Leitsatz (amtlich)
Wird ein Hochschullehrer in Bayern zum Mitglied eines Ausschusses für ärztliche Prüfungen bestellt, so steht ihm für seine Einnahmen aus der Prüfungstätigkeit grundsätzlich der ermäßigte Steuersatz nach § 34 Abs. 4 EStG zu.
Normenkette
EStG 1960 § 34 Abs. 4
Tatbestand
Der Steuerpflichtige, ein ordentlicher Professor an einer Bayerischen Universität, beantragt bei der Einkommensteuerveranlagung 1960, seine Gebühren aus der Teilnahme an Prüfungen als Einkünfte aus selbständiger wissenschaftlicher Arbeit anzuerkennen, einen pauschalen Betriebsausgabenabzug von 20 v. H. zuzulassen und die Überschüsse nach § 34 Abs. 1 und 4 EStG 1960 tariflich zu begünstigen.
Das FA lehnte das ab, weil die Teilnahme an den Prüfungen in den üblichen Aufgabenkreis eines Universitätsprofessors gehörten.
Auch nach Auffassung des FG, dessen Entscheidung in EFG 1966, 16 veröffentlicht ist, hängt die Teilnahme an Prüfungen mit der Tätigkeit als Professor unmittelbar zusammen. Der Steuerpflichtige sei als Angehöriger der Fakultät zur Teilnahme an den Prüfungen verpflichtet gewesen. Die Prüfungsausschüsse bestünden innerhalb der Universität.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision, mit der der Steuerpflichtige unrichtige Rechtsanwendung rügt, ist begründet.
"Nebeneinkünfte" aus wissenschaftlicher Tätigkeit im Sinne des § 34 Abs. 4 EStG sind Einkünfte, die aus wissenschaftlicher Tätigkeit "neben" den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit oder selbständiger Arbeit bezogen werden. Nach § 34 Abs. 4 Nr. 2 EStG dürfen die zu begünstigenden Einkünfte nicht aus einem Arbeitnehmerverhältnis anfallen, sondern müssen aus einer selbständigen Tätigkeit stammen.
Ob die Nebeneinkünfte solche aus selbständiger Arbeit sind, ist aus dem Rechtsverhältnis zu beurteilen, auf Grund dessen die wissenschaftliche Tätigkeit geleistet wird. Die Vorschriften über die Zulassungsprüfung als Arzt finden sich für das Streitjahr 1960 in der Bestallungsordnung für Ärzte vom 15. September 1953 (BGBl I 1953, 1334), nach deren § 8 "bei" jeder Universität ein Ausschuß für die ärztlichen Vorprüfungen (naturwissenschaftliche Vorprüfung und ärztliche Vorprüfung) und ein Ausschuß für die ärztlichen Prüfungen gebildet wird. Die Ausschüsse werden für jedes Prüfungsjahr "von der zuständigen Landesbehörde bestellt". Zuständig ist gemäß § 2 der Verordnung zur Ausführung der Bundesärzteordnung (AVBÄO) vom 21. Dezember 1961 (Bayerisches GVBl 1961, 260; vorher Verordnung zur Ausführung des Bayerischen Ärztegesetzes - Bestallungsordnung - vom 30. Mai 1958, GVBl 1958, 94) das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus. Vor der Bestellung der Ausschüsse ist nach § 8 Abs. 2 der Bestallungsordnung die medizinische Fakultät "zu hören". Nach Abs. 3 sind "in der Regel" der Vorsitzende und sein Stellvertreter den ordentlichen Professoren der medizinischen Fakultät, die Mitglieder und ihre Stellvertreter den Universitätslehrern der Fächer, die Gegenstand der Prüfung sind, zu entnehmen. § 8 Abs. 4, a. a. O., schreibt vor: "Wer nicht als Mitglied des Prüfungsausschusses oder als Stellvertreter von der zuständigen Landesbehörde bestellt ist, darf nicht als Prüfer tätig sein."
Danach sind die ärztlichen Prüfungen, d. h. die Vorprüfungen und die eigentliche ärztliche Prüfung, keine Veranstaltungen der Universitäten, sondern Staatsprüfungen. Zwar werden die Prüfungsausschüsse "bei" den Universitäten gebildet. Doch ist damit keine organisatorisch-sachliche Einordnung gegeben, sondern lediglich der Ort bestimmt, an dem die Prüfungsausschüsse gebildet werden. Die Wahl der Universität als Ort erklärt sich daraus, daß die Prüfungen zweckmäßig in den klinischen und vorklinischen Instituten der Universitäten abgehalten werden. Die Mitglieder des Lehrkörpers der medizinischen Fakultät gehören aber nicht kraft ihres Amtes ohne weiteres dem Prüfungsausschuß an, sondern sind vielmehr durch eine eigene Bestallung des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus zu Mitgliedern der Prüfungsausschüsse ernannt. Ein Professor besitzt zwar ohne weiteres die wissenschaftliche Eignung zur Abnahme der Prüfungen. Die rechtliche Stellung als Prüfer erwirbt er aber nach § 8 Abs. 4 a. a. O. erst durch eine besondere Einweisung in dieses Amt. Fehlt es an der Bestellung, darf das Hochschulmitglied nicht als Prüfer tätig sein. Die Fakultät hat auch kein das Ministerium bindendes Vorschlagsrecht, sondern sie ist nur zu "hören". Die Ausschußmitglieder werden auch nur "in der Regel" aus den Lehrern der medizinischen Fakultät entnommen. Es können also auch andere Ärzte zu Prüfern berufen werden.
Die Bestallungsordnung für Ärzte spricht allerdings nicht klar aus, daß die ärztlichen Prüfungen sich rechtlich außerhalb der Universität vollziehende Staatsprüfungen sind. Das kann aber aus dem Zusammenhang der verschiedenen Bestimmungen entnommen werden. Allerdings besteht hier ein auffallender Gegensatz zum Gesetz über die Ausübung der Zahnheilkunde vom 31. März 1952 (BGBl I 1952, 221). Dessen § 2 macht die Bestallung als Zahnarzt von dem Bestehen der zahnärztlichen Prüfung "vor einer staatlichen Prüfungskommission" abhängig. In § 4 der Prüfungsordnung für Zahnärzte vom 26. Januar 1955 (BGBl I 1955, 37) sind aber alle Bestimmungen enthalten, wie in § 8 der Bestallungsordnung für Ärzte. Jedenfalls stimmen diese Vorschriften sachlich miteinander überein. § 4 Abs. 1 der Prüfungsordnung für Zahnärzte fügt übrigens dem Begriff "staatliche Prüfungskommission" den Klammervermerk "Prüfungsausschuß" bei und braucht dann im folgenden wie die Bestallungsordnung für Ärzte nur noch dieses Wort. Es ist daher aus dem Gesetz über die Ausübung der Zahnheilkunde und aus der zugehörigen Prüfungsordnung nicht etwa im Umkehrschluß zu folgern, daß die Prüfungsausschüsse der Ärzte einen anderen rechtlichen Charakter hätten.
Da also die ärztlichen Prüfungsausschüsse keine hochschuleigenen Einrichtungen, sondern staatliche Prüfungsgremien sind, deren Mitgliedschaft die Prüfer auf Grund einer besonderen Bestellung durch das Kultusministerium erwerben, ist die Rechtslage die gleiche wie in der Entscheidung des BFH IV 230/57 U vom 2. April 1958 (BFH 67, 52, BStBl III 1958, 293), die einen ordentlichen Professor der Rechtswissenschaft betraf, der gleichzeitig Mitglied der juristischen Prüfungsämter war. Damals wurde entschieden, daß die Tätigkeit eines Hochschullehrers in den Prüfungsämtern regelmäßig eine selbständige Tätigkeit im Sinne von § 18 EStG sei. Das gilt auch für den Steuerpflichtigen als Mitglied eines ärztlichen Prüfungsausschusses. Die Prüfungseinnahmen fließen demnach dem Steuerpflichtigen nicht "aus dem Dienstverhältnis" (vgl. § 2 Abs. 1 LStDV) als Hochschullehrer zu.
Die angefochtene Entscheidung, der eine andere Rechtsauffassung zugrunde liegt, war darum aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen, das die vom Steuerpflichtigen bei den Prüfungsgebühren geltend gemachten Betriebsausgaben prüfen muß.
Fundstellen
Haufe-Index 67933 |
BStBl II 1968, 309 |
BFHE 1968, 308 |