Leitsatz (amtlich)
Der minderbeteiligte Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft empfängt eine verdeckte Gewinnausschüttung, wenn die Kapitalgesellschaft im Hinblick auf seine Beteiligung unentgeltlich Leistungen an eine andere Kapitalgesellschaft erbringt, an der der Gesellschafter eine Mehrheitsbeteiligung hat.
Orientierungssatz
1. Ausführungen und BFH-Rechtsprechung zum Begriff verdeckte Gewinnausschüttung (vGA), zur vGA bei Leistungen an eine dem Gesellschafter nahestehende Person, zum Vorliegen einer verdeckten Einlage, wenn eine Kapitalgesellschaft auf Veranlassung des Gesellschafters Ausgaben für eine andere Kapitalgesellschaft übernimmt, sowie zur Höhe der vGA bei Leistung einer verdeckten Einlage.
2. NV: Eine ordnungsgemäße Rüge in bezug auf die Amtsermittlungspflicht des FG verlangt, daß das Beweisthema und die Beweismittel angegeben werden, deren Benutzung sich dem FG hätte aufdrängen müssen, und daß außerdem angegeben wird, welches Ergebnis die Beweiserhebung voraussichtlich gehabt und wie sich dies auf die Entscheidung des FG ausgewirkt hätte (BFH-Rechtsprechung). Dem ist mit dem allgemeinen Hinweis, das FG hätte bei allen seinen Feststellungen die Belege (Nachprüfung der Feststellungen der Betriebsprüfung) einsehen müssen, nicht genügt.
3. NV: Ein anwaltlich vertretener Beteiligter kann dem Gericht nicht eine Verletzung der Aufklärungspflicht vorhalten, wenn er eine vermißte Beweiserhebung nicht selbst beantragt hat (Rechtsprechung: BFH, BVerwG).
Normenkette
KStG § 6 Abs. 1 S. 2; KStG 1977 § 8 Abs. 3 S. 2; FGO §§ 76, 120 Abs. 2
Tatbestand
Der Kläger war mit 41,6 v.H. an der GmbH A und mit 70 v.H. an der GmbH B beteiligt; er war auch Geschäftsführer dieser Gesellschaften. ++/ Außerdem betätigte er sich in den Streitjahren als freier Erfinder und unterhielt mit seinem Bruder eine Patentgemeinschaft in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). /++
Nach einer Betriebsprüfung nahm der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) an, daß der Kläger seitens der GmbH A durch Übernahme von Ausgaben der GmbH B verdeckte Gewinnausschüttungen erhalten habe. ++/ Außerdem nahm das FA an, daß die Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit sowie aus Vermietung und Verpachtung unzutreffend erklärt worden seien. Aufgrund dieser Feststellungen berichtigte das FA die Einkommensteuerbescheide 1971 bis 1973. /++
Die Klage zum Finanzgericht (FG) hatte nur teilweise Erfolg.
++/ Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Die Kläger beantragen sinngemäß, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Einkommensteuer 1971 bis 1973 nach den Anträgen erster Instanz festzusetzen, hilfsweise, die Sache an das FG zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Es hält die Revision für unzulässig, weil die Zurückverweisung der Sache an das FG beantragt worden und der umstrittene Steuerbetrag nicht zu ermitteln sei. /++
Entscheidungsgründe
++/ 1. Die Revision ist zulässig, ihr Streitwert übersteigt insbesondere den Betrag von 10 000 DM (§ 115 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--, Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs --BFHEntlG--).
Die Kläger haben in der Revision beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Steuer antragsgemäß festzusetzen bzw. das Verfahren zur erneuten Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. Ihr Hauptantrag geht damit unverändert dahin, die Einkommensteuer 1971 bis 1973 auf die gegenüber dem FG bezifferten Beträge herabzusetzen; der Streitwert der Revision besteht in der Differenz zwischen diesen und den vom FG festgesetzten Beträgen. Der Auffassung des FA, die Kläger hätten keinen bezifferten Revisionsantrag gestellt und die Revision sei mangels eines erkennbaren Streitwerts unzulässig, ist daher nicht zu folgen.
2. In der Sache kann die Revision jedoch keinen Erfolg haben.
Soweit die Kläger ganz allgemein beanstanden, daß das FG die Feststellungen der Betriebsprüfung vom Originalbeleg bis zur Buchung hätte nachprüfen müssen, ist ihre Verfahrensrüge nicht ordnungsgemäß erhoben und damit unbeachtlich. Die Kläger wollen geltend machen, daß das FG seiner Amtsermittlungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) nicht genügt habe. Eine ordnungsgemäße Rüge verlangt, daß das Beweisthema und die Beweismittel angegeben werden, deren Benutzung sich dem FG hätte aufdrängen müssen, und daß außerdem angegeben wird, welches Ergebnis die Beweiserhebung voraussichtlich gehabt und wie sich dies auf die Entscheidung des FG ausgewirkt hätte (Beschluß des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 24. Mai 1977 IV R 45/76, BFHE 122, 396, BStBl II 1977, 694; Urteil vom 25. Oktober 1977 VII R 5/74, BFHE 124, 105, BStBl II 1978, 274). Dem ist mit dem allgemeinen Hinweis, das FG hätte bei allen seinen Feststellungen die Belege einsehen müssen, nicht genügt.
Ordnungsgemäß erhoben ist demgegenüber die Aufklärungsrüge, das FG hätte im Hinblick auf die dem Kläger ausgezahlte Brandschadensvergütung die Inventurlisten der GmbH A zum 31. Dezember 1970 und 1972 beiziehen müssen und wäre angesichts des geringen Betriebsvermögens der GmbH A zu dem Ergebnis gekommen, daß der Schaden Privatvermögen des Klägers betroffen habe, so daß er auch Anspruch auf die Entschädigung gehabt habe. Die Rüge ist jedoch nicht begründet.
Das FG hat in dieser Frage den Bruder des Klägers und den Steuerberater der GmbH A als Zeugen gehört. Es ist der Aussage des Steuerberaters gefolgt, daß die Ausgaben für die vom Kläger und seinem Bruder angekauften Gegenstände als Betriebsausgaben der GmbH A verbucht worden seien, und hat daraus geschlossen, die 1971 in einer von der GmbH A angemieteten Lagerhalle verbrannten Gegenstände hätten bis auf ein Boot der GmbH A zugestanden. Es wäre Sache des Prozeßbevollmächtigten gewesen, zusätzlich auf die Beiziehung der Inventurlisten zu dringen. Dies hat er nach seinem eigenen Vortrag aber unterlassen. Der Aufklärungspflicht des Gerichts entspricht eine Mitwirkungspflicht der Prozeßbeteiligten. Nach ständiger Rechtsprechung kann ein anwaltlich vertretener Beteiligter dem Gericht nicht eine Verletzung der Aufklärungspflicht vorhalten, wenn er eine vermißte Beweiserhebung nicht selbst beantragt hat (BFH-Urteil vom 3. November 1976 II R 43/67, BFHE 120, 549, BStBl II 1977, 159; BFHE 124, 105, BStBl II 1978, 274; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts --BVerwG-- vom 27. Oktober 1978 1 C 15.75, BVerwGE 57, 55, 57).
Das FG hat angenommen, daß der Kläger im Jahre 1973 private Schuldzinsen als Betriebsausgabe in seiner freiberuflichen Tätigkeit behandelt habe, die dann von der GmbH A beglichen worden seien. Es hat hierin eine verdeckte Gewinnausschüttung der GmbH A an den Kläger gesehen. Soweit die Kläger beanstanden, daß das FG der Verbuchung des Betrags hätte nachgehen müssen und daß sich dabei ergeben hätte, daß eine Doppelbuchung nicht vorlag, ist ihre Revisionsrüge gleichfalls unbegründet, da ihr Prozeßvertreter in der mündlichen Verhandlung vor dem FG keinen Beweisantrag gestellt hat. /++
Zu Recht hat das FG auch angenommen, die GmbH A habe an den Kläger eine bei ihm als Teil der Einkünfte aus Kapitalvermögen zu erfassende verdeckte Gewinnausschüttung bewirkt, indem sie verschiedene Ausgaben der GmbH B übernahm, deren Hauptgesellschafter der Kläger war.
a) Eine verdeckte Gewinnausschüttung ist anzunehmen, wenn eine Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter unter sonst gleichen Umständen nicht gewährt hätte (BFH-Urteil vom 16.März 1967 I 261/63, BFHE 89, 208, BStBl III 1967, 626; ständige Rechtsprechung). Dabei kann die Leistung der Kapitalgesellschaft auch an einen Dritten erfolgen, sofern sie ihre Grundlage in der Mitgliedschaft des Gesellschafters in der Gesellschaft hat. Insbesondere kann eine verdeckte Gewinnausschüttung durch Leistung an eine dem Gesellschafter nahestehende Person bewirkt werden; als nahestehend kann auch eine andere Kapitalgesellschaft angesehen werden, an welcher der Gesellschafter beteiligt ist. Deshalb beinhalten Zuwendungen zwischen Schwesterkapitalgesellschaften eine verdeckte Gewinnausschüttung an die gemeinsame Muttergesellschaft (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 19.Mai 1982 I R 102/79, BFHE 136, 105, BStBl II 1982, 631, m.w.N.).
b) Die verdeckte Gewinnausschüttung hat zur Folge, daß sich das Einkommen der Kapitalgesellschaft um den Vorteil erhöht, den ein ordnungsgemäß handelnder Geschäftsleiter nicht zum Nachteil der Gesellschaft eingeräumt hätte (vgl. § 6 Abs.1 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes --KStG-- a.F., § 8 Abs.3 Satz 2 KStG 1977). Darüber hinaus erzielt der begünstigte Gesellschafter Einkünfte aus Kapitalvermögen, sobald ihm der Vorteil aus der verdeckten Gewinnausschüttung zufließt (§ 20 Abs.1 Nr.1, § 11 Abs.1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--). Bei der Leistung an eine dem Gesellschafter nahestehende Person kann der ihm zugeflossene Vorteil in der Vermehrung seiner Vermögensrechte gegenüber dem Leistungsempfänger bestehen. Auch ohne eine derartige Vermögensmehrung kann aber eine Zuwendung an den Gesellschafter vorliegen, wenn dieser mit Hilfe der Kapitalgesellschaft eine freiwillige Leistung an den Dritten erbringt und dadurch eigene Aufwendungen erspart (vgl. BFH-Urteile vom 6.Dezember 1967 I 98/65, BFHE 91, 239, BStBl II 1968, 322; vom 31.Juli 1974 I R 238/72, BFHE 113, 434, BStBl II 1975, 48; Döllerer, Verdeckte Gewinnausschüttungen und verdeckte Einlagen bei Kapitalgesellschaften, S.31).
c) Im Streitfall standen dem Kläger nur 41,6 v.H. der Anteile an der leistenden Kapitalgesellschaft zu. Dies hindert aber die Zuwendung und den Zufluß einer verdeckten Gewinnausschüttung nicht; der Tatbestand der verdeckten Gewinnausschüttung ist nicht an eine bestimmte Mindestbeteiligung des Gesellschafters an der leistenden Gesellschaft geknüpft.
Ebensowenig ist hinderlich, daß der Kläger nur mit 70 v.H. an der empfangenden Kapitalgesellschaft beteiligt war. Da die GmbH A die Ausgaben der GmbH B nach der Feststellung des FG auf Veranlassung des Klägers übernommen hat, die Vorteilsgewährung aus der Sicht der GmbH B also ihre Ursache in der Mitgliedschaft des Klägers hatte, liegt darin eine verdeckte Einlage des Klägers bei dieser Gesellschaft (vgl. BFH-Urteil vom 9.März 1983 I R 182/78, BFHE 139, 139, BStBl II 1983, 744, m.w.N.); ein Nichtgesellschafter hätte den Vermögensvorteil bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht eingeräumt. Der beim Kläger als verdeckte Gewinnausschüttung zugeflossene Vorteil kann in der Wertsteigerung gesehen werden, die sein Anteil an der GmbH B durch die Vermögensverschiebung zwischen den beiden Kapitalgesellschaften erfahren hat. Die Rechtsprechung hat die Wertsteigerung bei den Anteilen der empfangenden Kapitalgesellschaft mit dem Verkehrswert der geleisteten Einlage angesetzt (vgl. BFH-Urteil vom 12.Februar 1980 VIII R 114/77, BFHE 130, 378, BStBl II 1980, 494).
Selbst wenn man aber mit der Revision des Klägers davon ausgeht, daß ihm die Vermögensmehrung bei der GmbH B entsprechend seiner Kapitalbeteiligung nur mit 70 v.H. zugute gekommen ist, kann daraus nicht gefolgert werden, ihm sei die verdeckte Gewinnausschüttung seitens der GmbH A nur in Höhe von 70 v.H. der Vermögensmehrung bei der GmbH B zugeflossen. Vielmehr ist ausschlaggebend, daß der Kläger mit Hilfe der GmbH A eine verdeckte Einlage bei der GmbH B bewirkt hat und daß dieser Vorgang nicht anders angesehen werden kann, als hätte die GmbH A den Vorteil dem Kläger gewährt und dieser ihn an die GmbH B weitergegeben (vgl. BFH-Urteil vom 3.Februar 1971 I R 51/66, BFHE 101, 501, BStBl II 1971, 408). Es kann nicht zweifelhaft sein, daß ein Gesellschafter eine verdeckte Einlage auch dann bewirken kann, wenn weitere Gesellschafter vorhanden sind, die ihrerseits keine Einlagen machen (vgl. Urteil in BFHE 130, 378, BStBl II 1980, 494). Wird die Einlage seitens einer anderen Beteiligungsgesellschaft des Gesellschafters bewirkt, so liegt sein Vorteil bereits darin, daß er zu diesem Zweck nicht eigene Mittel in Anspruch nehmen mußte (vgl. Urteil in BFHE 113, 434, BStBl II 1975, 48). Infolgedessen ist schon bisher eine verdeckte Gewinnausschüttung verbunden mit einer verdeckten Einlage in eine andere Kapitalgesellschaft angenommen worden, wenn an der empfangenden Gesellschaft auch Personen beteiligt waren, die nicht Gesellschafter der leistenden Gesellschaft waren oder wenn zwar an beiden Gesellschaften dieselben Gesellschafter beteiligt waren, ihr Beteiligungsverhältnis aber voneinander abwich (vgl. BFH-Urteile vom 23.Oktober 1968 I 228/65, BFHE 94, 373, BStBl II 1969, 243; in BFHE 91, 239, BStBl II 1968, 322; siehe auch Urteile des Reichsfinanzhofs vom 4.Juli 1932 I A 3/32, Steuer und Wirtschaft --StuW-- 1932, Nr.1178, und vom 29.April 1935 I A 63/35, StuW 1935, Nr.369). Im Streitfall ist nicht anders zu entscheiden.
Fundstellen
Haufe-Index 61019 |
BStBl II 1985, 635 |
BFHE 144, 166 |
BFHE 1986, 166 |
DB 1985, 2081-2082 (ST) |
DStR 1985, 642-642 (S) |
HFR 1986, 572-573 (ST) |