Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerliche Berücksichtigung von Beratungskosten im Zusammenhang mit der fehlgeschlagenen Gründung einer Kapitalgesellschaft
Leitsatz (amtlich)
Im Zusammenhang mit der fehlgeschlagenen Gründung einer Kapitalgesellschaft entstandene Beratungskosten können auch dann weder als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen noch als Liquidationsverlust nach § 17 Abs. 4 EStG geltend gemacht werden, wenn eine wesentliche Beteiligung an der Kapitalgesellschaft beabsichtigt war.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 Sätze 1-2, § 20 Abs. 1 Nr. 1, § 17 Abs. 4
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) ―Eheleute― wurden für das Streitjahr 1994 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger war bis September 1994 bei der X-AG beschäftigt.
Im Frühjahr 1994 bot die X-AG ihm an, im Wege des Management Buy-Out ausgewählte Betriebe in A (Ausland) aus ihrem Unternehmen zu erwerben und in den deutschen Raum zu expandieren. Er habe sich daraufhin mit einem Partner (der deutschen B-GmbH & Co. KG) entschlossen, eine AG mit Sitz und Geschäftsführung in A zu gründen und diese Betriebe zu kaufen und zu führen. Beide Gesellschafter sollten an der AG je zur Hälfte beteiligt sein.
Die in die Gründungsüberlegungen einbezogene Bank erstellte daraufhin einen Finanzierungsplan und im Zusammenwirken mit einem Beratungsunternehmen einen Businessplan mit einer eingehenden Analyse der erwarteten Umsatz- und Ertragsentwicklung. Zur Gründung der AG kam es jedoch nicht mehr, weil sich die Finanzpartner des Klägers ―noch vor der Verabschiedung einer Satzung und vor der Eintragung der AG in das Handelsregister― von dem Projekt zurückgezogen haben. Für die Beratung hatte der Kläger insgesamt … DM zu bezahlen. Diesen Betrag machte er im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung 1994 als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geltend.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) berücksichtigte diese Aufwendungen im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 1994 nicht. Sie seien keine vorweggenommenen Werbungskosten. Der Kläger habe nach seiner eigenen Erklärung im Zeitpunkt des Scheiterns der Gründung auch noch keinen endgültigen Entschluss zum Erwerb der Betriebe gefasst. Die Aufwendungen seien zudem keine Werbungskosten, sondern nur Anschaffungskosten der Beteiligung, die im Rahmen des § 20 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht abziehbar seien. Der Einspruch blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab (Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 2002, 900).
Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts (§ 9 Abs. 1 Satz 1, § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG).
Sie beantragen, das Urteil des FG aufzuheben und der Klage stattzugeben, hilfsweise die Sache an das FG zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist nicht begründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
1. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Beratungskosten nicht Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2, § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG).
a) Werbungskosten sind nach ständiger Rechtsprechung alle Aufwendungen, die durch die Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen veranlasst sind. Das gilt auch für Einkünfte aus Kapitalvermögen und unabhängig davon, ob sie mit Hilfe einer wesentlichen Beteiligung ―wie sie hier erworben werden sollte― oder mit Hilfe anderer Kapitalanlagen erzielt werden (Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 2. Mai 2001 VIII R 32/00, BFHE 195, 302, BStBl II 2001, 668, m.w.N.). Anschaffungskosten, einschließlich der Anschaffungsnebenkosten einer Vermögensanlage, gehören nicht zu den abzugsfähigen Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen (vgl. BFH-Urteil vom 17. April 1997 VIII R 47/95, BFHE 184, 275, BStBl II 1998, 102, m.w.N.).
b) Die hier zu beurteilenden Beratungskosten sind Anschaffungskosten der Beteiligung. Sie sind Nebenkosten des Erwerbs (vgl. dazu u.a. BFH-Urteil in BFHE 184, 275, BStBl II 1998, 102, unter II.3.; Schmidt/Weber-Grellet, Einkommensteuergesetz, 22. Aufl., § 17 Rz. 161; von Bornhaupt und Schneider in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 9 Rdnr. B 750 "Beratungskosten" und § 17 Rdnr. C 200; Strahl in Korn, Einkommensteuergesetz, § 17 Rz. 83; Hörger in Littmann/ Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, § 17 EStG Rz. 176; Eilers/R. Schmidt in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 17 EStG Anm. 193; a.A. Schmidt/Heinicke, a.a.O., § 20 Rz. 230 "Beratungskosten", m.w.N.). Es gilt insoweit nichts anderes als etwa für Makler-, Gutachter- oder Beurkundungskosten (vgl. zu diesen BFH-Urteile vom 9. Oktober 1979 VIII R 67/77, BFHE 129, 132, BStBl II 1980, 116, unter 2.a der Gründe; vom 11. Oktober 1989 I R 12/87, BFHE 158, 390, BStBl II 1990, 89, unter II.4.a der Gründe; vom 20. Juni 2000 VIII R 37/99, BFH/NV 2000, 1342; vom 30. Oktober 2001 VIII R 29/00, BFHE 197, 114; Blümich/Ehmcke, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 6 EStG Rz. 257, m.w.N.; Stobbe in Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 6 EStG Anm. 293).
Allerdings gilt dies uneingeschränkt nur für Nebenkosten, die nach dem endgültigen Entschluss des Steuerpflichtigen entstanden sind, die Kapitalanlage zu erwerben; es ist ggf. zwischen Einzelkosten und Gemeinkosten des Erwerbs zu unterscheiden (zum Streitstand vgl. u.a. Hoffmann in Littmann/Bitz/Pust, a.a.O., § 6 EStG Rz. 166, 167). Jedenfalls aber gilt auch hier der allgemeine Grundsatz, dass steuerrechtlich relevante Aufwendungen nur vorliegen, wenn die Beziehung zwischen den Aufwendungen und der ―bestimmten― Einkunftsart klar erkennbar ist (vgl. zu dem erforderlichen konkreten wirtschaftlichen Zusammenhang allgemein BFH-Urteile vom 14. Juni 1988 VIII R 252/82, BFHE 154, 72, BStBl II 1988, 992, und vom 15. April 1992 III R 96/88, BFHE 168, 133, BStBl II 1992, 819, m.w.N., sowie ―für Gründungskosten einer Personengesellschaft― BFH-Urteil vom 21. September 1995 IV R 117/94, BFH/NV 1996, 461, m.w.N.). Davon ist nach dem unwidersprochenen Vortrag des Klägers auszugehen; danach war die Entscheidung zur Gründung der AG bereits vor der Beauftragung der Beratungsgesellschaft gefallen.
c) An dieser Beurteilung ändert sich auch nichts dadurch, dass es im Streitfall nicht zur Gründung der AG gekommen ist.
aa) Auch vergeblich aufgewendete Anschaffungskosten bleiben Anschaffungskosten; sie werden lediglich bei abnutzbaren Wirtschaftsgütern über eine außerordentliche Absetzung für Abnutzung sofort erfolgswirksam (vgl. BFH-Beschluss vom 4. Juli 1990 GrS 1/89, BFHE 160, 466, BStBl II 1990, 830, und dazu näher Schmidt/Drenseck, a.a.O., § 9 Rz. 46 f.). Bei nicht abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Privatvermögens sind sie grundsätzlich nicht zu berücksichtigen (zum Streitstand vgl. u.a. von Bornhaupt in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 9 Rdnr. B 703). Beteiligungen an Kapitalgesellschaften gehören zu diesen Wirtschaftsgütern (vgl. u.a. BFH-Urteile vom 3. Oktober 1985 IV R 144/84, BFHE 145, 145, BStBl II 1986, 142; vom 27. Juni 1989 VIII R 30/88, BFHE 157, 541, BStBl II 1989, 934, unter 2.b aa der Gründe; in BFHE 197, 114, unter II.4.a der Gründe, m.w.N.); die für sie aufgewendeten Anschaffungskosten können deshalb nicht im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen abgezogen werden. Dies ist nur dann anders, wenn sie einer wesentlichen Beteiligung i.S. von § 17 EStG zuzuordnen und die übrigen Tatbestandsmerkmale dieser Vorschrift erfüllt sind (vgl. dazu nachfolgend 2. der Gründe).
bb) Für fehlgeschlagene Anschaffungskosten bzw. Herstellungskosten gelten die von der Rechtsprechung für vorab entstandene Betriebsausgaben oder Werbungskosten entwickelten Grundsätze entsprechend (vgl. dazu u.a. von Bornhaupt in Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, a.a.O., § 9 Rdnr. B 703, und B 812; weiter gehend u.a. Schmidt/Drenseck, a.a.O., § 9 Rz. 47, m.w.N.: Anschaffungsaufwendungen auch bei nicht abnutzbaren Wirtschaftsgütern abzugsfähig). Sie können deshalb auch im Rahmen des § 17 EStG nur berücksichtigt werden, wenn die Aufwendungen in einem hinreichend konkreten Zusammenhang mit dem Erwerb der Beteiligung stehen. Davon ist hier, wie ausgeführt, auszugehen.
2. Die Beratungskosten können jedoch nicht als Auflösungsverluste i.S. von § 17 Abs. 4 EStG berücksichtigt werden.
Nach § 17 Abs. 1 und 4 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Auflösung von Kapitalgesellschaften, wenn der Gesellschafter innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt war und er die Beteiligung in seinem Privatvermögen hielt. Entsprechendes gilt für die aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft entstehenden Verluste (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 12. Dezember 2000 VIII R 22/92, BFHE 194, 108, BStBl II 2001, 385). Der Senat hat erwogen, ob die Bestimmung auch auf Verluste anzuwenden ist, die dem Steuerpflichtigen im Zusammenhang mit dem fehlgeschlagenen Erwerb einer wesentlichen Beteiligung entstanden sind. Er sieht sich daran jedoch durch den eindeutigen Wortlaut der Vorschrift gehindert, nach dem zwar ggf. noch eine ―wie eine Kapitalgesellschaft zu behandelnde (vgl. dazu BFH-Urteil vom 14. Oktober 1992 I R 17/92, BFHE 169, 343, BStBl II 1993, 352, m.w.N.)― "Vorgesellschaft", nicht aber auch eine "Vorgründungsgesellschaft" (zu dieser vgl. u.a. BFH-Urteil vom 8. November 1989 I R 174/86, BFHE 158, 540, BStBl II 1990, 91) vom Anwendungsbereich des § 17 EStG erfasst wird.
Fundstellen
Haufe-Index 1153636 |
BFH/NV 2004, 1031 |
BStBl II 2004, 597 |
BFHE 2004, 292 |
BFHE 205, 292 |
BB 2004, 1266 |
BB 2004, 2053 |
DB 2004, 1240 |
DStRE 2004, 739 |
DStZ 2004, 390 |
HFR 2004, 618 |