Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Grundsteuer
Leitsatz (amtlich)
Der Ersterwerber einer Kaufeigentumswohnung kann die erhöhten Absetzungen nach § 7 b Abs. 4 EStG 1961 nur beanspruchen, wenn mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, daß er die Wohnung in nicht allzu ferner Zeit entweder selbst benutzen oder sie einem Angehörigen zum Wohnen überlassen wird.
Normenkette
EStG § 7b/4; 2-WoBauG 12/2
Tatbestand
Die Bf. bewohnen mit ihren drei, in den Jahren 1954, 1955 und 1958 geborenen Kindern ein als Kaufeigenheim erworbenes Einfamilienhaus, für das sie die erhöhte Absetzung für Abnutzung (AfA) nach § 7 b EStG in Anspruch genommen haben. Am 10. September 1962 kauften sie drei nebeneinandergelegene Eigentumswohnungen, und zwar zwei Zweizimmerwohnungen und eine Einzimmerwohnung mit drei dazugehörigen Garagen für insgesamt 179.700 DM. Die am 15. Dezember 1962 bezugsfertig gewordenen Wohnungen wurden von ihnen auf fünf Jahre vermietet. In der Einkommensteuererklärung für 1962 beantragten sie für diese Wohnungen die erhöhte AfA nach § 7 b EStG. Das Finanzamt lehnte das ab und ließ nur 1 v. H. der Gebäudeherstellungskosten einschließlich der anteiligen Erwerbskosten gemäß § 7 EStG für einen Monat als AfA zum Abzug zu.
Die Sprungberufung hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht nahm an, die erhöhte AfA nach § 7 b EStG könnte von den Ersterwerbern einer Eigentumswohnung nur in Anspruch genommen werden, wenn die Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes (II. WoBauG) vom 17. Juni 1956 (BGBl I S. 523) erfüllt seien. Eine Kaufeigentumswohnung sei danach eine Wohnung, die von einem Bauherrn mit der Bestimmung geschaffen worden sei, sie einem Erwerber als eigengenutzte Eigentumswohnung zu übertragen, also zum Benutzen durch den Wohnungseigentümer oder seine Angehörigen. Eine vorübergehende Benutzung der Eigentumswohnung durch andere Personen für einen nicht zu langen Zeitraum schließe die Vergünstigung des § 7 b EStG zwar nicht aus. Eine eigene Nutzung sei aber nicht gegeben, wenn der Erwerber zur Zeit des Erwerbs oder der Bezugsfähigkeit der Wohnung die Absicht habe, die Wohnung auf Jahre an Fremde zu vermieten. Die "Bestimmung zur Eigennutzung" könne nicht durch die Erklärung erfüllt werden, daß der Erwerber die Wohnung bei Eintritt bestimmter Umstände oder von einem bestimmten Zeitpunkt ab, frühestens nach Ablauf von fünf Jahren, selbst benutzen werde. Abgesehen davon, daß eine solche Absicht kaum feststellbar sei, könne der Erwerber auch die möglicherweise vorhandene Absicht der Eigennutzung jederzeit ändern. Die Bf. hätten die Absicht der Fremdvermietung durch den Abschluß von Mietverträgen mit fünfjähriger Dauer verwirklicht. Ob die nach ihrer Darstellung vorhandene Absicht, die Wohnungen etwa ab 1970 für eigene Wohnzwecke zu benutzen, verwirklicht werde, sei weder für Dritte noch für die Bf. selbst voraussehbar. Die Rechtslage sei anders als bei Herstellern von Wohngebäuden, bei denen es für die Anwendung des § 7 b EStG auf eine Eigennutzung nicht ankomme. Erwerber von Kaufeigentumswohnungen könnten nach dem Gesetz die erhöhte AfA nur beanspruchen, wenn sie die Wohnung selbst benutzen. Soweit die Bundesregierung in Abschn. 56 Abs. 6 EStR 1962 eine mildere Auslegung des § 7 b EStG vertrete, sei diese Verwaltungsanweisung für die Steuergerichte nicht verbindlich.
Die Bf. beantragen mit ihrer Rb. die erhöhte AfA nach § 7 b EStG mit 5 v. H. der Bemessungsgrundlage. Sie führen aus, durch die Bezugnahme in § 7 b Abs. 4 EStG 1962 auf § 12 Abs. 2 des II. WoBauG habe zwar der Begriff Eigentumswohnung in diesem Gesetz auch für das Einkommensteuerrecht entscheidende Bedeutung erlangt. Das sei aber auch schon vorher nach § 100 des II. WoBauG der Fall gewesen. Doch habe das EStG in seinen früheren Fassungen nur von Eigentumswohnungen und nicht von eigengenutzten Eigentumswohnungen gesprochen. Im Schrifttum werde die Auffassung vertreten, daß durch die Abgabe einer entsprechenden Versicherung gegenüber dem Finanzamt die Bestimmung der Eigentumswohnung zur eigenen Nutzung ausreichend dargetan werde (z. B. Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 10. Aufl., Anm. 8 b zu § 7 b EStG). Dem Gesetzeswortlaut ("zum Bewohnen ... bestimmt") sei nicht zu entnehmen, daß die Wohnung sogleich nach der Bezugsfertigkeit und ohne zeitliche Unterbrechung dauernd vom Eigentümer bewohnt werden müsse. Die Auffassung des Finanzgerichts, die Wohnung müsse zur unmittelbaren Eigennutzung bestimmt sein, treffe nicht zu. Im Gesetz werde die Fremdnutzung nicht ausgeschlossen. Im übrigen laufe die Vermietung nur für fünf Jahre, also nur für eine verhältnismäßig unbedeutende Zeit. Es lägen auch genügend Anhaltspunkte für den Beginn der Eigennutzung vor, gegen deren Glaubwürdigkeit das Finanzgericht nichts festgestellt habe. Auch für das II. WoBauG genüge es, wenn eine eigengenutzte Eigentumswohnung zum Bewohnen durch den Eigentümer bestimmt sei. Das tatsächliche Bewohnen sei nicht erforderlich. Lediglich eine auf die Dauer nicht ihrer Bestimmung gemäß genutzte Eigentumswohnung sei keine eigengenutzte Eigentumswohnung (vgl. Ehrenforth, Kommentar zum Zweiten Wohnungsbaugesetz, § 12 Anm. 3). Zur dauernden Zweckentfremdung habe der Bundeswohnungsbauminister in einem Rundschreiben vom 17. August 1959 (Bundesbaublatt 1959 S. 474) ausgeführt, eine solche liege nicht vor, wenn der Eigentümer den Zeitpunkt für die Beendigung der anderweitigen Nutzung zu erkennen gebe. Schließlich sei angesichts der unübersichtlichen Rechtslage eine Auslegung zugunsten der Steuerpflichtigen geboten.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Die Bf. sind Ersterwerber von drei Eigentumswohnungen, die sie im Jahre 1962 erworben haben. Die erhöhte AfA nach § 7 b Abs. 4 EStG 1962 setzt voraus, daß die Wohnungen Kaufeigentumswohnungen im Sinn von § 12 Abs. 2 des II. WoBauG sind. Eine Kaufeigentumswohnung im Sinn dieser Vorschrift ist "eine Wohnung, die von einem Bauherrn mit der Bestimmung geschaffen worden ist, sie einem Bewerber als eigengenutzte Eigentumswohnung zu übertragen". Eine "eigengenutzte Eigentumswohnung" ist nach § 12 Abs. 1 des II. WoBauG eine Eigentumswohnung, die "zum Bewohnen durch den Wohnungseigentümer oder seine Angehörigen bestimmt ist". Nur diese Wohnungen, nicht Eigentumswohnungen schlechthin, sind nach dem II. WoBauG förderungswürdig (so Fischer-Dieskau-Pergande, Das Zweite Wohnungsbaugesetz 1962, § 12 Anm. 2). Das muß auch bei der Auslegung des § 7 b EStG beachtet werden.
Streitig ist, ob hinsichtlich der drei Wohnungen die Steuerpflichtigen die in § 12 Abs. 2 des II. WoBauG geforderte Eigennutzung erfüllen. Wenn das Finanzgericht dies verneint hat, so ist seine Entscheidung nicht zu beanstanden. Daß II. WoBauG fordert zwar nicht, daß die Eigentumswohnung von dem Eigentümer oder seinen Angehörigen tatsächlich selbst benutzt wird, wohl aber, daß sie dazu bestimmt ist. Diese "Bestimmung" wird aber nicht allein durch die Erklärung des Wohnungseigentümers dargetan, er werde die Wohnung zu einem in der Zukunft liegenden Zeitpunkt selbst oder durch seine Angehörigen zum Wohnen benutzen. Eine solche Erklärung bedeutet für den Steuerpflichtigen keine Bindung, die Wohnung tatsächlich entsprechend zu benutzen. Selbst wenn er zur Zeit der Erklärung gegenüber dem Finanzamt eine solche Absicht hat, kann er seinen Plan später nach Belieben ändern. Die Erklärung allein reicht daher nicht aus, die Anwendung des § 7 b Abs. 4 EStG 1961 zu rechtfertigen. Es müssen, wie das Finanzgericht zutreffend annimmt, darüber hinaus noch objektive Merkmale vorliegen, die es wahrscheinlich machen, daß die Eigentumswohnung in nicht allzu ferner Zukunft dem Eigentümer oder seinen Angehörigen als Wohnung dienen wird. In diesem Sinn ist wohl auch Abschn. 57 Abs. 2 i. V. mit Abschn. 56 Abs. 6 EStR 1962 zu verstehen, wenngleich sein Wortlaut etwas weiter zu gehen scheint. Die auf tatsächlichem Gebiet liegende Würdigung des Finanzgerichts ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Kinder der Bf. waren im Streitjahr erst vier, sieben und acht Jahre alt. Sie könnten also die Wohnungen als Angehörige der Bf. erst nach so langer Zeit nutzen, daß es für die Erfüllung der Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 des II. WoBauG nicht genügte. Auch wenn die Bf. selbst etwa ab 1970, also acht Jahre nach der Bezugsfertigkeit, die Wohnungen nach ihrer Angabe selbst benutzen wollen - was bei der Größe der Familie und der Gestaltung der Wohnungen allerdings wenig wahrscheinlich ist -, so wäre auch dieser Zeitraum zu lang. Der Erwerb der Eigentumswohnungen durch die Bf. war offensichtlich eine Vermögensanlage. Die Ersterwerber der nach § 7 b Abs. 3 und 4 EStG 1961 begünstigten Eigenheime und Wohnungen sollen aber nach den Einschränkungen, die der § 7 b EStG im Laufe der Zeit erfahren hat, nur noch begünstigt sein, wenn der Wohnraum ihnen selbst oder ihren Angehörigen zu Wohnzwecken dienen soll. Die Rechtslage ist, wie das Finanzgericht ebenfalls zutreffend dargelegt hat, anders als bei Bauherren von Wohngebäuden, die nach § 7 b Abs. 1 EStG 1961 begünstigt sind. Diese tragen bei dem Bau infolge der Entwicklung der Baupreise immer ein Risiko, das die Zubilligung der erhöhten Abschreibung nach § 7 b EStG rechtfertigt, auch wenn sie diese Wohnungen nicht selbst bewohnen wollen. Die nach § 7 b Abs. 3 und 4 EStG 1962 begünstigten Ersterwerber gehen infolge der Zahlung eines festen Kaufpreises ein solches Risiko nicht ein. Es ist daher wirtschaftlich sinnvoll, ihnen die Begünstigung der erhöhten AfA nur zu gewähren, wenn sie durch den Ersterwerb Wohnraum für sich selbst oder ihre Angehörigen beschaffen wollen. Unter diesen Umständen ist die Anwendung des § 7 b Abs. 3 und 4 EStG 1961 davon abhängig zu machen, ob mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, der Ersterwerber einer Eigentumswohnung usw. werde diese in nicht allzu ferner Zeit selbst benutzen oder einem Angehörigen zum Wohnen überlassen.
Daß die Eigennutzung bei Kaufeigentumswohnungen nach § 7 b in der Fassung des Gesetzes zur Neuregelung der Absetzung für Abnutzung bei Gebäuden vom 16. Juni 1964 (BGBl I S. 353) für die Inanspruchnahme der erhöhten AfA nicht mehr erforderlich ist, weil die Bindung an die Begriffsbestimmungen des II. WoBauG infolge Wegfalls des Wortes "Kaufeigentumswohnungen" weggefallen ist (siehe z. B. Längsfeld, Der Betrieb 1964 S. 783), hat für den Streitfall keine Bedeutung und kann sich auch auf die Auslegung der früheren Fassungen des § 7 b EStG nicht auswirken, weil ab 1965 die Regelung des § 7 b EStG grundlegend umgestaltet ist.
Fundstellen
Haufe-Index 411818 |
BStBl III 1966, 17 |
BFHE 1966, 47 |
BFHE 84, 47 |