Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerfreiheit von pauschalen Zuschlägen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit
Leitsatz (NV)
Hat der Arbeitnehmer für seine Arbeit an einem Wochenfeiertag einen (tarifvertraglichen) Anspruch auf entlohnten Freizeitausgleich, so ist die Vergütung, die der Arbeitgeber dafür gewährt, dass der freie Tag nicht in Anspruch genommen wird, nicht gemäß § 3b EStG steuerfrei.
Normenkette
EStG § 3b
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Beteiligten streiten über die Steuerfreiheit von Zuschlägen für Feiertagsarbeit.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist als Arbeitnehmer bei der F. GmbH im Wechselschichtdienst tätig. Nach § 2 des Arbeitsvertrages des Klägers vom August 1980 richtet sich das Arbeitsverhältnis nach den Vorschriften des Bundesmanteltarifvertrages für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G II). Hinsichtlich der Arbeitszeit an einem Wochenfeiertag enthält § 15 BMT-G II u.a. folgende Regelung:
" … Die dienstplanmäßige bzw. betriebsübliche Arbeitszeit an einem Wochenfeiertag soll auf Antrag des Arbeiters durch eine entsprechende Freizeit an einem Werktag der laufenden oder der folgenden Woche unter Fortzahlung des Monatsgrundlohnes und etwaiger für den Kalendermonat zustehender ständiger (ggf. pauschalierter) Lohnzuschläge ausgeglichen werden, wenn die dienstlichen oder betrieblichen Verhältnisse es zulassen."
In den Streitjahren 2001 und 2002 erhielt der Kläger neben seinem Grundlohn Zeitzuschläge für Wochenfeiertagsarbeit in Höhe von 135 v.H. Diese Zuschläge teilte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) in einen steuerfreien Anteil von 35 v.H. und in einen steuerpflichtigen Anteil von 100 v.H. auf.
Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Die Barabgeltung eines Freizeitanspruchs sei --so das FA-- kein begünstigter Lohnzuschlag.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2006, 22 veröffentlichten Urteil als unbegründet ab.
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Der Kläger habe sich für die ihm nach Tarifvertrag eingeräumte Möglichkeit eines Zeitzuschlages ohne Freizeitausgleich in Höhe von 135 v.H. entschieden und die Feiertagsarbeit auch tatsächlich erbracht. Für diese geleistete Feiertagsarbeit habe der Kläger einen Zuschlag erhalten, der nach § 3b des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerfrei sei. Ob der Arbeitnehmer nach Maßgabe der tarifvertraglichen Bestimmungen ein Wahlrecht habe, Freizeitausgleich zu beantragen, sei für die Steuerfreiheit der Zuschläge unerheblich.
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und Zeitzuschläge für das Kalenderjahr 2001 in Höhe von 838,22 € und für das Kalenderjahr 2002 in Höhe von 938,85 € steuerfrei zu stellen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet. Sie ist nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.
Zu Recht hat das FG entschieden, dass ein durch Arbeit an gesetzlichen Wochenfeiertagen begründeter Anspruch auf Freizeitausgleich die Steuerfreiheit von Lohnzuschlägen ausschließt, soweit der Arbeitnehmer statt des Freizeitausgleichs eine Vergütung erhält.
1. Gemäß § 3b Abs. 1 Nr. 3 EStG sind Zuschläge, die für tatsächlich geleistete Feiertagsarbeit neben dem Grundlohn gezahlt werden, steuerfrei, soweit sie 125 v.H. des Grundlohns nicht übersteigen. Ein solcher Zuschlag für Feiertagsarbeit setzt aber begrifflich voraus, dass dem Arbeitnehmer die an einem Feiertag geleistete Arbeit --zusätzlich zum üblichen Lohn-- vergütet wird. Hieran fehlt es, wenn der Arbeitnehmer auf Grund der Arbeit an einem Wochenfeiertag einen Anspruch auf einen bezahlten freien Tag erworben hat und dieser Freizeitanspruch nachfolgend durch eine Vergütung abgegolten wird. Denn diese Abgeltung ist Entschädigung für den nicht erhaltenen freien Tag. Sie tritt nicht zu dem Lohn für die Feiertagsarbeit hinzu, sondern zu dem Lohn für die Arbeit an dem Tag, der als freier Tag hätte in Anspruch genommen werden können (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 22. September 2005 IX R 55/04, juris Dok.-Nr. STRE200650028; vom 9. Juni 2005 IX R 68/03, BFH/NV 2006, 37, und vom 18. September 1981 VI R 44/77, BFHE 134, 149, BStBl II 1981, 801). Diese einschränkende Auslegung des § 3b EStG rechtfertigt sich aus der Erwägung, dass er als Ausnahmevorschrift das Leistungsfähigkeitsprinzip durchbricht (vgl. BFH-Urteil vom 22. November 1968 VI R 312/66, BFHE 94, 377, BStBl II 1969, 182, zu § 34a EStG).
2. Diesen Grundsätzen entspricht das angefochtene Urteil.
a) Der BMT-G II sieht für dienstplanmäßige Arbeit an Wochenfeiertagen entweder einen allgemeinen Grundzuschlag von 35 v.H. und daneben die Gewährung von bezahlter Freizeit oder aber --ohne Freizeitgewährung-- einen Zuschlag in Höhe von 135 v.H. vor (§ 15 Abs. 2, § 22 Abs. 1 Satz 2 c aa BMT-G II). Der Erhöhungsbetrag von 100 v.H. ist damit eine steuerpflichtige Entschädigung für den nicht erhaltenen Freizeitausgleich.
b) Die bezahlte Freizeit ist nach dem Wortlaut des Tarifvertrages auf Antrag des Arbeitnehmers zu gewähren. Wird dieser Antrag nicht gestellt oder kann ihm aus dienstlichen oder betrieblichen Gründen nicht stattgegeben werden, so entsteht der Anspruch auf den Zeitzuschlag in Höhe von 135 v.H. (vgl. zur insoweit übereinstimmenden Tarifnorm des § 15 BAT Urteil des Bundesarbeitsgerichts --BAG-- vom 9. Oktober 1991 6 AZR 370/89, AP Nr. 17 zu § 15 BAT). § 15 Abs. 2 BMT-G II räumt dem Arbeitnehmer ein Wahlrecht ein, ob er für dienstplanmäßige Arbeitszeit an einem Wochenfeiertag Freizeitausgleich beanspruchen will oder nicht (vgl. BAG-Urteile vom 23. Februar 1982 3 AZR 86/81, AP Nr. 2 zu § 15 BMT-G II, und vom 9. Oktober 1991 6 AZR 370/89, AP Nr. 17 zu § 15 BAT). Dieser erhält dadurch einen Rechtsanspruch auf Freizeitgewährung. Es bleibt seiner Entscheidung überlassen, anstelle des freien Tages gegen eine zusätzliche Vergütung zu arbeiten (vgl. auch Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 16. Januar 1999 IV C 5 -S 2343- 2/99, auszugsweise abgedruckt in Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, BAT-Kommentar, Stand April 2004, § 35 Erl. 1 (c)).
Dass gemäß § 15 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 4 a.E. BMT-G II die Freizeitgewährung nur erfolgen soll, wenn die dienstlichen oder betrieblichen Verhältnisse dies zulassen, steht dieser Beurteilung nicht entgegen. Zum einen bestand nach den bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) die grundsätzliche Möglichkeit, Freizeitausgleich zu bekommen. Darüber hinaus ist --auch wenn der Freizeitausgleich aus betrieblichen Gründen unterbleibt-- der über den Grundzuschlag hinausgehende Erhöhungsbetrag keine Gegenleistung für die Arbeit an einem Wochenfeiertag, sondern dafür, dass aus den genannten Gründen kein Freizeitausgleich gewährt werden konnte und deshalb an einem an sich freien Tag gearbeitet werden musste (vgl. BFH-Urteile in BFHE 94, 377, BStBl II 1969, 182, und in BFHE 134, 149, BStBl II 1981, 801).
c) Für Arbeiten an Feiertagen wurden dem Kläger im Streitjahr 2001 Feiertagszuschläge in Höhe von 1 257,38 € und im Streitjahr 2002 in Höhe von 1 408,01 € gewährt. Diese Zuschläge sind im Streitjahr 2001 in Höhe von 931,39 € und im Streitjahr 2002 in Höhe von 1 042,97 € (entspricht 100 v.H. des Grundlohns) einkommensteuerpflichtig. Der Kläger hat lediglich einen Anspruch auf Steuerfreistellung hinsichtlich des Differenzbetrages (entspricht 35 v.H. des Grundlohns) in Höhe von 325,99 € (2001) und in Höhe von 365,04 € (2002). Diese Beträge hat er steuerfrei erhalten.
Fundstellen
Haufe-Index 1514444 |
BFH/NV 2006, 1274 |
HFR 2006, 766 |