Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Gewerbesteuer
Leitsatz (amtlich)
Der Betrieb einer Hengststation im Rahmen einer Landwirtschaft ist in der Regel kein Gewerbebetrieb.
Normenkette
EStG §§ 13, 15; GewStG § 2 Abs. 1
Tatbestand
Streitig ist die Gewerbesteuerpflicht einer Hengststation, die ein Landwirt unterhält.
Der Beschwerdeführer (Bf.) betreibt in Ostfriesland eine Landwirtschaft mit ca. 40 ha, in der die Weidewirtschaft überwiegt. In den Streitjahren 1944 - 1947 hatte er durchschnittlich fünf Hengste, die zum Decken eigener Stuten, vorwiegend aber zum Decken fremder Stuten verwendet wurden. Das Finanzamt war der Auffassung, daß die Deckstation ein gewerblicher Sonderbetrieb neben der Landwirtschaft sei, weil für die Fütterung der Hengste überwiegend zugekauftes Kraftfutter verwendet worden sei. Der Einspruch blieb erfolglos.
Das Finanzgericht trat der Auffassung des Finanzamts bei und führte aus: Die Frage, in welchem Verhältnis eigenerzeugte und zugekaufte Futtermittel verwendet worden seien, spiele nur für Betriebe der Tierzucht und Tierhaltung im Sinne des § 13 Abs. 1 Ziff. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) eine Rolle. Bei der gewöhnlichen Viehhaltung einer im Rahmen von § 13 Abs. 1 Ziff. 1 EStG betriebenen Landwirtschaft komme es auf diese Frage nicht an, weil in diesen Fällen die Viehhaltung ein unselbständiger Teil der Landwirtschaft, nicht aber ein Sonderbetrieb gewerblicher Art sei. Im vorliegenden Fall sei die Hengsthaltung kein unselbständiger Teil der Landwirtschaft, weil die Hengste nicht für Zwecke gehalten würden, die sich aus dem Betrieb der Landwirtschaft ergäben; sie gehörten nicht zu der üblichen Viehhaltung. Die Hengsthaltung sei auch kein landwirtschaftlicher Nebenbetrieb; denn sie sei weder ein sogenannter Verarbeitungs- noch ein Substanzbetrieb. Es müsse deshalb ein selbständiger, von der Landwirtschaft gesonderter Betrieb angenommen werden. Dieser sei nach § 13 Abs. 1 Ziff. 2 ein Gewerbebetrieb, weil in den Streitjahren für die Hengste überwiegend zugekauftes Futter verwendet worden sei.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) mit der der Bf. sich gegen die Rechtsauslegung des Finanzgerichts wendet, führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Zutreffend geht das Finanzgericht davon aus, daß im allgemeinen die Viehhaltung ein unselbständiger Teil der Landwirtschaft ist und deshalb nicht gesondert als Gewerbebetrieb im Sinne des § 2 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) behandelt werden kann. Es hat ferner zutreffend die Haltung von Vatertieren zur Tierzucht und damit zu den typischen Aufgaben der Landwirtschaft gerechnet (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs III 85/40 vom 7. November 1940, Reichssteuerblatt 1941 S. 156). Es sieht aber die Hengsthaltung hier nicht als übliche Viehhaltung im Rahmen der Landwirtschaft an, weil die Hengste nicht für Zwecke gehalten worden seien, die sich aus dem Betrieb der Landwirtschaft ergäben.
Diese Ausführungen sind rechtlich bedenklich. Was als "übliche" Viehhaltung im Rahmen der Landwirtschaft gilt, läßt sich nicht allgemein bestimmen. Die Verschiedenheit in den Wirtschaftsbedingungen der einzelnen Bezirke und innerhalb der Betriebe eines Bezirks führen dazu, daß einerseits das Verhältnis von Ackerwirtschaft und Viehwirtschaft und andererseits das Verhältnis in der Züchtung der verschiedenen Tiergattungen nicht gleichmäßig ist. Selbst innerhalb eines einzelnen Betriebs kann sich, vornehmlich unter dem Einfluß der Konjunktur, im Laufe der Jahre das Verhältnis von Ackerwirtschaft und Viehwirtschaft sowie das Verhältnis der Züchtung der verschiedenen Tiergattungen ändern. Trotz dieser Verschiedenheit bleibt die Viehhaltung so lange im üblichen Rahmen der Landwirtschaft, als nach dem Gesamtbild und der Verkehrsauffassung der Betrieb der Landwirtschaft zuzurechnen ist. Das ist mindestens dann der Fall, wenn der Boden die wesentliche Futtergrundlage für den Viehbestand abgeben kann. Ist diese Voraussetzung erfüllt, so ist es für den Landwirt eine Frage des wirtschaftlichen Ermessens, ob er einzelne Futtermittel zukauft, z. B. weil er den Acker durch Anbau anderer Früchte wirtschaftlich besser nutzen zu können glaubt oder weil er ein bestimmtes wertvolles Futter billiger kaufen als selbst erzeugen kann.
Eine andere Beurteilung ist geboten, wenn die Bodenbewirtschaftung zurücktritt und die Viehhaltung für sich das Gesamtbild des Betriebs so entscheidend bestimmt, daß nach der Verkehrsauffassung der Betrieb nicht mehr ohne weiteres zur Landwirtschaft gerechnet werden kann. Nur in diesen Fällen kommt es gemäß § 13 Abs. 1 Ziff. 2 EStG auf das Verhältnis von Eigenerzeugung und Zukauf bei den Futtermitteln an.
Wie im Urteil des Bundesfinanzhofs IV 91/54 U vom 5. August 1954 (Slg. Bd. 59 S. 129, Bundessteuerblatt III S. 259) für die Hühnerfarmen bereits ausgesprochen worden ist, muß aber bei der Beurteilung des Verhältnisses von Eigenerzeugung und Zukauf ein längerer Zeitraum zugrunde gelegt werden. Wenn aus besonderen Gründen der Zukauf nur vorübergehend überwiegt, so ist das in der Regel unschädlich.
Im vorliegenden Fall handelt es sich um einen Betrieb, der die der Viehzucht günstigen Wirtschaftsbedingungen Ostfrieslands schon seit Jahrzehnten durch Aufzucht von wertvollem Zuchtvieh genutzt hat. Außer den Hengsten wurden in den Streitjahren noch sieben andere Pferde als Zucht- und Arbeitstiere, etwa 37 Stück Rindvieh als Zucht- und Milchtiere, mehrere Zucht- und Mastschweine sowie Schafe gehalten. Die Zahl der Hengste ist allerdings ungewöhnlich groß. Die Auffassung des Finanzgerichts, daß die Hengsthaltung nicht den Zwecken der Landwirtschaft diene, trifft trotzdem nicht zu. Der Bf. war offenbar der Auffassung, daß die Pferdezucht und insbesondere die Hengsthaltung den landwirtschaftlichen Betrieb besonders rentierlich mache. Bei der Größe des Betriebs war die Futtergrundlage für den gesamten Viehbestand wohl im wesentlichen vorhanden. Der Bf. hat unwidersprochen vorgetragen, daß er früher ohne Zukauf von Futtermitteln ausgekommen sei. Der Zukauf sei erforderlich geworden, weil er in der Kriegs- und Nachkriegszeit auf behördliche Anordnung Brotgetreide hätte abliefern müssen, das damit für die Viehfütterung ausgefallen sei. Dieses Vorbringen ist glaubhaft. Es handelt sich demnach bei dem Zukauf der Futtermittel nur um eine vorübergehende Notmaßnahme.
Der Bf. behauptet ferner unwidersprochen, daß in den Streitjahren der Wert des Zukaufs weniger als 1/5 des Werts der Eigenerzeugung an Futtermitteln ausgemacht habe. Die Vorinstanzen sind zu ihrem Ergebnis gekommen, weil sie die Hengsthaltung und den Futterbedarf der Hengste - losgelöst von der gesamten Viehhaltung und der Futtererzeugung - betrachtet haben. Innerhalb eines landwirtschaftlichen Betriebs kann aber der Viehbestand nur im ganzen betrachtet werden. Wenn das Verhältnis von Zukauf und Eigenerzeugung ermittelt werden soll, müssen beide auf den gesamten Viehbestand bezogen werden. Es kann nicht eine einzelne Viehgattung ausgesondert und für sich beurteilt werden.
Der Landwirt pflegt auch nicht buchmäßig zu trennen, für welche Tiere zugekauftes Kraftfutter verwendet worden ist. Auch im vorliegenden Fall war darum keine einwandfreie Feststellung möglich, wieviel von dem zugekauften Futter an die Hengste bzw. an die anderen Zuchttiere verfüttert worden ist.
Die Vorinstanzen haben demnach unter rechtsirrtümlicher Anwendung des § 2 Abs. 1 GewStG in Verbindung mit § 15 EStG die Hengsthaltung als Gewerbebetrieb angesehen. Der Bf. war von der Gewerbesteuer freizustellen.
Fundstellen
Haufe-Index 408230 |
BStBl III 1955, 281 |
BFHE 1956, 215 |
BFHE 61, 215 |