Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterstützungskassen; soziale Einrichtung gemäß Satzung oder Leistungsplan; zulässiges Kassenvermögen
Leitsatz (amtlich)
1. Unterstützungskassen können nicht nur durch einen „Geschäftsplan”, sondern auch durch ihre Satzung oder durch einen Leistungsplan sicherstellen, daß es sich um eine soziale Einrichtung handelt.
2. Gewährt eine Unterstützungskasse laufende Leistungen, so ist das zulässige Kassenvermögen (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. e KStG 1977) auch dann auf der Grundlage der durchschnittlich gewährten Leistungen zu ermitteln, wenn die Kasse nur in wenigen Fällen laufende Leistungen gewährt.
Orientierungssatz
1. Für die Steuerbefreiung einer Unterstützungskasse ist neben weiteren Voraussetzungen hinsichtlich der Verwendung der Mittel eine beratende Mitwirkung der Betriebszugehörigen über einen Beirat ausreichend (vgl. BFH-Urteil vom 24.6.1981 I R 143/78; Literatur).
2. Dem Zweck des § 64 Abs. 1 Satz 1 FGO kann auch auf andere Weise entsprochen werden als durch eigenhändige Unterzeichnung des maßgebenden Schriftsatzes durch den Verfasser. Es muß allerdings feststehen, daß es sich bei dem Schriftstück nicht um einen Entwurf handelt, sondern daß es mit Wissen und Wollen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist (vgl. BFH-Rechtsprechung und BVerwG-Rechtsprechung). Im Streitfall waren den beiden –nicht unterzeichneten– Klageschriften jeweils zwei getrennte Vollmachtsurkunden beigefügt, in denen der klägerische Bevollmächtigte zur Vertretung bevollmächtigt wurde. Die Vollmachten waren vom gesetzlichen Vertreter des Klägers (eines Vereins) unterschrieben. Bereits diese Urkunden erfüllten die Voraussetzung einer wirksamen Klageerhebung.
Normenkette
KStG 1977 § 5 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. e, § 6 Abs. 5; EStG § 4d Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b, Nr. 1 S. 4; FGO § 64 Abs. 1 S. 1; VStG § 3 Abs. 1 Nr. 5; KStG 1975 § 4 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. b, § 4a
Tatbestand
I. Streitig ist, ob das Vermögen des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) überdotiert ist, weil ein Leistungsplan fehlt.
Der Kläger wurde mit Satzung vom 20. Dezember 1956 errichtet. Nach § 3 der Satzung bezweckt er die freiwillige, einmalige, wiederholte oder laufende Unterstützung von Belegschaftsmitgliedern oder ehemaligen Belegschaftsmitgliedern der Firma A. Nach § 6 der Satzung kommen als Leistungsempfänger in Betracht die Belegschaftsmitglieder und ehemaligen Belegschaftsmitglieder, die seit mindestens drei Jahren in einem Arbeitsverhältnis stehen. Auch Angehörige der Belegschaftsmitglieder können unterstützt werden. Die Mehrzahl der Leistungsempfänger darf sich nicht aus Inhabern der Firma A oder deren Familienangehörigen zusammensetzen. Die Unterstützungen werden nach § 6 Abs. 1 Satz 4 der Satzung in Fällen unverschuldeter Not, Krankheit und Arbeitslosigkeit gezahlt. Außerdem können laufende Leistungen zur Altersversorgung gezahlt werden. In diesem Fall dürfen die Leistungen die in § 6 Abs. 1 Satz 7 der Satzung im einzelnen aufgeführten Höchstbeträge des § 11 Nr. 2 Buchst. b der Körperschaftsteuer-Durchführungsverordnung (KStDV) nicht überschreiten. Die Höhe der Unterstützungen soll nach § 6 Abs. 2 der Satzung u.a. den wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen der Leistungsempfänger und der Dauer der Betriebszugehörigkeit angepaßt werden. Die Satzung enthält eine Einkommensobergrenze der Leistungsempfänger. Alle Leistungen werden gemäß § 6 Abs. 3 der Satzung freiwillig und mit der Möglichkeit des jederzeitigen Widerrufs gewährt. Bei der Verwendung der Mittel des Klägers wirkt gemäß § 9 Abs. 2 der Satzung ein Beirat beratend mit. Der Beirat besteht aus drei Personen, von denen wenigstens eine dem Betriebsrat angehören soll (§ 9 Abs. 1 der Satzung).
Für den Fall der Auflösung des Klägers bestimmt § 12 der Satzung, daß das Kassenvermögen nur den Leistungsempfängern oder deren Angehörigen zufällt. Sollten in diesem Zeitpunkt keine Leistungsempfänger vorhanden sein, fällt das Vermögen an eine gemeinnützige Institution.
Im Bericht über eine Betriebsprüfung der Jahre 1956 bis 1961 vertrat der Prüfer die Auffassung, der Hinweis in § 6 der Satzung auf Bestimmungen der KStDV genüge nicht, um sicherzustellen, daß der Betrieb der Kasse eine soziale Einrichtung darstelle. Zweckmäßigerweise werde deshalb in Zukunft ein Leistungsplan für die laufenden Leistungen aufgestellt. Im Prüfungszeitraum seien keine laufenden Leistungen erbracht worden. Für die Vergangenheit könne die Steuerfreiheit belassen werden.
Im Bericht über die Betriebsprüfung 1971 (Veranlagungszeiträume 1966 bis 1968) ist festgestellt, daß die Leistungen des Klägers seiner Satzung entsprächen. Der Kläger sei von der Körperschaftsteuer, der Gewerbesteuer und der Vermögensteuer befreit.
Über die Betriebsprüfung für die Jahre 1972 bis 1975 erstellte der Prüfer am 27. September 1977 einen Aktenvermerk. Darin heißt es, steuerschädliche Feststellungen hätten sich für den Prüfungszeitraum nicht ergeben. Der Kläger habe zwar keinen Leistungsplan erstellt, jedoch seien nach der Satzung laufende Leistungen vorgesehen. In zwei Fällen würden auch laufende Leistungen erbracht. Deshalb könne im Prüfungszeitraum das zulässige Kassenvermögen unter Berücksichtigung eines Reservepolsters für laufende Leistungen berechnet werden. Ab 1977 könne ein Reservepolster für laufende Leistungen nur berücksichtigt werden, wenn ein Leistungsplan erstellt werde.
In der Anlage zu seiner am 30. Dezember 1977 beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt –FA–) eingegangenen Körperschaftsteuererklärung 1976 berechnete der Kläger sein Reservepolster im Kassenvermögen für laufende Leistungen anhand einer Durchschnittsrente von 780 DM bei 153 Leistungsanwärtern auf 238 680 DM. Hieraus ergab sich eine Überdotierung am 31. Dezember 1976 von 35 275 DM *= 8,88 v.H. des Kassenvermögens. Im Körperschaftsteuerbescheid 1976 und im Vermögensteuerbescheid 1976 setzte das FA die Körperschaftsteuer 1976 auf 627 DM und die Vermögensteuer 1977 auf 250 DM fest.
Für die Veranlagungszeiträume 1977 und 1978 setzte das FA die Körperschaftsteuer auf 0 DM fest, da die aus der Überdotierung errechneten Einkommen den Freibetrag des § 24 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1977 nicht überschritten.
In den am 27. Oktober 1980 beim FA eingegangen Erklärungen zur Körperschaftsteuer 1979 und zur Vermögensteuer 1980 berechnete der Kläger bei einer Durchschnittsrente von 960 DM und 137 Leistungsanwärtern sein Reservepolster für laufende Leistungen auf 263 040 DM. Daraus ergab sich eine Überdotierung von 58 370 DM *= 13,09 v.H. des Kassenvermögens. Das FA setzte im Bescheid vom 8. Januar 1981 die Körperschaftsteuer 1979 auf der Grundlage eines Einkommens von 2 735 DM auf 0 DM fest. Die Vermögensteuer 1980 wurde durch Bescheid vom 10. April 1981 auf 336 DM festgesetzt.
Bei der Außenprüfung für die Jahre 1976 bis 1979 vertrat der Prüfer in der Prüfernotiz vom 10. Juli 1981 die Meinung, ein Polster für die Rentenanwärter könne mangels abgrenzbarer Zahl der Anwärter nicht mehr zugelassen werden, da der Kläger entgegen der Aufforderung durch die letzte Betriebsprüfung keinen Leistungsplan aufgestellt habe. Der Kläger sei in der Prüfernotiz vom 8. September 1977 auf diese Anmeldepflicht hingewiesen worden. Bei der Berechnung des zulässigen Kassenvermögens berücksichtigte der Prüfer nur ein Deckungskapital für laufende Leistungen und ein Reservepolster für Einmalleistungen. Daraus ergaben sich Überdotierungen in Höhe von 335 151 DM *= 86,19 v.H. des Kassenvermögens (1976), 341 948 DM *= 86,76 v.H. des Kassenvermögens (1977), 344 942 DM *= 86,23 v.H. des Kassenvermögens (1978) und 349 003 DM *= 85,94 v.H. des Kassenvermögens (1979).
Das FA änderte dementsprechend die Körperschaftsteuerbescheide für 1976 bis 1979 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) und setzte mit Sammelbescheid vom 7. Juli 1982 die Körperschaftsteuer 1976 auf 7 830 DM, 1977 auf 7 655 DM, 1978 auf 8 100 DM und 1979 auf 8 560 DM sowie die Ergänzungsabgabe 1976 auf 234 DM fest. Durch Bescheide vom gleichen Tage wurde die Vermögensteuer 1977 auf 3 250 DM, ab 1. Januar 1978 auf je 2 275 DM und ab 1. Januar 1980 auf je 2 380 DM festgesetzt.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren reichte der Bevollmächtigte des Klägers gegen die Körperschaftsteuer- und Vermögensteuerbescheide zwei Klagen beim Finanzgericht (FG) ein. Die Klageschriften waren nicht unterzeichnet. Ihnen lagen je zwei vom Vorstandsvorsitzenden des Klägers unterschriebene Vollmachten bei, in denen der Bevollmächtigte zur Klageerhebung gegen das FA wegen Körperschaftsteuer 1976 bis 1979 und wegen Vermögensteuer 1977 bis 1980 bevollmächtigt wurde.
Das FG hob auf die Klagen die Körperschaftsteuerbescheide und den Vermögensteuerbescheid jeweils vom 7. Juli 1982 in Gestalt der Einspruchsentscheidungen auf. Es setzte die Vermögensteuer 1978 und 1979 auf je 238 DM und die Vermögensteuer 1980 auf 567 DM fest.
Das FA stützt seine Revision auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
a) Die Klage sei unzulässig.
Die Prozeßvollmacht, die der –nicht unterschriebenen– Klageschrift beigefügt gewesen sei, könne den Willen zur Klageerhebung nicht belegen.
b) Materiell-rechtlich führe die Auffassung des FG zu unberechtigten Ergebnissen, wenn das FG als Anwärter alle Personen werte, die nicht als Gruppe ausgeschlossen seien. Die nach der Satzung möglichen Leistungen dürften nicht von willkürlichen Einzelfallentscheidungen abhängen. Zwar müsse für die pauschale Bildung des Reservepolsters nicht jede Rente betragsmäßig berechenbar sein. Es müsse aber feststellbar sein, wer unter welchen Voraussetzungen eine Rente erhalten könne. Das sei nur möglich, wenn wenigstens ein Leistungsplan bestehe.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision des FA zurückzuweisen.
Die Klage sei nach den bindenden Feststellungen des FG wirksam eingelegt. Materiell-rechtlich könne nach dem Gesetz ein Leistungsplan nicht gefordert werden.
Entscheidungsgründe
II. Die Revisionen I R 22/87 und I R 23/87 werden zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbunden (§ 121, § 73 der Finanzgerichtsordnung –FGO–).
Die Revisionen sind unbegründet. Sie waren zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).
1. Das FG hat die Klagen ohne Rechtsirrtum als zulässig angesehen.
aa) Gemäß § 64 Abs. 1 Satz 1 FGO muß die Klage schriftlich erhoben werden. Schriftlichkeit bedeutet nach ständiger Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte eine eigenhändige Unterschrift (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 16. Januar 1986 III R 50/84, BStBl II 1986, 489 f. m.w.N.). Die Unterschrift muß grundsätzlich vom Verfasser der Klageschrift vollzogen sein. Diese Voraussetzung erfüllten die vom klägerischen Prozeßbevollmächtigten nicht unterzeichneten Klageschriften nicht.
bb) Der Kläger hat die Klage jedoch gleichwohl wirksam erhoben.
Nach dem Beschluß des Großen Senats des BFH vom 5. November 1973 GrS 2/72 (BFHE 111, 278, BStBl II 1974, 242) sind Verfahrensvorschriften im Zweifel so auszulegen, daß sie –wenn irgend vertretbar– eine Entscheidung wegen der materiellen Rechtslage ermöglichen. Der BFH hat deshalb in mehreren Urteilen entschieden, daß dem Zweck des § 64 Abs. 1 Satz 1 FGO auch auf andere Weise entsprochen werden kann, als durch eigenhändige Unterzeichnung des maßgebenden Schriftsatzes durch dessen Verfasser (BFH-Urteil vom 3. Oktober 1986 III 207/81, BFHE 148, 205, BStBl II 1987, 131 m.w.N.). Es muß allerdings feststehen, daß es sich bei dem Schriftstück nicht um einen Entwurf handelt, sondern daß es mit Wissen und Wollen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist (BFH in BFHE 148, 205, BStBl II 1987, 131; vgl. auch Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts –BVerwG– vom 26. Juni 1980 7 B 160.79, Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, 310, § 81 VwGO Nr. 8).
cc) Den Klageschriften waren jeweils zwei getrennte Vollmachtsurkunden beigefügt, in denen der klägerische Bevollmächtigte zur Vertretung „in der Klage gegen das Finanzamt … wegen Körperschaftsteuer 1976 – 1979” und zur Vertretung „in der Klage gegen das Finanzamt … wegen Vermögensteuer 1977 – 1980” bevollmächtigt wurde. Die Vollmachten waren vom Vorsitzenden des Vorstands des Klägers unterschrieben.
Der Senat teilt die Auffassung des FG, daß bereits diese Urkunden die Voraussetzungen einer wirksamen Klageerhebung erfüllen. Sie dokumentieren eindeutig den Willen des Klägers, die näher bezeichneten Steuerveranlagungen durch Klage anzufechten. Im übrigen ist die Verbindung zu den vom Bevollmächtigten eingereichten Klageschriften so eng, daß sie als Bestandteil der Klagen angesehen werden können. Die den Klagen beigefügten Vollmachtsurkunden tragen das gleiche Datum wie die Klageschriften, beziehen sich ausdrücklich auf die gleichen Steuerarten und Veranlagungszeiträume wie die Klageschrift und benennen den gleichen Beklagten. Unter diesen Umständen waren die Klageschriften ohne weitere Beweiserhebung als vom Kläger autorisierte Eingaben zu erkennen (vgl. BFH in BFHE 148, 205, BStBl II 1987, 131).
2. Der Kläger ist von der Körperschaftsteuer und der Vermögensteuer befreit, soweit sein Kassenvermögen nicht überdotiert ist.
a) Rechtsfähige Unterstützungskassen waren in den Streitjahren unter den Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 7, § 4a KStG 1975; §§ 9, 11 KStDV 1968; § 5 Abs. 1 Nr. 3 KStG 1977, §§ 1, 3 KStDV 1977 von der Körperschaftsteuer befreit. Unter den gleichen Voraussetzungen waren rechtsfähige Unterstützungskassen auch von der Vermögensteuer befreit. § 3 Abs. 1 Nr. 5 des Vermögensteuergesetzes (VStG) i.d.F. des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) vom 19. Dezember 1974 (BGBl I 1974, 3610) und in der Fassung des Einführungsgesetzes zum Körperschaftsteuerreformgesetz (KStRG) vom 6. September 1976 (BGBl I 1976, 2641) verweist jeweils auf die Befreiungsvorschriften des KStG.
b) Die Steuerbefreiung setzt voraus, daß sichergestellt ist, daß der Betrieb der Kasse „nach dem Geschäftsplan und nach Art und Höhe der Leistungen eine soziale Einrichtung darstellt” (§ 4 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. b KStG 1975; § 5 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b KStG 1977). Das Erfordernis eines „Geschäftsplans” bedarf für Unterstützungskassen der Auslegung.
Die Verwendung des Wortes „Geschäftsplan” weist in erster Linie auf Pensionskassen hin, die als Versicherungsunternehmen dem Gesetz über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen –VAG– unterliegen und gemäß § 5 Abs. 2 VAG zur Aufstellung eines „Geschäftsplanes” verpflichtet sind.
Das VAG gilt nicht für Unterstützungskassen. Da sie ihren Empfängern keinen Rechtsanspruch gewähren, unterliegen sie nicht der Versicherungsaufsicht (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 VAG). Im Schrifttum und in Verwaltungsanweisungen wird deshalb die Auffassung vertreten, Unterstützungskassen könnten auch in anderer Weise als durch einen „Geschäftsplan” sicherstellen, daß der Betrieb der Kasse eine soziale Einrichtung ist (vgl. Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 5 KStG Rz. 85; Gail/Goutier/Grützner, Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 5 Rz. 33; Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, Die Körperschaftsteuer, Kommentar, § 5 Rz. 12; Kläschen, Körperschaftsteuergesetz 1977, § 5 Rz. 25; Frotscher/Maas, Kommentar zum Körperschaftsteuergesetz, § 5 Rz. 34; Abschn. 16 Abs. 8 der Körperschaftsteuer-Richtlinien –KStR– 1969; Abschn. 6 Abs. 13 KStR 1977; Abschn. 6 Abs. 14 KStR 1985).
Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an. Allerdings muß eine Sicherstellung des sozialen Charakters in Regelungen enthalten sein, die unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse einer Unterstützungskasse nach Zielsetzung, Bindungswirkung und Überprüfbarkeit mit dem Geschäftsplan eines Versicherungsunternehmens vergleichbar sind. Nur so kann dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers entsprochen werden, durch eine intern bindende Regelung den sozialen Charakter der Unterstützungskasse festzuschreiben.
Das FG hat hierzu ohne Rechtsirrtum ausgeführt, daß eine solche Festschreibung bei einer als eingetragener Verein organisierten Unterstützungskasse durch die Satzung oder durch einen sog. Leistungsplan geschehen kann. Beide Formen begründen für die Dauer ihrer Gültigkeit einen die Organe der Kasse bindenden Entscheidungsrahmen.
c) Die in der Satzung des Klägers enthaltenen Regelungen sichern den „sozialen Charakter der Einrichtung” in ausreichendem Maße.
Der Begriff „soziale Einrichtung” ist im Gesetz nicht definiert. Er läßt sich jedoch aus den ergänzenden Bestimmungen der §§ 9 bis 11 KStDV 1968, des § 5 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b Satz 2 KStG 1977 und aus den §§ 1 bis 3 KStDV 1977 ableiten.
Diese ergänzenden Bestimmungen fordern übereinstimmend, daß
- Leistungen nur an Betriebszugehörige oder deren Angehörige gewährt werden (§ 9 Nr. 1 KStDV 1968, § 5 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a KStG 1977),
- die Leistungsempfänger sich nicht in der Mehrzahl aus den Gesellschaftern oder deren Angehörigen zusammensetzen (§ 9 Nr. 2 KStDV 1968, § 1 Nr. 1 KStDV 1977),
- bei Auflösung der Kasse deren Vermögen den Leistungsempfängern oder deren Angehörigen zugute kommt, oder für gemeinnützige oder mildtätige Zwecke verwendet wird (§ 9 Nr. 3 KStDV 1968, § 1 Nr. 2 KStDV 1977),
- den Leistungsempfängern oder den Arbeitnehmervertretungen des Betriebs satzungsmäßig und tatsächlich das Recht zusteht, bei der Verwaltung der Kassenmittel beratend mitzuwirken (§ 11 Nr. 3 KStDV 1968, § 3 Nr. 2 KStDV 1977) und
- die Leistungen bestimmte Beträge nicht überschreiten (§§ 11 Nr. 4, 10 Abs. 2 und 3 KStDV 1968, § 3 Nr. 3, § 2 KStDV 1977).
Aus diesen für die tatsächliche Geschäftsführung geltenden Bestimmungen sind die Kriterien einer „sozialen Einrichtung” i.S. des Körperschaftsteuerrechts zu entnehmen. Sie müssen nicht nur in der tatsächlichen Geschäftsführung erfüllt werden, sondern gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. b KStG 1975, § 5 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b KStG 1977 bereits im voraus gesichert sein.
d) Die Satzung des Klägers entspricht diesen Voraussetzungen.
aa) In § 6 Abs. 1 der Satzung sind Leistungen nur für Betriebszugehörige, frühere Betriebszugehörige und deren Angehörige vorgesehen.
bb) Es ist ausgeschlossen, daß die Leistungsempfänger sich mehrheitlich aus den Unternehmensinhabern oder deren Familienangehörigen zusammensetzen (§ 6 Abs. 1 Satz 4 der Satzung).
cc) In der Satzung des Klägers ist ferner gesichert, daß das Kassenvermögen bei Auflösung der Kasse für die Leistungsempfänger verwendet wird (§ 12 der Satzung). Sollten Leistungsempfänger nicht vorhanden sein, sichert die Satzung die Verwendung für gemeinnützige Zwecke.
dd) Die Satzung des Klägers bestimmt ferner, daß bei Verwendung seiner Mittel ein Beirat beratend mitwirkt, dem zumindest ein Mitglied des Betriebsrats angehören soll (§ 9). Damit ist –übereinstimmend mit § 11 Nr. 3 KStDV 1968, § 3 Nr. 2 KStDV 1977– sichergestellt, daß die Betriebszugehörigen bei der Verteilung der Mittel beratend mitwirken. Abweichend von den Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes ist für die Steuerbefreiung nicht erforderlich, daß der Betriebsrat im Vorstand der Unterstützungskasse mitwirkt (vgl. § 87 Abs. 1 Nr. 8 des Betriebsverfassungsgesetzes). Nachdem der Verordnungsgeber die Bestimmungen der §§ 11 Nr. 3 KStDV 1968, 3 Nr. 2 KStDV 1977 auch nach Inkrafttreten des Betriebsverfassungsgesetzes aufrechterhalten oder neu erlassen hat, ist davon auszugehen, daß für die Steuerbefreiung eine beratende Mitwirkung der Betriebszugehörigen über einen Beirat ausreichend ist (BFH-Urteil vom 24. Juni 1981 I R 143/78, BFHE 133, 535, 538, BStBl II 1981, 749; Blümich/Freericks, Einkommensteuergesetz/Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 5 KStG, Rz. 36).
ee) Schließlich sichert die Satzung, daß die laufenden Leistungen die bei Erlaß der Satzung gültigen Höchstgrenzen der KStDV nicht überschreiten. Damit sind sozial nicht vertretbare, überhöhte Leistungen an einzelne Betriebszugehörige ausgeschlossen.
e) Gegen das Erfordernis eines weitergehenden detaillierten Leistungsplans spricht auch der Charakter der Unterstützungskasse als einer Einrichtung, die keine Rechtsansprüche gewährt (§ 1 Abs. 2 VAG, §§ 10, 11 KStDV 1968, § 5 Abs. 1 Nr. 3 KStG 1977).
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) kann ein auf § 242 oder auf § 328 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) beruhender Rechtsanspruch der Leistungsempfänger entstehen, wenn die Versorgungseinrichtung einen Vertrauenstatbestand begründet oder wenn ein Vertrag zugunsten der Arbeitnehmer zwischen dem Trägerunternehmen und der Unterstützungskasse besteht (vgl. BAG-Urteile vom 10. November 1977 3 AZR 705/76, Arbeitsrechtliche Praxis –AP– Nr. 8 zu § 242 BGB, Ruhegehalt-UKasse; vom 13. Juli 1978 3 AZR 278/77, AP Nr. 4 zu § 1 BetrAVG, Wartezeit; vom 14. August 1980 3 AZR 437/79, AP Nr. 12 zu § 242 BGB, Ruhegehalt-UKasse). Der Inhalt eines solchen Rechtsanspruchs richtet sich nach den „Richtlinien” der betreffenden Unterstützungskasse (BAG in AP Nr. 4 zu § 1 BetrAVG-Wartezeit). Die Festlegung von Leistungen in einem „Leistungsplan” könnte Rechtsansprüche auslösen und damit den Charakter der Unterstützungskasse gefährden.
3. Auch im Hinblick auf die Berechenbarkeit des zulässigen Kassenvermögens (§ 4 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. d, § 4a KStG 1975, § 5 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. d, § 6 KStG 1977) bedarf es im Streitfall keines detaillierten Leistungsplans.
Das FG hat zutreffend darauf hingewiesen, daß das zulässige Kassenvermögen gemäß §§ 4a Abs. 5, 4 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. e KStG 1975, §§ 6 Abs. 5, 5 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. e KStG 1977 i.V.m. § 4d Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) schwierig zu ermitteln ist, wenn keine laufenden Leistungen gewährt werden und das sog. Reservepolster aufgrund möglicher Leistungen an Leistungsanwärter ohne Leistungsplan zu berechnen wäre (vgl. § 4d Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b Satz 2 EStG). Werden jedoch –wie im Streitfall– laufende Leistungen gewährt, schreibt das Gesetz zwingend eine Berechnung auf der Grundlage der durchschnittlich gewährten Leistungen vor (§ 4d Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b EStG). Ein Leistungsplan ist für die Berechnung des zulässigen Kassenvermögens nicht erforderlich.
4. Das FG hat das zulässige Kassenvermögen zutreffend ermittelt. Für die vom FA angewandte Berechnung unter Ausschluß der nach der Satzung möglichen Leistungsempfänger enthält das Gesetz keine Grundlage. Der Durchschnittsbetrag der von der Kasse im Wirtschaftsjahr gewährten Leistungen ist nach der insoweit eindeutigen gesetzlichen Regelung mit der Zahl aller Leistungsanwärter zu vervielfachen (§ 4d Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b Satz 1 EStG i.V.m. §§ 4a Abs. 5, 4 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. e KStG 1975 und i.V.m. §§ 6 Abs. 5, 5 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. e KStG 1977).
Leistungsanwärter sind alle in der Satzung als mögliche Leistungsempfänger genannten Personen. Das sind im Streitfall alle Betriebsangehörigen. Aus dem Umstand, daß der Kläger in den Streitjahren nur an zwei Betriebsangehörige laufende Renten bezahlt hat, kann nicht auf die fehlende Ernstlichkeit der Satzungsbestimmungen geschlossen werden. Die Zahl der laufenden Renten kann durch die Altersstruktur der Betriebszugehörigen oder durch das Fehlen aktueller Notlagen unter den Betriebsangehörigen bestimmt sein.
Fundstellen
Haufe-Index 557353 |
BFH/NV 1990, 86 |
BStBl II 1990, 1088 |
BFHE 161, 379 |
BFHE 1991, 379 |
BB 1990, 2254 (L) |
BB 1990, 2465-2467 (LT) |
DStR 1991, 645 (KT) |
HFR 1991, 164 (LT) |
StE 1990, 410 (K) |