrunde liegen.
Daher ist der Kläger Aussteller der Abrechnungen mit gesondertem Steuerausweis in den jeweiligen Verträgen und hat deren Inhalt allein zu verantworten. Da er Lieferungsempfänger ist, kann es sich somit bei diesen Abrechnungen mit gesondertem Steuerausweis nicht um solche von den jeweiligen Gebrauchtwagenverkäufern ausgestellte Rechnungen, sondern nur um Abrechnungen des Klägers im Gutschriftsweg handeln.
Ob der Kläger die in den Formularverträgen enthaltenen Abrechnungen mit gesondertem Steuerausweis seinerzeit als Rechnungen der Lieferer angesehen hat oder nicht, ist unerheblich, da es auf die objektive Lage bezüglich der Abrechnungslast ankommt. Für diese trifft in Zweifelsfällen denjenigen, der aus einer Abrechnung die Berechtigung zum Vorsteuerabzug herleitet, die objektive Beweislast (vgl. dazu Abschn. 6 der Gründe des Urteils V R 107/79).
5. Es ist somit davon auszugehen, daß der Kläger im vorliegenden Fall mit den Kleinunternehmern (Lieferer) im Wege des Gutschriftsverfahrens abgerechnet hat. Auch wenn man die Gültigkeit des § 5 der 1. UStDV unterstellt, führen diese Gutschriften beim Kläger nicht zum Vorsteuerabzug; denn den Gutschriftsempfängern fehlte es als Kleinunternehmern an der Berechtigung zum gesonderten Steuerausweis (vgl. § 5 Abs. 2 Nr. 1 der 1. UStDV i. V. m. § 19 Abs. 1 Satz 2 UStG 1967). Ein etwaiger guter Glaube des Klägers daran, daß die Gebrauchtwagenverkäufer zum gesonderten Steuerausweis berechtigt waren, wird, wie der Senat im Beschluß vom 27. März 1981 V S 19/80 (BFHE 133, 118, BStBl II 1981, 543) näher ausgeführt hat, nicht geschützt.
II. Anschlußrevision des Klägers
Die Anschlußrevision des Klägers ist unbegründet.
Das FG hat im Ergebnis zutreffend dem Kläger aus seinen Umsatzgeschäften mit Nichtunternehmern (Lieferer) den Vorsteuerabzug versagt. Entgegen seiner Auffassung ist auch in diesem Fall nicht im Wege des Rechnungsausstellungsverfahrens, sondern im Gutschriftsverfahren abgerechnet worden. An dieser Rechtslage würde es nichts ändern, wenn der Bundesminister der Finanzen dem Verband des Klägers gegenüber erklärt hätte, es handle sich bei der Verwendung dieses Formulars um Rechnungen des Verkäufers. Das vom Kläger erwähnte Urteil des FG Hamburg vom 19. Januar 1981 II 8/80 (EFG 1981, 370) hat der Senat mit Urteil vom 4. März 1982 V R 59/81 aufgehoben, so daß auch in dem dort behandelten Fall nicht vom Vorliegen einer Rechnung des Auftraggebers beim Agenturgeschäft auszugehen ist. Der Kläger kann aus den von ihm erstellten Gutschriften keine Berechtigung zum Vorsteuerabzug herleiten. Denn § 5 der 1. UStDV - seine Rechtsgültigkeit unterstellt - fordert, daß die Leistung an den Gutschriftsaussteller von einem Unternehmer erbracht sein muß, der zum gesonderten Steuerausweis berechtigt ist (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 der 1. UStDV). Diese Voraussetzung ist nicht gegeben. Ein guter Glaube an die Berechtigung zum gesonderten Steuerausweis ist steuerrechtlich nicht geschützt (Beschluß in BFHE 133, 118, BStBl II 1981, 543), so daß die Frage nach dem guten Glauben an die Unternehmereigenschaft dahinstehen kann.
Fundstellen
BStBl II 1982, 312 |
BFHE 1982, 124 |
ZIP 1982, 623 |