Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Der in die Lohnsteuerkarte einzutragende Pauschbetrag nach § 26 LStDV 1955 ist nach dem im zuletzt ergangenen Rentenbescheid festgestellten Grad der Erwerbsbeschränkung zu bemessen.
Wird von den Versorgungsbehörden rückwirkend ein höherer Grad der Erwerbsbeschränkung anerkannt, so ist das in der Regel auch steuerlich zu beachten. Die zeitliche Begrenzung der Rückwirkung im Abschn. 40 Abs. 9 Satz 4 LStR 1955 entspricht nicht dem Gesetz.
Normenkette
EStG § 33a/6; EStDV § 65/1; LStDV § 26
Tatbestand
Der Beschwerdeführer (Bf.) wendet sich dagegen, daß ein nicht rechtskräftiger Rentenbescheid, durch den der Grad seiner Erwerbsbeschränkung wegen Kriegsbeschädigung von 30 auf 10 % herabgesetzt war, zum Anlaß genommen wurde, den beantragten Steuerfreibetrag für Körperbeschädigte auf der Lohnsteuerkarte nicht einzutragen. Bevor ein nachhaltiger Rentenbescheid nicht rechtskräftig sei, muß es nach Ansicht des Bf. nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen bei der bisher gewährten Steuervergünstigung für Kriegsbeschädigte bleiben. Der den Beschädigtengrad auf 10 % herabsetzende Rentenbescheid vom 9. Juni 1954 ist während des Rechtsbeschwerdeverfahrens durch Bescheid vom 14. März 1956 dahin abgeändert worden, daß die Minderung der Erwerbsfähigkeit ab 1. März 1954 auf 40 % und ab 1. Februar 1956 auf 30 % festgestellt worden ist. Nach Angabe des Bf. ist damit seiner Klage vor dem Sozialgericht noch nicht in vollem Umfange entsprochen. Das Finanzamt hat erklärt, daß es der Beschwer des Bf. abhelfen will. Der Bf. ist der Meinung, daß seine Rechtsbeschwerde (Rb.) damit nicht gegenstandslos geworden sei, da der Streit vor dem Sozialgericht weiter gehe, das Finanzgericht die Rb. wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen habe und außerdem die zu treffende Entscheidung wegen der Kostenfrage Bedeutung habe.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Einen steuerfreien Pauschbetrag erhalten körperbeschädigte Personen nur bei Minderung der Erwerbsfähigkeit von 25 % und mehr (ß 33 a Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes - EStG - 1955 in Verbindung mit § 65 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung - EStDV - 1955, § 26 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung - LStDV - 1955). Mit der Herabsetzung der Erwerbsminderung auf 10 % durch den vom Bf. angefochtenen Rentenbescheid vom 6. September 1954 war von diesem Zeitpunkt ab ungewiß, ob dem Bf. überhaupt ein Pauschbetrag wegen Körperbeschädigung für 1955 noch zustehen würde. Die Ungewißheit über den Ausgang des Rentenverfahrens berechtige das Finanzamt dazu, den zuletzt ergangenen Rentenbescheid mit einer Erwerbsminderung von nur 10 % zunächst der Eintragung zugrunde zu legen und demgemäß den Freibetrag wegen Körperbeschädigung zu versagen. Das Finanzamt hatte von dem Sachverhalt auszugehen, der zur Zeit der Antragstellung vorlag. Nach dem Rentenbescheid vom 6. September 1954 waren zunächst die Voraussetzungen des § 26 LStDV 1955 nicht mehr gegeben. Dem hatte das Finanzamt Rechnung zu tragen. Eine selbständige Prüfung, ob der Rentenbescheid zu Unrecht ergangen sei, stand dem Finanzamt nicht zu. Es war dazu auch nicht in der Lage. Das Finanzamt ist dem Vorgehen der Versorgungsämter gefolgt, die bereits bei einer Herabsetzung der Erwerbsminderung, ohne die Rechtskraft des abgeänderten Rentenbescheides abzuwarten, zunächst nur die entsprechend niedrigen Renten auszahlen.
Mit dem Vorgehen des Finanzamts war dem Bf. nicht die Möglichkeit genommen, eine spätere änderung des Rentenbescheids geltend zu machen. Wollte der Bf. vor Ergehen der Entscheidung des Sozialgerichts eine Berücksichtigung etwaiger Mehraufwendungen wegen seiner Körperbeschädigung erreichen, so war es seine Sache, die ihm durch die Körperbeschädigung tatsächlich erwachsenden Mehrausgaben im einzelnen nachzuweisen. Jedenfalls ist der Antrag des Bf., der Eintragung auf der Lohnsteuerkarte noch den aufgehobenen Rentenbescheid mit einer Erwerbsminderung von 30 % zugrunde zu legen, nicht begründet.
Das Finanzamt hat sich in der Berufungsinstanz bereit erklärt, die endgültige Lohnsteuerberechnung gemäß Abschn. 40 Abs. 9 der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) 1955 vorzunehmen. Abschn. 40 Abs. 9 Satz 4 sieht nur eine Lohnsteuererstattung für das laufende Kalenderjahr (1955) und das Vorjahr vor. Erreicht der Bf. bei dem noch anhängigen Verfahren vor dem Sozialgericht eine weitere rückwirkende Erhöhung seiner Erwerbsminderung, so muß dem auch über den zeitlichen Rahmen des Abschn. 40 Abs. 3 Satz 4 LStR hinaus Rechnung getragen werden. Das Finanzamt hat seiner Eintragung auf der Lohnsteuerkarte einen noch nicht rechtskräftigen Rentenbescheid zugrunde gelegt. Eine spätere änderung dieses Rentenbescheids schafft rückwirkend die Voraussetzung für eine neue Lohnsteuerberechnung. Die Nachteile, die ein Lohnsteuerpflichtiger im Eintragungsverfahren im Interesse eines reibungslosen Lohnsteuerabzugs im laufenden Kalenderjahr zunächst in Kauf nehmen muß, dürfen nicht Anlaß ein, ihn auch noch zeitlich in seinen Rückforderungsrechten zu beschränken. Der das Steuerrecht beherrschende Grundsatz von Treu und Glauben gebietet es, dem Steuerpflichtigen auch über die in den Richtlinien Abschn. 40 Abs. 9 vorgesehene zeitliche Begrenzung hinaus einen Anspruch auf Richtigstellung seiner Lohnsteuer einzuräumen.
Fundstellen
Haufe-Index 408878 |
BStBl III 1957, 452 |
BFHE 1958, 571 |
BFHE 65, 571 |