Leitsatz (amtlich)
Ob Aktien im Alleineigentum von Gesellschaftern einer Personengesellschaft zum Betriebsvermögen der Personengesellschaft gehören, ist für die Einheitsbewertung nicht unter Anwendung der sog. Bilanzbündeltheorie zu entscheiden.
Normenkette
BewG 1965 §§ 95, 97
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Kommanditgesellschaft, deren persönlich haftender Gesellschafter am 1. Januar 1967 eine GmbH mit einer Beteiligung von 50 000 DM war. Gesellschafter der GmbH waren A und B im Verhältnis von 51 : 49 v. H. des Stammkapitals; sie waren zugleich in demselben Beteiligungsverhältnis Kommanditisten der Klägerin.
Der Zweck der Klägerin ist der Groß- und Einzelhandel. Die Klägerin ist nach dem Gesellschaftsvertrag berechtigt, sich an anderen Unternehmen zu beteiligen, solche zu gründen oder zu erwerben.
Am 24. Dezember 1965 gründeten die Kommanditisten der Klägerin eine AG mit Sitz in Basel. Das Grundkapital der AG hielten die Kommanditisten der Klägerin ebenfalls im Verhältnis 51 : 49. Zweck der AG ist die Beteiligung an in- und ausländischen Unternehmungen. Die AG erwarb unter Einsatz ihres gesamten Kapitals Aktien der X in Basel. Die Beteiligung der AG an der X betrug zunächst 20 v. H. des Kapitals, minderte sich jedoch später aufgrund von Kapitaländerungen der X über 16 2/3 v. H. auf 14 2/7 v. H. Zweck der X ist die Finanzierung und Vermietung von Industriemaschinen im In- und Ausland. Von 1965 an schloß die Klägerin in steigendem Maße mit der X Nutzungsverträge über Maschinen und maschinelle Anlagen ab. Die Leasingverträge wurden regelmäßig erst abgeschlossen, nachdem die Klägerin die auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenen Maschinen bei den Herstellern bestellt und die Zahlungsbedingungen ausgehandelt hatte.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) behandelte bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens der Klägerin zum 1. Januar 1967 die Beteiligung der Kommanditisten der Klägerin an der AG als Betriebsvermögen der Klägerin und setzte sie mit den Anschaffungskosten an.
Den Einspruch gegen diese Wertfeststellung hat das FA als unbegründet zurückgewiesen.
Das FG betrachtete die Beteiligungen an der AG als private Vermögensanlagen der Kommanditisten.
Das FA rügt mit der Revision, das FG habe aus dem festgestellten Sachverhalt unrichtige Rechtsfolgerungen gezogen. Die Kommanditisten der Klägerin seien zusammen zu 100 v. H. an der AG beteiligt gewesen, die ihrerseits das von den Kommanditisten der Klägerin erhaltene Vermögen in vollem Umfang für eine Beteiligung an der X benutzt habe. Das FG sei entsprechend dem Vortrag der Klägerin selbst davon ausgegangen, daß diese ohne die von der X gemieteten Maschinen nicht den erforderlichen Rationalisierungseffekt hätte erzielen können. Damit stehe aber fest, daß die Beteiligungen der Kommanditisten der Klägerin an der AG nach den Verhältnissen vom 1. Januar 1967 dem Betrieb der Klägerin gedient haben.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
1. Nach § 97 Abs. 1 Nr. 5 des Bewertungsgesetzes (BewG) gehören zum Betriebsvermögen einer Kommanditgesellschaft alle Wirtschaftsgüter, die der Gesellschaft gehören, d. h., die im Gesamthandeigentum der Gesellschafter stehen. Unternehmer des gewerblichen Betriebs der Kommanditgesellschaft ist jedoch nicht die Gesellschaft als solche, sondern die Gesellschafter als Mitunternehmer. Deshalb ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats für die Abgrenzung des Betriebsvermögens einer Personengesellschaft vom Privatvermögen ihrer Gesellschafter neben § 97 Abs. 1 BewG auch § 95 BewG zu beachten (vgl. Entscheidung des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 6. Februar 1976 III R 93/74, BFHE 118, 475, BStBl II 1976, 412, mit weiteren Nachweisen). Danach sind Wirtschaftsgüter, die dem Gewerbebetrieb der Personengesellschaft als Hauptzweck dienen, auch dann dem Betriebsvermögen der Gesellschaft zuzurechnen, wenn sie bürgerlich-rechtlich im Alleineigentum eines Gesellschafters stehen.
Dieser Rechtsstandpunkt wurde in der Vergangenheit vereinzelt unter Heranziehung der sog. Bilanzbündeltheorie begründet (vgl. BFH-Entscheidung vom 29. Oktober 1973 III R 40/73, BFHE 111, 158, BStBl II 1974, 79). Sie wurde für die Ertragsbesteuerung der Gesellschafter einer Personengesellschaft durch Auslegung des § 15 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) entwickelt. Ob diese Theorie inzwischen überholt ist (vgl. Woerner, Der Betriebs-Berater 1975 S. 645 - BB 1975, 645 - und BFH-Entscheidung vom 23. Juli 1975 I R 210/73, BFHE 117, 144, BStBl II 1976, 180), kann für die Einheitsbewertung unentschieden bleiben. Denn für das Bewertungsrecht ergibt sich die Einbeziehung von Wirtschaftsgütern im Alleineigentum eines Gesellschafters einer Personengesellschaft in das Betriebsvermögen der Gesellschaft unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut. § 97 Abs. 1 Nr. 5 BewG enthält die Aussage, daß Unternehmer des gewerblichen Betriebs einer Personengesellschaft nicht die Gesellschaft selbst, sondern die Gesellschafter sind, die in ihrer gesellschaftsrechtlichen Verbindung als Mitunternehmer bezeichnet werden. Wenn aber das Bewertungsrecht nicht die Gesellschaft als solche als Gewerbetreibende ansieht, sondern die Gesellschafter in ihrer Eigenschaft als Mitunternehmer, so ist es folgerichtig, daß der Umfang des Betriebsvermögens einer Personengesellschaft sowohl durch § 97 BewG als auch durch § 95 BewG bestimmt wird.
2. Nach § 95 BewG gehören zum Betriebsvermögen "alle Teile einer wirtschaftlichen Einheit, die dem Betrieb des Gewerbes als Hauptzweck dient". Der Relativsatz, der den Hauptzweck in die Begriffsbestimmung des Betriebsvermögens einführt, bezieht sich sprachlich auf die wirtschaftliche Einheit und nicht auf die Teile, oder anders ausgedrückt, auf die Wirtschaftsgüter (vgl. § 2 Abs. 2 BewG), die zu einer wirtschaftlichen Einheit zusammengefaßt werden. Es ist jedoch in der bewertungsrechtlichen Literatur unbestritten, daß auf Grund des Sinnzusammenhangs des § 95 BewG mit § 2 BewG, der sich mit der Abgrenzung der wirtschaftlichen Einheit befaßt, auch das einzelne in das Betriebsvermögen einzubeziehende Wirtschaftsgut als Hauptzweck dem gewerblichen Betrieb dienen muß (vgl. Gürsching-Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 6. Aufl., § 95 BewG Anm. 32; Rössler-Troll-Langner, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 11. Aufl., § 95 BewG Anm. 22; Steinhardt, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 6. Aufl., § 95 BewG Bemerkungen 10 und 11). Dieser Hauptzweck kann sich aus der Widmung des Wirtschaftsguts für den gewerblichen Betrieb der Gesellschaft (gewillkürtes Betriebsvermögen, vgl. BFH-Urteil I R 210/73) oder aus einem dahin gehenden Sachzusammenhang mit diesem Betrieb ergeben, daß es objektiv erkennbar zum unmittelbaren Einsatz im Betrieb bestimmt ist (notwendiges Betriebsvermögen, BFH-Urteil vom 13. Mai 1976 IV R 4/75, BFHE 119, 256, BStBl II 1976, 617).
a) Die Aktien der Kommanditisten der Klägerin sind nicht notwendiges Betriebsvermögen in dem Sinn, daß sie der Klägerin oder der Stellung der Kommanditisten als Gesellschafter der Klägerin auf Grund ihrer Funktion als Hauptzweck dienen. Sie sind nicht objektiv erkennbar zum unmittelbaren Einsatz im Betrieb selbst bestimmt. Einem unmittelbaren Einsatz für den Betrieb der Klägerin stände allerdings nicht entgegen, daß diese Aktien nur mittelbar eine Einflußnahme auf die X ermöglichen, mit der die Klägerin im Geschäftsverkehr steht. Denn die AG ist eine reine Holding-Gesellschaft und vermittelt damit ihren Gesellschaftern, die zugleich Mitunternehmer der Klägerin sind, die Einwirkung auf die X (vgl. zur Funktion einer Holding-Gesellschaft BFH-Entscheidung vom 3. Dezember 1976 III R 98/74, BFHE 121, 93, BStBl II 1977, 235).
Das FG hat für den Senat verbindlich festgestellt, daß die Klägerin nach den Verhältnissen im Feststellungszeitpunkt 1967 mit der X nur in geringem Umfang - unwidersprochen betrugen die an die X gezahlten Leasinggebühren nur rd. 60 000 DM, das sind 0,6 v. H. des Gesamtaufwandes der Klägerin - Leasinggeschäfte betrieben hat. Nach diesen Feststellungen wurden der Klägerin aufgrund der mittelbaren Beteiligung ihrer Gesellschafter an der X keine Sonderbedingungen im Vergleich zu Geschäftspartnern der X eingeräumt, die keine Anteile besaßen. Damit hat das FG zu Recht angenommen, daß die mittelbare Beteiligung der Gesellschafter der Klägerin an der X nicht von Vorteil für den Geschäftsbetrieb der Klägerin war.
Die Beteiligungen der Gesellschafter einer Personengesellschaft an einer Kapitalgesellschaft, mit der die Personengesellschaft in Geschäftsbeziehungen steht, können sich funktionell auch dann unmittelbar auf den Betriebsablauf der Personengesellschaft im Sinne des BFH-Urteils IV R 4/75 beziehen und diesem damit objektiv zu dienen bestimmt sein, wenn sie allein oder zusammen einen maßgeblichen Einfluß auf die Geschäftsführung und/oder die Geschäftspolitik dieser Kapitalgesellschaft ermöglichen. Denn in diesem Fall ist die Innehabung der Beteiligungen objektiv von erheblichem Vorteil für das Gewerbe, das von den Gesellschaftern der Personengesellschaft als Mitunternehmer betrieben wird. Unter welchen Voraussetzungen im Einzelfall ein maßgeblicher Einfluß angenommen werden kann, muß unentschieden bleiben. Denn die Aktien der Kommanditisten der Klägerin können unter dieser Sicht deshalb nicht als notwendiges Betriebsvermögen angesehen werden, weil sie, selbst zusammengenommen, nur eine Beteiligung von 20 v. H. und weniger an der X vermitteln und damit regelmäßig nicht die Funktion erfüllen können, maßgebenden Einfluß auf die Geschäftsführung/Geschäftspolitik der X auszuüben. Feststellungen darüber, daß trotz der geringen Beteiligung maßgeblicher Einfluß im vorstehenden Sinn besteht, hat das FG nicht getroffen. Verfahrensrüge wegen mangelnder Sachaufklärung hat das FA nicht erhoben.
b) Ein Wirtschaftsgut dient auch dann einem gewerblichen Hauptzweck, wenn es nicht notwendiges Privatvermögen ist (zur Abgrenzung des Begriffs siehe BFH-Entscheidung vom 30. April 1975 I R 111/73, BFHE 115, 500, BStBl II 1975, 582) und dem Gewerbebetrieb gewidmet wurde. Die Aktien der Kommanditisten der Klägerin sind zwar nicht notwendiges Privatvermögen, sie sind jedoch unstreitig nicht dem Betrieb der Klägerin gewidmet. Denn sie sind in diesen Betrieb weder zur Nutzung eingebracht (vgl. § 706 Abs. 2 BGB und Hueck, Das Recht der offenen Handelsgesellschaft, 4. Aufl., S. 206), noch ergeben sich Anhaltspunkte dafür, daß sie dazu bestimmt sind, der Stellung der Gesellschafter der Klägerin innerhalb der Gesellschaft zu dienen. Damit können sie nicht als gewillkürtes Betriebsvermögen der Gesellschafter der Klägerin angesehen werden.
3. Die Entscheidung des FG erweist sich im Ergebnis als zutreffend. Deshalb war die Revision des FA als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Fundstellen
Haufe-Index 72812 |
BStBl II 1978, 518 |
BFHE 1979, 286 |