Entscheidungsstichwort (Thema)
Personelle Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung
Leitsatz (NV)
Zu den personellen Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung, wenn die Inhaberin des Besitzunternehmens 50 v.H. der Anteile an der Betriebsgesellschaft, einer GmbH, und ihre beiden volljährigen Kinder die restlichen Anteile halten. Die personelle Verflechtung kann nicht dadurch begründet werden, daß die nicht mehrheitlich beteiligte Gesellschafterin Geschäftsführerin der GmbH ist.
Normenkette
GewStG § 2 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) war in den Streitjahren zu 50 v.H. an einer GmbH beteiligt; die restlichen Anteile gehörten zu je 25 v.H. ihren volljährigen Kindern A und B. Im August 1970 übertrug die Klägerin ihren GmbH-Anteil an ihren Sohn A. Die Klägerin und ihr Sohn A waren alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer der GmbH. Die Geschäftsräume der GmbH befanden sich in einem Hausgrundstück, das im Eigentum der Klägerin stand; die GmbH nutzte diese Räume aufgrund eines Mietvertrags zwischen ihr und der Klägerin.
Nach einer Betriebsprüfung vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Ansicht, die Klägerin sei als Besitzunternehmerin im Rahmen einer Betriebsaufspaltung zur GmbH bis zum August 1970 gewerbesteuerpflichtig gewesen. Er erließ dementsprechend für die Jahre 1967 bis 1970 gegen die Klägerin Gewerbesteuermeßbescheide. Der Einspruch, mit dem die Klägerin geltend machte, die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung lägen nicht vor und sie sei danach hinsichtlich der Vermietung der Geschäftsräume nicht gewerbesteuerpflichtig, hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Die Klägerin sei mit der Vermietung der Geschäftsräume an die GmbH nicht gewerbesteuerpflichtig gewesen, weil wegen des Fehlens der personellen Erfordernisse eine Betriebsaufspaltung nicht bestanden habe; ein einheitlicher Betätigungswille zwischen der Klägerin und der GmbH habe nicht vorgelegen. Der Gewerbesteuermeßbescheid 1967 habe auch deshalb aufgehoben werden müssen, weil der Steueranspruch des Jahres 1967 verjährt gewesen sei.
Mit der Revision, die nur die Gewerbesteuermeßbetragsverfahren 1968 bis 1970 betrifft, rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Der einheitliche geschäftliche Betätigungswille sei anzunehmen, weil die Klägerin in der GmbH eine faktische Machtstellung besessen habe. Dies folge daraus, daß die Geschäftsräume einerseits im Eigentum der Klägerin gestanden hätten und andererseits wegen ihrer Beschaffenheit, ihres Zuschnitts für den Geschäftszweck und ihrer Innenstadtlage von entscheidender Bedeutung für das Betreiben des Geschäfts gewesen seien. Ferner sei zu berücksichtigen, daß die Klägerin 50 v. H. der GmbH-Anteile gehalten habe und daß deshalb gegen ihren Willen keine Entscheidungen hätten getroffen werden können. Dabei habe das FG außer acht gelassen, daß alle Gesellschafter letztlich wegen des engen verwandtschaftlichen Verhältnisses die gleichen Interessen verfolgt hätten.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil hinsichtlich der Gewerbesteuermeßbeträge für die Jahre 1968 bis 1970 aufzuheben und die Klage insoweit abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist nicht begründet.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist das Vermieten oder Verpachten von Wirtschaftsgütern - insbesondere von bebauten Grundstücken - an eine Kapitalgesellschaft keine gewerbesteuerfreie Vermögensverwaltung i.S. von § 9 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung (GewStDV), sondern ein Gewerbebetrieb i.S. von § 2 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG), wenn das Vermieten und Verpachten im Rahmen einer Betriebsaufspaltung geschieht. Eine Betriebsaufspaltung liegt vor, wenn die vermieteten oder verpachteten Wirtschaftsgüter zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen der sie mietenden oder pachtenden Kapitalgesellschaft gehören und eine enge personelle Verflechtung zwischen dem Vermieter oder Verpächter der Wirtschaftsgüter (Besitzunternehmen) und der Kapitalgesellschaft (Betriebsgesellschaft) besteht. Eine enge personelle Verflechtung in diesem Sinne ist anzunehmen, wenn die hinter den beiden Unternehmen stehenden Personen einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen haben (grundlegend Beschluß des BFH vom 8. November 1971 GrS 2/71, BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63; BFH-Urteil vom 26. Juli 1984 IV R 11/81, BFHE 141, 536, BStBl II 1984, 714). Hierzu genügt es, wenn die Person, die das Besitzunternehmen beherrscht, tatsächlich in der Lage ist, auch in der Betriebskapitalgesellschaft ihren Willen durchzusetzen; an das Vorliegen dieser Voraussetzung sind strenge Anforderungen zu stellen (Beschluß in BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63). Ein einheitlicher geschäftlicher Betätigungswille kann danach gegeben sein, wenn der Inhaber des Besitzunternehmens die Mehrheit der Anteile an der Betriebskapitalgesellschaft hält und damit über die Mehrheit der Stimmen verfügt (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 28. November 1979 I R 141/75, BFHE 129, 279, BStBl II 1980, 162) und imstande ist, alle für die Geschäftsführung wesentlichen Maßnahmen durchzusetzen.
2. Das FG hat zutreffend entschieden, daß die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung wegen des Fehlens einer personellen Verflechtung zwischen der Klägerin und der GmbH im Streitfall nicht vorliegen. Da die Klägerin nur 50 v. H. der Anteile der GmbH in Besitz hatte, fehlte ihr die Stimmenmehrheit; sie konnte deshalb keine Entscheidungen gegen den Willen der übrigen Gesellschafter treffen. Es kann entgegen der Meinung des FA auch nicht davon ausgegangen werden, daß zwischen der Klägerin und den beiden anderen Gesellschaftern der GmbH - ihren volljährigen Kindern A und B - wegen der engen verwandtschaftlichen Beziehungen eine wirtschaftliche Interessenidentität bestand und daher die Anteile dieser Personen für die Frage nach dem einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen grundsätzlich zusammenzurechnen sind (vgl. hierzu z. B. BFH-Urteil vom 10. November 1982 I R 178/77, BFHE 137, 67, BStBl II 1983, 136). Es widerspricht der Lebenserfahrung, daß volljährige Kinder in persönlichen und geschäftlichen Angelegenheiten sich stets den Wünschen ihrer Eltern unterordnen (Urteil von BFHE 141, 536, BStBl II 1984, 714).
Ferner weist das FG zu Recht darauf hin, daß auch keine besonderen vertraglichen Vereinbarungen bestanden, die es der Klägerin ermöglicht hätten, ihre geschäftlichen Vorstellungen in der GmbH auch gegen die Absichten ihrer Kinder zu verwirklichen. Eine solche Machtstellung hatte die Klägerin schließlich auch nicht deshalb inne, weil sie neben ihrem Sohn A alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführerin war. Die dem Geschäftsführer einer GmbH im Gesellschaftsvertrag eingeräumten Befugnisse sind nicht mit den Möglichkeiten gleichzusetzen, die einem Gesellschafter aus einer mehrheitlichen Beteiligung an der GmbH erwachsen. Aufgabe des Geschäftsführers ist es, fremdes Vermögen zu verwalten; ihm obliegt daher eine Treuepflicht, die es ihm gebietet, fremde Interessen wahrzunehmen und eigene Interessen unterzuordnen (BFHE 141, 536, BStBl II 1984, 714).
Es kann dahinstehen, ob es für die Annahme eines einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillens ausreicht, wenn der Inhaber des Betriebsunternehmens zwar den beherrschenden Einfluß nicht durch eine mehrheitliche Beteiligung oder durch bestimmte vertragliche Abmachungen ausüben kann, er aber aufgrund tatsächlicher Gegebenheiten dazu in der Lage ist. Solche Umstände - die ohnehin die Voraussetzungen einer engen personellen Verflechtung i. S. der Betriebsaufspaltungsgrundsätze nur beim Anlegen eines strengen Maßstabes erfüllen können (BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63) - sind im Streitfall vom FG nicht festgestellt worden. Sie können vor allem, anders als es das FA annimmt, nicht darin gesehen werden, daß die Geschäftsräume der GmbH wegen ihrer Lage und Beschaffenheit für das Betreiben des Geschäfts erhebliche Bedeutung hatten und die Klägerin Vermieterin dieser Räume war.
Fundstellen
Haufe-Index 60775 |
BFH/NV 1985, 49 |