Entscheidungsstichwort (Thema)
Schuldzinsen zur Finanzierung des Erwerbs von GmbH-Anteilen; keine Bindung des FA an eine als falsch erkannte Rechtsauffassung
Leitsatz (NV)
1. Schuldzinsen für Kredite, die der Finanzierung von Anschaffungskosten einer GmbH-Beteiligung dienen, sind nur solange als Werbungskosten abziehbar, wie die finanzierten Anteile vom Steuerpflichtigen gehalten werden.
2. Schuldzinsen, die der Gesellschaftergeschäftsführer zur Finanzierung des Erwerbs der GmbH-Anteile leistet, sind, wenn die Beteiligung nicht wegen unbedeutenden Umfangs vernachlässigt werden kann, grundsätzlich nicht durch den Beruf, sondern durch die Gesellschafterstellung veranlaßt.
3. Aufwendungen eines Angehörigen eines freien Berufs, der seinen Gewinn aus selbständiger Arbeit gemäß § 4 Abs. 3 EStG ermittelt, auf eine Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft sind nur dann als Betriebsausgaben bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit abzugsfähig, wenn die Beteiligung an der Kapitalgesellschaft betrieblich veranlaßt ist und deshalb die Eigenschaft von notwendigem Betriebsvermögen hat.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 Nr. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 1, §§ 19, 18 Abs. 1 Nr. 1, § 4 Abs. 4
Tatbestand
Die Revisionsbeklagte führt als Rechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehemannes (des Klägers) den Rechtsstreit fort.
Der Kläger hatte 1957 gemeinsam mit einem weiteren Gesellschafter die X-GmbH (GmbH), eine Baugesellschaft, gegründet. Beide Gesellschafter wurden zu Geschäftsführern bestellt. Im Jahr 1967 nahmen der Kläger und die mit ihm zur Einkommensteuer zusammenveranlagte Revisionsbeklagte zwei Darlehen in Höhe von . . . DM und . . . DM auf und stellten die Auszahlungsbeträge im wesentlichen der GmbH, die sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befand, zur Verfügung.
Am 29. Januar 1968 übertrug der Kläger seine GmbH-Anteile auf einen Neugesellschafter, von dem er in einem späteren Rechtsstreit ohne Erfolg die Freistellung von den obigen Darlehensverbindlichkeiten begehrte. Der Kläger schied am 31. Januar 1968 aus seiner Anstellung als Geschäftsführer der GmbH aus. Er eröffnete lt. Gewerbeanmeldung am 5. April 1968 ein Ingenieurbüro für Straßen-, Kanal- und Tiefbau mit angeschlossener Hochbauabteilung. Im Anhörungsbogen des Beklagten und Revisionsklägers (Finanzamt - FA -) hatte er am 29. April 1968 angegeben, das Ingenieurbüro seit 1. Februar 1968 zu betreiben und deshalb Umsatz und Gewinn noch nicht schätzen zu können.
Ab dem Veranlagungsjahr 1968 erklärte der Kläger Einkünfte aus selbständiger Arbeit und machte bei der Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) die auf die Darlehen geleisteten Zinsen und Tilgungsraten als Betriebsausgaben geltend. Das FA führte die Einkommensteuerveranlagungen den Steuererklärungen entsprechend durch, auch nachdem es die Zinsen und Tilgungsraten für die Veranlagungsjahre 1972 und 1973 auf ihre Abzugsfähigkeit hin überprüft hatte.
Nach einer Betriebsprüfung für die Jahre 1975 bis 1977 gelangte das FA zu einer anderen Rechtsauffassung. Es änderte den unter Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Einkommensteuerbescheid 1976 und erließ den Einkommensteuerbescheid 1978, ohne die geltend gemachten Zins- und Tilgungsleistungen als Betriebsausgaben zu berücksichtigen. In den wegen weiterer Prüfungsfeststellungen geänderten Einkommensteuerbescheiden 1975 und 1977 beließ es das FA hingegen beim Betriebsausgabenabzug, da es insoweit keine Änderungsmöglichkeit der endgültigen Steuerfestsetzungen sah.
Die gegen die geänderten Einkommensteuerbescheide 1975 bis 1977 sowie den Einkommensteuerbescheid 1978 erhobenen Einsprüche blieben im wesentlichen ohne Erfolg.
Im anschließenden Klageverfahren hat der Kläger seinen Antrag hauptsächlich damit begründet, daß er bereits seit 1960 neben seiner Anstellung als Geschäftsführer der GmbH auch als Architekt und Bauleiter freiberuflich tätig gewesen sei. Der Betrieb der GmbH habe seine freiberufliche Tätigkeit gefördert. Unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 23. November 1978 IV R 146/75 (BFHE 126, 298, BStBl II 1979, 109) habe es sich bei seiner Beteiligung an der GmbH um notwendiges Betriebsvermögen gehandelt, so daß die Darlehensaufwendungen als Betriebsausgaben abzugsfähig seien. Daneben hat der Kläger unter Vorlage entsprechender Steuerbescheinigungen für die Jahre 1975 bis 1977 erstmals die Berücksichtigung von Zuwendungen an politische Parteien von jeweils 1200 DM beantragt.
Die Klage hatte teilweise Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) sah die Zinsleistungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 1 EStG an. Dagegen entfalle eine steuerliche Berücksichtigung der Tilgungsbeträge als Werbungskosten, da die Tilgung der Darlehen einen einkommensteuerlich nicht relevanten Vorgang auf der Vermögensebene darstelle.
Ausgehend von der Einspruchsentscheidung des FA ermittelte das FG das zu versteuernde Einkommen, indem es für die Streitjahre 1976 und 1978 die vom Kläger geleisteten Zinszahlungen als weitere Werbungskosten anerkannte und für 1976 die geltend gemachten Sonderausgaben nach § 10b Abs. 2 Satz 1 EStG berücksichtigte.
Das FA wendet sich gegen die Vorentscheidung mit der - vom erkennenden Senat zugelassenen - Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils hinsichtlich der Einkommensteuerbescheide 1976 und 1978, zur Festsetzung der Einkommensteuer 1976 unter Berücksichtigung der vom Kläger geleisteten Spenden und zur Abweisung der weitergehenden Klage (§ 126 Abs. 3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Die vom Kläger geleisteten Schuldzinsen können unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einkommensmindernd berücksichtigt werden. Auf die Zuordnung der GmbH-Anteile des Klägers zu dessen Privat- oder Betriebsvermögen kommt es hierbei nicht an.
1. Die Schuldzinsen stellen keine nachträglichen Werbungskosten im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen dar (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr.1, § 20 Abs. 1 Nr.1 EStG).
Grundsätzlich sind Schuldzinsen Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen, wenn die Schuldzinsen für Kredite zu zahlen sind, die der Finanzierung von Anschaffungskosten der Beteiligung an einer GmbH dienen. Zu den Anschaffungskosten der Beteiligung gehören auch nachträgliche Aufwendungen auf diese Beteiligung, wozu auch die fremdfinanzierten, endgültig verlorengegangenen Leistungen des Klägers an die GmbH zu rechnen sind. Nach ständiger Rechtsprechung (BFH-Urteile vom 31. Juli 1991 VIII R 67/88, BFH/NV 1992, 33 sowie vom 9. August 1983 VIII R 276/82, BFHE 139, 257, BStBl II 1984, 29, m.w.N.) sind Schuldzinsen für Kredite im Zusammenhang mit dem Erwerb von Aktien oder GmbH-Anteilen jedoch nur solange als Werbungskosten abziehbar, wie die finanzierten Anteile beim Steuerpflichtigen noch vorhanden sind. Mit dem Ausscheiden der Beteiligung aus dem Vermögen des Klägers ist der Zusammenhang zwischen den Finanzierungskosten für die Beteiligung und den Erträgen aus der Beteiligung abgebrochen.
Zwar können auch Schuldzinsen nachträgliche Werbungskosten bei der Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen sein. Voraussetzung hierfür ist jedoch, daß es sich um rückständige Zinsen handelt, die auf die Zeit der Kapitalüberlassung, also auf die Zeit bis zur Veräußerung der Gesellschaftsanteile, entfallen. Schuldzinsen, die auf die Zeit nach der Veräußerung der Gesellschaftsanteile entfallen, sind keine nachträglichen Werbungskosten.
Entsprechendes gilt im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 21 EStG (hierzu grundlegend BFH-Urteil vom 21. Dezember 1982 VIII R 48/82, BFHE 138, 47, BStBl II 1983, 373; s. auch BFH-Urteil vom 12. November 1991 IX R 15/90, BFHE 166, 219, BStBl II 1992, 289).
Zur Begründung der gegenteiligen Auffassung hat das FG zu Unrecht auf das BFH-Urteil vom 21. Juli 1981 VIII R 154/76 (BFHE 134, 113, BStBl II 1982, 37) Bezug genommen. Dieses Urteil befaßt sich wie das Urteil vom 21. Juli 1981 VIII R 128/76 (BFHE 134, 119, BStBl II 1982, 36) mit der hier nicht entscheidungserheblichen Frage, ob in dem jeweils entschiedenen Fall der Erwerb der GmbH-Anteile durch die Erzielung steuerpflichtiger Einkünfte veranlaßt oder die Absicht der Erzielung eines alsbaldigen Veräußerungsgewinns maßgebend war. Hiernach ist im Hinblick auf Kreditkosten, wie die Vorentscheidung zwar zutreffend ausführt, auf den Zweck der Schuldaufnahme abzustellen. Der Kläger hat jedoch mit der Veräußerung der GmbH-Anteile die konkrete Absicht, Einkünfte aus Kapitalvermögen zu erzielen, aufgegeben.
2. Die vom Kläger gezahlten Schuldzinsen können - worauf das FG in der Vorentscheidung nicht eingegangen ist - auch nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abgezogen werden. Nach der Rechtsprechung des BFH sind diesbezügliche Werbungskosten i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG alle Aufwendungen, die durch den Beruf veranlaßt sind (vgl. Beschluß vom 27. November 1978 GrS 8/77, BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213, m.w.N.). Eine berufliche Veranlassung ist bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit grundsätzlich anzunehmen, wenn objektiv ein Zusammenhang mit dem Beruf besteht und subjektiv die Aufwendungen zur Förderung des Berufs gemacht werden (BFH-Urteile vom 20. Dezember 1988 VI R 55/84, BFH/NV 1990, 23, und vom 4. Juli 1986 VI R 227/83, BFHE 147, 161, BStBl II 1986, 771, m.w.N.). Dabei setzen Werbungskosten stets einen solchen objektiven Zusammenhang voraus, während die subjektive Absicht, mit der Ausgabe den Beruf zu fördern, kein in jedem Fall notwendiges Merkmal des Werbungskostenbegriffs ist (BFH-Urteil vom 28. November 1980 VI R 193/77, BFHE 132, 431, BStBl II 1981, 368). Diese Grundsätze gelten auch für nachträgliche Werbungskosten, die entstehen können, wenn der Arbeitnehmer nach Beendigung des Dienstverhältnisses Aufwendungen im Zusammenhang mit diesem erbringen muß. In diesem Fall muß bereits zu dem Zeitpunkt, in dem der Grund für die Aufwendungen gelegt wird, der berufliche Zusammenhang bestehen. Im Streitfall war der Kläger allerdings nicht nur Arbeitnehmer der GmbH, sondern auch deren Gesellschafter. In diesem wie auch in vergleichbaren Fällen ist, wenn die Beteiligung nicht wegen unbedeutenden Umfangs vernachlässigt werden kann, die Aufwendung nicht durch den Beruf des Steuerpflichtigen, sondern durch seine Gesellschafterstellung veranlaßt. Von einer durch das Arbeitsverhältnis veranlaßten Aufwendung kann nur beim Vorliegen besonderer Umstände im Einzelfall ausgegangen werden, die hier nicht gegeben sind (vgl. BFH-Urteil vom 1. Dezember 1961 VI 306/60 U, BFHE 74, 163, BStBl III 1962, 63).
3. Die vom Kläger gezahlten Schuldzinsen bilden auch keine Betriebsausgaben bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit.
Betriebsausgaben sind die Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlaßt sind (§ 4 Abs. 4 EStG). Diese Eigenschaft kommt den geltend gemachten Schuldzinsen nur dann zu, wenn die fremdfinanzierten verlorenen Aufwendungen des Klägers auf seine Beteiligung an der GmbH selbst betrieblich veranlaßt sind. Dies ist jedoch nicht der Fall.
Aufwendungen eines Angehörigen eines freien Berufs, der seinen Gewinn aus selbständiger Arbeit gemäß § 4 Abs. 3 EStG ermittelt, auf eine Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, insbesondere der Beteiligung an einer GmbH, sind nur dann als Betriebsausgaben bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit abzugsfähig, wenn die Beteiligung an der Kapitalgesellschaft betrieblich veranlaßt ist und deshalb die Eigenschaft von notwendigem Betriebsvermögen hat (BFH-Urteil vom 23. Mai 1985 IV R 198/83, BFHE 144, 53, BStBl II 1985, 517).
Grundsätzlich sind Geldgeschäfte, so auch die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, bei Angehörigen eines freien Berufs nicht betrieblich veranlaßt, da sie nicht dem Berufsbild eines freien Berufs entsprechen, und die einkommensteuerrechtlichen Begriffe der Betriebsausgaben und des notwendigen Betriebsvermögens nicht umfassender sein können als der durch das jeweilige freiberufliche Berufsbild geprägte einkommensteuerrechtliche Begriff des Betriebs eines freien Berufs (Urteil vom 22.Januar 1981 IV R 107/77, BFHE 133, 168, BStBl II 1981, 564). Nur in Ausnahmefällen können Geldgeschäfte eines Angehörigen eines freien Berufs objektiv in einem unmittelbaren und notwendigen wirtschaftlichen Zusammenhang mit der freiberuflichen Betätigung stehen. Voraussetzung - aber für sich allein noch nicht ausreichend - ist, daß der Betrieb der GmbH der freiberuflichen Tätigkeit nicht wesensfremd ist (vgl. BFH-Urteil vom 11.März 1976 IV R 185/71, BFHE 118, 353, BStBl II 1976, 380). Dieses Merkmal ist im Streitfall erfüllt.
Die GmbH-Beteiligung kann dennoch nicht als notwendiges Betriebsvermögen angesehen werden. Nach seinem eigenen Vorbringen hat der Kläger seit 1960 als Architekt ,,gebührenfrei" mehrere Bauvorhaben geplant und geleitet. Für das Veranlagungsjahr 1968 -- mit dem Ausscheiden als Gesellschafter und Geschäftsführer der GmbH - hat er erstmals Einkünfte aus selbständiger Arbeit erklärt. Soweit der Kläger während der Zeit, als er die Gesellschaftsanteile der GmbH hielt, als Architekt nach außen auftrat und tätig wurde, geschah dies noch ohne Gewinnerzielungsabsicht. Ein Betrieb i.S. des § 18 EStG, zu dessen notwendigem Betriebsvermögen die Beteiligung des Klägers überhaupt erst hätte gehören können, war nicht vorhanden. Ein Betriebsausgabenabzug scheidet daher aus.
4. Das FA war durch die steuerliche Behandlung in den Vorjahren nicht an der Änderung des Einkommensteuerbescheids 1976 und der Festsetzung der Einkommensteuer 1978 ohne Berücksichtigung der Zins- und Tilgungsraten gehindert. Nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung hat das FA in jedem Veranlagungszeitraum die einschlägigen Besteuerungsgrundlagen erneut zu prüfen und rechtlich zu würdigen. Eine als falsch erkannte Rechtsauffassung muß zum frühest möglichen Zeitpunkt aufgegeben werden, auch wenn der Steuerpflichtige darauf vertraut haben sollte (BFH-Urteil vom 5. September 1990 X R 100/89, BFH/NV 1991, 217). Dies gilt auch dann, wenn, wie im Streitfall, das FA über eine längere Zeitspanne eine rechtsirrige, für den Steuerpflichtigen günstige Auffassung vertreten hat (BFH-Urteil vom 22.Juni 1971 VIII 23/65, BFHE 103, 77, BStBl II 1971, 749).
Fundstellen
Haufe-Index 64067 |
BFH/NV 1993, 465 |