Entscheidungsstichwort (Thema)
Vermittlereigenschaft im Gebrauchtwagenhandel
Leitsatz (NV)
Rechnet ein Kraftfahrzeughändler, der ein Fahrzeug verkauft, auf den Kaufpreis endgültig lediglich den für den in Zahlung genommenen Gebrauchtwagen des Kunden vereinbarten sog. Mindestverkaufspreis an, so wird der Kraftfahrzeughändler beim Verkauf des Gebrauchtwagens auch dann nicht zwischen dem Gebrauchtwagenverkäufer und dem Abnehmer des gebrauchten Fahrzeuges als Vermittler tätig, wenn er im Namen des Gebrauchtwagenverkäufers auftritt.
Normenkette
UStG 1951 § 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 S. 1, Abs. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger betreibt eine Autoreparaturwerkstätte, einen Handel mit neuen und gebrauchten Personenwagen sowie eine Tankstelle. In den Jahren 1961 bis 1965 wurden die Gebrauchtwagengeschäfte wie folgt abgewickelt: Die Eigentümer der gebrauchten Fahrzeuge beauftragten den Kläger auf einem von diesem bereitgehaltenen, mit ,,Auftrag zur Vermittlung eines Kraftfahrzeug-Verkaufs" überschriebenen Formular, das näher bezeichnete gebrauchte Fahrzeug im Namen und für Rechnung des Auftraggebers zu verkaufen. Es wurde ein Mindestverkaufspreis für das Fahrzeug bestimmt. Wurde das Fahrzeug teurer verkauft, so sollte der übersteigende Betrag als Provision für den Kläger gelten. Der Kläger war bevollmächtigt, den Kaufpreis anzunehmen, und verpflichtet, dem Auftraggeber den Verkauf unverzüglich mitzuteilen und alles aus der Vermittlung Erlangte, abzüglich seiner Gegenansprüche, sofort an ihn abzuführen. Der Vertrag war auf unbestimmte Zeit geschlossen, konnte aber beiderseits schriftlich mit einer Frist von einer Woche zu jedem Monatsende gekündigt werden. Die Gebrauchtwagen wurden in der Regel anläßlich des Kaufs eines anderen (neuen oder gebrauchten) Fahrzeugs zum Verkauf übernommen. Der vereinbarte Mindestverkaufspreis wurde sofort auf den Kaufpreis des anderen Fahrzeugs angerechnet; mehr als dieser Mindestverkaufspreis wurde den Kunden nicht angerechnet.
Beim Verkauf der Gebrauchtwagen wurde ein ebenfalls vom Kläger bereitgestelltes Formular mit der Bezeichnung ,,Auftrag" verwendet. Darin waren Name und Anschrift des Eigentümers als Verkäufer genannt. Der Erwerber bestellte bei diesem den näher bezeichneten Wagen, wie besichtigt und unter Ausschluß jeder Gewährleistung. Der Kläger wurde in dem Formular als Beauftragter des Verkäufers genannt.
Zumeist erzielte der Kläger bei der Veräußerung der Gebrauchtwagen einen Preis, der wenige hundert DM über dem festgesetzten Mindestverkaufspreis lag. In einigen Fällen überstieg der Verkaufserlös den Mindestverkaufspreis beträchtlich. . . .
In den Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 1961 bis 1965 behandelte der Kläger nur die von ihm als Provisionen betrachteten, über die vereinbarten Mindestverkaufspreise hinausgehenden Erlöse als steuerpflichtige Entgelte. Die Veranlagungen wurden entsprechend durchgeführt. Nach einer Betriebsprüfung zog das Finanzamt durch Berichtigungsbescheide vom 27. August 1971 die gesamten Erlöse aus dem Gebrauchtwagenhandel zur Umsatzsteuer heran. . . .
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht bestätigte die Auffassung des Finanzamts, daß der Kläger die Gebrauchtwagengeschäfte nicht als Vermittler der Verkäufer, sondern als sogenannter Eigenhändler abgewickelt habe und deshalb die Umsatzsteuer nach den Gesamterlösen und nicht nach den als Provisionenen vereinbarten Beträgen zu bemessen sei.
Hiergegen wendet sich die Revision des Klägers.
Er beantragt sinngemäß, die Umsatzsteuer für die Kalenderjahre 1961 bis 1965 um die Beträge zu vermindern, die auf die mit den Gebrauchtwagenverkäufern vereinbarten sogenannten Mindestpreise entfallen.
Das Finanzamt beantragt die Zurückweisung der Revision.
Der Bundesminister der Finanzen ist dem Verfahren beigetreten.
Die Beteiligten haben vor dem Bundesfinanzhof auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Der Umsatzsteuer unterliegen die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt (§ 1 Nr. 1 Satz 1 Umsatzsteuergesetz - UStG - 1951). Für die Besteuerung eines Unternehmers (§ 2 Abs. 1 UStG 1951) ist demnach maßgebend, ob und welche Lieferungen oder sonstige Leistungen von ihm erbracht werden. Im Streitfall ist deshalb entscheidend, ob der Kläger die Lieferungen der Gebrauchtwagen an die Abnehmer (§ 3 Abs. 1 UStG 1951) erbracht hat, oder ob die Verkäufer die Gebrauchtwagen an die Abnehmer geliefert haben und der Kläger die Lieferungen für die Verkäufer lediglich vermittelt hat und dementsprechend nur eine Vermittlungsleistung erbracht hat.
Das Finanzgericht ist davon ausgegangen, daß umsatzsteuerrechtlich Vermittler sei, wer in fremdem Namen und für fremde Rechnung handle; nur in diesem Fall sei der Umsatz des Klägers nach den mit den Verkäufern vereinbarten sogenannten Provisionen zu bemessen (§ 5 Abs. 1 Satz 1 UStG 1951). Es hat, obwohl es davon ausging, daß der Kläger in fremdem Namen aufgetreten ist, Vermittlungsleistungen des Klägers gegenüber den Verkäufern verneint und Lieferungen des Klägers an die Abnehmer angenommen, weil er die Geschäfte nicht für Rechnung seiner Auftraggeber besorgt habe. Er habe nicht für fremde, sondern für eigene Rechnung gehandelt, weil der gesamte wirtschaftliche Nutzen aus den Gebrauchtwagenverkäufen unter Ausschluß der Verkäufer allein vom Kläger gezogen worden sei, denn diesen sei beim Kauf eines Fahrzeugs lediglich die für die hingegebenen Gebrauchtwagen vereinbarten Mindestverkaufspreise angerechnet worden, während die höheren Verkaufspreise für die Gebrauchtwagen voll dem Kläger zugeflossen seien. Wegen der niedrig angesetzten Mindestverkaufspreise habe bei der Veräußerung der Gebrauchtwagen allgemein nicht das Risiko eines Verkaufs für einen geringeren Preis, sondern die hinreichend sichere Aussicht bestanden, den Mindestverkaufspreis oder einen höheren Preis zu erzielen; der Kläger habe eine verhältnismäßig gute Rendite aus dem Gebrauchtwagengeschäft erzielt.
Das Finanzgericht hat damit die wirtschaftlichen Auswirkungen des Gebrauchtwagengeschäfts bei der Zwischenperson zum entscheidenden Kriterium für die Frage gemacht, ob die Zwischenperson, der Kläger, für fremde Rechnung gehandelt hat. Die mehr oder weniger gute Rendite der Zwischenperson kann aber schon deshalb nicht maßgebend sein, weil auch der als Vermittler Tätige ein Interesse an einem möglichst guten Geschäftsergebnis hat, denn hierauf ist seine Tätigkeit letztlich gerichtet.
2. Die Formel, Vermittler sei, wer in fremdem Namen und für fremde Rechnung handelt, ist von der Rechtsprechung aus dem Begriff des durchlaufenden Postens entwickelt worden, wie er in § 5 Abs. 3 UStG 1951 beschrieben ist (vgl. BFH-Urteil vom 24. August 1961 V 98/59 U, BFHE 73, 620, BStBl III 1961, 492). Danach gehören nicht zum Entgelt die Beträge, die der Unternehmer im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt. Eine selbständige, umsatzsteuerbegründende oder den Steuertatbestand ausschließende Bedeutung kommt dieser Vorschrift jedoch nicht zu. Vielmehr setzt sie im Rahmen der für den Besteuerungsmaßstab maßgebenden Entgeltsbeschreibung voraus, daß derjenige, der ,,durchlaufende Posten" vereinnahmt und verausgabt, selbst keine Leistung erbracht hat. Ob dies zutrifft, läßt sich nur nach den umsatzsteuerrechtlichen Leistungsbeziehungen beantworten.
3. Für die Zurechnung der Umsätze folgt das Umsatzsteuerrecht grundsätzlich dem Zivilrecht. Träger des Umsatzes ist der jeweilige Vertragspartner, denn dieser schuldet die Leistung (vgl. zur Bestimmung des Leistungsempfängers BFH-Beschluß vom 13. September 1984 V B 10/84, BFHE 142, 164, BStBl II 1985, 21). Bürgerlich-rechtlich wird durch das Handeln eines Vertreters im Namen des Vertretenen der Vertretene berechtigt und verpflichtet (§ 164 Abs. 1 BGB). Umsatzsteuerrechtlich ist dementsprechend die dem Leistungsempfänger erbrachte Leistung grundsätzlich dem Vertretenen zuzurechnen. Dies kann allerdings nicht gelten, wenn durch das Handeln in fremdem Namen lediglich verdeckt wird, daß der Vertreter und nicht der Vertretene die Leistung erbringt (vgl. insoweit BFH-Urteil vom 17. Juli 1980 V R 124/75, BFHE 131, 120, BStBl II 1980, 673). Der Unternehmer kann sich durch die Wahl einer bestimmten bürgerlich-rechtlichen Form den vom Umsatzsteuergesetz angeordneten steuerrechtlichen Folgen nicht entziehen, wonach Lieferungen und sonstige Leistungen der Umsatzsteuer unterliegen, wenn sie gegen Entgelt erbracht werden (§ 1 Nr. 1 UStG 1951). Nach den Regeln des Umsatzsteuerrechts ist demnach zu entscheiden, ob der als Vertreter und im Auftrag eines Dritten Auftretende im Verhältnis zu diesem Dritten, im Streitfall also im Verhältnis zu dem jeweiligen Gebrauchtwagenverkäufer, lediglich eine (entgeltliche) Geschäftsbesorgung erbringt und dementsprechend eine (entgeltliche) Lieferung des Gebrauchtwagenverkäufers an den jeweiligen Abnehmer vorliegt, oder ob eine (entgeltliche) Lieferung des Gebrauchtwagenverkäufers an den Beauftragten, im Streitfall also an den Kläger, gegeben ist, mit der Folge, daß die als Lieferung des Gebrauchtwagenverkäufers bezeichnete Lieferung sich als (entgeltliche) Lieferung des Klägers (nicht des Verkäufers) an den Abnehmer darstellt.
4. Lieferungen im Sinne des § 1 Nr. 1 UStG 1951 sind Leistungen, durch die der Unternehmer den Abnehmer befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (§ 3 Abs. 1 UStG 1951; insoweit gleichlautend mit § 3 Abs. 1 UStG 1967 und § 3 Abs. 1 UStG 1980). Dieser, in den Umsatzsteuergesetzen 1967 und 1980 im Klammerzusatz als Verschaffung der Verfügungsmacht umschriebene Lieferungsbegriff ist nicht schon dann erfüllt, wenn lediglich das Recht übertragen wird, über einen Gegenstand zu verfügen, denn hierdurch wird - in bezug auf den konkreten Gegenstand - keine Leistung bewirkt. Vielmehr ist erforderlich, daß dem Leistungsempfänger Substanz, Wert und Ertrag eines Gegenstandes zugewendet werden (vgl. BFH-Urteile vom 24. April 1969 V 176/64, BFHE 95, 410, BStBl II 1969, 451, und vom 6. Dezember 1979 V R 87/72, BFHE 129, 425, BStBl II 1980, 279). Dementsprechend liegt eine Lieferung vor, wenn die wirtschaftliche Substanz eines Gegenstandes unbedingt vom Leistenden auf den Leistungsempfänger übergeht und dies von den Beteiligten endgültig gewollt ist (Weiß, UStR 1980, 76; Giesbert in Rau / Dürrwächter / Flick /Koch, Umsatzsteuergesetz (Mehrwertsteuer), Kommentar, 43. Lieferung, November 1983, § 3a Anm. 120, 121; vgl. auch BFH-Urteil vom 20. Juli 1978 V R 2/75, BFHE 126, 84, BStBl II 1978, 684, unter 1a der Urteilsgründe); sie ist steuerbar, wenn die Übertragung der Substanz gegen Entgelt erfolgt.
5. Nach den vom Finanzgericht getroffenen, den erkennenden Senat bindenden Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) kommt die Annahme von Vermittlungsleistungen gegenüber den Gebrauchtwagenverkäufern nicht in Betracht. Vielmehr haben die Verkäufer die Gebrauchtwagen jeweils an den Kläger und dieser die Fahrzeuge an die Abnehmer i. S. des § 3 Abs. 1 UStG 1951 geliefert. Die Entscheidung des Finanzgerichts, die Umsätze des Klägers nach den Entgelten für diese Lieferungen zu bemessen (§ 5 Abs. 1 Satz 1 UStG 1951), ist danach im Ergebnis richtig.
a) Die in den sogenannten ,,Aufträgen zur Vermittlung eines Kraftfahrzeug-Verkaufs" zwischen den Gebrauchtwagenverkäufern und dem Kläger vereinbarten ,,Mindestverkaufspreise" stellen nicht die nach unten begrenzten, den Verkäufern zufließenden Verkaufserlöse dar, die nach Möglichkeit im Interesse der Verkäufer höher ausbedungen werden sollten. Vielmehr handelte es sich um Festpreise, für welche die Verkäufer ihre Fahrzeuge endgültig an den Kläger abgaben (vgl. BFH in BFHE 73, 620, BStBl III 1961, 492 und Urteil vom 11. November 1966 V 127/62, HFR 1966, 93). Ohne Belang ist, daß in einigen Fällen die Mindestverkaufspreise nachträglich einvernehmlich herabgesetzt worden sind, denn dies ändert nichts daran, daß die Verkäufer zunächst nur einen bestimmten Festpreis erzielen wollten und den Gebrauchtwagen hierfür hingaben.
b) Soweit - nach den Feststellungen des Finanzgerichts war dies ,,in der Regel" der Fall - die Hingabe der Gebrauchtwagen mit dem Kauf eines (neuen oder gebrauchten) Fahrzeugs gekoppelt war, ergibt sich aus der gegenseitigen Abhängigkeit der dem Gesamtgeschäft zugrundeliegenden Verträge in Verbindung mit der Anrechnung eines festen Betrages für das Gebrauchtfahrzeug auf den Preis des gekauften Fahrzeugs, daß die Verkäufer ihre gebrauchten Fahrzeuge endgültig dem Kläger überlassen haben (vgl. auch BFH in HFR 1966, 93). Der Senat folgt insoweit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Danach wird in den Fällen, in denen ein Kraftfahrzeughändler, der ein Fahrzeug verkauft und den Gebrauchtwagen des Käufers ,,in Zahlung nimmt", nach Bezahlung des nicht zur Verrechnung vorgesehenen Teils des Kaufpreises und Hingabe des Gebrauchtwagens der Neuwagenkauf endgültig abgewickelt; der Käufer gehe regelmäßig davon aus, daß er - durch die Hingabe des Gebrauchtwagens - die ihm gegenüber bestehende Kaufpreisforderung in vollem Umfang getilgt habe; dies sei dem Händler bekannt (BGH-Urteile vom 5. April 1978 VIII ZR 83/77, NJW 1978, 1482, und vom 31. März 1982, VIII ZR 65/81, NJW 1982, 1699).
Hieraus folgt für die im Streitfall maßgebende umsatzsteuerrechtliche Betrachtung, daß in den genannten Fällen die wirtschaftliche Substanz der Gebrauchtwagen von den Verkäufern auf den Kläger übergegangen ist und daß dies von den Beteiligten an diesem Geschäft endgültig gewollt war. Dementsprechend hat der Kläger die Gebrauchtwagen i. S. der § 1 Nr. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1 UStG 1951 an die Abnehmer geliefert.
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Fundstellen