Leitsatz (amtlich)
Überträgt eine GmbH ein Fabrikgebäude, das sie auf dem Grundstück ihrer Gesellschafter errichtet hat, gegen Übernahme der mit dem Bau zusammenhängenden Verbindlichkeiten auf ihre Gesellschafter, liegt darin die rechtliche und wirtschaftliche Verwertung des Substanzwertes des Gebäudes auf fremdem Grund und Boden.
Normenkette
GrEStSWG ND 1966 § 1 Nr. 5
Tatbestand
Der Kläger und seine Ehefrau sind Gesellschafter der "J-GmbH".
Die GmbH errichtete auf dem Grundstück der Eheleute in den Jahren 1956 und 1957 ein Fabrikgebäude. Das Gebäude betreffend trat sie in eigenem Namen und auf eigene Rechnung handelnd gegenüber Behörden, Handwerkern, der I-Bank AG und der Regierung des Landes als Bauherrin auf. Sie besaß und nutzte das Gebäude, bilanzierte es sowie auch die damit zusammenhängenden Schulden. Das FA stellte für das Gebäude als Gebäude auf fremdem Boden einen Einheitswert fest. Schriftliche Abmachungen zwischen der GmbH und ihren Gesellschaftern wurden vom FG nicht festgestellt. Durch Beschluß der Gesellschafter vom 26. September 1960 wurde das Gebäude gegen Übernahme der Verbindlichkeiten der GmbH auf die Gesellschafter übertragen. Der letzte Satz des Beschlusses lautet: "Die anfallende Grunderwerbsteuer von etwa DM 7 000 tragen die Eheleute J" Gebüude und Schulden wurden ausgebucht. 1966 wurde der Sachverhalt durch eine Verkehrsteuerprüfung mit dem Ergebnis aufgegriffen, die Übertragung des Gebäudes auf die Gesellschafter im Jahre 1960 sei grunderwerbsteuerpflichtig. Die GmbH habe mit der Errichtung des Gebäudes auch seine Verwertungsbefugnis erworben und diese 1960 auf die Gesellschafter übertragen (§ 1 Abs. 2, § 2 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG). Gegen die Steuerfestsetzung wurde eingewandt, die GmbH habe auf die Substanz des Grundstücks nicht einwirken können.
Das FA setzte für jeden der Ehegatten Grunderwerbsteuer fest, und zwar aus der Hälfte der übernommenen Schuldbeträge.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet.
Der Rechtsvorgang unterliegt der Grunderwerbsteuer gemäß § 1 Abs. 2 GrEStG.
Erbaut jemand auf fremdem Grund und Boden, der ihm zur Nutzung überlassen ist, ein Gebäude, wird bürgerlich-rechtlich der Eigentümer des Grundstücks auch Eigentümer des Gebäudes, es sei denn, daß ein Fall des § 95 BGB gegeben ist. Denn das Gebäude wird gemäß § 94 BGB als mit dem Grund und Boden fest verbundene Sache wesentlicher Bestandteil des Grundstücks. Eine Übertragung des Eigentums an einem solchen Gebäude ohne den Grund und Boden ist infolgedessen bürgerlichrechtlich ausgeschlossen (§ 93 BGB). Der Verkauf eines solchen Gebäudes ohne Grund und Boden stellt mithin kein Geschäft dar, das den Anspruch auf Übereignung begründet. Eine Besteuerung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG kommt daher nicht in Betracht. Der Grunderwerbsteuer unterliegen jedoch auch Rechtsvorgänge, die es ohne Begründung eines Anspruchs auf Übereignung einem anderen rechtlich oder wirtschaftlich ermöglichen, ein inländisches Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten (§ 1 Abs. 2 GrEStG). Unter Grundstücken sind Grundstücke i. S. des bürgerlichen Rechts zu verstehen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GrEStG). Den Grundstücken steht ein "Gebäude auf fremdem Boden" gleich (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG).
Davon ist das FG zutreffend ausgegangen. Die GmbH hatte hier nach den vom FG festgestellten Tatsachen die wirtschaftliche Möglichkeit, das Gebäude auf eigene Rechnung zu verwerten. Nach dem eigenen Vortrag des Klägers nutzte die GmbH das von ihr errichtete Gebäude, ohne dafür Miete zu zahlen, und deshalb aus eigenem Recht. Diese Art der Nutzung ist eine der beiden Möglichkeiten der Verwertung i. S. von § 1 Abs. 2 GrEStG (vgl. Urteil des BFH vom 12. Dezember 1973 II R 29/69, BFHE 111, 360, BStBl II 1974, 251, dort S. 253 rechte Spalte unten 4.). Durch den Gesellschafterbeschluß vom 26. September 1960 hat die GmbH diese Verwertungsbefugnis auf den Kläger und seine Ehefrau übertragen (§ 1 Abs. 2 GrEStG).
Nach Meinung der Revision widerspreche es den Erfahrungssätzen, daß der Erbauer eines Gebäudes auf fremdem Grund und Boden sich nicht durch vertragliche Abmachungen mit dem Grundstückseigentümer absichert, um eine Amortisation der Investitionen zu gewährleisten. Einen solchen Erfahrungssatz gibt es nicht, insbesondere nicht für Fälle, in denen eine juristische Person ein Gebäude auf dem Grund und Boden errichtet, der ihren Gesellschaftern gehört, wobei die Anteilsverhältnisse an der juristischen Person und dem Grundstück gleich sind.
Entgegen der Auffassung der Revision konnte die GmbH auch die Substanz des Gebäudes im Sinne von § 1 Abs. 2 GrEStG verwerten; dies ergibt sich u. a. daraus, daß die GmbH das Gebäude mit Wissen und Wollen der Eigentümer errichtete, mangels entgegenstehender Vereinbarungen das Baurisiko trug und später das Gebäude auf die Eigentümer "übertrug". Einer "Übertragung" des Gebäudes gegen Übernahme von Verbindlichkeiten hätte es - folgt man der Auffassung der Revision - ohne Bestehen einer Verwertungsmöglichkeit nicht bedurft.
Deshalb greift auch der in die Frage eingekleidete Einwand des Klägers nicht durch, "Was hätte die GmbH veranlassen sollen, ihre ... Substanzberechtigung ... zu einem Preis aufzugeben, der weit unter den Herstellungskosten lag ..."? Die Gesellschafter der GmbH sind hier diejenigen, auf die das Gebäude übertragen wurde, also die Nutznießer des zu niedrigen Preises. Da die Gesellschafter der GmbH und die Eigentümer des Gebäudes die gleichen Personen sind, besteht zwischen ihnen kein Interessengegensatz. Die Preisgestaltung beruht infolgedessen nicht auf dem Ausgleich widerstreitender Interessen. Infolgedessen wirkte sich die Überlegung uneingeschränkt aus, daß es günstig ist, den Gewinn der GmbH gering zu halten. Die Interessenverflechtung und die daraus abzuleitenden Folgerungen liegen so offensichtlich auf der Hand, daß es keiner weiteren Darlegungen dazu bedarf.
Fundstellen
Haufe-Index 71245 |
BStBl II 1975, 245 |
BFHE 1975, 279 |