Entscheidungsstichwort (Thema)
Bierähnliche Getränke
Leitsatz (amtlich)
Der Biersteuer unterliegende bierähnliche Getränke sind solche, die mit dem Willen in den Handel gebracht werden, als Ersatz für Bier zu dienen. Auf die stoffliche Beschaffenheit des Getränks kommt es nicht an.
Normenkette
BierStG § 21 Abs. 1
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH und Tochtergesellschaft einer Brauerei, befaßt sich mit der Herstellung und dem Vertrieb von alkoholfreien Getränken. In der Zeit vom 1.Juli 1983 bis 31.Juli 1984 stellte sie 528,83 hl eines Getränks her. Dieses war in farblose transparente Einliterglasflaschen abgefüllt, die zwei Etiketten jeweils mit der Bezeichnung "Radler-..." trugen. Auf einem Etikett hieß es außerdem: "Bier-Mix-Limonade" und "bierhaltiges Erfrischungsgetränk". Ferner war auf diesem Etikett vermerkt: "Zutaten: Wasser, Bier, Zucker, Essenz mit natürlichen Aromastoffen, Zitronensäure, Zuckerkulör, Limonade mit 20 % Bierzusatz, Alkoholgehalt: 1 %". Mit Bescheid vom 12.Oktober 1984 erließ der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt --HZA--) einen Biersteuerbescheid über ... DM mit der Begründung, bei der Ware handle es sich um ein bierähnliches Getränk i.S. des § 21 Abs.1 des Biersteuergesetzes (BierStG), weil sie infolge ihrer Bezeichnung "Radler-..." Assoziationen mit "Radler-Maß", das als Bier gewertet werde, wecke und damit ein Getränk sei, daß nach seiner Anpreisung Bier ersetzen solle. Der Einspruch blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt und hob die angefochtenen Bescheide ersatzlos auf.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des HZA ist nicht begründet. Das FG hat den Begriff des bierähnlichen Getränks i.S. des § 21 Abs.1 BierStG nicht verkannt; seine Feststellungen sind für den Senat als Revisionsgericht verbindlich (§ 118 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Das Getränk, das Gegenstand der angefochtenen Bescheide ist, ist,wie zwischen den Beteiligten nicht streitig ist, kein Bier oder biergleiches Getränk. Es unterliegt der Biersteuer, die durch die angefochtenen Bescheide erhoben worden ist, also nur, wenn es als ein bierähnliches Getränk anzusehen ist (§ 21 BierStG). Von der Ermächtigung des § 21 Abs.2 BierStG, den Kreis der bierähnlichen Getränke näher zu bestimmen, hat der Bundesminister der Finanzen (BMF) keinen Gebrauch gemacht. Was unter solchen Getränken zu verstehen ist, ist daher allein aus der Definition des § 21 Abs.1 BierStG zu entnehmen.
Aus dieser Definition ergibt sich zunächst, daß es auf die stoffliche Beschaffenheit oder die Herstellungsweise des Getränks nicht unmittelbar ankommt (vgl. auch Urteil des RFH vom 7.Juni 1940 Vz 83/39, RFHE 49, 1, das zu einer Bestimmung des alten BierStG ergangen ist, die wörtlich mit dem hier anzuwendenden § 21 Abs.1 BierStG übereinstimmt). Nach § 21 Abs.1 BierStG ist vielmehr allein maßgebend, ob das Getränk als Ersatz für Bier in den Handel gebracht oder genossen wird. Hinzukommen muß, daß dies so zu sein pflegt, also gewöhnlich oder üblicherweise so ist (vgl. RFHE 49, 1, 2). Diese letztgenannte Voraussetzung kann sinnvollerweise aber nur auf die zweite Alternative bezogen werden (als Ersatz für Bier genossen zu werden pflegt). Da es insoweit auf eine unbestimmte Vielzahl von Verbrauchern ankommt, die mit Sicherheit nicht alle beim Verbrauch von den gleichen Vorstellungen ausgehen, muß zwangsläufig auf die üblichen oder gewöhnlichen Vorstellungen abgestellt werden. Dagegen hat eine entsprechende Einschränkung bei der ersten Alternative keinen Sinn. Sonst müßte ein Getränk, das der Hersteller mit neuer Zusammensetzung und zunächst konkurrenzlos in den Handel bringt, auch dann, wenn dies in der Absicht, einen Ersatz für Bier zu bieten, geschieht, deswegen aus dem Kreis der bierähnlichen Getränke ausscheiden, weil es für die Vermarktung eines solchen Getränks keine Übung gibt. Das kann aber nicht Sinn des § 21 Abs.1 BierStG sein.
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze sind nach der ersten Alternative des § 21 Abs.1 BierStG bierähnlich solche Getränke, die als Ersatz für Bier in den Handel gebracht werden. Das ist eine "subjektive" Begriffsbestimmung, d.h. es kommt darauf an, mit welchem Willen, welcher Absicht das Getränk in den Handel gebracht wird. Soll es nach diesem Willen als Ersatz für Bier dienen, so ist es unabhängig von seiner Beschaffenheit ein bierähnliches Getränk. Dabei kann es nicht auf den "inneren" Willen ankommen, sondern auf den Willen, der nach außen objektiv in Erscheinung getreten ist, d.h. aus den objektiven Umständen erkennbar geworden ist. Ein wesentlicher objektiver Umstand ist dabei, wie das Getränk angepriesen wird. Soll es nach seiner Anpreisung Bier ersetzen, so ist es ein bierähnliches Getränk (ständige Rechtsprechung des RFH zur gleichlautenden Vorschrift des früheren BierStG; vgl. RFHE 49, 1, sowie RFH-Urteile vom 8.Oktober 1924 IVa A 62/24, RFHE 14, 212, und vom 18.September 1929 IV A 175/29, Steuerrechtsprechung in Karteiform --StRK--, Biersteuergesetz, § 27a, Rechtsspruch 2; vgl. auch Urteil des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 9.Juli 1928 II 285/28, VSF V 3401 E 2, und Zapf/Siegert/Arndt/Klingemann, Das Biersteuergesetz, 4.Aufl. 1959, Anm.2 zu § 21). Als was das Getränk angepriesen worden ist, ist objektiv im wesentlichen abzuleiten aus Aufmachung und Etiketten der in den Handel gebrachten Waren sowie --ggf.-- aus dem Inhalt der ergänzenden Werbung. Für die Frage, ob daraus auf die Absicht des Herstellers oder Vermarkters geschlossen werden kann, das Getränk als Ersatz für Bier anzubieten, können auch sonstige Umstände aus dem Vermarktungsgeschehen des Getränks indizielle Bedeutung erlangen.
Ob die Tatbestandsmerkmale des so auszulegenden § 21 Abs.1 BierStG erfüllt sind, unterliegt der Beurteilung des Tatrichters (vgl. die zitierten RFH-Urteile). Das FG hat festgestellt, daß das streitbefangene Getränk nicht als Ersatz für Bier in den Handel gebracht worden ist. Daran ist der Senat gebunden, da das HZA dagegen keine zulässigen und begründeten Revisionsrügen vorgebracht hat (vgl. § 118 Abs.2 FGO). Das HZA wendet sich mit seiner Revisionsbegründung im wesentlichen gegen die Beweiswürdigung des FG. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) binden jedoch dessen tatsächliche Schlußfolgerungen das Revisionsgericht, wenn die Gesamtwürdigung durch das FG verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen und nicht durch Denkfehler oder Verletzung von Erfahrungssätzen beeinflußt ist; das gilt auch, wenn die Gesamtwürdigung nicht zwingend, sondern nur möglich ist (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2.Aufl., § 118 Anm.40, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des BFH).
Die Schlußfolgerung des FG, die Etiketten auf den Flaschen seien in ihrer Gesamtgestaltung so zu werten, daß die Klägerin keinen Ersatz für Bier, sondern eine Limonade anbieten wollte, ist ebenso möglich wie die gegenteilige Schlußfolgerung des FG München in seinem --den Beteiligten bekannten, nicht veröffentlichten-- Urteil vom 4.März 1983 III 176/81 Z in einem freilich nicht in allen Stücken vergleichbaren Fall. Sie ist auch nicht von Verstößen gegen die Denkgesetze oder gegen Erfahrungssätze beeinflußt, wie das HZA anzunehmen scheint. Im Gegensatz zu dieser Auffassung besteht nicht der geltend gemachte Widerspruch zwischen der Feststellung des FG, ein "Radler" oder "Radler-Maß" sei ein biergleiches Getränk (zu gleichen Teilen aus Bier und Limonade bestehend), und der weiteren Würdigung des FG, die Bezeichnung "Radler-..." auf den Etiketten entspringe der Phantasie und verspreche für sich allein noch kein biergleiches Getränk. Diese Ausführungen des FG sind bei richtiger Würdigung vielmehr dahin zu verstehen, daß das FG aus den übrigen von ihm aufgeführten Umständen den --möglichen-- Schluß gezogen hat, die Angabe "Radler-..." auf den Etiketten sei objektiv nicht dahin zu werten, daß die Klägerin ein biergleiches Getränk anbieten wollte.
Der Senat wäre allerdings an die Feststellungen des FG nicht gebunden, wenn die Auffassung des HZA zuträfe, daß das FG den Begriff des bierähnlichen Getränks i.S. des § 21 Abs.1 BierStG verkannt hat. Das ist aber nicht der Fall. Entgegen der Auffassung des HZA läßt sich der Vorentscheidung nicht entnehmen,das FG sei der (unrichtigen) Auffassung gewesen, es komme auf die objektive Beschaffenheit des Getränks und darauf an, ob sein Bieranteil charakterbestimmend sei. Die Gründe der Vorentscheidung machen deutlich, daß das FG zutreffend auf die "gewollte Bedeutung" der Anpreisung (vgl. Seite 8 der Vorentscheidung) abgestellt hat. Alle Ausführungen des FG auf Seite 9 der Vorentscheidung, auf die sich das HZA für seine Gegenauffassung beruft, haben lediglich den Charakter von Hilfstatsachen, aus denen das FG seine Schlußfolgerungen für die Frage gezogen hat, ob die Klägerin die Absicht hatte, ein Getränk als Ersatz für Bier in den Handel zu bringen. Allenfalls lassen die Hinweise des FG auf Seite 8 der Vorentscheidung, die Herstellung und Zusammensetzung des Getränks entspreche der von Limonaden und sein Bieranteil von 20 % sei zu gering, als daß er den Geschmack des Getränks bestimmen könnte, Zweifel aufkommen, ob das FG § 21 Abs.1 BierStG richtig ausgelegt hat. Aber auch diese Ausführungen lassen sich zwanglos dahin deuten, daß damit das FG ein Indiz aufführen wollte, aus dem zusammen mit anderen Indizien abgeleitet werden kann, daß die Klägerin nicht die Absicht hatte, das Getränk als Ersatz für Bier anzupreisen.
Das FG hat auch ohne Rechtsirrtum entschieden, daß die Voraussetzungen der zweiten Alternative des § 21 Abs.1 BierStG (gewöhnlich als Ersatz für Bier genossen wird) nicht vorliegen. Das hat das HZA mit seiner Revision nicht angegriffen. Die Vorentscheidung erweist sich damit als rechtlich zutreffend und in ihren tatsächlichen Feststellungen für den Senat bindend.
Fundstellen
Haufe-Index 62677 |
BFH/NV 1990, 30 |
BFHE 159, 383 |
BFHE 1990, 383 |
BB 1990, 909 |
BB 1990, 909 (LT) |
HFR 1990, 287 (LT) |
StE 1990, 131 (K) |