Leitsatz (amtlich)
Gelangt das FG zu der Auffassung, daß mehrere gewerbliche Betätigungen eines Steuerpflichtigen als ein Gewerbebetrieb I. S. des § 2 Abs. 1 GewStG anzusehen sind, während das FA mehrere Gewerbebetriebe angenommen und entsprechend mehrere Gewerbesteuermeßbescheide erlassen hat, dann sind diese Bescheide, soweit sie Gegenstand des Rechtsstreits sind, nach § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO aufzuheben.
Normenkette
FGO § 100
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betreibt eine Apotheke auf einem zum Betriebsvermögen gehörenden Grundstück. Auf diesem Grundstück errichtete sie 1972 ein weiteres Gebäude, das sie zum Teil zum Betrieb eines Kosmetikinstituts nutzte.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) behandelte das Kosmetikinstitut und die Apotheke als zwei Gewerbebetriebe i. S. des § 2 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) und setzte für die Apotheke die Gewerbesteuermeßbeträge für die Streitjahre 1973 bis 1976 ohne Berücksichtigung der Verluste aus dem Kosmetikinstitut fest. Der Einspruch der Klägerin blieb insoweit ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit folgender Begründung statt:
Nach dem Gesamtbild der im Streitfall vorliegenden Umstände seien Apotheke und Kosmetikinstitut ein Gewerbebetrieb i. S. des § 2 Abs. 1 GewStG.
Da der Wert des betrieblich genutzten Teils des Neubaus größer als 50 v. H. seiner Herstellungskosten sei, sei die Klägerin berechtigt, das ganze Grundstück einschließlich des Gebäudes als Betriebsvermögen zu behandeln.
Das FG beschränkte sich gemäß Art. 3 § 4 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungsund Finanzgerichtsbarkeit (VGFG-EntlG) darauf, die angefochtenen Bescheide insoweit aufzuheben, als die Festsetzung der einheitlichen Gewerbesteuermeßbeträge dadurch beeinflußt worden sei, daß das FA die Apotheke und das Kosmetikinstitut als zwei Gewerbebetriebe und den Neubau nicht in vollem Umfang als Betriebsvermögen angesehen habe.
Mit der dagegen eingelegten Revision rügt das FA Verletzung des § 2 Abs. 1 GewStG.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist mit der Maßgabe unbegründet, daß die angegriffenen Gewerbesteuermeßbescheide aufzuheben sind.
1. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß die von der Klägerin betriebene Apotheke mit dem Kosmetikinstitut als ein Gewerbebetrieb i. S. des § 2 Abs. 1 GewStG anzusehen ist. (Wird ausgeführt.)
2. Die angegriffenen Gewerbesteuermeßbescheide betreffen lediglich den Gewerbebetrieb "Apotheke". lst Steuerobjekt nicht die Apotheke allein, sondern, weil sie als ein Gewerbebetrieb i. S. des § 2 Abs. 1 GewStG anzusehen sind, die Apotheke nebst Kosmetikinstitut, dann durfte das FG nicht nach § 100 Abs. 2 FGO i. V. m. Art. 3 § 4 VGFG-EntlG verfahren. Die die Apotheke betreffenden Bescheide hätten vielmehr gemäß § 100 Abs. 1 FGO aufgehoben werden müssen. Der Umfang des Gewerbebetriebes darf vom FG selbst nicht derart erweitert werden, daß der von ihm geänderte Steuerbescheid ein neues Steuerobjekt erfaßt. In diesem Fall ist vielmehr der angegriffene Bescheid aufzuheben und dem FA Gelegenheit zu geben, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts einen neuen Bescheid über das größere Steuerobjekt zu erlassen.
Nicht eingegangen zu werden braucht auf die Frage, ob der Neubau, in dem sich das Kosmetikinstitut befindet, in vollem Umfang als Betriebsvermögen behandelt werden darf. Diese Frage stellt sich erst für die neu zu erlassenden Bescheide und ein möglicherweise hieran anschließendes Rechtsbehelfsverfahren.
Fundstellen
Haufe-Index 74560 |
BStBl II 1983, 278 |
BFHE 1982, 200 |