Entscheidungsstichwort (Thema)
Zwangsgeld wegen verspäteter Abgabe von Steuererklärungen
Leitsatz (NV)
- Der Zeitpunkt, zu dem Steuererklärungen abzugeben sind, ist gesetzlich festgelegt. Das Finanzamt ist nicht verpflichtet, von sich aus aus den Akten Gründe herauszusuchen, die evtl. eine Fristverlängerung für die Abgabe der Steuererklärungen rechtfertigen könnten.
- Zwangsgelder dürfen unabhängig von der Frage, ob der Pflichtige zur Zahlung des Zwangsgeldes in der Lage ist, angedroht und festgesetzt werden.
- Die Schätzung ist ein selbständiges Mittel der Finanzbehörden zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen, das aber eine Steuererklärung, zu deren Abgabe der Steuerpflichtige gesetzlich verpflichtet ist, nicht ersetzt.
- Auch im Falle einer verhältnismäßig späten Entscheidung über einen Einspruch gegen eine Zwangsgeldfestsetzung ist von einer Verwirkung des Anspruchs nicht allein wegen des Zeitablaufs auszugehen.
Normenkette
GG Art. 103 Abs. 1; AO 1977 § 88 Abs. 1, §§ 90, 109 Abs. 1 S. 1, § 149 Abs. 1 S. 2, Abs. 2, §§ 162, 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b, § 181 Abs. 2 Nr. 2, §§ 328, 332 Abs. 1 S. 3; UStG § 18 Abs. 3; GewStG § 14a; FGO §§ 102, 119 Nr. 3
Verfahrensgang
FG Bremen (EFG 2000, 1224) |
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) wendet sich gegen die Androhung und Festsetzung von Zwangsgeld wegen Nichtabgabe ihrer Steuererklärungen betreffend die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte, die Umsatzsteuer und Gewerbesteuer für die Jahre 1996 und 1997.
Der jetzige Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragte als ihr Steuerberater jeweils die Verlängerung der Frist für die Abgabe der betreffenden Steuererklärungen. Nach Ablauf der durch den Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt ―FA―) stillschweigend verlängerten Fristen erinnerte das FA an die Abgabe der Steuererklärungen. Als die Steuererklärungen nach Ablauf der jeweils in den Erinnerungen gesetzten Frist nicht abgegeben worden waren, erinnerte das FA mit den angefochtenen Bescheiden vom 12. Mai 1998 (für 1996) und vom 17. Mai 1999 (für 1997) nochmals an die Abgabe der Steuererklärungen innerhalb einer weiteren Frist und drohte jeweils gleichzeitig die Festsetzung von Zwangsgeld in bestimmter Höhe gesondert für die in Betracht kommenden Steuerarten an (betreffend Steuererklärungen für 1996 insgesamt 650 DM und betreffend die Steuererklärungen für 1997 insgesamt 900 DM), falls die Steuererklärungen innerhalb der gesetzten Frist nicht abgegeben sein sollten. Dagegen legte die Klägerin Einspruch ein und beantragte gleichzeitig die Aussetzung der Vollziehung (AdV). Das FA lehnte jeweils den Antrag auf AdV ab, forderte nochmals zur Abgabe der Erklärungen auf und bat um Mitteilung, ob die Einsprüche zurückgenommen würden (betreffend 1996 mit Schreiben vom 11. Juni 1998, betreffend 1997 mit Schreiben vom 8. Juli 1999).
Das FA setzte das angedrohte Zwangsgeld mit den ebenfalls angefochtenen Bescheiden vom 24. Juni 1998 (für 1996) und vom 21. Juni 1999 (für 1997) fest. Die Klägerin hat weder ihre jeweiligen Einsprüche noch die ebenfalls gestellten Anträge auf AdV begründet. Die Einsprüche gegen die Androhung und Festsetzung der Zwangsgelder wegen Nichtabgabe der Steuererklärungen für 1996 und 1997 wies das FA mit seiner Einspruchsentscheidung vom 10. Mai 2000 zurück, in der es begründete, weshalb es die Festsetzung der Zwangsgelder dem Grunde und der Höhe nach für erforderlich hielt.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2000, 1224 veröffentlichten Gründen ab.
Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, die Vorentscheidung verletze materielles Recht, insbesondere § 5 der Abgabenordnung (AO 1977). Die Entscheidung der Vorinstanz, das FA sei nicht verpflichtet, den in der Klageschrift vorgetragenen Sachverhalt zu berücksichtigen, sei mit § 130 Abs. 1 und § 132 AO 1977 nicht in Einklang zu bringen. Unrichtig sei auch die Entscheidung des FG, dass es nicht Sache des FA sei, die gesamten steuerlichen Angelegenheiten der Klägerin präsent zu haben. Durch den Ausschluss von Vorbringen der Klägerin im Klageverfahren betreffend die Rechtmäßigkeit der Verwaltungsakte sei ihr Recht auf Gehör verletzt worden. Außerdem seien die Ansprüche des FA auf Beibehaltung der Zwangsgeldandrohung und Zwangsgeldfestsetzungen verwirkt. Da die Klägerin vermögenslos sei, liefen die Zwangsmittel letztlich auf die Ersatzzwangshaft hinaus, wie das FA selbst in dem Schriftsatz vom 21. Juni 2000 betreffend das Aussetzungsverfahren vortrage. Das FA habe in der Einspruchsentscheidung keinerlei Prüfung dahin gehend vorgenommen, welches Zwangsmittel weniger eingreifend als die Ersatzzwangshaft sei. Da es im Streitfall um Beugemaßnahmen gehe, müsse sich das FA neuen Erkenntnissen stellen. Nach Ablauf von ein bzw. zwei Jahren sei nicht mehr damit zu rechnen gewesen, dass das FA mittels Einspruchsentscheidung die Zwangsgeldmaßnahmen aufrecht erhalte. Im Streitfall wäre es der einfachere und bessere Weg gewesen, von der Klägerin die Angabe von Schätzungsgrundlagen anzufordern und eine Schätzung vorzunehmen.
Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die angefochtenen Zwangsgeldandrohungen (Bescheide vom 12. Mai 1998 und vom 17. Mai 1999) sowie die Zwangsgeldfestsetzungen (Bescheide vom 24. Juni 1998 und vom 21. Juni 1999) in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. Mai 2000 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das FG hat zutreffend ausgeführt, dass die streitigen Androhungs- und Festsetzungsbescheide des FA über Zwangsgelder rechtmäßig sind.
1. Die Aufforderung zur Abgabe der Steuererklärungen für das Jahr 1996 bzw. 1997 in den Bescheiden vom 12. Mai 1998 und 17. Mai 1999, mit denen gleichzeitig die Festsetzung von Zwangsgeldern für den Fall der Nichtabgabe der Steuererklärungen angedroht wurde, war rechtmäßig.
Die mit Zwangsmitteln durchzusetzende Aufforderung zur Abgabe von Steuererklärungen kann gleichzeitig mit der Androhung des Zwangsmittels in einem Verwaltungsakt ergehen (§ 332 Abs. 2 AO 1977). Das ist, wie das FG zutreffend ausgeführt hat, im Streitfall geschehen. Denn in den Bescheiden vom 12. Mai 1998 und 17. Mai 1999 ist nicht nur ein Zwangsgeld angedroht, sondern gleichzeitig nochmals an die Abgabe der Steuererklärungen unter erneuter Fristsetzung erinnert worden. Es ist daher davon auszugehen, dass sich die Klägerin mit den von ihr eingelegten Rechtsmitteln auch jeweils gegen die Aufforderung zur Abgabe der Steuererklärungen wenden wollte. Deshalb hat das FG in diesem Verfahren richtigerweise auch die Rechtmäßigkeit der in den Androhungsbescheiden enthaltenen Aufforderung zur Abgabe der Steuererklärungen geprüft.
Die Aufforderung zur Abgabe der Steuererklärungen war jeweils rechtmäßig. Die Pflicht zur Abgabe der Steuerklärungen betreffend die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte, die Umsatzsteuer und die Gewerbesteuer folgt aus § 149 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 i.V.m. § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b, § 181 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977 sowie aus § 18 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) und aus § 14a des Gewerbesteuergesetzes (GewStG).
Der Zeitpunkt, zu dem die Steuererklärungen abzugeben sind, ist gesetzlich festgelegt (§ 149 Abs. 2 AO 1977). Das FA kann die Frist zur Abgabe der Steuererklärungen jedoch verlängern (§ 109 Abs. 1 Satz 1 AO 1977). Das FA hat die beantragten Fristverlängerungen gewährt, weitere Fristverlängerungen hat die Klägerin nicht beantragt. Allerdings hätte das FA die Frist für die Abgabe der Steuererklärungen auch von Amts wegen weiter verlängern können (vgl. Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 109 AO 1977 Rz. 16). Insoweit hatte das FA nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob jeweils weitere Fristverlängerungen für die Abgabe der in Rede stehenden Steuererklärungen zu gewähren waren.
Die vom FA insoweit erst in der Einspruchsentscheidung begründete Ermessensentscheidung ist nicht deshalb zu beanstanden, weil das FA die erst in der Klageschrift geltend gemachten Gründe nicht berücksichtigt hat. Maßgebend für die gerichtliche Überprüfung einer Ermessensentscheidung sind die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der letztinstanzlichen Verwaltungsentscheidung (Bundesfinanzhof ―BFH―, Urteil vom 26. März 1991 VII R 66/90, BFHE 164, 7, BStBl II 1991, 545). Das sind im Streitfall die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung.
Hinsichtlich des zeitlichen Rahmens gehören zu diesen Tatsachen zwar auch die von der Klägerin in ihrer Klageschrift dargestellten Umstände, dass sie nämlich ihren Gewerbebetrieb als Immobilienmaklerin Ende 1997 zum Ruhen gebracht habe, am 1. September 1997 beim Amtsgericht die eidesstattliche Versicherung abgegeben habe und kein Vermögen besitze sowie dass ―zusammengefasst― bestimmte, steuerliche Verhältnisse früherer Jahre, die für die angeforderten Steuererklärungen vorgreiflich wären, noch nicht geklärt seien. Insoweit wären die erst mit der Klageschrift vorgebrachten Gründe auch bei der gerichtlichen Überprüfung der Ermessensentscheidung des FA im Rahmen des § 102 der Finanzgerichtsordnung (FGO) grundsätzlich beachtlich, unabhängig davon, ob sie dem FA im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen (vgl. Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 102 FGO Rz. 42). Denn eine fehlerfreie Ermessensausübung setzt voraus, dass das FA den Sachverhalt einwandfrei und erschöpfend ermittelt hat (vgl. BFH, Urteile vom 15. Juni 1983 I R 76/82, BFHE 139, 146, BStBl II 1983, 672, und vom 31. März 1976 I R 51/74, BFHE 118, 537, BStBl II 1976, 499). Ob dies der Fall ist, muss das FG auch unter Berücksichtigung der erst in der Klageschrift vorgetragenen Gründe überprüfen.
Selbst wenn die erst in der Klageschrift vorgetragenen Tatsachen zuträfen und überhaupt in irgendeiner Weise entscheidungserheblich sein sollten, hätte das FA jedoch im Streitfall nicht deshalb von seinem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (§ 102 Alternative 2 FGO), weil es diese Tatsachen nicht bei seiner Entscheidung berücksichtigt hat. Zwar ist das FA verpflichtet, selbständig die für eine Ermessensentscheidung bedeutsamen Tatsachen erschöpfend zu ermitteln (§ 88 Abs. 1 AO 1977), insbesondere dann, wenn sie aktenkundig sind. Sind aber ―wie im Streitfall― bestimmte Termine für die Abgabe von Steuererklärungen gesetzlich vorgeschrieben, dann geht die genannte Verpflichtung des FA nicht so weit, dass es aus den Akten von sich aus alle Umstände heraussuchen muss, die angeblich ―wie z.B. die Tatsache, dass vorgreifliche Rechtsverhältnisse noch nicht geklärt sind― eine Verlängerung der Frist für die Abgabe der Steuererklärung rechtfertigen könnten. Im Falle solcher Fristen obliegt es vielmehr dem Pflichtigen schon auf Grund seiner nach § 90 AO 1977 bestehenden Mitwirkungspflicht und der Pflicht zur Abgabe der Steuererklärungen, ohne dass es insoweit der in die gleiche Richtung weisenden Regelung des § 357 Abs. 3 Satz 3 AO 1977 bedarf, die Umstände darzutun, die ihn an der Einhaltung der gesetzlichen Frist zur Abgabe der Steuererklärungen ausnahmsweise hindern könnten, bevor die Einspruchsentscheidung ergeht, in der die Ermessensentscheidung spätestens zu begründen ist. Hat der Pflichtige solche für eine Verlängerung der regelmäßigen Steuererklärungsfrist sprechenden Gründe nicht rechtzeitig vorgetragen, kann er später nicht geltend machen, das FA habe diese Tatsachen zu Unrecht nicht berücksichtigt.
Die in diesem Zusammenhang ebenfalls erhobene Rüge der Verletzung des Rechts der Klägerin auf Gehör, weil das FG ihr Vorbringen im Klageverfahren zur Rechtswidrigkeit der Ermessensentscheidung nicht zugelassen habe, greift nicht durch. Denn das FG hat sich insoweit ―anders als die Klägerin meint― mit dem Klagevorbringen auseinander gesetzt. Allerdings hat es ausgeführt, dass es sich bei Überprüfung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide nicht mit dem genannten Klagevorbringen befassen könne. Darin liegt aber keine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes ―GG―), die nach § 119 Nr. 3 FGO für sich zur Aufhebung der Vorentscheidung führen müsste, sondern eine materiell-rechtliche Aussage, die die Aufhebung der Vorentscheidung nicht rechtfertigt.
2. Hinsichtlich der Androhung und Festsetzung der Zwangsgelder ist die erst in der Einspruchsentscheidung gegebene Begründung der Ermessensentscheidung des FA ebenfalls nicht deswegen zu beanstanden, weil die erst in der Klageschrift vorgetragenen Umstände, dass die Klägerin angeblich am 1. September 1997 die eidesstattliche Versicherung vor dem Amtsgericht abgegeben hat und vermögenslos ist, nicht berücksichtigt worden sind. Auch insoweit handelt es sich zwar, wie bereits zuvor ausgeführt, um Umstände, die vom zeitlichen Rahmen her bei der Ermessensentscheidung des FA zu berücksichtigen gewesen wären. Das FG hat aber zutreffend ausgeführt, dass das FA schon deshalb nicht verpflichtet war, diese Umstände ohne einen entsprechenden Hinweis durch die Klägerin selbst zu ermitteln, weil die eidesstattliche Versicherung vor einem auswärtigen Amtsgericht abgegeben worden ist und deshalb allenfalls der Zentralen Vollstreckungsstelle bekannt gewesen sein mag. Dort aber brauchte sich das FA mangels irgendwelcher Anhaltspunkte betreffend die Vermögenslosigkeit der Klägerin nicht zu erkundigen.
Im Übrigen ist der Umstand, dass die Klägerin angeblich vermögenslos ist, keine Tatsache, die bei der Androhung und Festsetzung der Zwangsgelder hätte berücksichtigt werden müssen. Denn im Falle der Uneinbringlichkeit der festgesetzten Zwangsgelder kann das Amtsgericht auf Antrag des FA Ersatzzwangshaft anordnen, wenn bei der Androhung der Zwangsgelder ―wie im Streitfall jeweils geschehen― hierauf hingewiesen worden ist (§ 334 Abs. 1 AO 1977). Daraus folgt, dass Zwangsgelder unabhängig von der Frage, ob der Pflichtige zur Zahlung des Zwangsgeldes in der Lage ist, angedroht und festgesetzt werden dürfen.
Im Falle der Vermögenslosigkeit des Pflichtigen wäre es auch nicht gerechtfertigt, das FA auf die Möglichkeit der Schätzung nach § 162 AO 1977 statt der Anwendung der in § 328 AO 1977 abschließend aufgezählten Zwangsmittel zu verweisen. Die Schätzung ist ein selbständiges Mittel der Finanzbehörden zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen, das aber eine Steuererklärung, zu deren Abgabe der Steuerpflichtige gesetzlich verpflichtet ist, nicht ersetzt.
3. Die angefochtenen Androhungs- und Festsetzungsbescheide sind schließlich nicht deswegen rechtswidrig, weil über die dagegen eingelegten Einsprüche erst durch Einspruchsbescheid vom 10. Mai 2000 entschieden worden ist und damit zwischen der Androhung der Zwangsgelder und der Einspruchsentscheidung ein Zeitraum von beinahe 2 Jahren (Bescheid vom 12. Mai 1998) bzw. von einem Jahr (Bescheid vom 17. Mai 1999) sowie zwischen dem Festsetzungsbescheid und der Einspruchsentscheidung ein Zeitraum von knapp 2 Jahren (Bescheid vom 24. Juni 1998) bzw. knapp 1 Jahr (Bescheid vom 21. Juni 1999) liegt.
Aus dem Sinn und Zweck der Zwangsmittel folgt zwar, dass sie im zeitlichen Zusammenhang mit dem Ablauf der in der Androhungsverfügung bestimmten Frist (§ 332 Abs. 1 Satz 3 AO 1977) zur Abgabe der Steuererklärungen festgesetzt werden müssen. Geschieht dies nicht, so kann nach Treu und Glauben die Annahme gerechtfertigt sein, dass das FA auf die Durchsetzung der angedrohten Zwangsmittel verzichtet (vgl. Reichsfinanzhof, Urteil vom 30. Juni 1921 III A 118/21, RFHE 6, 135; Klein/Brockmeyer, Abgabenordnung, 7. Aufl., § 333 Rz. 3). Davon ist aber im Streitfall nicht auszugehen.
In beiden Fällen sind die Zwangsgelder im zeitlichen Zusammenhang mit dem Ablauf der in den Androhungsbescheiden festgesetzten Fristen (2. Juni 1998 im Bescheid vom 12. Mai 1998 und 7. Juni 1999 im Bescheid vom 17. Mai 1999) festgesetzt worden. Die Tatsache, dass über die Einsprüche gegen die Androhungs- und Festsetzungsbescheide erst verhältnismäßig spät entschieden wurde, ändert daran nichts. Denn insoweit kommt es nicht auf den Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung, sondern den der jeweiligen Festsetzungsbescheide an.
Aus der verhältnismäßig späten Entscheidung über die Einsprüche lässt sich ferner nicht auf eine Verwirkung der bereits festgesetzten Zwangsgeldansprüche schließen. Insoweit hat das FG zutreffend auf die ständige Rechtsprechung des BFH verwiesen, nach der der Zeitablauf allein nicht zur Verwirkung eines geltend gemachten Anspruchs führt. Hinzu kommen müssen vielmehr ein Vertrauenstatbestand und eine Vertrauensfolge (vgl. BFH, Beschluss vom 14. Mai 1998 VII B 171/97, BFH/NV 1999, 3), an denen es im Streitfall fehlt. Es besteht kein Anlass, im Falle festgesetzter Zwangsgelder die Erfüllung dieser Voraussetzungen für die Annahme einer Verwirkung nicht zu verlangen. Denn bei bereits festgesetzten Zwangsgeldern liegt der Fall nicht anders als bei durch Bescheid geltend gemachten Steuer- oder Haftungsansprüchen. Die vorstehenden Erwägungen über den notwendigen zeitlichen Zusammenhang zwischen Androhung und Festsetzung treffen den Fall bereits festgesetzter Zwangsgelder jedenfalls nicht. Denn der Einspruch gegen den jeweiligen Festsetzungsbescheid ändert nichts an der Tatsache, dass das Zwangsmittel festgesetzt ist und der Pflichtige deshalb davon ausgehen muss, dass das FA unter Einsatz der angedrohten Zwangsmittel auf der Erfüllung der betreffenden Pflicht besteht.
Fundstellen
Haufe-Index 624881 |
BFH/NV 2001, 1369 |