Leitsatz (amtlich)
Das Vermieterpfandrecht gemäß § 559 BGB ist kein Grundpfandrecht im Sinne von § 9 Abs. 4 GrEStG; der Vermieter ist kein Grundpfandgläubiger im Sinne von § 9 Abs. 5 GrEStG und steht auch keinem Grundpfandgläubiger gleich.
Normenkette
GrEStG § 9 Abs. 4-5
Tatbestand
Der Kläger ist Eigentümer eines Grundstücks. Die Voreigentümerin, eine inzwischen aufgelöste Gesellschaft, deren persönlich haftender Gesellschafter der Kläger war, hatte das Grundstück vermietet und mit dem Mieter vereinbart, daß sie bei Beendigung des Mietverhältnisses nicht verpflichtet sei, die von dem Mieter auf dem Grundstück errichteten Gebäude oder sonstigen Einrichtungen zu übernehmen (§ 3 des Mietvertrages). Der Mieter hatte in der Folgezeit auf dem Grundstück eine Werkhalle errichtet. Der Mieter geriet in Konkurs. Der Kläger kaufte die Werkhalle aufgrund einer Vereinbarung mit dem Konkursverwalter für 50 000 DM. Die im Konkursverfahren angemeldete Forderung des Klägers in Höhe von 19 335,60 DM (rückständige Mietzinsen betreffend) wurde auf den Kaufpreis angerechnet. Das FA sah den Verkauf als grunderwerbsteuerpflichtig an und setzte Grunderwerbsteuer fest, wobei es von einer Gegenleistung von 50 000 DM ausging. Der Kläger meinte dagegen, er sei von vornherein Eigentümer der Werkhalle gewesen, so daß Grunderwerbsteuer für deren Erwerb nicht in Betracht komme. Wolle man dem nicht folgen, so müsse der Vorgang gleichwohl nach § 9 GrEStG steuerfrei bleiben; denn er habe als Vermieter für seine Forderung aus dem Mietverhältnis ein Pfandrecht an den eingebrachten Sachen des Mieters gehabt (§ 559 BGB); übernehme er die Werkhalle in sein Eigentum, so geschehe das "durch Realisierung seines Pfandrechts".
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.
Entscheidungsgründe
Die Einwendungen des Klägers gegen die Steuerpflicht des Erwerbs der Werkhalle sind nicht begründet.
Erbaut jemand auf fremdem Grund und Boden, der ihm zur Nutzung überlassen ist, ein Gebäude, wird bürgerlich-rechtlich der Eigentümer des Grundstücks auch Eigentümer des Gebäudes, es sei denn, daß ein Fall des § 95 BGB gegeben ist. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Werkhalle ein nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbundenes Gebäude war (§ 95 Abs. 1 Satz 1 BGB), wovon das FG in erster Linie ausgegangen ist und was auch der Kläger für richtig hält, oder ein Gebäude, das gemäß § 94 BGB nicht Gegenstand besonderer Rechte sein konnte. Denn in beiden Fällen wurde ein grunderwerbsteuerpflichtiger Tatbestand verwirklicht, nämlich entweder als Erwerb gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG oder als Erwerb gemäß § 1 Abs. 2 GrEStG jeweils in Verbindung mit § 2 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG.
War die Werkhalle nur für die Dauer des Mietvertrages über das Grundstück errichtet, dann hatte die Vereinbarung zwischen dem Kläger und dem Konkursverwalter vom Mai 1965 die Übereignung dieser Werkhalle zum Gegenstand. War die Werkhalle ein Gebäude, das nicht Gegenstand besonderer Rechte sein konnte (§ 94 BGB), dann wurde durch die Vereinbarung zwischen dem Kläger und dem Konkursverwalter vom Mai 1965 die Verwertungsbefugnis an ihr übertragen (§ 1 Abs. 2 GrEStG). In diesem Fall ist das Gebäude gemäß § 94 BGB als mit dem Grund und Boden festverbundene Sache wesentlicher Bestandteil des Grundstücks geworden. Eine Übertragung des Eigentums an einem solchen Gebäude ohne den Grund und Boden war infolgedessen bürgerlich-rechtlich ausgeschlossen (§ 93 BGB). Der Verkauf eines solchen Gebäudes ohne Grund und Boden stellte mithin dann kein Geschäft dar, das den Anspruch auf Übereignung begründete, und eine Besteuerung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG kam daher nicht in Betracht.
Der Grunderwerbsteuer unterliegen jedoch auch Rechtsvorgänge, die es ohne Begründung eines Anspruchs auf Übereignung einem anderen rechtlich oder wirtschaftlich ermöglichen, ein inländisches Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten (§ 1 Abs. 2 GrEStG). Unter Grundstücken sind Grundstücke im Sinne des bürgerlichen Rechts zu verstehen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GrEStG). Den Grundstücken steht ein Gebäude auf fremdem Boden gleich (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG). Davon ist das FG bei seinen hilfsweise angestellten Erwägungen zutreffend ausgegangen. Der Mieter konnte in diesem Fall rechtlich und wirtschaftlich über den Substanzwert der Werkhalle im Sinne des § 1 Abs. 2 GrEStG verfügen, was sich u. a. daraus ergibt, daß er das Gebäude mit Wissen und Wollen des Rechtsvorgängers des Klägers errichtete, dabei das Baurisiko trug, die Werkhalle nutzte, ohne dem Kläger dafür Miete zahlen zu müssen, und später der Konkursverwalter das Gebäude dem Kläger - dem Eigentümer des Grund und Bodens - verkaufte. Nach dem eigenen Vortrag des Klägers nutzte der Mieter das von ihm errichtete Gebäude, ohne dafür Miete zu zahlen, aus eigenem Recht. Diese Art der Nutzung ist eine der beiden Möglichkeiten der Verwertung im Sinne von § 1 Abs. 2 GrEStG (vgl. Urteil des BFH vom 12. Dezember 1973 II R 29/69, BFHE 111, 360, BStBl II 1974, 251, dort Seite 253 rechte Spalte unter 4. [und neuerdings das Urteil vom 18. September 1974 II R 92/68, BStBl II 1975, 245]). Durch die Vereinbarung vom Mai 1965 hat der Konkursverwalter die Verwertungsbefugnis an der Werkhalle auf den Kläger übertragen (§ 1 Abs. 2 GrEStG).
Zutreffend hat das FG auch verneint, daß der Kläger die Werkhalle zur Rettung eines Grundpfandrechts erworben habe (§ 9 GrEStG). Denn der Kläger ist kein Grundpfandgläubiger. § 9 Abs. 5 GrEStG gibt eine Legaldefinition des Begriffs Grundpfandgläubiger. Der Kläger ist weder Hypothekengläubiger, Grundschuldgläubiger, Rentenschuldgläubiger noch Reallastgläubiger (§ 9 Abs. 5 Satz 1 GrEStG). Er hat auch kein Grundpfandrecht zum Zweck der Sicherung einem anderen abgetreten und hat auch kein Pfandrecht an einem Grundpfandrecht, denn unter Grundpfandrechten sind nur Hypotheken, Grundschulden, Rentenschulden und Reallasten zu verstehen (§ 9 Abs. 4 GrEStG). Da er auch keine Bürgschaft für eine einem Grundpfandrecht zugrunde liegende Verbindlichkeit übernommen hat, trifft keine der in § 9 Abs. 5 unter den Nrn. 1 bis 3 GrEStG genannten Voraussetzungen dafür zu, daß er Grundpfandgläubiger im Sinne dieser Vorschrift wäre oder einem Grundpfandgläubiger gleichstünde. Das vom Kläger behauptete Vermieterpfandrecht (§ 559 BGB) fällt - sofern es bestehen sollte -, nicht unter die Grundpfandrechte im Sinne von § 9 Abs. 4 GrEStG.
Die Vergünstigung gemäß § 9 GrEStG würde zudem auch daran scheitern, daß der Kläger mehr gezahlt hat, als erforderlich gewesen wäre, um sein Vermieterpfandrecht, wenn es unter die Grundpfandrechte fiele, zu retten, und außerdem daran, daß Baulichkeiten keine "eingebrachten Sachen" im Sinne von § 559 BGB sind, und zwar auch dann nicht, wenn sie nach § 95 BGB nicht zu den Bestandteilen des Grundstücks gehören (vgl. hierzu Kammergerichts-Urteil vom 1. September 1900 XIV.CS., Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte auf dem Gebiete des Zivilrechts, herausgegeben von Mugdan und Falkmann, Bd. 1 S. 438 und Oertmann, Das Recht der Schuldverhältnisse, 2. Buch, 5. Aufl., Berlin 1929, § 559 Anm. 3 c).
Fundstellen
Haufe-Index 71248 |
BStBl II 1975, 248 |