Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Nachgezahlte Bezüge für mehrere Jahre, die ein Steuerpflichtiger auf Grund des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für Angehörige des öffentlichen Dienstes vom 11. Mai 1951 erhält, sind nicht nach § 24 Ziff. 1 a in Verbindung mit § 34 Abs. 1 und 2, sondern nach § 34 Abs. 3 EStG 1955 zu besteuern.
Normenkette
EStG § 3 Ziff. 7, § 3/8, §§ 19, 24/1/a, § 34/1, § 34/2, § 34 Abs. 3
Tatbestand
Der Bf. erhielt im Jahre 1957 für die Zeit vom 1. April 1950 bis 30. September 1957 auf Grund des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für Angehörige des öffentlichen Dienstes (BWGöD) vom 11. Mai 1951 (BGBl 1951 I S. 291 ff.) aus öffentlichen Mitteln einen Betrag von 55.639 DM. Das Finanzamt besteuerte den Betrag wie folgt:
Die Bezüge für die Zeit vom 1. April 1950 bis 31. März 1951 von 5.423 DM mit 10 v. H. gemäß § 34 Abs. 1 und 2 EStG.
Die Bezüge für die Zeit vom 1. April 1951 bis 31. Dezember 1951 von 4.286 DM ließ es auf Grund von Erlassen, nach denen die Steuerpflicht durch die nach der Tabelle 1950 errechnete Lohnsteuer abgegolten war, steuerfrei.
Die Bezüge für die Zeit vom 1. Januar 1952 bis 30. September 1957 von 45.930 DM verteilte es gemäß § 34 Abs. 3 EStG mit je 1/3 auf die Jahre 1955 bis 1957 und unterwarf sie im übrigen dem normalen Steuersatz. Streitig ist nur die Besteuerung des letztgenannten Betrags von 45.930 DM, den der Bf. auch nach § 34 Abs. 1 und 2 besteuert haben will und nicht nach § 34 Abs. 3 EStG. Er sieht den Betrag als Entschädigung im Sinne des § 24 Ziff. 1 a EStG an, den er als Ersatz für entgangene Einnahmen erhalten habe.
Das Finanzgericht wies im Streitpunkt die Sprungberufung als unbegründet zurück. Es führte im wesentlichen aus: In den Urteilen des Bundesfinanzhofs IV 371/53 U vom 28. April 1954 (BStBl 1954 III S. 289, Slg. Bd. 59 S. 208) und VI 87/55 U vom 1. Februar 1957 (BStBl 1957 III S. 104, Slg. Bd. 64 S. 271) seien zwar Nachzahlungen auf Pensionsansprüche als Entschädigungen im Sinne des § 24 Ziff. 1 a EStG behandelt und nach § 34 Abs. 1 und 2 EStG besteuert worden. Der Streitfall liege aber anders. Nach § 9 BWGöD hätten die Geschädigten einen Anspruch auf bevorzugte Wiederanstellung. Bis zur Wiederanstellung werde ihnen Ruhegehalt als Ruhestandsbeamte gewährt; nach § 10 BWGöD erhalte ein Geschädigter als Ruhestandsbeamter das Ruhegeld, das ihm zustehen würde, wenn er wieder angestellt und aus dem neuen Amt in den Ruhestand getreten wäre. Danach sei der Geschädigte vom Inkrafttreten des BWGöD an Ruhestandsbeamter. Nur für die Zeit vom 1. April 1950 bis 31. März 1951 erhalte er eine "Entschädigung", wie § 19 Abs. 1 BWGöD ausdrücklich bestimme; für die Zeit nachher erhalte er Ruhegehalt, nicht einen Ersatz für entgangene Einnahmen im Sinne des § 24 Ziff. 1 a EStG. Würde das Ruhegehalt nachträglich in einer Summe für mehrere Jahre nachgezahlt, so sei das ein typischer Fall des § 34 Abs. 3 EStG.
Der Bf. rügt Verletzung der §§ 34, 24 Ziff. 1 a EStG. Er führt im wesentlichen aus: Der Gesetzgeber bediene sich bei der in § 10 Abs. 1 Satz 1 BWGöD getroffenen Regelung einer Fiktion; der entlassene Beamte werde so behandelt, als ob er mit Inkrafttreten des BWGöD wieder eingestellt und als ob er aus dem neuen Amt bei Inkrafttreten des Gesetzes in den Ruhestand getreten wäre. § 10 Abs. 1 Satz 1 BWGöD gelte nur für die Zeit bis zur Wiederanstellung. Echte Ruhestandsbeamte seien nur Personen, die aus beamtenrechtlichen Gründen - etwa, weil sie nach Inkrafttreten des Gesetzes die Altersgrenze erreicht hätten oder dienstunfähig geworden seien - im Ruhestand verblieben (§ 10 Abs. 1 Satz 2 BWGöD) und Personen, die gemäß § 10 Abs. 2 BWGöD im Ruhestand belassen würden, weil sie eine unterwertige Verwendung (§ 9 Abs. 3 BWGöD) ablehnten; für diese beiden Fälle schaffe das Gesetz eine Dauerregelung. Mindestens das "Ruhegehalt" gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 BWGöD, das er bezogen habe, sei aber eine Entschädigung dafür, daß er noch nicht am 1. April 1951, dem Tage des Inkrafttretens des Gesetzes, wieder angestellt worden sei, so daß ihm dadurch Einnahmen entgangen seien. Es bestehe auch kein Unterschied zwischen dem "Ruhegehalt", das der Beamte gemäß § 19 Abs. 1 BWGöD für die Zeit vom 1. April 1950 bis zum 1. April 1951, d. h. dem Tage des Inkrafttretens des BWGöD, erhalte und das ausdrücklich als "Entschädigung" bezeichnet werde und dem fiktiven "Ruhegehalt", das er ab 1. April 1951 bis zum Tage seiner tatsächlichen Wiederanstellung gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 BWGöD erhalte. In beiden Fällen sei die Leistung des Dienstherrn keine Versorgung für den laufenden Unterhalt, sondern ein Ausgleich dafür, daß der verfolgte Beamte in der Vergangenheit keine Dienstbezüge erhalten habe. Die Bescheide, auf Grund derer entlassene Beamte in den Genuß der Wiederanstellung, Entschädigung und des Ruhegehalts gelangt seien, seien gewöhnlich erst Jahre nach dem Inkrafttreten des BWGöD erlassen worden; auch er habe den Bescheid vom 5. Juni 1957, auf Grund dessen ihm im Jahre 1957 55.639 DM ausgezahlt worden seien, erst vier Jahre nach dem Inkrafttreten des Gesetzes erhalten. Durch einen vom 19. September 1957 datierten Widerrufsbescheid sei ihm dann das "laufende Ruhegehalt" als Landgerichtsrat a. D. gemäß § 31 BWGöD mit Ablauf des 30. September 1957 wieder entzogen worden, weil er bereits am 7. September 1957, ohne ein Angebot auf Wiederanstellung gemäß § 9 BWGöD abzuwarten, erklärt habe, daß er auf Wiederanstellung verzichte, um Rechtsanwalt zu bleiben. Er sei also nur 2 1/2 Monate Landgerichtsrat i. R. gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Mit Recht hat das Finanzgericht angenommen, daß die Zahlungen, die der Bf. auf Grund des BWGöD erhalten hat, mindestens soweit sie auf die Zeit ab 1. Januar 1952 entfallen, nachgezahlte Ruhegehaltsbezüge sind, die tariflich nach § 34 Abs. 3 EStG zu behandeln sind. Es hat diese Bezüge zutreffend nicht als Ersatz für entgangene Einnahmen aus dem aufgelösten früheren Dienstverhältnis im Sinne des § 24 Ziff. 1 a EStG angesehen, sondern als nachgezahlte laufende Bezüge aus dem wiederbegründeten Dienstverhältnis für die Zeit ab 1. April 1951, d. h. dem Tag des Inkrafttretens des BWGöD. Weil es sich um Bezüge aus einem wiederbegründeten Dienstverhältnis handelt, sind diese Bezüge auch nicht nach § 3 Ziff. 7 Satz 1 EStG 1955 steuerfrei, sondern als Arbeitslohn aus einem wiederbegründeten Dienstverhältnis steuerpflichtig. Der Senat hat im Urteil VI 71/58 U vom 13. Juni 1960 (BStBl 1960 III S. 344) die dahingehende Rechtsauslegung der Finanzverwaltung (siehe dazu Erlaß des Finanzministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 15. Juni 1955, Abschnitt I Ziff. 2, BStBl 1955 II S. 110) als dem Gesetz entsprechend bestätigt. Es kann dem Bf. zugegeben werden, daß das BWGöD mit einer Fiktion arbeitet, wenn es das Dienstverhältnis als mit dem 1. April 1951 wiederbegründet ansieht. Das schließt aber nicht aus, aus dieser Fiktion die Folgerung zu ziehen, daß die aus dem wiederbegründeten Dienstverhältnis gewährten Bezüge echter Arbeitslohn (Ruhegehalt) sind.
Der Hinweis des Bf., daß der Gesetzgeber in § 19 Abs. 1 BWGöD die Bezüge für die Zeit vom 1. April 1950 bis 31. März 1951 selbst als "Entschädigung" bezeichne, greift nicht durch. Wie der Senat in der Entscheidung VI 71/58 U a. a. O. dargelegt hat, sind auch diese Bezüge solche aus dem wiederbegründeten Dienstverhältnis und darum nicht nach § 3 Ziff. 7 Satz 1 EStG 1955 steuerfrei. Es kann dahingestellt bleiben, ob das Finanzamt darum nicht bei der Veranlagung alle Bezüge des Bf. für die Zeit ab 1. April 1950 zusammen mit denen für die Zeit ab 1. Januar 1952 nach § 34 Abs. 3 EStG hätte besteuern müssen, ob also die vom Finanzamt angewandte günstigere Besteuerung der oben zu a) und b) genannten Teile der Gesamtnachzahlung wirklich dem Gesetz entsprach. Da bisher das Finanzamt eine Verschlechterung der Besteuerung nicht verlangt und auch keine Anschlußrechtsbeschwerde eingelegt hat, sieht der Senat von einer Prüfung der Frage ab, da sie nur zu einer Verböserung der Besteuerung führen könnte.
Mit Recht hat das Finanzgericht auch angenommen, daß aus den von ihm angeführten Entscheidungen des Bundesfinanzhofs IV 371/53 U vom 28. April 1954 und VI 87/55 U vom 1. Februar 1957 für den Streitfall nichts entnommen werden könne, weil es damals nicht um nachgezahlte Bezüge nach dem BWGöD ging.
Fundstellen
Haufe-Index 409949 |
BStBl III 1961, 208 |
BFHE 1961, 567 |
BFHE 72, 567 |