Entscheidungsstichwort (Thema)
Betrieb eines Bodybuilding-Studios und Fitneß-Studios: freiberufliche oder gewerbliche Tätigkeit, Abgrenzungskriterien, Begriff des "Unterrichts", Maßgeblichkeit des Gesamtbilds der Verhältnisse
Leitsatz (amtlich)
Ein Bodybuilding-Studio stellt einen Gewerbebetrieb dar, wenn die unterrichtende Tätigkeit lediglich die Anfangsphase der angebotenen Kurse prägt und im übrigen den Kunden die Trainingsmaschinen und Trainingsgeräte zur freien Verfügung stehen (Fortführung BFH-Urteil vom 13. Januar 1994 IV R 79/92, BFHE 173, 331, BStBl II 1994, 362).
Orientierungssatz
1. Unterrichtung ist die Vermittlung von Wissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Handlungsweisen und Einstellungen durch Lehrer an Schüler in organisierter und institutionalisierter Form; beschränkt sich die Tätigkeit allerdings nicht hierauf, sondern werden im Zusammenhang mit dem Unterricht auch noch andere Leistungen angeboten, so kann je nach Art und Umfang dieser anderen Leistungen insgesamt eine gewerbliche Betätigung vorliegen. Dies gilt auch für den Betrieb eines Sportstudios und Fitneß-Studios (im Streitfall: Bereithaltung einer Sauna und Verkauf von Getränken und Proteinen als "andere Leistungen")
2. Bei der Überprüfung, ob der Betrieb eines Sportstudios und Fitneß-Studios freiberuflich oder gewerblich erfolgt, ist auf das Gesamtbild der Verhältnisse abzustellen. Die Annahme einer unterrichtenden Tätigkeit setzt voraus, daß der Studioinhaber für jeden Kursteilnehmer ein individuelles Trainingsprogramm entwirft, dieses mit dem Teilnehmer bespricht, die zu trainierenden Muskeln und Bewegungsabläufe erklärt, zur richtigen Körperhaltung bei den Übungen anleitet, das Training während der gesamten Vertragsdauer überwacht, korrigierend eingreift, daß also eine notwendige persönliche Beziehung zwischen Unterrichtendem und Unterrichtetem für die gesamte Vertragsdauer besteht und daß diese Merkmale nicht nur für einzelne Kunden erfüllt sind.
Normenkette
EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1, §§ 15, 15 Abs. 2
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt ein Bodybuilding-Studio. In den Streitjahren (1980 bis 1983) schloß er mit den Kursteilnehmern Verträge mit folgendem Passus:
"Hiermit erkläre ich meine Teilnahme an einem Kursus zur Körperschulung - Gymnastik - Body-Building - zu nachstehenden Bedingungen, die ich durch meine Unterschrift anerkenne:
Die Kursdauer beträgt 12 Monate.
Der Kursus beginnt am .... und endet am ....
An den Tagen .... von ... Uhr bis .... Uhr kann der Teilnehmer nach freier Wahl trainieren. Änderungen bleiben vorbehalten. Der Kursusbeitrag beträgt .... Für diesen Betrag verpflichtet sich das Sportstudio für die Dauer von 12 Monaten einen Trainingsplatz freizuhalten, gleich, ob der Vertragspartner teilnimmt oder nicht. Da aus diesem Grund der Trainingsplatz nachträglich nicht anderweitig belegt werden kann, ist ein späterer Rücktritt vom Vertrag nicht möglich."
Der Kläger und der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) sahen die Tätigkeit des Klägers zunächst als gewerblich an. Das FA führte die Veranlagungen entsprechend durch. Nach einer Betriebsprüfung änderte das FA die Bescheide gemäß § 164 Abs.2 der Abgabenordnung (AO 1977) und hob den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Mit der Klage machten die Kläger u.a. geltend, der Betrieb eines Bodybuilding-Studios sei eine unterrichtende Tätigkeit i.S. von § 18 Abs.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Unterrichtender sei auch, wer eine formale Qualifikation durch Prüfungen nicht nachweisen könne. Der Kläger trainiere seine Sportler, gebe ihnen Ratschläge über Art und Dauer der Übungen und bereite sie auf Wettkämpfe vor. Er überwache die Übungen, damit sie richtig ausgeführt und die Sportler nicht überlastet würden. Um die Sportler vor Schäden zu bewahren, müsse ein gezieltes Trainingsprogramm vorliegen und überwacht werden, insbesondere bei Hockeyspielern. Das eigentliche Bodybuilding werde nur von einer Minderheit ausgeführt. Er biete verschiedene Trainingsprogramme je nach den Interessen der Teilnehmer und der Beurteilung aufgrund des Eingangsgespräches an. Viele kämen wegen berufsbedingter Haltungsschäden, Übergewicht, etc.
Daß die Trainingsgeräte zur Verfügung gestellt würden, mache die Tätigkeit ebensowenig wie die eines Fahrschulbetreibers oder Turntrainers zu einer gewerblichen. Bräunungsgeräte sowie Speisen und Getränke würden nicht angeboten. Eine Sauna sei aus gesundheitlichen Gründen angeschafft worden. Sie diene dem Aufwärmen der Muskulatur und sei besonders bei erstmaligem Training sowie nach Änderung des Übungsprogramms empfehlenswert.
Die Klage hatte im wesentlichen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus, der Kläger übe --ausgenommen die Sportveranstaltungen, den Betrieb der Sauna und den Verkauf von Proteinen, Muskelöl und Getränken-- eine unterrichtende Tätigkeit aus. Es stehe fest, daß der Kläger ein Eingangsgespräch geführt und für jeden Kursteilnehmer ein individuelles Trainingsprogramm nach den jeweiligen Wünschen und Bedürfnissen zusammengestellt habe. Er habe die dazu erforderlichen Geräte vorgestellt, die zu trainierenden Muskeln erklärt, zur richtigen Körperhaltung angeleitet, das Üben überwacht und die Teilnehmer entsprechend weiter angeleitet. Auch wenn er einer Vielzahl von Teilnehmern die Geräte ohne (weiter) unterrichtende Erläuterungen überlassen habe, habe die vorgeschaltete Trainingsplanung bei den weiteren Übungen der Teilnehmer fortgewirkt.
Der Ansicht des FA die unterrichtende Tätigkeit sei untrennbar mit dem Zurverfügungstellen der Geräte verbunden, so daß die gesamte Tätigkeit des Klägers als gewerblich einzustufen sei, sei nicht zu folgen. Die Geräte seien vielmehr nur Hilfsmittel im Rahmen des Unterrichts gewesen.
Dementsprechend gewährte das FG gemäß § 18 Abs.4 EStG einen Freibetrag von 1 200 DM.
Mit der vom FG --wegen grundsätzlicher Bedeutung-- zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung von Bundesrecht (§ 15 Abs.1 Nr.1, § 18 Abs.1 Nr.1 EStG).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet; das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Klage abgewiesen (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Unrecht angenommen, daß der Kläger eine unterrichtende Tätigkeit ausgeübt habe.
1. Unterrichtung ist die Vermittlung von Wissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Handlungsweisen und Einstellungen durch Lehrer an Schüler in organisierter und institutionalisierter Form; beschränkt sich die Tätigkeit allerdings nicht darauf, sondern werden im Zusammenhang mit dem Unterricht auch noch andere Leistungen angeboten, so kann je nach Art und Umfang dieser anderen Leistungen insgesamt eine gewerbliche Betätigung vorliegen. Das gilt, wie der erkennende Senat in seinem, nach Erlaß der angefochtenen Entscheidung ergangenen Urteil vom 13. Januar 1994 IV R 79/92 (BFHE 173, 331, BStBl II 1994, 362) ausgeführt hat, auch für den Betrieb eines Sport- und Fitneß-Studios.
In diesem Urteil hat der Senat ausgeführt, daß auf das Gesamtbild der Verhältnisse abzustellen sei (siehe dazu auch Beschluß des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 10. Februar 1995 XI S 19/94, BFH/NV 1995, 676, und Anmerkung in Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1994, 325). Die Annahme einer unterrichtenden Tätigkeit setzt demnach weiter voraus, daß der Studioinhaber für jeden Kursteilnehmer ein individuelles Trainingsprogramm entwirft, dieses mit dem Teilnehmer bespricht, die zu trainierenden Muskeln und Bewegungsabläufe ebenso wie die eingesetzten Geräte erklärt, zur richtigen Körperhaltung bei Übungen anleitet, das Training während der gesamten Vertragsdauer überwacht, korrigierend eingreift und nötigenfalls Übungen ändert.
Das FG hat in seinem Urteil zunächst festgestellt, daß diese Voraussetzungen den Zeugenaussagen zufolge im Streitfall erfüllt seien. Aus den weiteren Ausführungen des FG ist jedoch zu folgern, daß es davon ausging, einer Phase der intensiven Schulung und Betreuung der Teilnehmer habe sich ein --auf den einzelnen Teilnehmer bezogen ggf. langer-- Zeitraum angeschlossen, in dem sich der Inhaber auf die begleitende Beobachtung und gelegentlich Hilfestellung beschränkt habe. Das FG hat die Zeugenaussagen demnach offenbar dahingehend gewürdigt, daß die Intensität der persönlichen Betreuung im Laufe der Zeit abnahm, oder daß --soweit es bei einzelnen Zeugen anders gewesen sein sollte-- deren Betreuung für die Mehrzahl der Kunden nicht repräsentativ war.
Nach Auffassung des Senats darf sich die steuerliche Würdigung der Tätigkeit jedoch nicht auf die Anfangsphase beschränken. Für die Annahme freiberuflicher Einkünfte ist erforderlich, daß der Kursteilnehmer --von einzelnen Übungsphasen abgesehen-- nicht sich selbst überlassen wird, sondern die unterrichtende Tätigkeit bis zum Schluß dadurch prägend bleibt, daß der Lernende weiterhin durch den Unterrichtenden angeleitet wird. Die für diese Anleitung notwendige persönliche Beziehung zwischen Unterrichtendem und Unterrichtetem (BFH-Urteil vom 9. August 1990 V R 87/85, BFH/NV 1991, 849) muß also für die gesamte Vertragsdauer bestehen. Auch reicht es nicht aus, daß diese Merkmale nur für einzelne Kunden erfüllt sind, während den übrigen Kunden die Übungsgeräte nach einer Anfangsphase ohne jede weitere Anleitung zur freien Benutzung überlassen werden. Weiter kommt es darauf an, in welchem Umfang die Kunden die unterrichtende Tätigkeit tatsächlich in Anspruch nehmen oder ob sie --wie im Fall des Urteils in BFHE 173, 331, BStBl II 1994, 362-- lediglich in den vertraglich festgelegten Zeiten die ihnen zur freien Verfügung stehenden Geräte nutzen.
3. Die Sache ist spruchreif. Der Kläger hatte selbst nach den Feststellungen des FG die Trainingsmaschinen und Trainingsgeräte nicht lediglich als Hilfsmittel im Rahmen einer unterrichtenden Tätigkeit eingesetzt. Auch hat er seine eigene Tätigkeit zunächst als gewerblich eingestuft. Im übrigen ist es für Krafttraining wie auch für Gymnastik typisch, daß es nur anfänglich auf das Erlernen neuer Übungen, im übrigen aber für die Körperschulung auf die Wiederholung bereits bekannter Übungen ankommt (vgl. Beschluß des FG des Saarlandes vom 6. Juni 1995 IV 1/95, Entscheidungen der Finanzgerichte 1995, 749). Wie das FG ausdrücklich festhält, galt das aber für eine Vielzahl von Kursteilnehmern. Auch war, wie das FG zuvor festgestellt hat, der Zugang zur freien Benutzung der Geräte für einen Teil der Kunden, und zwar gerade von Kursteilnehmern ausschlaggebend, da sie deren Handhabung bereits zu Beginn des Kurses schon kannten. Das ist typisch, wenn die Teilnehmer --wie üblich-- die angebotenen Kurse wiederholen. Darüber hinaus hat das FG festgestellt, daß es den Kursteilnehmern freistand, die Geräte auch ohne Anleitung zu benutzen, und zwar in den vertraglich festgelegten Trainingszeiten. Auch wenn nur einzelne Kunden, offenbar keine Kursteilnehmer, die vom Kläger angebotene Gesamtleistung gänzlich ohne dessen Anleitung in Anspruch nahmen, also nur die Geräte in den festgelegten Zeiten zum freien Training benutzten, so ist doch davon auszugehen, daß die Teilnehmer der Kurse diese Möglichkeit ebenfalls genutzt haben.
Schließlich spricht für das Vorliegen eines Gewerbebetriebs, daß der Kläger eine Sauna bereitgehalten und Proteine sowie Getränke verkauft hat.
Fundstellen
Haufe-Index 65896 |
BFH/NV 1996, 327 |
BStBl II 1996, 573 |
BFHE 180, 568 |
BFHE 1997, 568 |
BB 1996, 1978 (L) |
DB 1996, 2317 (L) |
DStR 1996, 1478 (KT) |
DStZ 1997, 53-54 (KT) |
HFR 1996, 806-807 (L) |
StE 1996, 606 (K) |