Entscheidungsstichwort (Thema)
Schneeballsystem, Zufluss
Leitsatz (NV)
1. Bei einer Novation kann von einem Zufluss der Altforderung i.S.v. § 11 Abs. 1 EStG nur ausgegangen werden, wenn sich die Novation als Folge der Ausübung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht des Gläubigers über den Gegenstand der Altforderung darstellt, also auf einem freien Entschluss des Gläubigers beruht.
2. Lag die Novation im alleinigen oder überwiegenden Interesse des Gläubigers, indiziert dies dessen Verfügungsmacht über den Gegenstand der Altforderung.
3. Novation und Gutschrift in den Büchern des Gläubigers stellen getrennt voneinander zu prüfende Zuflusstatbestände dar, von denen jeder für sich genommen zu einem Zufluss i.S.v. § 11 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 EStG führen kann.
Normenkette
EStG § 11 Abs. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 7, § 8 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Ehegatten, die im Streitjahr 1994 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Die Klägerin war im Streitjahr gewerblich als Schmuckdesignerin und Schmuckhändlerin tätig. Im Februar 1994 machte der Juwelier B der Klägerin das Angebot, sich an einem lukrativen Geschäft zu beteiligen. Eine Schweizer Bank wolle Diamanten im Wert von insgesamt 200 Mio. DM kaufen. Wegen seiner einzigartigen Einkaufskontakte nach Südafrika könne er die Steine günstig einkaufen. Das Geschäft sei so lukrativ, weil der Verkauf an die Schweizer Bank nach dem jeweiligen Börsenkurs stattfinde. Wegen der erforderlichen Erstellung von Expertisen müsse er das Geschäft ca. vier Wochen vorfinanzieren. Bei einer Beteiligung der Klägerin garantiere er eine monatliche Rendite auf das eingesetzte Kapital von 10 bis 20 v.H. je nach US-$-Wechselkurs.
Am 1. März 1994 nahm die Klägerin das Angebot des B an und übergab ihm einen Betrag von 480 000 DM. B händigte der Klägerin eine Perlenkette und einen großen Saphir als Sicherheit aus. Nach etwa einem Monat ersetzte B die Sicherheitsleistung durch Aushändigung mehrerer Diamanten. Letztere holte der B nach einigen Wochen ab und teilte der Klägerin mit, dass er ihr in der darauf folgenden Woche ca. 700 000 DM an eingesetztem Kapital und zwischenzeitlich aufgelaufener Rendite auszahlen würde. Die ersten zwei Transaktionen mit der Schweizer Bank hätten geklappt. In der zweiten Maihälfte des Streitjahres machte B der Klägerin das Angebot, das Kapital und den erzielten Ertrag stehen zu lassen, da er die versprochene monatliche Rendite weiterhin garantieren könne. Die Klägerin stimmte dem Vorschlag zu. Im Juli 1994 übergab sie B weitere 200 000 DM von einem befreundeten Ehepaar, das sich ebenfalls an dem Geschäft beteiligen wollte. B übergab der Klägerin zur Sicherheit einen Verrechnungsscheck über 1 Mio. DM und fünf Diamanten. Es handelte sich um einen ungedeckten Scheck. Ferner waren die Diamanten unecht. Im August des Streitjahres stellte sich für die Klägerin heraus, dass sie wie weitere Anleger von B betrogen worden war. B wurde wegen Betrugs in 131 Fällen verurteilt. B hatte im Rahmen eines "Schneeballsystems" gehandelt. Im Strafverfahren hatte er eingeräumt, dass er lediglich vorgetäuscht habe, in Südafrika Diamanten zu günstigen Großhandelspreisen erwerben zu können. Nach den strafrechtlichen Ermittlungen hatte B von Mitte Juni bis Anfang August 1994 von Anlegern insgesamt ca. 20,8 Mio. DM erhalten und im selben Zeitraum Auszahlungen in Höhe von 28,5 Mio. DM vorgenommen.
In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten die Kläger einen Verlust aus Gewerbebetrieb in Höhe von 776 397 DM geltend. In diesem Betrag waren außerordentliche Aufwendungen in Höhe von 479 999 DM wegen des Verlusts des an B geleisteten Betrags von 480 000 DM berücksichtigt. Dieser Betrag wurde vom Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) im Einkommensteuerbescheid vom 2. Januar 1997 nicht als Betriebsausgaben anerkannt. Ferner berücksichtigte es bei den Einkünften der Klägerin aus Kapitalvermögen steuererhöhend den Betrag von 220 000 DM, da es insoweit Einnahmen aus einer verzinslichen Darlehensgewährung an B für gegeben erachtete.
Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage, mit der sich die Kläger nur noch gegen die Erhöhung der Einkünfte aus Kapitalvermögen wandten, mit Urteil vom 21. November 2002 11 K 3610/99 statt.
Es entschied, die Klägerin habe aus dem Darlehen keine Einnahmen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erzielt.
Mit seiner Revision macht das FA geltend, die vom FG vorgenommene Auslegung stelle eine Verletzung von § 11 Abs. 1 EStG dar.
Das FA beantragt,
das Urteil des FG München vom 21. November 2002 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger sind der Revision entgegengetreten. Sie berufen sich im Wesentlichen darauf, dass es B schon im Mai des Streitjahrs an der Möglichkeit, alle Zahlungsverpflichtungen der nächsten drei bis sechs Monate zu erfüllen, gefehlt habe.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des FA ist begründet. Die Vorentscheidung ist aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Zu Unrecht hat das FG angenommen, dass die in Rede stehende "Rendite" in Höhe von 220 000 DM deshalb nicht als Einnahme i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG erfasst werden könne, weil sie der Klägerin in den Büchern des B nicht gutgeschrieben worden ist. Die bisherigen Feststellungen des FG ermöglichen dem erkennenden Senat jedoch keine abschließende Beantwortung der Frage, ob der Klägerin im Streitjahr Einnahmen i.S. von § 11 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §§ 8 Abs. 1, 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG zugeflossen sind.
1. Zutreffend hat das FG angenommen, dass es sich bei der Überlassung des Betrags von 480 000 DM an B seitens der Klägerin um ein Darlehen handelt und die Annahme einer Beteiligung als stille Gesellschafterin ausscheidet. Eine stille Gesellschaft setzt nach § 230 des Handelsgesetzbuchs (HGB) den vertraglichen Zusammenschluss zwischen einem Unternehmensträger ("Inhaber eines Handelsgeschäfts") und einem anderen voraus, kraft dessen sich der andere ohne Bildung eines Gesellschaftsvermögens mit einer Einlage an dem Unternehmen beteiligt und eine Gewinnbeteiligung erhält (vgl. dazu ausführlich Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 22. Juli 1997 VIII R 57/95, BFHE 184, 21, BStBl II 1997, 755, unter II.1.a bis c der Gründe; VIII R 12/96, BFHE 184, 34, BStBl II 1997, 761, unter II.1.a bis c der Gründe, und VIII R 13/96, BFHE 184, 46, BStBl II 1997, 767, unter II.1.a bis c der Gründe; ferner z.B. Dötsch, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 20 Rz F 2). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Gegen die Annahme eines Gesellschaftsverhältnisses spricht bereits, dass der Klägerin keine Erfolgsbeteiligung an den Diamantengeschäften des B, sondern eine von der Dauer der Mittelüberlassung abhängige und prozentual auf den überlassenen Betrag bezogene Vergütung ("monatliche Rendite von 10 bis 20 v.H. des Einsatzes") versprochen wurde (vgl. § 231 Abs. 2 HGB). Auch an möglichen Verlusten aus dem Geschäft mit den Diamanten sollte die Klägerin nicht beteiligt sein. Ferner hatte B der Klägerin nach der Vereinbarung Sicherheiten in Form einer Perlenkette und einem großen Saphir gestellt, was ebenfalls gegen die Annahme eines Gesellschaftsverhältnisses spricht (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 184, 34, 39, BStBl II 1997, 761, 763 f., und Dötsch, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 20 Rz F 67).
2. Zu Unrecht geht das FG hingegen davon aus, dass die in Rede stehenden "Renditen" deshalb mangels Vorliegens von Einnahmen i.S. von § 8 Abs. 1 i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG und mangels deren Zufluss i.S. von § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG nicht der Einkommensbesteuerung unterworfen werden können, weil die vereinbarte Rendite in den Büchern des B der Klägerin nicht gutgeschrieben wurde.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH sind Einnahmen (vgl. § 8 Abs. 1 EStG) i.S. von § 11 Abs. 1 EStG zugeflossen, sobald der Steuerpflichtige über sie wirtschaftlich verfügen kann (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 14. Februar 1984 VIII R 221/80, BFHE 140, 542, BStBl II 1984, 480, unter 2. der Gründe). Geldbeträge fließen dem Steuerpflichtigen in der Regel dadurch zu, dass sie bar ausgezahlt oder einem Konto des Empfängers bei einem Kreditinstitut gutgeschrieben werden. Auch die Hingabe eines (gedeckten) Schecks führt zum Zufluss des entsprechenden Geldbetrages (vgl. z.B. BFH-Urteil in BFHE 184, 46, BStBl II 1997, 767, unter II.2.a der Gründe).
b) Ebenso kann eine Gutschrift in den Büchern des Verpflichteten einen Zufluss bewirken, wenn in der Gutschrift nicht nur das buchmäßige Festhalten einer Schuldverpflichtung zu sehen ist, sondern darüber hinaus zum Ausdruck gebracht wird, dass der Betrag dem Berechtigten von nun an zur Verwendung zur Verfügung steht. Allerdings muss der Gläubiger in der Lage sein, den Leistungserfolg ohne weiteres Zutun des im Übrigen leistungsbereiten und leistungsfähigen Schuldners herbeizuführen (vgl. z.B. Senatsurteile in BFHE 140, 542, BStBl II 1984, 480, unter 2.a der Gründe, und in BFHE 184, 21, BStBl II 1997, 755, unter II.2.a aa der Gründe).
c) Ein Zufluss kann zudem durch eine gesonderte Vereinbarung zwischen Schuldner und Gläubiger bewirkt werden, dass der Betrag fortan aus einem anderen Rechtsgrund geschuldet sein soll. In dieser Schuldumwandlung (Novation) kann eine Verfügung des Gläubigers über seine bisherige Forderung liegen, die einkommensteuerlich so zu werten ist, als ob der Schuldner die Altschuld durch tatsächliche Zahlung beglichen (= Zufluss beim Gläubiger) und der Gläubiger den vereinnahmten Betrag infolge des neu geschaffenen Verpflichtungsgrundes dem Schuldner sofort wieder zur Verfügung gestellt hätte (= Wiederabfluss des Geldbetrages beim Gläubiger). Der zuletzt beschriebene lange Leistungsweg wird durch die Novationsvereinbarung lediglich verkürzt, indem auf den überflüssigen Umweg der Aus- und Rückzahlung des Geldbetrages verzichtet wird.
Von einem Zufluss der Altforderung i.S. von § 11 Abs. 1 EStG kann in derartigen Fällen der Schuldumschaffung nach der Rechtsprechung des BFH allerdings nur dann ausgegangen werden, wenn sich die Novation als Folge der Ausübung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht des Gläubigers (Steuerpflichtigen) über den Gegenstand der Altforderung darstellt, also auf einem freien Entschluss des Gläubigers beruht (vgl. BFH-Urteile vom 17. Juli 1984 VIII R 69/84, BFHE 142, 215, BStBl II 1986, 48, unter 2.d der Gründe; in BFHE 184, 21, BStBl II 1997, 755, unter II.2.a bb der Gründe). Für die Beantwortung der Frage, ob dies zutrifft, kommt auch dem Umstand Bedeutung zu, in wessen Interesse die Novation lag. Lag sie im alleinigen oder überwiegenden Interesse des Gläubigers, indiziert dies dessen Verfügungsmacht über den Gegenstand der Altforderung (vgl. Senatsurteil in BFHE 184, 21, BStBl II 1997, 755, unter II.2.a bb der Gründe, m.w.N.).
d) Bei Anlegung dieser Maßstäbe kann ein Zufluss der "Rendite" i.S. von § 11 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §§ 8 Abs. 1, 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG bei der Klägerin entgegen den Ausführungen des FG nicht schon deshalb verneint werden, weil sie in den Büchern des B der Klägerin nicht gutgeschrieben wurde.
aa) Zwischen der Klägerin und B könnte dadurch eine Novation vereinbart worden sein, dass sich die Klägerin mit dem ihr in der zweiten Maihälfte des Streitjahrs unterbreiteten Angebot des B, das Kapital und den erzielten Ertrag stehen zu lassen, da er die versprochene monatliche Rendite weiterhin garantieren könne, einverstanden erklärt hat. Das setzt voraus, dass die Klägerin in dem Zeitpunkt, in dem sie die vorstehend genannte Abrede mit B getroffen hat, über einen fälligen Anspruch gegenüber B verfügt hat. Die tatsächlichen Feststellungen des FG reichen indes nicht aus, diese Frage mit der für die Überzeugung des Senats erforderlichen Sicherheit zu beantworten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Schuldner die Leistung an den Gläubiger auch in dem Fall, dass eine Zeit für die Leistung bestimmt ist, bereits vorher bewirken kann (§ 271 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--). Ist aber für die Zahlung des Zinses und die Rückerstattung des Darlehens keine Zeit bestimmt, so hängt die Fälligkeit des Anspruchs davon ab, dass Darlehensgeber oder Darlehensnehmer kündigen (§ 488 Abs. 3 Satz 1 BGB). Das FG hat keine konkreten Feststellungen dazu getroffen, ob nach der ursprünglichen Vereinbarung zwischen der Klägerin und B für die Zinszahlung und die Rückerstattung des Darlehens eine feste Zeit bestimmt war und ob gegebenenfalls für die Kündigung des Darlehens Fristen einzuhalten waren. Nach den dem Senat bekannten Tatsachen ist der Darlehensvertrag zwischen der Klägerin und B möglicherweise so zu verstehen, dass zwar keine ausdrücklich bestimmte Fälligkeitsvereinbarung getroffen wurde, die Vertragsparteien aber darüber einig waren, dass das Darlehen nebst Zinsen spätestens dann zurückzuzahlen war, wenn das "lukrative Geschäft mit der Schweizer Bank" erfolgreich abgeschlossen wäre. Spätestens dann wäre der Zahlungsanspruch der Klägerin fällig gewesen. Im Übrigen könnten die Klägerin und B auch übereingekommen sein, die Forderung durch nachträgliche Vereinbarung fällig zu stellen, und zwar dergestalt, dass die Klägerin auf den ihr im Mai des Streitjahres unterbreiteten Vorschlag des B, das Kapital und den erzielten Ertrag stehen zu lassen, eingegangen ist. Mit der konkludenten Vereinbarung der Fälligkeit der Forderung könnte gleichzeitig die Vereinbarung der Novation erfolgt sein. Auch insoweit fehlt es an konkreten und nachvollziehbaren Feststellungen des FG. Diese wird das FG im zweiten Rechtsgang nachholen müssen.
bb) Sollte nach den im zweiten Rechtsgang zu treffenden Feststellungen eine Novationsvereinbarung anzunehmen sein, weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass die Argumentation des FG, eine Novation habe deshalb nicht im überwiegenden Interesse der Klägerin gelegen, weil es im Interesse des B gelegen habe, Auszahlungen zu vermeiden, damit sein betrügerisches Handeln nicht aufgedeckt würde, die hier maßgebliche Sichtweise der Klägerin im Zeitpunkt einer (etwaigen) Novation außer Acht lässt (vgl. BFH-Beschluss vom 18. Mai 2001 VIII B 25/01, BFH/NV 2001, 1119, unter II.2.b bb bbb der Gründe; BFH-Urteil vom 7. Oktober 1997 VIII R 40/97, BFH/NV 1998, 958, unter II.2.b bb bbb der Gründe). Denn im Zeitpunkt einer (etwaigen) Novation wäre davon auszugehen, dass die Klägerin noch von der Vertrauenswürdigkeit des B ausgegangen ist und sich durch die Novation eine Steigerung ihrer Rendite erhofft hat.
Ferner ist darauf hinzuweisen, dass es bei einer Novation keiner zusätzlichen Gutschrift in den Büchern des B bedurfte, um einen Zufluss bei der Klägerin im Zeitpunkt der Novation zu begründen. Novation und Gutschrift in den Büchern des Gläubigers stellen getrennt voneinander zu prüfende Zuflusstatbestände dar, von denen jeder für sich genommen zu einem Zufluss i.S. von § 11 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 EStG führen kann, soweit die weitere Voraussetzung erfüllt ist, dass der Gläubiger, wenn er sich im Zeitpunkt der Novation oder der Gutschrift in den Büchern für eine Auszahlung entschieden hätte, tatsächlich in der Lage gewesen wäre, den Leistungserfolg in Gestalt der Vereinnahmung des gutgeschriebenen Betrages ohne weiteres Zutun des leistungsbereiten und leistungsfähigen Schuldners herbeizuführen.
3. Folglich wird das FG unter Beachtung der bisherigen und der nachfolgenden Ausführungen weiterhin prüfen müssen, ob die Klägerin bei einem entsprechenden Auszahlungsverlangen im Zeitpunkt einer (etwaigen) Novation, also in der zweiten Maihälfte 1994, im Stande gewesen wäre, die Auszahlung der in Rede stehenden "Renditen" herbeizuführen.
a) Dies setzt die Leistungsfähigkeit und Zahlungsbereitschaft des B zu diesem Zeitpunkt voraus. Als Zahlungsunfähigkeit ist dabei das auf dem Mangel an Zahlungsmitteln beruhende dauernde Unvermögen des Schuldners anzusehen, seine sofort zu erfüllenden Geldschulden noch im Wesentlichen zu berichtigen (vgl. z.B. Senatsurteile vom 22. Mai 1973 VIII R 97/70, BFHE 109, 573, 575, BStBl II 1973, 815, 816; in BFHE 184, 21, BStBl II 1997, 755, unter II.2.b cc bbb der Gründe; vom 30. Oktober 2001 VIII R 15/01, BFHE 197, 126, BStBl II 2002, 138, unter II.2.c bb der Gründe). Gegen eine Zahlungsunfähigkeit des B in der zweiten Maihälfte des Streitjahres spricht, dass er nach den strafrechtlichen Ermittlungen von Mitte Juni bis Anfang August des Streitjahres von Anlegern noch ca. 20,8 Mio. DM erhalten und im selben Zeitraum Auszahlungen an Anleger in Höhe von ca. 28,5 Mio. DM vorgenommen hatte. Das FG wird im zweiten Rechtsgang aufzuklären haben, seit wann der B seine betrügerischen Machenschaften aufrecht erhielt und unter welchen Bedingungen er Auszahlungen an Gläubiger auf entsprechende Zahlungsbegehren hin auch noch in der Endphase des Systems vornahm. Allerdings kommt es nicht darauf an, ob B im Novationszeitpunkt im Stande gewesen wäre, alle seine Verbindlichkeiten, also auch die noch nicht innerhalb eines absehbaren Zeitraums (von drei bis sechs Monaten, vgl. BFH-Urteil vom 8. März 1984 I R 44/80, BFHE 140, 421, BStBl II 1984, 415, unter II.1.a der Gründe) fällig werdenden Renditen und gekündigten Kapitaleinlagen, auf einmal auszuzahlen. Denn mit einer solchen Konstellation musste B bei verständiger und objektiver Beurteilung der gegebenen Sachlage nicht rechnen (BFH-Urteil vom 10. Juli 2001 VIII R 35/00, BFHE 196, 112, BStBl II 2001, 646, unter II.2.b cc bbb der Gründe; vgl. auch BFH-Urteile in BFH/NV 1998, 958, unter II.2.b cc bbb der Gründe, und vom 21. Juli 1987 VIII R 211/82, BFH/NV 1988, 224, 225). Sollten die Feststellungen des FG ergeben, dass B von Mitte Juni bis Anfang August auf entsprechende Zahlungsbegehren hin auch noch solche Renditeansprüche bediente, welche dem Renditeanspruch der Klägerin vergleichbar waren, wäre dies als Indiz für die Leistungsbereitschaft des B gegenüber der Klägerin im hier fraglichen Zeitpunkt der Novation zu werten. Hingegen spräche es gegen die Leistungsbereitschaft des B, falls er in der Endphase seines betrügerischen Schneeballsystems Renditeansprüche neuerer Gläubiger, wie die der Klägerin, gegenüber Alt-Gläubigern nur zögerlich oder gar nicht auf entsprechende Zahlungsbegehren hin erfüllte.
b) Zur Aufklärung dieser entscheidungserheblichen Tatsachen könnte sich neben der Auswertung der Steuer-(fahndungs-)Akten und Strafakten gegebenenfalls auch eine Vernehmung des B und des Steuerfahndungsprüfers anbieten.
c) Sollte sich nach Ausschöpfung aller verfügbaren Erkenntnismittel ein Zufluss der "Renditen", insbesondere die Leistungsbereitschaft des B, nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen lassen, geht dies zu Lasten des FA, welches die objektive Beweislast (Feststellungslast) für das Vorliegen der steuerbegründenden Tatbestandsmerkmale trägt (BFH-Urteil in BFHE 197, 126, BStBl II 2002, 138, unter II.2.f der Gründe).
Fundstellen
Haufe-Index 1849401 |
BFH/NV 2008, 194 |
HFR 2008, 169 |