Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Hat der Steuerpflichtige für künftige Ersatzbeschaffungen oder Instandsetzungen eine steuerfreie Rücklage zu Lasten des laufenden Gewinns gebildet und veräußert er den Betrieb ohne vorherige zweckentsprechende Verwendung der Rücklage, so erhöht die aufzulösende Rücklage in der Regel den laufenden Gewinn und nicht den tarifbegünstigten Veräußerungsgewinn.
Erhält der Steuerpflichtige nach Aufhebung der Beschlagnahme des Betriebes vom Amt für Verteidigungslasten Vergütungen für Gebäude- oder Inventarschäden und veräußert er den Betrieb vor zweckentsprechender Verwendung dieser Vergütungen, so darf er auch dann, wenn er gleichzeitig einen anderen gleichartigen Betrieb erwirbt, keine steuerfreie Rücklage für künftige Instandsetzungen von Wirtschaftsgütern, des neu erworbenen Betriebes bilden. Die Einbuchung der Vergütungsansprüche erhöht den laufenden Gewinn und nicht den tarifbegünstigten Veräußerungsgewinn.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1, §§ 5, 16 Abs. 1 Nr. 1, § 16/2, § 16 Abs. 3, § 34/2/1
Tatbestand
Streitig ist bei der gesonderten Gewinnfeststellung 1955, wie die durch die Veräußerung eines nach der Beschlagnahme freigegebenen Hotels erzielten Veräußerungsgewinne, Belegungsschädenvergütungen und eine bisher gebildete steuerfreie Rücklage für spätere Instandsetzungen steuerlich zu behandeln sind, wenn in zeitlichem Zusammenhang mit der Veräußerung ein anderes Hotel erworben wird.
Der im Laufe des Berufungsverfahrens verstorbene Steuerpflichtige betrieb als Einzelkaufmann das Hotel X., das im Jahr 1943 auf Grund des Reichsleistungsgesetzes zum Betrieb eines Krankenhauses beschlagnahmt worden war. Nach Beendigung des Krieges setzte die Besatzungsmacht die Beschlagnahme für ihre Zwecke fort. Als die Beschlagnahme im Streitjahr 1955 aufgehoben wurde, hatte der Steuerpflichtige aus den laufenden Nutzungsentschädigungen auf Grund der von den obersten Finanzbehörden der Länder für beschlagnahmte Beherbergungsbetriebe herausgegebenen Erlasse (entsprechende Anwendung des Abschn. 49 Abs. 2 der EStR II/1948 und 1949; vgl. z. B. Erlaß des Finanzministeriums Baden-Württemberg vom 29. März 1954, Der Betriebs-Berater - BB - 1954 S. 460, und Verfügung der Oberfinanzdirektion Freiburg vom 8. April 1954, Deutsche Steuer- Zeitung, Ausgabe B - Eildienst - 1954 S. 238) in seiner Bilanz eine steuerfreie Rücklage für künftige, in früheren Jahren zwangsweise unterlassene Instandsetzungen in Höhe von 96 396,28 DM (im folgenden Rücklage für künftige Instandsetzungen) gebildet. Einige Monate nach Aufhebung der Beschlagnahme veräußerte der Steuerpflichtige im Streitjahr das Hotelgrundstück X. zu einem den Buchwert um 172 043,37 DM übersteigenden Kaufpreis (im folgenden Veräußerungsgewinn X.), nachdem er kurz vorher das bei Aufhebung der Beschlagnahme noch vorhandene Inventar des Hotels X. an einen Dritten zu einem den Buchwert um 39 652,15 DM übersteigenden Betrag (im folgenden Veräußerungsgewinn Inventar) verkauft hatte. Der Steuerpflichtige erhielt nach Aufhebung der Beschlagnahme vom Amt für Verteidigungslasten für Schäden am Gebäude X. eine Belegungsschädenvergütung von 219 096,66 DM (Vergütung für Gebäudeschäden) und für Vernichtung und Schäden am Inventar einen weiteren Betrag von 231 109,75 DM (Vergütung für Inventarschäden). Wenige Tage nach der Veräußerung des Hotels X. erwarb der Steuerpflichtige das Hotel Y. einschließlich Mobiliar und Inventar zum Preise von 400.000 DM.
Der Steuerpflichtige begehrte zunächst die Anerkennung einer steuerfreien Rücklage für Instandsetzung und Ersatzbeschaffung in Höhe von 459 319,37 DM in der Bilanz vom 31. Dezember 1955, die das Finanzamt nicht anerkannte. Danach ergab sich für den Veranlagungszeitraum 1955 ein Gewinn von 515 216 DM, den das Finanzamt als laufenden, nach dem Tarif zu versteuernden Gewinn behandelte.
Im Verfahren der Sprungberufung verlangten die Bf. als Erben des nunmehr verstorbenen Steuerpflichtigen die Anerkennung einer in der endgültigen Bilanz vom 31. Dezember 1955 gebildeten steuerfreien Rücklage für Ersatzbeschaffung in Höhe von 758 298,21 DM. Dieser Betrag setzte sich aus dem Veräußerungsgewinn X, dem Veräußerungsgewinn Inventar, den Vergütungen für Gebäudeschäden und Inventarschäden und der Rücklage für künftige Instandsetzungen zusammen. Die Bf. vertraten die Auffassung, daß das Hotel X. wegen der langen Beschlagnahme nur mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand wieder seiner früheren Zweckbestimmung hätte zugeführt werden können. Der Steuerpflichtige sei deshalb wirtschaftlich gezwungen gewesen, das Hotel Y. als Ersatzwirtschaftsgut zu erwerben. Dieser wirtschaftliche Zwang müsse mit Rücksicht auf die vorangegangene Beschlagnahme unter entsprechender Anwendung des Abschn. 35 Abs. 2 EStR 1955 (Auflösung von stillen Rücklagen infolge höherer Gewalt oder behördlichen Eingriffen) zur Anerkennung einer steuerfreien Rücklage für Ersatzbeschaffung führen. Die bezeichneten Beträge würden für die Wiederherstellung und Ausstattung des als Ersatz erworbenen Hotels Y. gebraucht, womit die von der Rechtsprechung geforderte Funktionsgleichheit der ausgeschiedenen Wirtschaftsgüter und der Ersatzwirtschaftsgüter gegeben sei. Wenn die beantragte Rücklage für Ersatzbeschaffung nicht anerkannt werde, so müsse zumindest der Veräußerungsgewinn X. als tarifbegünstigter Veräußerungs- oder Aufgabegewinn (§§ 16, 34 EStG) behandelt werden. Das Finanzamt folgte der Auffassung der Bf. im Berufungsverfahren nur insoweit, als es die Tarifvergünstigung für den Veräußerungsgewinn X. anerkannte.
Die Berufung der Bf. führte zu einer Verböserung, weil das Finanzgericht den Betrag von 758 298,21 DM als laufenden steuerpflichtigen Gewinn ansah, eine steuerfreie Rücklage für Ersatzbeschaffung nicht zuließ und die Tarifvergünstigung für die Veräußerungsgewinne X. und Inventar ablehnte. Es begründete seine Auffassung wie folgt. Eine Betriebsveräußerung im Sinne des § 16 Abs. 1 Ziff. 1 EStG liege nicht vor, weil der Steuerpflichtige das Hotel X. ohne Einrichtung veräußert habe und damit kein zur Fortsetzung eines Hotelbetriebes geeigneter wirtschaftlicher Organismus auf den Erwerber übergegangen sei. Der Annahme einer tarifbegünstigten Betriebsaufgabe (§ 16 Abs. 3 EStG) stehe zwar nicht entgegen, daß der Steuerpflichtige das Hotel X. infolge der Beschlagnahme seit 1943 nicht mehr habe betreiben können. In der Veräußerung des Gebäudes X. und des Inventars könne aber deshalb keine tarifbegünstigte Betriebsaufgabe gesehen werden, weil der Steuerpflichtige nicht die gesamten Grundlagen des Betriebes in einem einheitlichen Vorgang entweder veräußert oder in sein Privatvermögen überführt habe. Denn der Steuerpflichtige habe in der Bilanz vom 31. Dezember 1955 die Forderungen aus dem Verkauf des Inventars und seine Ansprüche auf Belegungsschädenvergütungen gegen das Amt für Verteidigungslasten als Aktiva ausgewiesen. Damit habe er zu erkennen gegeben, daß er diese Wirtschaftsgüter weiter als Betriebsvermögen behandeln wolle. Die Liquidation des Betriebes habe sich also auf mehrere Wirtschaftsjahre erstreckt, was die Anwendung der Tarifvergünstigung ausschließe.
Mit ihrer Rb. erstrebten die Bf. zunächst die Behandlung des Veräußerungsgewinns X. als tarifbegünstigten Aufgabegewinn und die Anerkennung der Belegungsschädenvergütungen für Gebäude und Inventar und der Rücklage für künftige Instandsetzungen (zusammen 546 602,69 DM) als steuerfreie Rücklage für Ersatzbeschaffung. Hilfsweise beantragen sie, in dem zuletzt bezeichneten Betrag von 546 602,69 DM einen tarifbegünstigten Aufgabegewinn zu sehen. Die Bf. führen zur Begründung folgendes aus. Was den Veräußerungsgewinn X. anlange, so habe das Finanzgericht übersehen, daß die Bilanzierung der Kaufpreisforderungen und der Entschädigungsansprüche gegen das Amt für Verteidigungslasten auf der Auffassung des Steuerpflichtigen beruht habe, daß die Betriebstätten X. und Y. einen einheitlichen Gewerbebetrieb bildeten. Wenn aber die Auffassung des Finanzgerichts richtig sei, daß der Gewerbebetrieb X. aufgegeben worden sei, so müsse man eine Privatentnahme der Forderungen und ihre Einlage in den neugegründeten Betrieb Y. annehmen. Man könne dann die Tarifvergünstigung für den Veräußerungsgewinn nicht ablehnen. Die Bildung einer steuerfreien Rücklage in Höhe der Belegungsschädenvergütungen Gebäude und Inventar und die Fortführung der bisherigen steuerfreien Rücklage für künftige Instandsetzungen könnten nur davon abhängig gemacht werden, daß die Ersatzbeschaffungen oder Instandsetzungen funktionsgleicher Wirtschaftsgüter des fortgesetzten Gewerbebetriebes Y. ernstlich beabsichtigt und möglich seien. Es sei gleichgültig, ob die Instandsetzungen oder Ersatzbeschaffungen für das nicht mehr vorhandene Hotel X. oder für das an seine Stelle getretene Hotel Y. vorgenommen würden. Im übrigen habe das Finanzgericht übersehen, bei der Feststellung des Gewinns den in der endgültigen berichtigten Bilanz vom 31. Dezember 1955 ausgewiesenen Verlust von 27 338,93 DM abzusetzen. Es sei irrtümlich von dem in der vorläufigen Bilanz ausgewiesenen Verlust von 13 106,93 DM ausgegangen.
In der mündlichen Verhandlung vertraten die Bf. zum Teil in Abweichung von ihren bisherigen Rechtsausführungen in erster Linie die Ansicht, daß alle streitigen Beträge, nämlich die Rücklage für künftige Instandsetzungen, die Veräußerungsgewinne X. und Inventar und die Vergütungen für Gebäudeschäden und Inventarschäden mit insgesamt 758 298,21 DM dem tarifbegünstigten Aufgabegewinn zuzurechnen seien.
Entscheidungsgründe
Die Rb. der Bf. führte zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzamt. I. Bildung einer steuerfreien Rücklage für Ersatzbeschaffung
Dem Finanzgericht ist darin zuzustimmen, daß weder für die Veräußerungsgewinne X. und Inventar noch für die Entschädigungsansprüche für Gebäudeschäden und Inventarschäden (172 043,37 DM, 39 652,15 DM, 219 096,66 DM und 231 109,75 DM) die Bildung einer steuerfreien Rücklage für Ersatzbeschaffung oder eine übertragung der aufgelösten stillen Rücklage im Gebäude X. oder im Inventar auf im Kalenderjahr 1955 gemachte Ersatzbeschaffungen (Hotel Y. und Inventar für dieses Hotel) möglich ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs kann eine steuerfreie Rücklage für Ersatzbeschaffung nur dann gebildet oder eine aufgelöste stille Rücklage auf ein in demselben Wirtschaftsjahr angeschafftes Ersatzwirtschaftsgut übertragen werden, wenn eine in dem Buchwert des Wirtschaftsguts steckende stille Reserve durch Einwirkung höherer Gewalt oder als Folge eines behördlichen Eingriffs aufgelöst wird und eine Ersatzbeschaffung durchgeführt oder ernstlich beabsichtigt ist (Urteil des Bundesfinanzhofs I 283/60 S vom 17. Oktober 1961, BStBl 1961 III S. 566, Slg. Bd. 73 S. 823). Innerhalb dieser von der Rechtsprechung eng gezogenen Grenzen steht die freiwillige Veräußerung einer zwangsweisen Entziehung nur dann gleich, wenn sie den sicher bevorstehenden behördlichen Eingriff vermeiden soll (Urteil des Bundesfinanzhofs I 112/61 vom 7. November 1961, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Einkommensteuergesetz, § 5, Rechtsspruch 288). Es muß ein unmittelbarer ursächlicher Zusammenhang zwischen dem behördlichen oder gesetzlichen Eingriff und der Ersatzbeschaffung dargetan werden (Urteil des Bundesfinanzhofs I 51/59 U vom 22. September 1959, BStBl 1961 III S. 1, Slg. Bd. 72 S. 1). Die Rechtsprechung hat es stets abgelehnt, die zur Auflösung der stillen Rücklage führende Veräußerung deshalb einem behördlichen Eingriff gleichzustellen, weil sich der Steuerpflichtige in einer wirtschaftlichen Zwangslage befand und die Unterlassung der Veräußerung unter Berücksichtigung aller Umstände eine wirtschaftliche Fehlmaßnahme gewesen wäre (Gutachten des Bundesfinanzhofs I D 1/57 S vom 16. Dezember 1958, BStBl 1959 III S. 30, Slg. Bd. 68 S. 78, und Urteile des Bundesfinanzhofs I 203/58 vom 12. Mai 1959, StRK, Einkommensteuergesetz, § 5, Rechtsspruch 209, und I 288/61 vom 31. Juli 1962, StRK, Einkommensteuergesetz, § 5 Rechtsspruch 327).
Geht man von diesen Grundsätzen aus, so können die durch die Veräußerung des Hotels X. und des Inventars aufgelösten stillen Rücklagen weder auf ein Ersatzwirtschaftsgut übertragen noch einer steuerfreien Rücklage für Ersatzbeschaffung zugeführt werden. Denn es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die die Auflösung der stillen Rücklagen herbeiführenden Veräußerungen auf einem freiwilligen Entschluß des Steuerpflichtigen zurückgingen. Daß der die Grundlage der betriebswirtschaftlichen Erwägungen bildende Sachverhalt zu einem großen Teil auf früheren Beschlagnahmen beruhte oder durch sie geschaffen wurde, ist unerheblich. Es kann also dahingestellt bleiben, aus welchen betriebswirtschaftlichen Erwägungen im einzelnen sich der Steuerpflichtige gezwungen sah, das Hotel X. und das Inventar zu veräußern und ein anderes Hotel zu erwerben. Es hätte ihm jedenfalls freigestanden, das Hotel X. weiter zu betreiben. Zur Veräußerung hat ihn niemand gezwungen.
Hält man mit der Finanzverwaltung eine steuerfreie Rücklage für Ersatzbeschaffung auch dann, wenn durch die Einbuchung von Ansprüchen auf Vergütungen für Gebäudeschäden und Inventarschäden steuerpflichtige Gewinne entstehen, unter Anwendung des Abschn. 35 EStR 1955 und nach der Rechtsprechung für zulässig (vgl. z. B. Erlasse des Finanzministeriums Niedersachsen vom 11. April 1956, Der Betrieb 1956 S. 387, und des Finanzministeriums Nordrhein- Westfalen vom 9. Mai 1957, Der Betrieb 1957 S. 468), so darf doch diese Rücklage bei Anwendung der für die Auflösung stiller Rücklagen von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze nur insoweit gebildet werden, als die unmittelbaren Auswirkungen des behördlichen Eingriffs reichen. Daraus folgt, daß die von der Finanzverwaltung zugelassene steuerfreie Rücklage für Ersatzbeschaffung nur dem Zweck dienen durfte, die durch höhere Gewalt unmittelbar verhinderten Maßnahmen nach Aufhebung der Beschlagnahme nachträglich durchzuführen. Die durch die Einbuchung der Entschädigungsansprüche entstandenen und bei dieser Betrachtung den durch höhere Gewalt aufgelösten Buchgewinnen gleichgestellten Gewinne dürfen also nur auf den Ersatz solcher Wirtschaftsgüter übertragen werden, die infolge der Beschlagnahme untergegangen sind, oder für solche Instandsetzungen zurückgestellt werden, die an den beschlagnahmten Wirtschaftsgütern, Betrieben oder Betriebsteilen vorgenommen werden sollen. Veräußert der Steuerpflichtige das beschlagnahmte Wirtschaftsgut und sind bis zur Veräußerung die bezeichneten Gewinne nicht verwendet worden, so erhöhen sie den steuerpflichtigen Gewinn und für eine Rücklage für eine Ersatzbeschaffung ist kein Raum. Dabei ist es unerheblich, ob der Steuerpflichtige seinen Betrieb fortführt oder einen neuen Betrieb begründet.
II. Tarifbegünstigungen Der von den Bf. in der mündlichen Verhandlung in den Vordergrund ihrer Ausführungen gestellten Auffassung, daß der streitige Betrag von 758 298,21 DM in voller Höhe zum tarifbegünstigten Aufgabegewinn gehöre, kann nur insoweit zugestimmt werden, als es sich um die Veräußerungsgewinne X. und Inventar handelt.
über die Tarifbegünstigung (§ 34 Abs. 2 Ziff. 1 in Verbindung mit § 16 Abs. 1 Ziff. 1 und Abs. 3 EStG) der nach den oben entwickelten Grundsätzen im Veranlagungszeitraum 1955 angefallenen Gewinnerhöhungen im Gesamtbetrage von 758 298,21 DM ist im Verfahren der gesonderten Gewinnfeststellung zu entscheiden. Es gelten hier dieselben Grundsätze, die die Rechtsprechung für die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung entwickelt hat (vgl. z. B. Urteil des Bundesfinanzhofs I 294/56 U vom 10. September 1957, BStBl 1957 III S. 414, Slg. Bd. 65 S. 468).
Veräußerungsgewinne X. und Inventar: Es kann dahingestellt bleiben, ob sich der Gewerbebetrieb des Steuerpflichtigen im Zeitpunkt der Veräußerung des Hotels X. nur auf dieses Hotel bezog oder ob die vom Steuerpflichtigen entfaltete Tätigkeit noch einen anderen Inhalt hatte. Denn in jedem Fall liegt sowohl in dem Betrieb eines Hotels als auch in seiner als Gewerbebetrieb behandelten Verpachtung, wenn dem Verpächter die wesentlichen Grundlagen des vom Pächter betriebenen Unternehmens gehören, ein Teilbetrieb im Sinn des § 16 Abs. 1 Ziff. 1 EStG. Die Vorschrift des § 16 Abs. 3 EStG, die die Aufgabe eines Gewerbebetriebs der Veräußerung gleichstellt, erwähnt zwar anders als die die Veräußerung betreffende Vorschrift des § 16 Abs. 1 Ziff. 1 EStG nicht den Teilbetrieb. Es besteht aber in übereinstimmung mit dem Urteil des Reichsfinanzhofs VI 572/38 und 574/38 vom 14. September 1938 (RStBl 1939 S. 87) keine Veranlassung, daraus die Folgerung zu ziehen, daß die Aufgabe eines Teilbetriebes nicht tarifbegünstigt sein soll. Daß der Steuerpflichtige die Kaufpreisforderungen und seine Entschädigungsansprüche weiterbilanzierte und noch eine Bilanz vom 31. Dezember 1965 aufstellte, kann nicht als unwiderlegbares Indiz dafür angesehen werden, daß der Steuerpflichtige seinen ganzen Gewerbebetrieb oder einen Teilbetrieb nicht aufgeben wollte. Auch wenn man der Auffassung des Finanzgerichts zustimmt, daß sich bei der im Zusammenhang mit der Betriebsaufgabe durchgeführten überführung der bezeichneten Forderungen in das Privatvermögen künftige Forderungsausfälle steuerlich nicht mehr auswirken könnten (vgl. dazu Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 109/34 vom 5. Juni 1935, RStBl 1935 S. 1356), erscheint es im vorliegenden Fall nicht gerechtfertigt, aus der bezeichneten Bilanzierung auf den Willen des Steuerpflichtigen zu schließen, den Betrieb unter allen Umständen fortzuführen. Denn diese Bilanzierung nahm der Steuerpflichtige nur deshalb vor, weil er von der erst jetzt als rechtsirrig festgestellten Auffassung ausging, daß die Bildung der von ihm begehrten Rücklage für Ersatzbeschaffung von der Fortführung des bisherigen Gewerbebetriebes abhänge. Wenn der Steuerpflichtige nunmehr dem Finanzamt vor der endgültigen Entscheidung erklärt, daß die im Zusammenhang mit dem Betrieb des Hotels X. stehenden Wirtschaftsgüter als mit der Veräußerung im Jahr 1955 ins Privatvermögen übergegangen behandelt werden sollen und die Bilanz entsprechend geändert wird, so bestehen keine Bedenken, diese Wirtschaftsgüter als bei der Veräußerung ins Privatvermögen übergegangen und gegebenenfalls in den Betrieb des Hotels Y. eingebracht anzusehen.
Nach den Grundsätzen des Urteils des Bundesfinanzhofs I 197/61 S vom 6. Februar 1962 (BStBl 1962 III S. 190, Slg. Bd. 74 S. 506) braucht gegen die Tarifbegünstigung der Betriebsaufgabe auch daraus kein Bedenken hergeleitet zu werden, daß der Steuerpflichtige das im Hotel X. bei Aufhebung der Beschlagnahme noch vorhandene Inventar vor der Veräußerung des Gebäudes an einen Dritten verkaufte. Denn diese Veräußerung, die Veräußerung des Gebäudes und die übernahme der sonstigen zum Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter brauchten nicht gleichzeitig zu geschehen und die einzelnen bei der Betriebsaufgabe durchgeführten Veräußerungen können verschiedene Vertragsparteien haben. Erforderlich ist, wie sich besonders aus dem bezeichneten Urteil des Bundesfinanzhofs I 197/61 S ergibt, nur, daß ein einheitlicher Vorgang gegeben ist. Das kann hier unbedenklich angenommen werden, weil die Veräußerungen und die überführung ins Privatvermögen innerhalb eines kurzen Zeitraums geschahen und auf den entscheidenden Willensentschluß des Steuerpflichtigen zurückgingen, diesen Betrieb oder Teilbetrieb nicht fortzusetzen, sondern ein anderes Hotel zu erwerben. Es gehört also auch der durch die Veräußerung des Inventars erzielte Gewinn zum tarifbegünstigten Aufgabegewinn.
Auflösung der bisher gebildeten Rücklage für künftige Instandsetzungen: Geht man in übereinstimmung mit den Beteiligten davon aus, daß die Finanzverwaltung auf Grund der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze über die Möglichkeit der Zuweisung von durch behördlichen Eingriff offengelegten stillen Rücklagen in eine steuerfreie Rücklage für Ersatzbeschaffung dem Steuerpflichtigen gestatten durfte, aus der laufenden Nutzungsentschädigung in früheren Jahren entstandene Gewinne teilweise einer zweckgebundenen steuerfreien Rücklage für künftige Instandsetzungen zuzuweisen, so führt auch hier die Anwendung des Grundsatzes, daß damit nur die unmittelbaren Auswirkungen des behördlichen Eingriffs steuerlich gemildert werden dürfen, zu dem Ergebnis, daß aus der Rücklage nur das beschlagnahmte Wirtschaftsgut oder der beschlagnahmte Betriebsteil instandgesetzt werden darf. Wenn der Steuerpflichtige vor der Instandsetzung das beschlagnahmte Wirtschaftsgut auf Grund eines freiwilligen, wirtschaftlich noch so gebotenen Entschlusses veräußert, unterbricht er den zur Beschlagnahmehandlung bestehenden Kausalzusammenhang und macht die zweckbestimmte Verwendung der Rücklage selbst unmöglich. Das bedeutet, daß der Steuerpflichtige die Rücklage zugunsten des Gewinns auflösen muß. Zur Instandsetzung anderer Wirtschaftsgüter darf sie nicht verwendet werden.
Zweifelhaft kann sein, ob die Auflösung der passivierten Rücklage für künftige Instandsetzungen zum laufenden Gewinn oder zum Aufgabegewinn gehört. Wenn man es in übereinstimmung mit dem Urteil des Reichsfinanzhofs VI 112/42 vom 4. November 1942 (RStBl 1943 S. 58) entscheidend darauf abstellt, daß der Steuerpflichtige so gestellt werden müsse, als habe er diese Beträge für die Instandhaltung des veräußerten oder aufgegebenen Betriebes vor der Aufgabe verwendet, so kann man den sich durch die Auflösung dieser Rücklage ergebenden Gewinn zum tarifbegünstigten Aufgabegewinn rechnen. Der Reichsfinanzhof begründete in dem bezeichneten Urteil, das sich mit der durch die Betriebsaufgabe veranlaßten Auflösung einer in einem früheren Jahr wegen der Beschlagnahme von Pferden durch die Wehrmacht gebildeten Rücklage für Ersatzbeschaffung befaßte, seine den Auflösungsbetrag zum Aufgabegewinn rechnende Auffassung damit, daß der Steuerpflichtige so behandelt werden müsse, als habe er die Ersatzbeschaffung während des Krieges durchführen können; dann hätte sich der Aufgabegewinn entsprechend erhöht. Der Senat kann sich dieser Auffassung jedenfalls für die hier gebildete Rücklage für künftige Instandsetzungen nicht anschließen. Der Reichsfinanzhof erkennt an, daß die Rücklage dann zu einem laufenden Gewinn führt, wenn der Steuerpflichtige trotz vorhandener Möglichkeit keinen Ersatz mehr beschaffen will. Das bedeutet aber nichts anderes, als daß die Rücklage zugunsten des laufenden Gewinns aufzulösen ist, wenn die Beseitigung der Möglichkeit der Ersatzbeschaffung auf einem freien Willensentschluß des Steuerpflichtigen beruht. Denn es besteht keine Veranlassung, die Fälle unterschiedlich zu behandeln, in denen der Steuerpflichtige ohne Veräußerung oder Aufgabe des Betriebes die Absicht der Ersatzbeschaffung aufgibt und in denen er sich freiwillig zur Veräußerung oder Aufgabe des Betriebes entschließt und dieser Entschluß die Aufgabe der Absicht der Ersatzbeschaffung notwendig umfaßt. Die steuerliche Beurteilung eines Sachverhalts soll im Regelfall nicht von dem ausgehen, was der Steuerpflichtige hätte tun können, sondern von dem, was im Zeitpunkt der Beurteilung tatsächlich geschehen war. Von einem fingierten Sachverhalt auszugehen, besteht hier um so weniger Anlaß, als sich für den Steuerpflichtigen wahrscheinlich ein wesentlich anderes wirtschaftliches Ergebnis gezeigt hätte, wenn die Rücklage vor der Aufgabe und Veräußerung zweckentsprechend, d. h. für die Instandsetzung des Inventars, verbraucht worden wäre. Da sich der Steuerpflichtige durch die in seinem freien Willen liegende Veräußerung des Hotels X. vor zweckentsprechender Verwendung der Rücklage aus einleuchtenden wirtschaftlichen Erwägungen entschloß, keine Instandsetzungen mehr durchzuführen, kann die Entscheidung darüber, ob der durch die Auflösung der Rücklage entstandene Gewinn ein tarifbegünstigter Aufgabegewinn ist, nicht von einem fingierten Sachverhalt ausgehen. Legt man der Besteuerung aber den vom Steuerpflichtigen geschaffenen Sachverhalt zugrunde, so beruht die Auflösung der Rücklage nicht auf der Betriebsaufgabe, sondern auf dem allerdings durch die Betriebsaufgabe veranlaßten Entschluß, die Instandsetzungen nicht mehr durchzuführen.
Der Senat hält es für entscheidend, ob der Steuerpflichtige vor Aufgabe oder Veräußerung seines Betriebes oder Teilbetriebes, in dessen Bilanz sich eine steuerfreie Rücklage für Ersatzbeschaffung oder künftige Instandsetzungen befindet, durch höhere Gewalt nicht mehr gehindert wird, die Rücklage zweckentsprechend zu verwenden, d. h. ob er den Betrieb zu einem Zeitpunkt veräußert oder aufgibt, in dem die zweckentsprechende Verwendung der Rücklage bereits möglich ist. Die Rechtsprechung hat die Bildung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung - für eine Rücklage für künftige Instandsetzungen kann nichts anderes gelten - nur unter der Voraussetzung und nur solange zugelassen, als der Steuerpflichtige den Willen hat, ein Ersatzwirtschaftsgut zu beschaffen und damit die Rücklage zweckentsprechend zu verwenden. Wenn der Steuerpflichtige freiwillig zu irgendeinem Zeitpunkt diese Voraussetzung nicht mehr erfüllt, so besteht keine Veranlassung, den im Zeitpunkt der Bildung der Rücklage an sich zum laufenden Gewinn gehörenden Buchgewinn nicht im laufenden Gewinn des Jahres zu erfassen, in dem die bezeichnete Voraussetzung nicht mehr besteht. Selbst wenn man in der steuerfreien Rücklage insoweit eine stille Rücklage sähe, als sie als Gegenposten zu den liquiden Mitteln dazu führe, daß diese liquiden Mittel mit 0 DM zu Buche stünden, so würde diese stille Rücklage nicht durch die Betriebsveräußerung oder Betriebsaufgabe, sondern durch den diesen Vorgängen in der Regel vorausgehenden Entschluß, die Voraussetzung der Bildung der steuerfreien Rücklage nicht mehr zu erfüllen, aufgelöst werden. Auch diese überlegung würde dazu führen, die Auflösung der stillen Rücklage zugunsten des laufenden Gewinns zu verlangen.
Gewinn auf Grund der Entschädigungsforderungen: Der durch die Einbuchung der Forderungen auf Vergütungen für Gebäudeschäden und für Inventarschäden entstandene Gewinnteil gehört zum laufenden Gewinn und nicht zum tarifbegünstigten Aufgabegewinn. Dem sich aus der Gegenüberstellung der Buchwerte, den Verkaufserlösen und den gemeinen Werten ergebenden Aufgabegewinn können nur solche Forderungen zugerechnet werden, die mit der Aufgabe in unmittelbarem Zusammenhang stehen und durch die Aufgabe entstanden sind (vgl. für die Veräußerung Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 933/31 vom 23. März 1933, RStBl 1933 S. 635). Als der Steuerpflichtige seinen Betrieb aufgab und die ersten Aufgabehandlungen vornahm, gehörten aber die Entschädigungsforderungen zu dem Betriebsvermögen, das er im Rahmen der Aufgabe in das Privatvermögen überführte. Anlaß zur Zahlung der Entschädigungsforderungen war nicht die Aufgabe des Betriebes, sondern die vorhergehende Freigabe des beschlagnahmten Hotels und das Verhalten des aus der Beschlagnahme Berechtigten.
Selbst wenn man also davon ausgeht, daß der Steuerpflichtige, wenn er den Betrieb X. nicht aufgegeben hätte, die im Streitjahr noch nicht zweckentsprechend verwendeten Entschädigungsforderungen einer steuerfreien Rücklage für künftige Ersatzbeschaffungen oder Instandsetzungen hätte zuführen dürfen, so kann im dieses Recht nicht mehr zu einem Zeitpunkt eingeräumt werden, in dem er bereits weiß, daß er die Rücklage nicht zweckentsprechend verwenden kann. Selbst wenn also in einem dem Entschluß zur Betriebsaufgabe vorhergehenden, aber dem Zeitpunkt der Entstehung der Entschädigungsforderungen nachfolgenden Zeitraum die Bildung einer steuerfreien Rücklage möglich gewesen wäre, so hätte sie aus denselben Gründen wie die bestehende Rücklage für künftige Instandsetzungen vor der Betriebsaufgabe zugunsten des laufenden Gewinns aufgelöst werden müssen.
Fundstellen
Haufe-Index 411347 |
BStBl III 1964, 504 |
BFHE 1965, 83 |
BFHE 80, 83 |
BB 1964, 1113 |
DB 1964, 1359 |
DStR 1964, 561 |