Entscheidungsstichwort (Thema)
Verpflegungsmehraufwand bei Dienstreisen innerhalb des Großraums München
Leitsatz (NV)
1. Berücksichtigung der Pauschbeträge wegen Verpflegungsmehraufwand auf Dienstreisen nach Abschnitt 25 Abs. 6 Nr. 3 Buchst. a) aa) LStR 1975 durch die Steuergerichte, wenn ihre Anwendung nicht zu einer unzutreffenden Besteuerung führt.
2. Grundsätzlich keine unzutreffende Besteuerung bei Anwendung dieser Pauschbeträge auf Dienstreisen innerhalb des Großraums München.
Normenkette
EStG 1975 § 9 Abs. 1 S. 1; LStR 1975 Abschn. 25 Abs. 6 Nr. 3 Buchst. a aa
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger war im Streitjahr 1976 als Autoverkäufer bei der Firma X, Werk München, tätig. Er wohnte im Jahre 1976 in München und unternahm an 233 Tagen Dienstreisen bzw. Dienstgänge. Zwischen ihm und dem FA ist nur noch streitig, in welcher Höhe der Verpflegungsmehraufwand für Dienstreisen im Großraum München als Werbungskosten anzusetzen ist. Der Kläger besuchte in diesem Raum vorwiegend die Ortschaften Garching, Eching, Lohhof und Oberschleißheim. Er begehrte bei der Einkommensteuerveranlagung 1976 den Ansatz von Verpflegungsmehraufwendungen als Werbungskosten entsprechend den Pauschsätzen der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) in folgender Höhe:
13 Tage (Abwesenheit mehr als 12 Stunden) x 30 DM = 390 DM
37 Tage (Abwesenheit 10 bis 12 Stunden) x 24 DM = 888 DM
71 Tage (Abwesenheit 7 bis 10 Stunden) x 15 DM = 1 065 DM
121 Tage = 2 343 DM
Das FA erkannte in der Einspruchsentscheidung nur folgenden Verpflegungsmehraufwand des Klägers für Dienstreisen innerhalb des Großraums München als Werbungskosten an:
13 Dienstreisen (Abwesenheit mehr als12 Stunden) x 14 DM = 182 DM
37 Dienstreisen (Abwesenheit 10 bis 12 Stunden) x 11 DM = 407 DM
71 Dienstreisen (Abwesenheit 7 bis 10 Stunden) x 8 DM = 568 DM
121 Tage = 1 157 DM
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es führte u.a. aus:
Das Gericht gehe mit den Beteiligten davon aus, daß der Kläger im Streitjahr 1976 an den von ihm genannten 121 Tagen tatsächlich Dienstreisen im Großraum München mit der von ihm angegebenen Abwesenheitsdauer und zu den von ihm aufgeführten Reisezielen durchgeführt habe. Für solche Dienstreisen könne er mangels Einzelnachweises Verpflegungsmehraufwand in Höhe der in Abschn. 25 Abs. 6 Nr. 3 Buchst. a) aa) LStR 1975 für eintägige Dienstreisen aufgeführten Pauschbeträge als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit absetzen. Diese Pauschsätze seien nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) im Interesse der Vereinfachung und der gleichmäßigen Handhabung im steuerlichen Massenverfahren von den Steuergerichten zu beachten, soweit sie nicht wegen der Eigenart des Einzelfalles zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führten. Solche Umstände seien im Streitfall nicht ersichtlich.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung des § 9 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Es macht u.a. geltend:
Der BFH habe wiederholt betont, daß die Anwendung der Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwendungen nicht schematisch erfolgen und nicht zu einer unzutreffenden Besteuerung führen dürfe. Das sei jedoch der Fall, wenn die Gegebenheiten einer Dienstreise nach der Lebenserfahrung zu der Annahme nötigten, daß Verpflegungsmehraufwendungen nicht oder nicht in ungefährer Höhe der Pauschbeträge entstanden seien. Wenn auch die LStR zwischen ein- und mehrtägigen Dienstreisen unterschieden, so bestehe doch ein wesentlicher Unterschied zwischen Dienstreisen im Nahbereich - S-Bahn-Bereich München - und Dienstreisen, die über diesen Bereich hinausgingen. Denn bei Dienstreisen im Nahbereich beschränkten sich nach der Lebenserfahrung die Mehraufwendungen für Verpflegung in aller Regel auf die Einnahme einer Zwischenmahlzeit außer Haus. Daher würde die Anwendung der LStR auf solche Fälle zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Denn das FG hat ohne Rechtsverstoß die vom Kläger geltend gemachten Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwand nach Abschn. 25 Abs. 6 Nr. 3 LStR 1975 als Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit zum Abzug zugelassen.
Als Werbungskosten i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sind auch die durch eine Dienstreise veranlaßten Verpflegungsmehraufwendungen abziehbar. Soweit der Steuerpflichtige die Mehraufwendungen nicht im einzelnen nachweist, können nach den Anweisungen in Abschn. 25 Abs 6 Nr. 3 Buchst. a) aa) LStR 1975 die dort aufgeführten Pauschbeträge als Werbungskosten zum Abzug zugelassen werden, wenn es sich um Dienstreisen handelt, die am selben Tag begonnen und beendet werden und die Anwendung dieser Pauschbeträge nicht offensichtlich zu einer unzutreffenden Besteuerung führt.
Die zur Abgeltung dieser Kosten in den LStR vorgesehenen Pauschbeträge dienen der Vereinfachung und gleichmäßigen Durchführung des Besteuerungsverfahrens. Im Rahmen dieser Zielsetzung werden sie vom BFH als Tatsachengrundlage anerkannt, so lange die Beträge nicht wegen der Eigenart des Einzelfalls zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führen. Ihre Nichtanwendung muß jedoch angesichts des vorgenannten Zweckes auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben. Bei der Prüfung der Frage, ob ein solcher Ausnahmefall vorliegt, ist ein strenger Maßstab anzulegen.
Wie der Senat unter Änderung seiner Rechtsprechung durch Urteil vom 23. April 1982 VI R 30/80 (BFHE 135, 515, BStBl II 1982, 500) entschieden hat, führt die Anwendung der in den LStR vorgesehenen Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwendungen bei eintägigen Dienstreisen in der Regel zu keiner offensichtlich unzutreffenden Besteuerung, auch wenn es sich überwiegend um Fahrten in ein nur wenige Gemeinden umfassendes Gebiet in der Umgebung des Ortes handelt, in dem der Arbeitnehmer seine regelmäßige Arbeitsstätte hat. Der BFH hob in dieser Entscheidung hervor, daß das regelmäßige Aufsuchen eines eng begrenzten Reisegebietes noch keine Rückschlüsse auf erheblich niedrigere Verpflegungsmehraufwendungen zulasse. Dieses sei letztlich nur aufgrund weiterer Ermittlungen feststellbar. Solche Nachforschungen stünden jedoch im Widerspruch zu den vorgenannten Grundsätzen der Vereinfachung und Gleichbehandlung, wobei gerade dem letztgenannten Gesichtspunkt bei der Häufigkeit solcher Fälle ein hoher Stellenwert zukomme. In der Regel sei deshalb nicht auf das Bestehen verbilligter Eßgelegenheiten auch bei Fahrten in die Umgebung des Wohnorts abzustellen.
Eine andere Beurteilung könne Platz greifen, wenn offensichtlich sei, daß dem Steuerpflichtigen, wie etwa bei Teilnahme an einer Gemeinschaftsverpflegung, keine oder nahezu keine Aufwendungen für die Verpflegung entstanden seien. Ein weiteres gewichtiges Indiz für eine unzutreffende Besteuerung könne angenommen werden, wenn bei umfangreicher Reisetätigkeit infolge der Anwendung der Pauschbeträge unverhältnismäßig geringe Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit verbleiben würden.
Die Vorentscheidung entspricht diesen Grundsätzen. Das FG hat in einer den Senat bindenden Weise festgestellt, daß der Kläger an den 121 Tagen, für die die Höhe des als Werbungskosten anzuerkennenden Verpflegungsmehraufwandes noch strittig ist, tatsächlich Dienstreisen mit der von ihm angegebenen Abwesenheitsdauer und zu den von ihm aufgeführten Reisezielen durchgeführt hat. Das wird vom FA auch nicht in Abrede gestellt. Das FG konnte ohne Rechtsverstoß zu dem Ergebnis kommen, daß dem Kläger bei Durchführung der Dienstreisen jeweils in einer Entfernung von mehr als 15 km von seiner Arbeitsstätte bzw. seiner Wohnung und bei Abwesenheitszeiten von jeweils mehr als fünf Stunden Dauer die von ihm begehrten Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwand nach Abschn. 25 Abs. 6 Nr. 3 Buchst. a) aa) LStR 1975 für eintägige Dienstreisen zustanden. Es konnte ferner entsprechend den vorgenannten Rechtsprechungsgrundsätzen sich von der Erwägung leiten lassen, daß allein aufgrund einer umfangreichen Dienstreisetätigkeit innerhalb eines relativ eng begrenzten Gebietes ohne konkrete Anhaltspunkte nicht davon ausgegangen werden kann, daß der Kläger seinen Verpflegungsmehraufwand im allgemeinen so gering hält, daß er die in den LStR angegebenen Obergrenzen offensichtlich nicht unerheblich unterschritten hat. Es ist revisionsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden, daß das FG keinen allgemeinen Erfahrungssatz dahin festgestellt hat, daß innerhalb des Großraums München besonders günstige Verpflegungsmöglichkeiten vorhanden sind, die es rechtfertigen könnten, von den vom Richtliniengeber aufgestellten Pauschsätzen für Verpflegungsmehraufwand abzuweichen. Nach den Feststellungen des FG liegen im Streitfall auch keine konkreten Anhaltspunkte vor, wonach der Kläger in seinem Reisegebiet besonders günstige Essensmöglichkeiten hat ausfindig machen können und diese auch tatsächlich wahrgenommen hat. Der Senat ist nach § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auch an diese tatsächlichen Feststellungen gebunden, da das FA hiergegen keine zulässigen und begründeten Revisionsrügen vorgebracht hat. Rechtlich nicht zu beanstanden ist schließlich die Würdigung des FG, daß bei einem Bruttoarbeitslohn des Klägers von rund 64 500 DM kein offensichtliches Mißverhältnis zwischen seinen Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit und dem von ihm geltend gemachten Verpflegungsmehraufwand besteht.
Fundstellen
Haufe-Index 414113 |
BFH/NV 1986, 95 |