Leitsatz (amtlich)
Fallen bei Eheleuten, die erhöhte Absetzungen nach § 7b EStG für ein ihnen gemeinsam gehörendes Bauwerk in Anspruch genommen haben, die Voraussetzungen des § 26 Abs.1 EStG weg, so ist nunmehr der Anteil eines jeden Ehegatten als begünstigtes Objekt i.S. von § 7b EStG zu behandeln. Der Hinzuerwerb des Anteils des anderen Ehegatten ist dann infolge des Objektverbrauchs (§ 7b Abs.5 Satz 1 EStG) nicht mehr nach § 7b EStG begünstigt.
Orientierungssatz
Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG verbietet es, Ehegatten im Vergleich zu Ledigen allein deshalb steuerlich schlechter zu stellen, weil sie verheiratet sind. Die Berücksichtigung der durch die eheliche Lebensgemeinschaft und Wirtschaftsgemeinschaft gekennzeichneten besonderen Lage der Ehegatten darf bei der konkreten Maßnahme den Gerechtigkeitsvorstellungen der Gemeinschaft nicht widersprechen und damit nicht als Diskriminierung der Ehe anzusehen sein (vgl. BVerfG-Beschluß vom 12.3.1985 1 BvR 571/81).
Normenkette
EStG 1977 § 7b Abs. 1, 5 S. 1, Abs. 6, § 26 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) sowie seine damalige Ehefrau erwarben im Jahre 1977 ein Einfamilienhaus als Miteigentümer zu je 1/2. Sie lebten seit dem Jahre 1978 getrennt. Der Kläger ließ sich im Jahre 1979 von seiner früheren Ehefrau deren Miteigentumsanteil entgeltlich übertragen.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte bei seiner Veranlagung des Klägers zur Einkommensteuer für 1980 erhöhte Absetzungen nach § 7b des Einkommensteuergesetzes 1979 (EStG) nur in Höhe von 5 v.H. der Hälfte der gemeinsamen Anschaffungskosten der Eheleute für das Einfamilienhaus.
Mit seiner Klage begehrte der Kläger erhöhte Absetzungen nach § 7b EStG von 5 v.H. der gesamten ursprünglichen Anschaffungskosten.
Das Finanzgericht (FG) gab seiner Klage statt. Für den Kläger sei nicht schon mit seinem ersten Anteil Objektverbrauch mit der Folge eingetreten, daß er für den hinzuerworbenen Anteil keine Steuervergünstigung nach § 7b EStG mehr in Anspruch nehmen könne. Sein erster Anteil sei durch den Hinzuerwerb des zweiten Anteils und der damit verbundenen Erlangung des Alleineigentums untergegangen. Infolgedessen könne als begünstigtes Objekt nur das Einfamilienhaus als solches gesehen werden.
Das FA rügt mit seiner vom FG zugelassenen Revision Verletzung des § 7b EStG. Nach dem Fortfall der Voraussetzungen des § 26 Abs.1 EStG seien die Anteile der Eheleute an dem ihnen gemeinsam gehörenden Einfamilienhaus als selbständige Objekte zu behandeln. Damit sei bei jedem der beiden Eheleute Objektverbrauch aufgrund seines Anteils eingetreten.
Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Der Kläger trägt vor, es führe zu einem unbilligen Ergebnis, wolle man schon im Hinblick auf seinen ersten Anteil einen Objektverbrauch nach Fortfall der Voraussetzungen des § 26 Abs.1 EStG bejahen. Diese Rechtsauffassung sei nicht mit Art.3 Abs.1 i.V.m. Art.6 Abs.1 des Grundgesetzes (GG) vereinbar. Denn sie benachteilige in sachlich nicht zu rechtfertigender Weise einen Ehegatten, dem während bestehender Ehe das Bauwerk in Miteigentum mit seinem Ehepartner gehöre und der nach dem Scheitern der Ehe dessen Anteil hinzuerwerbe, gegenüber einem anderen Ehegatten, der das Bauwerk schon während der Ehe zu Alleineigentum erwerbe und später seinen Ehepartner wegen seines Zugewinnausgleichsanspruchs abfinde. Obwohl beide Sachverhalte wirtschaftlich gleich lägen, erhalte der geschiedene Ehegatte die erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG im ersten Fall nur für seinen Anteil, während er im zweiten Fall die Steuervergünstigung für das gesamte Bauwerk beanspruchen könne.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Entscheidung in der Sache selbst (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Das angefochtene Urteil war aufzuheben, weil es § 7b Abs.5 und 6 EStG verletzt. Das FG hat die erhöhten Absetzungen des Klägers gemäß § 7b EStG rechtsfehlerhaft mit 5 v.H. der gesamten Anschaffungskosten des vom Kläger zusammen mit seiner früheren Ehefrau im Jahre 1977 erworbenen Einfamilienhauses bemessen. Der Kläger kann jedoch nur 5 v.H. der seinem ursprünglichen Miteigentumsanteil entsprechenden hälftigen Anschaffungskosten absetzen. Höheren Absetzungen nach Hinzuerwerb des Miteigentumsanteils seiner früheren Ehefrau steht der Objektverbrauch nach § 7b Abs.5 Satz 1 i.V.m. Abs.6 EStG entgegen.
Erhöhte Absetzungen werden nach § 7b Abs.5 Satz 1 EStG grundsätzlich nur für ein begünstigtes Objekt gewährt. Eheleute, bei denen die Voraussetzungen des § 26 Abs.1 EStG vorliegen, können allerdings die erhöhten Absetzungen für insgesamt zwei der in Abs.1 bezeichneten Gebäude, Eigentumswohnungen, Ausbauten oder Erweiterungen in Anspruch nehmen.
Ist ein Bauwerk mehreren Steuerpflichtigen zuzurechnen, so wird der Anteil eines Steuerpflichtigen hieran einem begünstigten Objekt gleichgestellt (§ 7b Abs.6 Satz 1 EStG). Dies gilt nicht, wenn ein Bauwerk ausschließlich dem Steuerpflichtigen sowie seinem Ehegatten zuzurechnen ist und die Voraussetzungen des § 26 Abs.1 EStG vorliegen (Abs.6 Satz 2).
Erfüllen Ehegatten nicht mehr die Voraussetzungen des § 26 Abs.1 EStG, etwa weil sie dauernd getrennt leben, so ist nach der ständigen Rechtsprechung des VIII.Senats des Bundesfinanzhofs --BFH-- (Urteile vom 4.Dezember 1979 VIII R 233/77, BFHE 129, 363, BStBl II 1980, 202, und vom 29.September 1982 VIII R 225/81, BFHE 137, 414, BStBl II 1983, 293) § 7b Abs.6 Satz 2 EStG nicht anwendbar, mit der Folge, daß jeder Anteil der beiden Eheleute an einem ihnen gemeinsam gehörenden Bauwerk als ein begünstigtes Objekt entsprechend der Grundregel des Abs.6 Satz 1 zu behandeln ist. Ehegatten sind nach Wegfall der Voraussetzungen des § 26 Abs.1 EStG wieder den anderen Steuerpflichtigen gleichgestellt, die einen Anteil an einem Bauwerk erwerben. Bei jedem Ehegatten tritt nunmehr für seinen Anteil Objektverbrauch ein. Erwirbt anschließend ein Ehegatte den Anteil des anderen hinzu, insbesondere um die Miteigentümergemeinschaft auseinanderzusetzen, so kann er für dieses sein zweites Objekt (Anteil) keine Steuervergünstigung nach § 7b EStG mehr in Anspruch nehmen.
Ein zweites Objekt erlangt auch ein bisheriger Miteigentümer, der durch die Übernahme eines weiteren Anteils nunmehr Alleineigentümer wird. Auch wenn damit die bisherigen Anteile als bürgerlich-rechtliche Rechtsgegenstände untergehen, so ändert dies --entgegen der Auffassung der Vorinstanz-- für die Frage des Objektverbrauchs nichts daran, daß der Steuerpflichtige zu dem ihm bereits zuvor gehörenden ersten Anteil einen weiteren Anteil und damit gemäß § 7b Abs.6 Satz 1 EStG ein zweites Objekt hinzuerworben hat (BFH-Urteil vom 20.Juli 1982 VIII R 207/80, BFHE 136, 379, BStBl II 1982, 735).
Die vorstehende Auslegung des § 7b Abs.5 und 6 EStG durch den BFH ist im Schrifttum wiederholt kritisiert worden (Paus, Finanz-Rundschau --FR-- 1984, 269, 274; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 4.Aufl., --1985--, § 7b Anm.6 k; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19.Aufl., § 7b EStG Rdnr.344; Tiedtke, Einkommensteuer- und Bilanzsteuerrecht, --1983--, 376): Sie widerspreche dem Wortlaut sowie dem Sinn und Zweck des Gesetzes. Da die Miteigentumsanteile beider Ehegatten an einem Bauwerk bis zum Wegfall der Voraussetzungen des § 26 Abs.1 EStG in ihrer Gesamtheit als ein Objekt anzusehen seien, könne es auch nur einmal und nur bei einem Ehegatten, nicht aber bei beiden Ehegatten zu einem Objektverbrauch gekommen sein. Die Frage, welchem der beiden Ehegatten der Objektverbrauch zuzurechnen sei, könne nur durch ein Wahlrecht gelöst werden, das die beiden Ehegatten gemeinsam ausüben müßten (Paus, a.a.O.). Die vom BFH vertretene Auslegung benachteilige eine dem Wesen der Ehe entsprechende gemeinsame Eigentumsbildung. Sobald die Eheleute dauernd getrennt leben, ständen sie schlechter, als wenn sie von vornherein nicht Miteigentümer geworden wären, sondern nur einer von ihnen Alleineigentum begründet hätte.
Der erkennende Senat schließt sich gleichwohl der obigen Auslegung des § 7b Abs.5 und 6 EStG durch den VIII.Senat des BFH an. Er verkennt nicht, daß dadurch Eheleute benachteiligt werden können, die ein Bauwerk als Miteigentümer angeschafft oder hergestellt haben, sobald ihre eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft beendet ist und sie sich bezüglich ihres gemeinsamen Ein- oder Zweifamilienhauses oder ihrer gemeinsamen Eigentumswohnung auseinandersetzen. Die in der Literatur vertretene Meinung, infolge der Einheit der Miteigentumsanteile von Eheleuten bis zum Wegfall der Voraussetzungen des § 26 Abs.1 EStG könne es nur einen Objektverbrauch geben, läßt sich nach Auffassung des erkennenden Senats nicht mit der Regelung des § 7b Abs.6 EStG in Einklang bringen, derzufolge die Anteile ein einheitliches Objekt nur während des Bestehens der ehelichen Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft bilden, danach aber der Anteil eines jeden Ehegatten als ein selbständiges Objekt zu behandeln ist. Damit muß zugleich auch der Objektverbrauch bei jedem Miteigentümer-Ehegatten eintreten. Die Annahme eines Objektverbrauchs lediglich bei einem Miteigentümer-Ehegatten würde zudem die Einführung eines in § 7b Abs.6 EStG nicht vorgesehenen Wahlrechts erfordern, welchem der beiden Ehegatten der Objektverbrauch zugerechnet werden soll. Mit einer entsprechenden Ergänzung des Gesetzes würde der erkennende Senat --über den Rahmen der Gesetzesauslegung hinausgehend-- für sich Befugnisse in Anspruch nehmen, die nur dem Gesetzgeber zustehen.
Es ist auch nicht mit Art.3 Abs.1 i.V.m. Art.6 Abs.1 GG unvereinbar, wenn auch für Eheleute vom Wegfall der Voraussetzungen des § 26 Abs.1 EStG an die Grundregel des § 7b Abs.6 Satz 1 EStG gilt, daß jeder Anteil an einem mehreren zuzurechnenden Bauwerk als ein begünstigtes Objekt zu behandeln ist.
Art.3 Abs.1 i.V.m. Art.6 Abs.1 GG verbietet es, Ehegatten im Vergleich zu Ledigen allein deshalb steuerlich schlechter zu stellen, weil sie verheiratet sind. Die Berücksichtigung der durch die eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft gekennzeichneten besonderen Lage der Ehegatten darf bei der konkreten Maßnahme den Gerechtigkeitsvorstellungen der Gemeinschaft nicht widersprechen und damit nicht als Diskriminierung der Ehe anzusehen sein (Beschluß des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 12.März 1985 1 BvR 571/81, 494/82 u. 47/83, BVerfGE 69, 188, 205, BStBl II 1985, 475, 480).
Der Gesetzgeber hat nicht dauernd getrennt lebende, unbeschränkt steuerpflichtige Eheleute im Hinblick auf ihre eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft im Vergleich zu Ledigen begünstigt, indem er diese Eheleute im Falle von ihnen gemeinsam gehörenden Bauwerken durch § 7b Abs.6 Satz 2 EStG von der Grundregel des Abs.6 Satz 1 ausgenommen hat, nach der ein Anteil an einem Bauwerk als ein begünstigtes Objekt gilt. Infolgedessen kann jeder von zwei Ehegatten je einen Miteigentumsanteil an zwei ihnen gemeinsam gehörenden Bauwerken haben und erhöhte Absetzungen in Anspruch nehmen, ohne daß dem ein Objektverbrauch entgegenstände. Der Gesetzgeber hat diese Vergünstigung jedoch sachgerecht auf die Zeit beschränkt, während der die eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft besteht. Nach deren Ende läßt sich die Steuervergünstigung nicht mehr mit diesem Gesetzeszweck rechtfertigen.
Angesichts dessen müssen Eheleute, die ein Grundstück gemeinsam erwerben wollen, allerdings bedenken, daß eine solche Rechtsgestaltung Rechtsnachteile für die erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG bringen kann, wenn sie sich später einmal trennen sollten. Allein aus diesem Grunde kann der Gesetzgeber jedoch nicht gehalten sein, ein Vertrauen auf die Fortdauer der Steuervergünstigung, die an das Bestehen der ehelichen Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft anknüpft, auch über ihre Beendigung hinaus zu schützen. Denn der Bürger kann nicht darauf vertrauen, daß der Gesetzgeber Steuervergünstigungen immer und uneingeschränkt auch für die Zukunft aufrechterhält (vgl. BVerfG-Beschluß vom 20.Juni 1978 2 BvR 71/76, BVerfGE 48, 403, 416).
2. Die Sache ist spruchreif.
Die Klage ist abzuweisen. Der Kläger kann infolge Objektverbrauchs nach § 7b Abs.5 Satz 1 und Abs.6 EStG nicht die begehrten zusätzlichen erhöhten Absetzungen aufgrund des im Jahre 1979 hinzuerworbenen Miteigentumsanteils seiner früheren Ehefrau beanspruchen. Der Objektverbrauch war bereits aufgrund seines ersten Anteils eingetreten, nachdem die Eheleute sich im Jahre 1978 getrennt hatten und damit nicht mehr die Voraussetzungen des § 26 Abs.1 EStG erfüllten.
Fundstellen
Haufe-Index 60874 |
BStBl II 1986, 387 |
BFHE 145, 518 |
BFHE 1986, 518 |
BB 1986, 784-785 (ST) |
DB 1986, 947-948 (ST) |
DStR 1986, 370-371 (ST) |
DStZ 1987, 72-74 (ST) |
DStZ, Beihefter zu Nr 21/1986 (S) |
HFR 1986, 576-576 (ST) |