Leitsatz (amtlich)
1. Die Vorschrift des § 19 BHG vom 19. August 1964 (BGBl I 1964, 675; BStBl I 1964, 510) umfaßt nur körperliche Sachen, nicht auch immaterielle Wirtschaftsgüter.
2. Durch die Herstellung eines Spielfilms wird beim Filmhersteller ein immaterielles Wirtschaftsgut geschaffen, für das Investitionszulage nicht gewährt wird.
Normenkette
BHG 1964 § 19
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin hat im Streitjahr 1967 einen Spielfilm gedreht und für das Drehbuch und die Dreharbeiten in Berlin und außerhalb Berlins 354 522 DM aufgewendet. Ihr Antrag, ihr für diese Aufwendungen eine Investitionszulage von 35 452,20 DM zu gewähren, wurde vom FA abgelehnt. Der Einspruch blieb erfolglos. Die Klage hatte ebenfalls keinen Erfolg. Das FG führte aus: Die Revisionsklägerin meine zu Unrecht, sie habe mit den bezeichneten Aufwendungen ein abnutzbares bewegliches Wirtschaftsgut angeschafft oder hergestellt. Ob ein Wirtschaftsgut als beweglich oder unbeweglich zu beurteilen sei, richte sich nach den Bestimmungen des BGB. Das BGB kenne als Gegenstände (Wirtschaftsgüter) Sachen und Rechte. Gemäß § 90 BGB seien Sachen im Sinn des BGB nur körperliche Sachen. Nur diese körperlichen Sachen könnten beweglich oder unbeweglich sein. Mit den geltend gemachten Aufwendungen habe die Revisionsklägerin keine solchen körperlichen Sachen angeschafft oder hergestellt. Sie habe mit der Verfilmung des Drehbuchs vielmehr ein Recht, nämlich ein Urheberrecht erworben. Rechte solcher Art seien weder beweglich noch abnutzbar und daher nicht investitionszulagebegünstigt. Zu Unrecht meine die Revisionsklägerin, dieses Urheberrecht sei in dem Negativfilm konkretisiert und sei damit zu einem abnutzbaren und beweglichen Wirtschaftsgut geworden.
Mit der Revision wird beantragt, die Investitonszulage zu gewähren. Nach dem Urteil des BFH III 187/51 U vom 25. Februar 1955 (BFH 60, 243, BStBl III 1955, 96), so macht die Revisionsklägerin geltend, gehörten Filme im allgemeinen zum Anlagevermögen des Filmherstellungsunternehmens. Das von ihr hergestellte Originalnegativ des Films verbleibe auch während dreier Jahre in einer Berliner Betriebstätte. Die Rechtsverhältnisse bei der Filmproduktion richteten sich nach § 94 des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz) vom 9. September 1965 (BGBl I 1965, 1273). Mit der Herstellung des Filmnegativs werde eine körperliche Konkretisierung der Urheberrechte vorgenommen und ein bewegliches Wirtschaftsgut im Sinn des § 19 BHG geschaffen. Das Ziel der Filmproduktion sei darauf gerichtet, ein Filmnegativ herzustellen, das dauernd bei dem Produktionsunternehmen verbleibe und von dem zur Auswertung des Films die sogenannten Massenkopien abgezogen würden. Die Schaffung eines Urheberrechts sei nicht Ziel der Filmproduktion; vielmehr verlören diese Rechte durch Schaffung des körperlichen Wirtschaftsguts Filmnegativ ihre Eigenständigkeit; sie seien in diesem Wirtschaftsgut konkretisiert. Daß der Filmverleihvertrag umsatzsteuerrechtlich eine sonstige Leistung darstelle, sei für die zu entscheidende Frage unwesentlich. Im übrigen würden auf dem Gebiet des Umsatzsteuerrechts nicht alle Rechtsgeschäfte über Filme als sonstige Leistungen erfaßt. Der Wert des bei der Filmherstellung gewonnenen körperlichen Wirtschaftsguts "Filmnegativ" mindere sich entsprechend der Auswertung des Films. Es liege eine wirtschaftliche Abnutzung vor, der bei der Bilanzierung durch AfA gemäß § 7 EStG Rechnung getragen werde.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet.
Unternehmer im Sinn des § 2 UStG, die in Berlin (West) einen Betrieb (eine Betriebstätte) haben, können für nach dem 30. Juni 1962 angeschaffte oder hergestellte abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens eine Investitionszulage erhalten (§ 19 Abs. 1 BHG 1964). Die Investitionszulage wird nur für neue abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter gewährt, die zum Anlagevermögen eines Betriebs (einer Betriebstätte) in Berlin (West) gehören und mindestens drei Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung in einem solchen Betrieb (einer solchen Betriebstätte) verbleiben (§ 19 Abs. 2 BHG 1964).
Voraussetzung für die Gewährung einer Investitionszulage ist hiernach die Anschaffung oder Herstellung neuer abnutzbarer beweglicher Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens. Zur Auslegung des Begriffs "abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens" hat der BFH im Urteil IV 215/62 U vom 6. August 1964 (BFH 80, 279, BStBl III 1964, 575) zu § 14 (16) BHG entschieden, daß diese Vorschrift nur körperliche, nicht auch immaterielle Wirtschaftsgüter betrifft. Die Grundsätze dieses Urteils sind für den in den wesentlichen Punkten der Fassung gleichlautenden § 19 BHG 1964 zu übernehmen. Eine Investitionszulage kann also nur für körperliche Wirtschaftsgüter gewährt werden.
Das FG hat zu Recht angenommen, daß ein Spielfilm nicht zu den körperlichen Wirtschaftsgütern in diesem Sinn gehört. Der BFH hat im Urteil III 187/51 U (a. a. O.) entschieden, das durch Verfilmung eines Werkes im Regelfall entstehende neue Urheberrechtsgut, dem ein eigener Rechtschutz zukomme, stelle hinsichtlich des einem Filmherstellungsunternehmen gehörigen Spielfilms das Wirtschaftsgut dar, gegenüber dessen Wert der Wert des bloßen Filmstreifens nicht ins Gewicht falle. Das wesentliche Wirtschaftsgut bei dem einem Filmhersteller gehörigen Spielfilm sei das immaterielle Gut der an dem Film erwachsenen Rechte einschließlich der angrenzenden Schutzrechte, die seitens des Drehbuchverfassers und der zu der Herstellung des Films sonst beitragenden Personen (Spielleiter, Schauspieler, Komponist, Lichtbild- und Tonbandaufnehmer usw.) ausdrücklich oder stillschweigend auf den Filmunternehmer übertragen worden seien. Durch Verfilmung eines Werkes, z. B. eines Werkes literarischer Art, entstehe im Regelfall ein neues Urheberrechtsgut, dem ein eigener Urheberrechtsschutz zukomme. Solche immateriellen Rechte stellten die in der Vermögensaufstellung eines Filmherstellungsunternehmens gegebenenfalls zu berücksichtigenden Wirtschaftsgüter hinsichtlich der streitigen Spielfilme dar. Verleihe ein Filmverleiher einen Film an ein Lichtspieltheater, so erfülle er seine Verpflichtungen gegenüber dem Entleiher nicht mit der bloßen Überlassung der Filmkopie; es sei vielmehr wesentlich, daß er das Vorführungsrecht auf Grund der ihm vom Hersteller überlassenen Lizenz, also rechtlich einwandfrei, übertrage. Ohne Gewährung des rechtlich einwandfreien Vorführungsrechts verliere der Filmverleiher den Anspruch auf die Vergütung. Die Filmstreifen, deren Werte an sich nicht ins Gewicht fielen, erhielten rechtlich und wirtschaftlich ihren Wert erst durch das Schutzrecht.
Diese Ausführungen betreffen den Rechtszustand, der vor dem Inkrafttreten des Urheberrechtsgesetzes vom 9. September 1965 galt. Nach dem damals geltenden Recht hatte der Filmhersteller ebensowenig wie der Tonträgerhersteller ein eigenes originäres Schutzrecht. Er war vielmehr auf den abgeleiteten Erwerb der Urheberrechte der Filmwerkschöpfer und der Leistungsschutzrechte der ausübenden Künstler angewiesen (Fromm-Nordemann, Urheberrecht, 2. Aufl., Anm. 1 zu § 94 des Urheberrechtsgesetzes). Jetzt - und ebenso schon für das Streitjahr 1967 - ist maßgebend § 94 des Urheberrechtsgesetzes. Danach hat der Filmhersteller das ausschließliche Recht, den Bildträger oder Bild- und Tonträger, auf den das Filmwerk aufgenommen ist, zu vervielfältigen, zu vertreiben und zur öffentlichen Vorführung oder Funksendung zu benutzen.
Bei diesem Recht handelt es sich zwar entgegen der Annahme des FG nicht um ein Urheberrecht, sondern um ein Leistungsschutzrecht vermögensrechtlicher Natur auf wettbewerbsrechtlicher Grundlage (von Gamm, Urheberrechtsgesetz, Anm. 1 zu § 94). Als schutzwürdig wird die organisatorische und wirtschaftliche Gesamtleistung des Filmherstellers erachtet, so wie sie in dem konkreten Filmstreifen verkörpert ist (Begründung zum Regierungsentwurf des Urheberrechtsgesetzes, Bundestags-Drucksache IV/270 zu § 104 - jetzt § 94 -). Das ändert aber nichts an der Beurteilung der hier in Betracht kommenden Frage. Die Grundsätze des BFH-Urteils III 187/51 U (a. a. O.), denen sich der erkennende Senat anschließt, behalten auch unter dem neuen Rechtszustand ihre Berechtigung. Hieran ändert auch nichts der Umstand, daß das bezeichnete Recht nicht an dem Filmwerk, sondern an dem Filmstreifen, d. h. dem Bildträger (beim Stummfilm) oder dem Bild- und Tonträger (beim Tonfilm) besteht (Fromm-Nordemann, a. a. O.). Durch diese Rechtsgestaltung wird der Filmstreifen in seiner Eigenschaft als körperlicher Gegenstand nicht etwa das zu bewertende Wirtschaftsgut; dieses ist vielmehr das Recht des Filmherstellers aus § 94 des Urheberrechtsgesetzes. Dieses Recht stellt den eigentlichen wirtschaftlichen Wert dar, der verwertet wird; ihm gegenüber tritt der Wert des Filmstreifens als körperlicher Gegenstand derartig in den Hintergrund, daß er bei der Bewertung außer Betracht bleiben kann bzw. in der Bewertung der gesamten Herstellungskosten aufgeht. Es ist nicht so, wie die Revisionsklägerin meint, daß mit der Herstellung des Filmnegativs als Bild- und Tonträger eine körperliche Konkretisierung der in Betracht kommenden Rechte vorgenommen werde. Wie bereits ausgeführt, besteht das Recht aus § 94 des Urheberrechtsgesetzes zwar an dem Bild- und Tonträger. Es tritt mit seiner Konkretisierung in diesem Bild- und Tonträger nicht etwa gegenüber diesem in den Hintergrund; vielmehr bleibt das Recht aus § 94 des Urheberrechtsgesetzes das maßgebende Wirtschaftsgut, und hierbei handelt es sich um ein immaterielles Wirtschaftsgut, für das, wie dargelegt, eine Investitionszulage nicht gewährt werden kann.
Für diese Auslegung spricht auch der von der Revisionsklägerin eingeräumte Umstand, daß der Filmverleihvertrag umsatzsteuerrechtlich eine sonstige Leistung darstellt. Auch hieraus ist ersichtlich, daß im Vordergrund der maßgeblichen wirtschaftlichen Vorgänge kein körperlicher Gegenstand, sondern ein immaterielles Wirtschaftsgut, nämlich das bezeichnete Schutzrecht steht.
Fundstellen
Haufe-Index 69349 |
BStBl II 1971, 186 |
BFHE 1971, 555 |