Leitsatz (amtlich)
Der Grundstückserwerber übernimmt eine sonstige Leistung, wenn er die Entnahme von Torf (aus dem erworbenen Grundstück) aufgrund eines Vertrages dulden muß, den der Veräußerer mit einem Dritten abgeschlossen hat (Anschluß an BFHE 86, 424, BStBl III 1966, 552).
Normenkette
GrEStG § 11 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Der Kläger erwarb 1960 von der Teilnehmergemeinschaft eines Flurbereinigungsverfahrens (§ 16 Flurbereinigungsgesetz) ein etwa 38 ha großes Moorglände.
Bereits vorher - am 20. März 1956 - hatten die Kläger und sein Bruder in Gesellschaft bürgerlichen Rechts das später vom Kläger erworbene und weiteres Gelände zwecks Abtorfung auf 15 Jahre gepachtet. Der vereinbarte Pachtzins war innerhalb von drei Jahren zu zahlen. Verpächterin war die Generalteilungsinteressentenschaft der Gemeinde X; diese Generalinteressenten waren später in der vorgenannten Teilnehmergemeinschaft des Flurbereinigungsverfahrens zusammengeschlossen.
Das beklagte FA setzte Grunderwerbsteuer fest. Später berichtigte es diese Veranlagung nach einer Betriebsprüfung und auf Anweisung der OFD gemäß § 222 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. Nr. 3 AO alter Fassung; es rechnete zur steuerpflichtigen Gegenleistung gemäß § 11 GrEStG auch den Pachtzins, soweit er auf die erworbene Fläche entfiel.
Die Sprungklage hatte keinen Erfolg.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet.
Der Erwerb der Grundstücke unterliegt der Grunderwerbsteuer (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG).
Zur steuerpflichtigen Gegenleistung gehört auch der Teil des Pachtzinses, der auf das erworbene Gelände entfällt.
Das FG hat die vorgenannte Höhe der Gegenleistung daraus hergeleitet, daß die Veräußerin sich die Nutzungen der Grundstücke vorbehalten habe (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG). Diese Auffassung trifft grundsätzlich zu. Nach dem Vortrag des Klägers - wie er in dem angefochtenen Urteil wiedergegeben ist - wurde nach dem Willen der Beteiligten der Pachtvertrag durch den Erwerb der Grundstücke nicht berührt. Bei diesem Erwerb war der Pachtzins, der vertragsgemäß innerhalb von drei Jahren seit Abschluß des Pachtvertrages entrichtet werden mußte, gezahlt und brauchte nicht zurückgewährt zu werden. Damit hatte sich die Veräußerin die Nutzungen der Grundstücke in Gestalt des Pachtzinses (§ 100, § 99 Abs. 3 BGB) vertraglich vorbehalten; denn dieser Pachtzins, den sie bzw. die Generalteilungsinteressentenschaft als Rechtsvorgängerin bereits für die gesamte Pachtzeit von der Gesellschaft bürgerlichen Rechts erhalten hatte, stand nach dem Gesetz von der Übergabe der Grundstücke an dem Kläger zu (§ 446 Abs. 1 Satz 2 BGB; vgl. das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 27. Februar 1957 II 211/56 U, BFHE 64, 288, BStBl III 1957, 110).
Zu berücksichtigen ist jedoch, daß bei dem Erwerb der Grundstücke im Jahre 1960 von der auf 15 Jahre vereinbarten Pachtzeit bereits etwa vier Jahre verstrichen waren, für welche die Generalteilungsinteressentenschaft bzw. die Teilnehmergemeinschaft den Pachtzins hatte beanspruchen können. Insoweit waren diese Forderungsrechte entgegen der Ansicht des FG bereits entstanden, obwohl die Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach dem Vortrag des Klägers bis zur Veräußerung der Grundstükke von ihren Pachtrechten keinen Gebrauch gemacht, also noch keinen Torf abgebaut hatte (§ 552 Satz 1, § 581 Abs. 2 BGB). § 11 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erlaubt daher nicht die Zurechnung des gesamten Pachtzinses als vorbehaltene Nutzungen zur Gegenleistung.
Ob die hieraus folgende Berechnungsdifferenz zumindest dadurch ausgeglichen wird, daß- wie das FG meint - diesen Pachtbeträgen wegen der vorfristigen Zahlung Zwischenzinsen hinzuzurechnen sind, mag dahingestellt bleiben; denn jedenfalls rechtfertigt sich die Zurechnung eines Betrages in Höhe des gesamten Pachtzinses daraus, daß der Kläger als sonstige Leistung i. S. des § 11 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG die Verpflichtungen aus dem bestehenbleibenden Pachtvertrag übernommen hat, der Gesellschaft bürgerlichen Rechts den Abbau des Torfes zu gestatten (Urteile vom 28. August 1963 II 150/61, HFR 1964, 245, und vom 22. Juni 1966 II 130/62, BFHE 86, 424, BStBl III 1966, 552). Diese Verpflichtung bestand bei dem Erwerb der Grundstücke noch in ihrer ursprünglichen Höhe, weil bis dahin kein Torf abgebaut worden war. Der Wert dieser Verpflichtung entsprach dem dafür vereinbarten Pachtzins; aus dem festgestellten Sachverhalt ist nicht ersichtlich, daß dieser unangemessen war.
Der Einwand des Klägers, daß "in Fällen des Vorliegens eines Ausbeutevertrages (Kiesgewinnungsvertrages) Gegenstand des Erwerbsvorganges nur das Grundstück im ausgebeuteten Zustand" sei, trifft in dieser Allgemeinheit nicht zu. Grundsätzlich wird ein Grundstück in dem Zustand verkauft, in welchem es sich zur Zeit des Erwerbsvorgangs befindet (BFHE 86, 424). Zwar ist es möglich, daß jemand ein Grundstück in einem künftigen Zustand erwirbt. So kauft z. B. der Erwerber einer noch nicht errichteten Eigentumswohnung regelmäßig den Grundstücksanteil mit dieser künftig herzustellenden Wohnung (Urteile vom 4. September 1974 II R 112/69, BFHE 113, 545, BStBl II 1975, 89, und vom 4. September 1974 II R 119/73, BFHE 113, 480, BStBl II 1975, 91). Gleiches gilt für den Erwerb eines Kaufeigenheimes. Voraussetzung ist jedoch, daß die Gestaltung des Vertragsverhältnisses den Schluß auf den Erwerb des Grundstücksanteiles bzw. Grundstückes in seinem künftigen Zustand rechtfertigt. Dieser Schluß liegt nahe, wenn das Grundstück demnächst vom Verkäufer (durch Bebauung) in diesen Zustand versetzt werden soll. Er läßt sich jedoch in solchen Fällen wie dem vorliegenden nicht rechtfertigen, in denen beim Erwerb nicht einmal feststand, wann dieser künftige Zustand eintreten werde. Der Kläger hatte bei seinem Angebot an die Teilnehmergemeinschaft zum Erwerb der Grundstücke erklärt, daß er (gemeint war wohl die Gesellschaft bürgerlichen Rechts) sich nicht mehr an die in dem Pachtvertrag vereinbarte Abtorfungsfrist gebunden fühle, falls er Eigentümer der Moorflächen werde.
Der vorliegende Sachverhalt ist nicht demjenigen vergleichbar, über welchen der BFH mit dem Urteil vom 22. Juni 1966 II 74/63 (BFHE 86, 428, BStBl III 1966, 550) zu entscheiden hatte. Dort war das Recht zur Sandgewinnung durch eine Grunddienstbarkeit gesichert, die als dauernde Last i. S. des § 11 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 GrEStG anzusehen war und daher kraft der ausdrücklichen Regelung in dieser genannten Vorschrift bei der Berechnung der Gegenleistung ausschied.
Fundstellen
Haufe-Index 72418 |
BStBl II 1977, 703 |
BFHE 1978, 565 |