Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer
Leitsatz (amtlich)
Champignonkonserven, die vom Züchter der Champignons in dessen landwirtschaftlichem (Gartenbau-) Betrieb hergestellt werden, sind landwirtschaftliche Erzeugnisse.
Normenkette
UStG § 7/2/2/a; UStDB § 55 Abs. 5; UStG § 24
Tatbestand
Streitig ist allein der Steuersatz für Lieferungen der von der Steuerpflichtigen (Stpfl.) gezüchteten Champignons, die sie selbst in Dosen konserviert hat. Das Finanzamt hat diese Lieferungen unter Hinweis auf das Urteil des Reichsfinanzhofs V 31/41 vom 11. Juli 1941 (Reichssteuerblatt - RStBl. - S. 640) dem normalen Steuersatz unterworfen; das Finanzgericht hat der Berufung der Stpfl. stattgegeben und § 7 Abs. 2 Ziff. 2 a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1951 für anwendbar erklärt. Dabei ist es den Ausführungen des Finanzgerichts Nürnberg im Urteil K III 66/52 vom 25. Juli 1952 (Steuer und Wirtschaft 1952 Nr. 217) beigetreten.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts ist nicht begründet.
Die Ausführungen der Vorinstanz lassen einen Rechtsirrtum nicht erkennen. Insbesondere konnte das Finanzgericht auf Grund der von ihm angeführten Gutachten zu der Feststellung gelangen, daß Champignons, die vom Züchter selbst konserviert werden, nach der Verkehrsauffassung noch als landwirtschaftliches Erzeugnis anzusehen sind. Hierauf aber kommt es nach § 55 Abs. 5 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz (UStDB) 1951 allein an. Die Gutachten geben für ihre Auffassung eine schlüssige Begründung und lassen nicht erkennen, daß sie etwa von sachfremden Erwägungen geleitet würden. Insbesondere ziehen sie nicht selbst erkennbar rechtsirrige Schlußfolgerungen, die der Senat nicht zu beachten brauchte (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs V 105/52 S vom 22. Juli 1954, Bundessteuerblatt - BStBl. - 1954 S. 274, 276). Die Ermittlung der Verkehrsauffassung gehört zur Feststellung des Tatbestandes (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs V 87/52 U vom 6. März 1953, Slg. Bd. 57 S. 416, BStBl. 1953 III S. 162/163). Dieser ist im Streitfall ohne erkennbaren Rechtsirrtum oder Aktenverstoß festgestellt und damit nach §§ 288, 296 der Reichsabgabenordnung (AO) für den Senat bindend. Wenn das Finanzamt demgegenüber rügt, daß nicht auch Gutachten aus Kreisen der Konservenindustrie beigezogen worden sind, so ist darauf hinzuweisen, daß nach dem grundlegenden Urteil des Reichsfinanzhofs V A 437/35 vom 4. Oktober 1935 (Slg. Bd. 38 S. 283, RStBl. 1936 S. 72), dem der erkennende Senat stets gefolgt ist, die Frage der Verkehrsauffassung vom Standpunkt der beteiligten Wirtschaft, aus welcher heraus sich die Auffassung des Verkehrs bildet, beurteilt werden muß. Es kommen mithin in erster Linie die hier gehörten Abnehmerkreise als Gutachter in Betracht. Die Rüge, daß die Vorinstanz die Gutachten nicht selbst beigezogen, sondern sich der Ermittlungen in dem oben erwähnten gleichgelagerten Rechtsstreit vor dem Finanzgericht Nürnberg bedient hat, geht fehl. Denn nach § 278 AO ist das Gericht in der Beweiserhebung und in der Beweiswürdigung frei. Ein Verfahrensverstoß liegt deshalb nicht vor, weil jenes Urteil und das hierzu ergangene Schrifttum ausweislich der Akten bereits im Berufungsverfahren dem Finanzamt mitgeteilt worden sind.
Demgegenüber läßt das oben angeführte Urteil des Reichsfinanzhofs vom 11. Juli 1941 nicht erkennen, wie es die ihm zugrunde liegende Verkehrsauffassung ermittelt hat. Wenn dort zur Stützung der Entscheidung ausgeführt ist, daß die Champignons in einer für den landesüblichen Landwirtschaftsbetrieb nicht mehr durchführbaren Form zu Dauerware umgestaltet würden, so vermag der erkennende Senat dem in dieser Allgemeinheit nicht beizupflichten. Einmal gehört die Champignonzucht zum Gartenbau (vgl. Hartmann-Metzenmacher, UStG 4. Aufl. Anm. B I 1 zu § 7 Abs. 2 S. 539), wie dies auch die Verwaltung anerkannt hat (vgl. Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 8. August 1935 S. 3300 - 530 III, RStBl. 1935 S. 1074 Abschn. I 7 b), und die Einrichtungen zur Konservierung der Champignons stellen nach den Feststellungen des Finanzgerichts einen landwirtschaftlichen Nebenbetrieb im Sinne des § 55 Abs. 3 UStDB 1951 dar. Zum anderen ist, wie hier nicht streitig ist, in den Gartenbaubetrieben, die sich mit Champignonzucht befassen, die Konservierung der Pilze allgemein üblich, wie sich aus der überaus leichten Verderblichkeit dieses gärtnerischen Erzeugnisses erklärt. Es kann deshalb nicht darauf ankommen, ob allgemein in land- und forstwirtschaftlichen Betrieben - diese als Oberbegriff der verschiedenen Arten land- und forstwirtschaftlicher Betriebe verstanden (vgl. § 55 Abs. 1 Satz 2 UStDB 1951) - Konservierungseinrichtungen üblich und durchführbar sind, da umfangreiche industrielle Einrichtungen, wie die Stpfl. unbestritten vorgetragen hat, hierzu gar nicht erforderlich sind und bei den erwähnten Eigenschaften der Champignons und den wirtschaftlichen Besonderheiten ihrer Zucht und Verwertung nach den getroffenen Feststellungen die Verarbeitung eben noch im Bereiche der Landwirtschaft (Gartenbau) liegt. Den Vergleichen schließlich, die in jenem Urteil wie auch vom Finanzamt mit anderen gärtnerischen oder landwirtschaftlichen Erzeugnissen gezogen werden, kommt in einem Verfahren, in dem ausschließlich über den Charakter eingedoster Champignons als landwirtschaftliches Erzeugnis zu befinden ist, jedenfalls keine ausschlaggebende Bedeutung zu.
Nach alledem ist die Rb. mit der Kostenfolge des § 309 AO als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 408103 |
BStBl III 1955, 93 |
BFHE 1955, 239 |
BFHE 60, 239 |