Entscheidungsstichwort (Thema)
(Kein Verpächterwahlrecht bei Erwerb und Verpachtung eines landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Betriebs vor 1973 - keine konkludente Betriebseröffnung durch Steuererklärung)
Leitsatz (amtlich)
Ein Steuerpflichtiger, der vor dem 22. Mai 1973 (Tag der Veröffentlichung der EStER 1972) einen landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Betrieb entgeltlich erworben und in unmittelbarem Anschluß daran verpachtet hat, erzielt Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. In diesem Fall, für den ein sog. Verpächterwahlrecht erst durch die EStER 1972 eingeführt wurde, kommt es nicht auf die Folgerungen an, die der BMF aus dem Urteil des Senats vom 20. April 1989 IV R 95/87 (BFHE 157, 365, BStBl II 1989, 863) gezogen hat (BMF-Schreiben vom 23. November 1990, BStBl I 1990, 770).
Orientierungssatz
Wer vor dem 22.5.1973 einen landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Betrieb entgeltlich erworben und in unmittelbarem Anschluß daran verpachtet hat, hat auch dann Einkünfte i.S. des § 21 EStG erzielt, wenn er in der Folgezeit in den Steuererklärungen Einkünfte i.S. des § 13 EStG erklärt, den Freibetrag nach § 13 Abs. 3 EStG bzw. die Steuerermäßigung nach § 34e EStG beansprucht und das FA dementsprechend veranlagt hat. Aus den Angaben in der Steuererklärung kann nicht auf eine konkludente Betriebseröffnung geschlossen werden. Dazu hätte der Steuerpflichtige jedenfalls eine Eröffnungsbilanz vorlegen müssen.
Normenkette
EStG 1987 §§ 13-14, 16, 21; EStER 1972 Abschn. 139 Abs. 4
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist die Erbin ihres im Jahre 1970 verstorbenen Vaters, der eine kleine Landwirtschaft in G betrieben hatte. Im August 1967 erwarb er einen weiteren land- und forstwirtschaftlichen Betrieb in L und verpachtete ihn zugleich an den Verkäufer.
Auf Anfrage des Beklagten und Revisionsklägers (Finanzamt --FA--) gab die Klägerin 1981 an, daß der Hof seit dem Erwerb immer verpachtet gewesen sei; sie erziele Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft. Das FA führte daraufhin als Lagefinanzamt die Gewinnfeststellung bis einschließlich 1987 durch und stellte Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft fest.
Mit Schreiben vom 18. Dezember 1989 teilte die Klägerin dem FA unter Hinweis auf das Urteil des Senats vom 20. April 1989 IV R 95/87 (BFHE 157, 365, BStBl II 1989, 863) mit, daß sie keine Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erziele. Nach dieser Entscheidung habe ein Verpächterwahlrecht nicht bestanden, denn wer einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb erwerbe und unmittelbar nach dem Erwerb verpachte, erziele Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung; daher komme eine gesonderte Gewinnfeststellung nicht mehr in Betracht.
Das FA führte gleichwohl Gewinnfeststellungen für die Streitjahre 1988 und 1989 durch und wies den dagegen gerichteten Einspruch zurück.
Die Klage zum Finanzgericht (FG) hatte Erfolg. Das FG stützte sich im wesentlichen auf das Senatsurteil in BFHE 157, 365, BStBl II 1989, 863 und führte weiter aus, es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, daß der Vater den Betrieb in der Absicht erworben habe, ihn selbst zu bewirtschaften. Gegen eine solche Absicht spreche die vereinbarte Pachtdauer von 18 Jahren. Der Hof könne auch nicht dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb des Vaters in G zugeordnet werden, denn dort habe der Vater der Klägerin seine landwirtschaftliche Betätigung mit der Veräußerung des wesentlichen Grundbesitzes im Jahre 1967 bereits eingestellt.
Zwar habe die Finanzverwaltung in der Vergangenheit ein Verpächterwahlrecht in derartigen Fällen anerkannt (Abschn. 139 Abs. 5 Satz 18 der Einkommensteuer-Richtlinien --EStR-- 1987). Daran sei die Klägerin als Erbin jedoch nicht gebunden. Zu Unrecht berufe sich das FA auf den Inhalt des Schreibens des Bundesministers der Finanzen --BMF-- vom 23. November 1990 (BStBl I 1990, 770). Danach dürfe der Steuerpflichtige, der einen Betrieb aufgrund einer vor dem 1. Januar 1990 getroffenen Investitionsentscheidung erworben habe, aus Gründen des Vertrauensschutzes auch ohne vorherige Eigenbewirtschaftung den erworbenen Betrieb weiterhin als Betriebsvermögen behandeln. In diesem Fall sei der Steuerpflichtige für die nachfolgenden Besteuerungszeiträume an seine Entscheidung gebunden. Entsprechendes gelte, wenn die Ausübung des Verpächterwahlrechts in eine Steuerfestsetzung bzw. Gewinnfeststellung eingegangen sei.
Mit seiner dagegen gerichteten, vom Senat zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
Das FA ist der Auffassung, die Klägerin sei nach Treu und Glauben an ein einmal ausgeübtes Wahlrecht gebunden, auch wenn sich später herausstelle, daß dieses Wahlrecht ohne Rechtsgrundlage eingeräumt worden sei. Das Schreiben des BMF in BStBl I 1990, 770 verpflichte die Klägerin zwar nicht dazu, auch weiterhin Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft zu erklären; sie könne aber erst dann Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung beziehen, wenn sie den Betrieb aufgegeben habe.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie ist der Revision entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Im Ergebnis zu Recht hat das FG die Gewinnfeststellungsbescheide für die Streitjahre aufgehoben, denn die Klägerin konnte aus der Verpachtung des Hofs in L keine Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft beziehen.
1. Mit dem Erbfall hat die Klägerin im Jahre 1970 einen verpachteten Betrieb übernommen, der sich nach den Feststellungen des FG nur im Privatvermögen des Erblassers befunden haben konnte. Aus der Verpachtung dieses Hofs konnte die Klägerin daher nur Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i.S. des § 21 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erzielen.
a) Nach den bindenden Feststellungen des FG hatte der Erblasser im Jahre 1967 die Bewirtschaftung seines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs in G eingestellt und den dazugehörigen Grundbesitz veräußert. Im gleichen Jahr erwarb er in beträchtlicher Entfernung vom bisherigen Hof einen weiteren Betrieb, den er sogleich an den Veräußerer auf die Dauer von 18 Jahren verpachtete. Damit erwarb der Erblasser Privatvermögen und erzielte Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG. Ein Wahlrecht, die Pachteinnahmen auch bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft zu versteuern und damit die verpachteten wesentlichen Betriebsgrundlagen als Wirtschaftsgüter eines eigenen land- und forstwirtschaftlichen Betriebs in der Hand des Erwerbers und Verpächters fortzuführen, bestand zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Durch ländereinheitlichen Erlaß (BStBl II 1965, 5 zu II) hatte die Finanzverwaltung zwar die Grundsätze der geänderten Rechtsprechung zur Betriebsverpachtung zusammengestellt; entsprechend den Urteilen des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 13. November 1963 GrS 1/63 S (BFHE 78, 315, BStBl III 1964, 124) und vom 18. März 1964 IV 114/61 S (BFHE 79, 195, BStBl III 1964, 303) war das Wahlrecht jedoch nur auf Fortführung oder Aufgabe eines zuvor selbst betriebenen Unternehmens gerichtet.
b) Bei Erwerb des Hofs in L konnte sich dem Erblasser mithin die Frage einer Betriebsaufgabe nicht stellen. Vor Einführung der Bodengewinnbesteuerung bestand aber auch kein Bedürfnis für ein Wahlrecht, erworbene Wirtschaftsgüter auch dann als Betriebsvermögen zu führen, wenn es sich der Art nach um bloße Vermögensverwaltung handelte. Denn bis zum Jahre 1971 konnte der Gewinn aus der Veräußerung von Anlagegütern eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs nicht von den Anschaffungskosten des Grund und Bodens abgezogen werden (Abschn. 41a Abs. 2 der Einkommensteuer-Ergänzungsrichtlinien --EStER-- 1967); eine Folge des Nichtansatzes des Grund und Bodens bei der Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich (§ 4 Abs. 1 Satz 5 EStG 1969).
c) Erst durch EStER 1972 und offenbar im Zusammenhang mit der Einführung der Bodengewinnbesteuerung wurde das Verpächterwahlrecht auch auf die Fälle ausgedehnt, "in denen ein Steuerpflichtiger einen erworbenen Betrieb in unmittelbarem Anschluß an den Erwerb verpachtet oder einen verpachteten Betrieb erworben hat und diesen neu verpachtet oder der Erwerber eines verpachteten Betriebs in ein bestehendes Pachtverhältnis eintritt" (Abschn. 139 Abs. 4 a.E. EStER 1972). Augenfälliger Zweck dieser Regelung war es, dem Verpächter eine Möglichkeit zur Übertragung von Gewinnen aus der Veräußerung von Grund und Boden zu eröffnen, die vom 1. Juli 1970 an zu versteuern waren.
d) Ob der Erblasser oder die Klägerin nach Einführung dieses Verpächterwahlrechts bei Erwerb eines Betriebs befugt gewesen wären, den verpachteten Hof als land- und forstwirtschaftlichen Betrieb weiterzuführen, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Das FG hat nicht festgestellt, daß es zu einer Einlage oder Betriebseröffnung gekommen ist. Auch aus der im Jahre 1981 dem FA gegenüber abgegebenen Erklärung der Klägerin, sie beziehe Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, läßt sich dies ebensowenig ableiten, wie aus der Abgabe entsprechender Steuererklärungen. Der Senat hat wiederholt entschieden, daß die Angabe von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in der Steuererklärung nicht als konkludente Betriebsaufgabeerklärung zu werten sei (vgl. Urteile vom 31. Januar 1985 IV R 130/82, BFHE 143, 335, BStBl II 1985, 395; vom 15. Oktober 1987 IV R 91/85, BFHE 151, 392, BStBl II 1988, 257; vom 15. April 1993 IV R 12/91, BFH/NV 1994, 87, und Beschluß vom 27. Oktober 1988 IV S 11/88, BFH/NV 1990, 416, 418). Umgekehrt kann aber auch aus der Erklärung von Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft nicht auf eine konkludente Betriebseröffnung geschlossen werden. Dazu hätte die Klägerin jedenfalls eine Eröffnungsbilanz vorlegen müssen.
2. Im Ergebnis erweist sich die Vorentscheidung damit als zutreffend. Da dem Erblasser aber kein Verpächterwahlrecht aufgrund einer Verwaltungsanweisung eingeräumt war, kann es auch nicht darauf ankommen, welche Folgerungen der BMF in seinem Schreiben in BStBl I 1990, 770 aus dem Urteil des Senats in BFHE 157, 365, BStBl II 1989, 863 gezogen hat und ob der Grundsatz von Treu und Glauben eine Bindung des Steuerpflichtigen an ein ohne Rechtsgrundlage erlassenes Wahlrecht zur Folge hat. Auch die Inanspruchnahme des Freibetrags für Land- und Forstwirte nach § 13 Abs. 3 EStG und der Steuerermäßigung nach § 34e EStG hat nicht zur Entstehung eines Vertrauenstatbestands geführt, der die Annahme eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs rechtfertigen könnte. Die genannten Steuerermäßigungen wurden der Klägerin aufgrund fehlerhafter Würdigung des Sachverhalts durch das FA gewährt.
Fundstellen
Haufe-Index 65460 |
BFH/NV 1996, 65 |
BFH/NV 1996, 65-66 (LT) |
BFHE 179, 388 |
BFHE 1996, 388 |
BB 1996, 522 |
BB 1996, 522 (L) |
DB 1996, 556 (L) |
DStR 1996, 337 (K) |
DStZ 1996, 309 (K) |
HFR 1996, 249-250 (L) |
StE 1996, 154-155 (K) |