Entscheidungsstichwort (Thema)
Vermietung an nahe Angehörige; Zweifamilienhaus; Liebhaberei
Leitsatz (NV)
Die Grundsätze der "Liebhaberei" sind bei Zweifamilienhäusern, bei denen eine Wohnung selbst genutzt und die andere vermietet ist, bis zum Ende der Übergangsregelung (§ 52 Abs. 21 EStG) regelmäßig nicht anzuwenden. Die Übergangsregelung greift nur ein, wenn der Nutzungswert für das Zweifamilienhaus im Veranlagungszeitraum 1986 durch Überschußrechnung zu ermitteln war. Bei Vermietung der zweiten Wohnung an nahe Angehörige ist zu prüfen, ob der Mietvertrag wie zwischen Fremden vereinbart und durchgeführt ist. Ist das nicht der Fall, ist der Nutzungswert für das Zweifamilienhaus nach § 21 a Abs. 1 Satz 2 EStG pauschaliert zu ermitteln.
Normenkette
EStG §§ 21, 21a, 52 Abs. 21
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) -- zur Einkommensteuer zusammenveranlagte Eheleute -- errichteten 1984 ein Zweifamilienhaus auf einem ihnen gemeinsam gehörenden Grundstück. Die im Erdgeschoß und in der ersten Etage gelegene Wohnung mit 121,42 qm nutzen sie selbst mit ihrer Familie, zu der ein 1983 geborener Sohn gehört. In der Wohnung befindet sich ein Arbeitszimmer mit einer Grundfläche von 14,84 qm. Die obere Wohnung (zweite Etage und Dachgeschoß) mit 110,62 qm vermieteten die Kläger ab 1. Januar 1984 an die Eltern der Ehefrau. Nachdem es zwischen dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt -- FA --) und den Klägern zu Meinungsverschiedenheiten über die Angemessenheit der Miete gekommen war, vereinbarten die Kläger mit ihren Eltern im Mietvertrag vom 27. Januar 1986 eine Erhöhung der Miete von 750 DM monatlich auf 930 DM. Zuvor hatten sie ein Sachverständigengutachten über die Höhe der ortsüblichen Miete eingeholt, wonach eine Miete von 8,60 DM pro qm ortsüblich sei. Die Nebenabgaben -- Kosten für die Sammelheizung -- sollten mit einem festen Betrag von 220 DM monatlich zu zahlen sein. Nach dem Mietvertrag sollte das Mietverhältnis über die gesamte Lebensdauer der Mieter bestehen. Am 1. Dezember 1986 vereinbarten die Vertragsbeteiligten, die Miete ab 1. Januar 1987 auf 730 DM herabzusetzen, weil die Mutter der Klägerin Rentnerin geworden war. Die Herabsetzung sollte unter der Bedingung erfolgen, daß das Reduzieren der Miete zu keiner Verringerung des Werbungskostenabzugs durch das FA führe. Bei der Einkommensteuerfestsetzung 1987 berücksichtigte das FA das Herabsetzen der Miete für die vermietete Wohnung nicht, sondern ging weiter von einer Miete von 930 DM monatlich aus.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1988 wiesen die Kläger einen Überschuß der Werbungskosten über die Einnahmen von 46 641 DM aus; als Einnahmen setzten sie den Nutzungswert der eigengenutzten Wohnung mit 10 743 DM und die Miete von 730 DM monatlich zuzüglich Einnahmen aus Umlagen an und zogen davon die Werbungskosten -- insbesondere Zinsen und Absetzungen für Abnutzungen (AfA), gekürzt um den Arbeitszimmer-Anteil -- als Werbungskosten ab.
Das FA berücksichtigte bei der Einkommensteuerfestsetzung anteilig nur den Werbungskostenüberschuß, der auf die eigengenutzte Wohnung entfällt. Den anteiligen Werbungskostenüberschuß für die vermietete Wohnung ließ es unberücksichtigt, weil den Klägern insoweit die Absicht gefehlt habe, auf Dauer einen Einnahmeüberschuß zu erzielen.
Nachdem das FA den Einspruch der Kläger als unbegründet zurückgewiesen hatte, vereinbarten die Mietvertragsparteien, die Herabsetzung der Miete von 930 DM auf 750 DM monatlich rückwirkend ab 1. Januar 1987 rückgängig zu machen und die Miete nachzuzahlen.
Die Klage der Kläger, mit der sie sich gegen die Nichtberücksichtigung des Werbungskostenüberschusses für die vermietete Wohnung wandten, hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) bejahte die Absicht der Kläger, einen Gesamtüberschuß der Einnahmen über die Werbungskosten durch Vermietung der Wohnung an die Eltern zu erzielen.
Dagegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision des FA, mit der es unrichtige Auslegung der §§ 2 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 Nr. 2, 21 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) durch die Vorinstanz rügt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung. Das FG hat zwar zu Recht entschieden, daß im Streitfall die Grundsätze der sog. Liebhaberei nicht anwendbar sind. Die bisherigen Feststellungen des FG reichen jedoch nicht aus, um dessen Annahme zu begründen, die Einkünfte aus der Vermietung der oberen Wohnung seien gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG durch Einnahme-Überschußrechnung zu ermitteln. Der Senat ist als Revisionsgericht nicht in der Lage zu prüfen, ob diese Rechtsansicht des FG zutrifft. Insoweit liegt ein materieller Rechtsfehler vor, der ohne diesbezügliche Rüge zur Aufhebung der Vorentscheidung führt.
1. Wie der Senat zwischenzeitlich im Urteil vom 8. November 1993 IX R 42/92, BFHE 174, 313 entschieden hat, sind die Grundsätze der sog. Liebhaberei bei Zweifamilienhäusern, bei denen eine Wohnung selbst genutzt und die andere vermietet ist, regelmäßig bis zum Auslaufen der Übergangsregelung in § 52 Abs. 21 EStG nicht anzuwenden.
2. Die Ermittlung der Einkünfte aus der Vermietung der oberen Wohnung gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG setzt voraus, daß der Nutzungswert der eigengenutzten (unteren) Wohnung auch nach dem 31. Dezember 1986, dem Zeitpunkt des Wegfalls der Nutzungswertbesteuerung, im Wege der Einnahme-Überschußrechnung zu ermitteln ist.
a) Nach § 52 Abs. 21 EStG sind § 21 Abs. 2 Satz 1 und § 21 a EStG letztmals für den Veranlagungszeitraum 1986 anzuwenden. Allerdings kann nach der sog. großen Übergangsregelung in § 52 Abs. 21 Satz 2 EStG bei einer Wohnung im eigenen Haus der Nutzungswert für die eigengenutzte Wohnung weiter im Wege der Einnahme- Überschußrechnung ermittelt werden, wenn bei dem Steuerpflichtigen im Veranlagungszeitraum 1986 die Voraussetzungen für die Ermittlung des Nutzungswerts als Überschuß des Mietwerts über die Werbungskosten vorgelegen haben (vgl. Senatsurteil vom 30. Juli 1991 IX R 49/90, BFHE 165, 92, BStBl II 1992, 27). Für die Anwendung der großen Übergangsregelung kommt es nicht darauf an, ob das FA bei der Steuerfestsetzung für das Jahr 1986 den Nutzungswert der eigengenutzten Wohnung tatsächlich durch Einnahme- Überschußrechnung ermittelt hat, sondern darauf, ob der Nutzungswert bei zutreffender Anwendung des Gesetzes nach dieser Rechnungsmethode hätte ermittelt werden müssen. Das ergibt sich unmittelbar aus dem Wortlaut des § 52 Abs. 21 Satz 2 EStG, nach dem es entscheidend ist, ob die "Voraussetzungen" für die Überschußrechnung vorgelegen haben. Hätte der Nutzungswert der eigengenutzten Wohnung dagegen nach § 21 a EStG ermittelt werden müssen, ist die große Übergangsregelung nicht anzuwenden. Im Streitjahr 1988 wäre dann für die eigengenutzte Wohnung kein (negativer) Nutzungswert mehr anzusetzen.
b) Ob der Nutzungswert für die eigengenutzte Wohnung der Kläger 1986 durch Überschußrechnung zu ermitteln oder die Pauschalierungsregelung des § 21 a EStG anzuwenden gewesen wäre, hängt davon ab, ob der Mietvertrag der Kläger mit ihren Eltern bzw. Schwiegereltern einem Fremdvergleich standhält und deshalb der Besteuerung zugrunde gelegt werden kann oder nicht. Hält der Mietvertrag einem Fremdvergleich nicht stand und kann er deshalb der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden, so liegt keine Vermietung i. S. des § 21 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG vor, mit der Folge, daß der Nutzungswert des gesamten Hauses einschließlich der an die Eltern überlassenen Wohnung durch Pauschalierung nach § 21 a EStG zu ermitteln ist (Senatsurteile vom 19. Juni 1991 IX R 306/87, BFHE 165, 359, BStBl II 1992, 75, und vom 22. Juni 1993 IX R 19/89, BFH/NV 1994, 96).
c) Wie der erkennende Senat zwischenzeitlich wiederholt entschieden hat, ist ein Mietverhältnis zwischen nahen Angehörigen der Besteuerung nur dann zugrunde zu legen, wenn der Mietvertrag bürgerlich- rechtlich wirksam geschlossen und sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung des Vereinbarten dem zwischen Fremden Üblichen entsprechen (Urteile in BFHE 165, 359, BStBl II 1992, 75; vom 25. Mai 1993 IX R 17/90, BFHE 171, 452, BStBl II 1993, 834; BFH in BFH/NV 1994, 96; vom 9. November 1993 IX R 74/90, BFH/NV 1994, 474).
Die tatsächlichen Feststellungen des FG reichen nicht aus, um entscheiden zu können, ob diese Voraussetzungen im Streitfall erfüllt sind. Das FG hat insbesondere nicht festgestellt, ob der Mietvertrag wie vereinbart durchgeführt wurde. In rechtlicher Hinsicht bestehen Bedenken gegen die Anerkennung des Mietvertrages im Hinblick auf die Vereinbarung in § 3 des Vertrages über die Nebenabgaben, nach der die Mieter nur die Kosten für die Sammelheizung mit einem festen Betrag von 220 DM pro Monat zu zahlen haben. Mietverträge zwischen Fremden werden überdies regelmäßig nicht auf die Lebensdauer des Mieters abgeschlossen. Es dürfte zwischen fremden Dritten auch selten vorkommen, daß die Miete herabgesetzt wird, wenn sich die Einkommensverhältnisse des Mieters verschlechtern, und daß Mietvertragsparteien vereinbaren, die Miete wieder heraufzusetzen, für den Fall, daß das FA an die vorangegangene Herabsetzung nachteilige einkommensteuerrechtliche Folgen knüpft.
Zur Beantwortung der Frage, ob der Mietvertrag zwischen den Klägern und ihren Eltern bzw. Schwiegereltern einkommensteuerrechtlich anzuerkennen ist, ist eine Gesamtwürdigung aller Umstände und Vertragsbestimmungen erforderlich, die dem FG als Tatsacheninstanz obliegt. Die Vorentscheidung war daher aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Das FG wird die Gesamtwürdigung nachzuholen haben und dabei auch zu prüfen haben, ob das Mietverhältnis nach den Verhältnissen des Streitjahres 1988 einem Fremdvergleich standhält. Sollte das Mietverhältnis zwar nach den Verhältnissen von 1986, nicht aber nach den Verhältnissen von 1988 anzuerkennen sein, müßte die Klage ebenfalls abgewiesen werden. Nur wenn das FG zu dem Ergebnis kommt, daß der Mietvertrag sowohl nach den Verhältnissen des Jahres 1986 als auch nach den Verhältnissen des Jahres 1988 der Einkommensbesteuerung zugrunde gelegt werden kann, hätte das FG die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung im Ergebnis zutreffend ermittelt.
Fundstellen
Haufe-Index 65295 |
BFH/NV 1995, 99 |