Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Parteifähigkeit einer voll beendeten Gesellschaft des bürgerlichen Rechts
Leitsatz (NV)
Eine voll beendete Gesellschaft des bürgerlichen Rechts kann nicht Partei eines finanzgerichtlichen Verfahrens sein.
Normenkette
FGO § 40 Abs. 2, §§ 44-46; AO 1977 § 118ff; BGB § 727 Abs. 1
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches FG |
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) bildete mit seiner am ... verstorbenen Ehefrau S eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GdbR). Er ist alleiniger Rechtsnachfolger seiner Ehefrau.
Die GdbR machte für mehrere im Jahre 1980 erworbene Wohnungen Vorsteuerbeträge in Höhe von ... DM geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) stimmte dem gemäß § 168 der Abgabenordnung (AO 1977) zu.
Nachdem bestimmte Vertragspartner der GdbR den Verzicht auf die Steuerbefreiung von Finanzierungsleistungen und Bürgschaftsversprechen widerrufen und der GdbR hierüber neue Rechnungen ohne gesonderten Umsatzsteuerausweis erteilt hatten, setzte das FA gegen die GdbR mit Bescheid vom 25. Juni 1985 für das Streitjahr (1983) Umsatzsteuer in Höhe von ... DM fest, wobei es nach seiner Ansicht gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 zu berichtigende Vorsteuerbeträge von insgesamt ... DM berücksichtigte.
Der Einspruch der GdbR gegen diesen Bescheid blieb erfolglos. Das FA adressierte die Einspruchsentscheidung vom 11. September 1986 an den Verfahrensbevollmächtigten als Vertreter der GdbR.
Auf die Klage des Klägers setzte das Finanzgericht (FG) die Umsatzsteuer für 1983 auf ... DM fest. Zur Begründung führte es in dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1988, 598 abgedruckten Urteil aus, die Voraussetzungen für eine Vorsteuerberichtigung seien nicht gegeben.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Nach den den Senat bindenden Feststellungen des FG war die ... gemeinschaft... eine GdbR.
2. Das angefochtene Urteil kann keinen Bestand haben, weil es auf einer Verletzung von § 44 Abs. 1 FGO beruht.
Nach dieser Vorschrift ist in Fällen, in denen ein außergerichtlicher Rechtsbehelf gegeben ist, ... die Klage nur zulässig, wenn das Verfahren über den außergerichtlichen Rechtsbehelf erfolglos geblieben ist. Das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren muß durch eine Rechtsbehelfsentscheidung gegen den Rechtsbehelfsführer abgeschlossen werden. Die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf ist eine Sachurteilsvoraussetzung. Ihr Vorliegen ist auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu beachten. Die dafür notwendigen Tatsachen darf das Revisionsgericht selbst feststellen (Senatsurteil vom 17. Juli 1986 V R 37/77, BFH/NV 1987, 111).
a) Eine gegen den Kläger gerichtete Einspruchsentscheidung fehlt im Streitfall.
Die Einspruchsentscheidung vom 11. September 1986 richtete sich gegen die GdbR. Diese hatte den Einspruch zwar zunächst zulässig eingelegt, war im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung aber nicht mehr Einspruchsführerin. Mit dem Tod der zweiten Gesellschafterin, der Ehefrau des Klägers, am ... war die GdbR aufgelöst (§ 727 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) und voll beendet; denn der Kläger wurde als Gesamtrechtsnachfolger seiner Ehefrau ohne Liquidation Inhaber des Gesamthandsvermögens der GdbR (vgl. Senatsurteile vom 18. September 1980 V R 175/74, BFHE 132, 348, BStBl II 1981, 293; vom 13. Dezember 1990 V R 48/86, BFH/NV 1991, 790).
Die Einspruchsentscheidung konnte nur noch an den Kläger als Gesamtrechtsnachfolger der GdbR gerichtet werden (Senatsurteil in BFH/NV 1987, 111). Dies ist nicht geschehen.
b) Die an die GdbR gerichtete Einspruchsentscheidung kann nicht als Einspruchsentscheidung gegen den Kläger angesehen werden.
Für die Einspruchsentscheidung gelten die Vorschriften über Verwaltungsakte (§§ 118ff. AO 1977) sinngemäß. Sie ist selbst ein Verwaltungsakt, der bestimmt, unzweideutig und vollständig den Willen der Behörde ausdrücken und damit auch klar erkennen lassen muß, an wen er sich richet. Fehler in der Bezeichnung des Steuerschuldners im Verwaltungsakt können durch Richtigstellung im weiteren Verfahren nicht geheilt werden, auch nicht dadurch, daß sich der Empfänger als Adressat angesehen hat (Beschluß des Großen Senat des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 21. Oktober 1985 GrS 4/84, BFHE 145, 110, BStBl II 1986, 230 m.w.N.). Nach Eintritt der Gesamtrechtsnachfolge ist ein Verwaltungsakt an den Rechtsnachfolger zu richten. Ein an den Rechtsvorgänger gerichteter Verwaltungsakt ist allenfalls dann wirksam, wenn er mit dem Zusatz versehen ist z.Hd. des Rechtsnachfolgers ... (BFH-Urteil vom 24. März 1970 I R 141/69, BFHE 98, 531, BStBl II 1970, 501 m.N.).
c) Die unwirksame Einspruchsentscheidung vom 11. September 1986 konnte das Vorverfahren gegen den Kläger nicht abschließen. Ohne erfolglos abgeschlossenes Vorverfahren war die auf Ermäßigung der Steuerfestsetzung gerichtete Anfechtungsklage des Klägers unzulässig. Die widerspruchslose Einlassung des FA auf die Klage und der Klageabweisungsantrag des FA im finanzgerichtlichen Verfahren konnten das erforderliche Vorverfahren nach § 44 Abs. 1 FGO nicht ersetzen (Senatsurteil in BFH/NV 1987, 111).
Die Voraussetzungen nach §§ 45, 46 FGO für eine Klage ohne Vorverfahren liegen im Streitfall nicht vor.
Die unzutreffende Adressierung der Einspruchsentscheidung rechtfertigt eine Untätigkeitsklage nach § 46 FGO nicht (vgl. Senatsurteil in BFH/NV 1987, 111). Auch eine Einspruchsentscheidung, die an einen bei ihrem Erlaß nicht mehr vorhandenen Einspruchsführer gerichtet ist, ist eine sachliche Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf i.S. des § 46 Abs. 1 Satz 1 FGO.
3. Auf den Revisionsantrag des FA war daher die Vorentscheidung aufzuheben. Der Senat kann nicht durcherkennen; denn der weitergehende Antrag des FA auf Klageabweisung ist nicht begründet.
Zwar ist die Klage insoweit unzulässig, als der Kläger die Änderung des Umsatzsteuerbescheides 1983 beantragt. Zulässig ist die Klage hingegen mit dem Antrag, die an die GdbR gerichtete Einspruchsentscheidung aufzuheben. Der Kläger kann geltend machen, durch den von der Einspruchsentscheidung ausgehenden Schein der Rechtswirksamkeit als Rechtsnachfolger der GdbR in seinen Rechten verletzt zu sein (§ 40 Abs. 2 FGO; Senatsurteil in BFH/NV 1987, 111). Erläßt das FA während des gerichtlichen Verfahrens keine Einspruchsentscheidung gegen den Kläger, kann er durch Beschränkung seines Antrags auf Aufhebung der - nichtigen - Einspruchsentscheidung die Abweisung der Klage als unzulässig vermeiden (vgl. Senatsurteil in BFH/NV 1987, 111). Der Senat erkennt nicht selbst auf Aufhebung der nichtigen Einspruchsentscheidung.
Die Einspruchsentscheidung gegen den Kläger kann noch während des gerichtlichen Verfahrens mit der Folge nachgeholt werden, daß die Klage auch hinsichtlich des Sachantrags zulässig wird (BFH-Urteile vom 17. Mai 1985 III R 213/82, BFHE 143, 509, BStBl II 1985, 521; vom 21. Juli 1987 IX R 80/83, BFH/NV 1988, 213).
Fundstellen
Haufe-Index 418976 |
BFH/NV 1994, 41 |