Entscheidungsstichwort (Thema)
Leistungen der Kaskoversicherung nach Diebstahl eines zum Betriebsvermögen gehörenden PKW als Betriebseinnahmen
Leitsatz (amtlich)
Die Leistung der Kaskoversicherung wegen Diebstahls eines zum Betriebsvermögen gehörenden PKW ist zumindest im Umfang der betrieblichen Nutzung auch dann Betriebseinnahme, wenn der Diebstahl während des Parkens vor der Wohnung des Betriebsinhabers und vor einer geplanten Privatfahrt begangen wurde. Ob ein Anteil in Höhe des privaten Nutzungsanteils als Privateinnahme anzusehen ist, bleibt offen.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), der zusammen mit seiner Ehefrau (Klägerin und Revisionsklägerin ―Klägerin―) zur Einkommensteuer veranlagt wird, betreibt eine Rechtsanwaltskanzlei. Seinen Gewinn ermittelt er nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Zu seinem Betriebsvermögen gehörte ein PKW, den er sowohl betrieblich als auch privat nutzte. Der Umfang der privaten Nutzung belief sich nach übereinstimmender Auffassung der Beteiligten auf 3 v.H. Im November 1997 wurde der PKW vor dem Privathaus des Klägers gestohlen. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der PKW des Klägers am Abend des Diebstahltages nach der Fahrt von der Kanzlei zur Wohnung vor dem Wohnhaus auf der Straße geparkt und zwischen 17.45 Uhr und 21.45 Uhr entwendet wurde. Für den folgenden Tag hatten die Kläger geplant, aus privatem Anlass nach K zu fahren.
Anfang 1998 zahlte die Vollkaskoversicherung eine Versicherungsleistung in Höhe von 59 000 DM.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) behandelte die Versicherungsleistung im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung des Streitjahres (1998) als Betriebseinnahme.
Mit ihrem hiergegen gerichteten Einspruch machten die Kläger unter Hinweis auf das Urteil des Finanzgerichts (FG) München vom 23. April 1998 6 K 3590/93 (Entscheidungen der Finanzge-richte ―EFG― 1998, 1384, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst ―DStRE― 1998, 617) geltend, die Versicherungsleistung stelle deshalb keine Betriebseinnahme dar, weil der PKW aus dem "Privatbereich" entwendet worden sei. Selbst wenn jedoch eine Betriebseinnahme anzunehmen wäre, sei wegen der gemischten Nutzung hieraus ein entsprechender Privatanteil herauszurechnen.
Der Einspruch hatte in dem hier interessierenden Punkt keinen Erfolg. Das FG gab der anschließenden Klage teilweise statt. Es ging davon aus, dass die Versicherungsleistung in Höhe von 1 770 DM als Privateinnahme, in Höhe von 57 230 DM als Betriebseinnahme anzusehen sei. Die Aufteilung richte sich nach dem Verhältnis des Anteils der privaten (3 v.H.) zu dem der betrieblichen Nutzung (97 v.H.). Das Urteil des FG vom 15. April 2002 III 208/01 ist in EFG 2002, 1285 veröffentlicht.
Hiergegen richtet sich die Revision der Kläger, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügen.
Das FA hat unter dem Datum vom 26. Juli 2002 einen Änderungsbescheid erlassen, in dem es die Einkommensteuer unter Berücksichtigung der vom FG anerkannten Minderung der Betriebseinnahmen in Höhe von 1 770 DM neu berechnet hat.
Die Kläger beantragen sinngemäß, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils und der Einspruchsentscheidung des FA vom 13. Februar 2001 den Einkommensteuerbescheid 1998 vom 26. Juli 2002 in der Weise zu ändern, dass die Einkünfte des Klägers aus selbständiger Arbeit um weitere 57 230 DM gemindert werden.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
Entscheidungsgründe
I. Das angefochtene Urteil ist aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. Es hat über den Einkommensteuerbescheid vom 30. November 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. Februar 2001 entschieden. Das FA hat sich im Anschluss an dieses Urteil, durch das ihm die Berechnung der Steuer aufgegeben wurde, nicht darauf beschränkt, den Klägern das Ergebnis der Neuberechnung mitzuteilen, wie es § 100 Abs. 2 Satz 3 FGO an sich vorsieht. Vielmehr hat es einen förmlichen Änderungsbescheid erlassen, der an die Stelle des ursprünglich mit der Klage angefochtenen Bescheides getreten ist. Damit liegt dem FG-Urteil ein nicht mehr existierender Bescheid zugrunde mit der Folge, dass auch das FG-Urteil keinen Bestand haben kann (s. dazu die Senatsurteile vom 23. Januar 2003 IV R 71/00, BFHE 201, 269, und vom 28. August 2003 IV R 20/02, BFHE 203, 143).
Der Bescheid vom 26. Juli 2002 ist nach § 68 Satz 1 FGO Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden. Da sich hinsichtlich des streitigen Punktes durch die Bescheidsänderung keine über den Tenor des FG-Urteils hinausgehenden Änderungen ergeben und die Kläger auch keinen weiter gehenden Antrag gestellt haben, bedarf es keiner Zurückverweisung der Sache gemäß § 127 FGO. Das finanzgerichtliche Verfahren leidet nicht an einem Verfahrensmangel, so dass die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen durch die Aufhebung des Urteils nicht weggefallen sind; sie bilden daher nach wie vor die Grundlage für die Entscheidung des Senats (Senatsurteile in BFHE 201, 269, und BFHE 203, 143).
II. Der erkennende Senat entscheidet aufgrund seiner Befugnis aus den §§ 121 und 100 FGO in der Sache selbst (§ 126 Abs. 2 FGO).
Die Klage gegen den Änderungsbescheid vom 26. Juli 2002 ist unbegründet.
1. Wird ein Wirtschaftsgut des Betriebsvermögens zerstört oder gestohlen, so stellen die zum Ausgleich gezahlten Versicherungsleistungen grundsätzlich Betriebseinnahmen dar (Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 24. Mai 1989 I R 213/85, BFHE 157, 521, BStBl II 1990, 8, unter II.B.5.). Es handelt sich insoweit um das "stellvertretende commodum" i.S. des § 285 des Bürgerlichen Gesetzbuches ―BGB― (früher § 281 BGB), das im Betriebsvermögen an die Stelle des zerstörten oder entwendeten Wirtschaftsgutes getreten ist.
2. Im Schrifttum wird demgegenüber teilweise angenommen, dass die Versicherungsleistung in einem solchen Fall nach Maßgabe des Verhältnisses zwischen betrieblicher und privater Nutzung in Betriebseinnahmen einerseits und Privateinnahmen andererseits aufzuteilen sei. Dem liegt die Auffassung zugrunde, dass die rein formale Anknüpfung an die Betriebsvermögenseigenschaft zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung insoweit zu korrigieren sei, als die für das Fahrzeug in Anspruch genommene Absetzung für Abnutzung (AfA) in den privaten Nutzungsanteil eingegangen sei und deshalb nicht dem Betriebsausgabenabzug unterlegen habe (z.B. Söhn in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 4 Rdnr. E 762; Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, § 4 Rz. 274; Tipke, Steuer und Wirtschaft 1979, 193, 202; a.A.: Blümich/Wacker, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 4 EStG Rz. 165; Meurer, Betriebs-Berater 2002, 503, 505; Scheidel, Deutsches Steuerrecht 2000, 1890, 1893; Valentin, EFG 2002, 1287). Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob diese Ansicht zutrifft; denn das FG hat sie ―zu Gunsten der Kläger― seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Das FA hat keine Revision eingelegt, sondern den Einkommensteuerbescheid 1998 entsprechend den Vorgaben des FG-Urteils geändert.
3. Nach dem BFH-Urteil in BFHE 157, 521, BStBl II 1990, 8 stellt die Leistung der Kaskoversicherung auch dann eine Betriebseinnahme dar, wenn das zum Betriebsvermögen gehörende Wirtschaftsgut während seiner Nutzung zu privaten Zwecken zerstört wird. Geht man von dieser Auffassung aus, könnte die Klage ―soweit sie über das FG-Urteil hinausgeht― auch dann keinen Erfolg haben, wenn man annehmen wollte, das Abstellen des PKW des Klägers sei dem Bereich der privaten Nutzung zuzurechnen.
4. Demgegenüber weist der VIII. Senat des BFH in seinem Vorlagebeschluss an den Großen Senat des BFH vom 23. Januar 2001 VIII R 48/98 (BFHE 194, 383, BStBl II 2001, 395) darauf hin, dass im Fall der Zerstörung des zum Betriebsvermögen gehörenden PKW während der Nutzung zu privaten Zwecken die Versicherungsleistungen möglicherweise in voller Höhe als private Einnahme anzusehen sein könnten (ähnlich ―in einem obiter dictum― der erkennende Senat im Urteil vom 15. Dezember 1977 IV R 78/74, BFHE 124, 185, BStBl II 1978, 212 unter 2. b der Gründe).
5. Auch bei Zugrundelegung dieser Auffassung könnten die Kläger das mit der Revision angestrebte Ziel nicht erreichen.
a) Zum einen kann das Parken vor dem Privathaus wie auch in der Betriebs- oder Privatgarage nicht dem Bereich der privaten Nutzung zugerechnet werden (Söhn in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O; Tipke, a.a.O.). Während dieser Zeit findet keine Nutzungsentnahme statt. Das wird bereits daraus deutlich, dass das Verhältnis zwischen betrieblicher und privater Nutzung nach dem Verhältnis der privat veranlassten Fahrten zu den übrigen Fahrten bestimmt wird (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG). Abstellzeiten bleiben bei der Berechnung außer Betracht. Der privaten Nutzung könnte allenfalls das Abstellen des Fahrzeugs am Urlaubsort zugerechnet werden (Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9 Rz. 267).
b) Zum anderen liegt der Auffassung des VIII. Senats des BFH im Vorlagebeschluss in BFHE 194, 383, BStBl II 2001, 395 die Vorstellung zugrunde, dass die Zerstörung eines zum Betriebsvermögen gehörenden PKW als Nutzungsentnahme anzusehen ist. In die Bewertung dieser Nutzungsentnahme sollen die stillen Reserven einbezogen werden. Dasselbe muss für einen Diebstahl gelten. Damit wäre zwar die Versicherungsleistung nicht als Betriebseinnahme zu versteuern, zu versteuern wären aber ―wenn auch möglicherweise bereits im Jahr 1997― die durch die Abschreibung des PKW entstandenen stillen Reserven, die im Zweifel der Höhe nach der Versicherungsleistung entsprechen oder diese wegen der üblichen Selbstbeteiligung sogar übersteigen.
Fundstellen
Haufe-Index 1114518 |
BFH/NV 2004, 567 |
BStBl II 2006, 7 |
BFHE 2004, 166 |
BFHE 204, 166 |
BB 2004, 530 |
DB 2004, 627 |
DStR 2004, 414 |
DStRE 2004, 367 |