Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern
Leitsatz (amtlich)
Schließt jemand (X.) einen Kaufvertrag "für einen von ihm zu benennenden Dritten", so ist er grunderwerbsteuerlich dann unmittelbarer Stellvertreter, wenn die Person des Vertretenen bereits bei Vertragsabschluß objektiv feststeht und wenn nach dem gesamten Vertragsinhalt nicht X., sondern nur der Dritte selbst als die Vertragspartei anzusehen ist. Daß der Dritte dem Veräußerer erst nach Vertragsabschluß benannt wird, ist unschädlich.
Normenkette
GrEStG § 1 Abs. 1 Ziff. 5; GrEStSWG ND 1966 § 1 Nr. 5
Tatbestand
Zwischen dem Bf. "für einen von ihm zu benennenden Dritten" als Käufer und dem Beamten Anton A. als Verkäufer wurde ein notariell beurkundeter Kaufvertrag über ein Grundstück abgeschlossen. Tag des Kaufangebots war der 10. November 1953; Tag der Annahme dieses Angebots durch den Verkäufer war der 16. November 1953. Im § 1 des Kaufvertrages wurde vereinbart:
"Der Beamte Anton A., nachstehend Verkäufer genannt, verkauft hiermit an den von dem Kaufmann Ferdinand X. zu benennenden Dritten, nachstehend Käufer genannt, die im Grundbuch von B. Band ... Blatt ... eingetragenen Parzellen nämlich die Parzellen Flur Nr. ... Parz. Nr. ... und ..., zu dem vereinbarten Kaufpreis von ... DM".
§§ 3 bis 5 des Vertrages lauten: "§ 3 Der Kaufgegenstand soll dem Käufer am Tage der Auflassung zum Besitze übergeben werden.
Die mit dem Kaufgegenstand verbundenen Rechte und Nutzungen, ebenso die Gefahr des Kaufgegenstandes und die darauf haftenden oder damit verbundenen öffentlichen Lasten und Abgaben gehen für die Zeit vom Tage der Auflassung auf den Käufer über.
§ 4 Die Auflassung des Grundbesitzes soll nach Eintragung der notariellen Annahmeerklärung erfolgen. Der Verkäufer bevollmächtigt hiermit den Bürovorsteher Z. in B., die verkauften Parzellen an den von dem Kaufmann X. benannten Dritten aufzulassen.
§ 5 Der Kaufpreis soll an den amtierenden, die Auflassung beurkundenden Notar gezahlt werden, der nach lastenfreier Umschreibung des Grundbesitzes ermächtigt wird, den Kaufpreis an den Verkäufer bzw. an die von ihm benannte Zahlstelle zu zahlen."
Am 1. Februar 1954 erklärte der Bf. (X.) in notarieller Urkunde:
"Als den von mir zu benennenden Dritten benenne ich hiermit als Käuferin meine Ehefrau Rosalie geb. ... in B., ...."
Zugleich wurde in derselben Urkunde zwischen der Ehefrau des Bf. und einem Vertreter des Verkäufers die Auflassung vorgenommen.
Unstreitig ist, daß der Grundstückserwerb durch die Ehefrau des Bf. (X.) der Grunderwerbsteuer unterliegt. Streitig ist dagegen, ob in dem vom Bf. (X.) "für den von ihm zu benennenden Dritten" mit dem Voreigentümer A. abgeschlossenen Vertrag vom 10. / 16. November 1953 gleichfalls ein steuerpflichtiger Rechtsvorgang erblickt werden kann. Das Finanzamt hat die Frage bejaht und den Bf. zur Zahlung einer Grunderwerbsteuer herangezogen.
Einspruch und Berufung wurden als unbegründet zurückgewiesen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. hat Erfolg.
Das Finanzgericht erblickt in dem Abschluß des Kaufvertrages vom 10. / 16. November 1953 einen Erwerb der Verwertungsmacht im Sinne des § 1 Abs. 2 GrEStG. Dieser Auffassung kann nicht zugestimmt werden. Wie der Senat in dem Urteil II 60/56 U vom 24. Oktober 1956 (BStBl 1956 III S. 364, Slg. Bd. 63 S. 433) ausgeführt hat, ist der Fall des § 1 Abs. 2 regelmäßig nur dann gegeben, wenn Besitz und Nutzungen des Grundstücks auf den Erwerber übergehen und der Erwerber auch an der Substanz des Grundstücks wertmäßig beteiligt ist. Wie jedoch aus § 3 Abs. 1 des Vertragsangebots vom 10. November 1953 (siehe oben) hervorgeht, war vereinbart, daß der Besitz des Grundstücks dem Käufer erst vom Tag der Auflassung an zustehen sollte. Außerdem folgt aus § 3 Abs. 2 dieses Vertrages, daß die mit dem Grundstück verbundenen Rechte, Pflichten und Lasten erst von der Auflassung an (d. h. ab 1. Februar 1954) auf den Käufer übergehen sollten. Unter diesen Umständen kann dem Finanzgericht nicht darin zugestimmt werden, daß der Bf. mit der Annahme des Vertragsangebots vom 10. November 1953, d. h. am 16. November 1953, die Verwertungsmacht im Sinne des § 1 Abs. 2 GrEStG an dem in Betracht kommenden Grundstück erwarb. An diesem Tag traten noch nicht die besonderen Voraussetzungen ein, die vorliegen müssen, um die Anwendbarkeit des § 1 Abs. 2 GrEStG bejahen zu können.
Andererseits wurde das Grundstück auf Grund des Kaufvertrages vom 10. November 1953 / 16. November 1953 nicht an den Bf. "oder einen von ihm zu benennenden Dritten", sondern lediglich "an einen von ihm zu benennenden Dritten" verkauft. Das Urteil des Senats II 134/57 U vom 25. März 1959 (BStBl 1959 III S. 239, Slg. Bd. 68 S. 628) betraf einen Fall, in dem das Grundstück dem damaligen Bf. oder an einen von ihm zu benennenden Dritten verkauft worden war. Dieses Urteil ist auf den Streitfall nicht unmittelbar anwendbar.
Bei Prüfung dieser Frage kann es nicht darauf ankommen, daß Angebot und Annahme zu verschiedenen Zeiten, nämlich am 10. und 16. November 1953, beurkundet wurden. Ebenso muß es als unerheblich angesehen werden, daß das Angebot von der Erwerberseite, nicht aber von der Veräußererseite abgegeben wurde. Nachdem das Angebot am 16. November 1953 angenommen worden war, kann der Streitfall nicht anders behandelt werden als jeder andere Vertrag, bei dem eine Mittelsperson für einen noch zu benennenden Käufer tätig wird. Daß nicht bereits das Angebot vom 10. November 1953 die Steuerpflicht hervorrufen kann, sondern gegebenenfalls nur der Kaufvertrag vom 10. / 16. November 1953, bedarf keiner Erörterung.
Im Urteil II A 191, 192/21 vom 8. Juli 1921 (Slg. Bd. 6 S. 198) führte der Reichsfinanzhof aus, es bestehe im Grundstückshandel wohl oft ein Bedürfnis, daß derjenige, der ein Grundstück erwerben wolle, nicht sofort mit seinem Namen hervortrete, sondern daß ein Bevollmächtigter ohne Nennung des Namens den Vertrag abschließe. Unerläßlich sei jedoch dabei, daß sämtliche Beteiligten darüber einig seien, daß die Rechte und Pflichten des Erwerbers unmittelbar durch den Vertragsabschluß in der Person des Vollmachtgebers und nur in dessen Person entstehen sollen, und ferner, daß seine Person im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses genügend fest bestimmbar sei.
Der gleiche Standpunkt wurde vom Reichsfinanzhof in dem Urteil II A 152/22 vom 30. Juni 1922 (Mrozek-Kartei, Grunderwerbsteuergesetz 1919 / 1927, § 5 Abs. 4 Ziff. 1, Rechtsspruch 1) vertreten. In diesem Urteil wird ausgeführt, daß jemand von einem anderen im Namen eines Dritten, also als unmittelbarer Stellvertreter, ein Grundstück kaufen könne mit der Wirkung, daß Rechte und Pflichten aus dem Vertrag unmittelbar in der Person des Dritten und nicht zunächst in der Person des Vertretenden entstehen, selbst wenn der Dritte dem Verkäufer vorläufig nicht benannt wird. Voraussetzung sei nur, daß objektiv feststehe, wer der Dritte sei, und daß der Nachweis hierfür zweifelsfrei geführt werden könne. In dem zuletzt genannten Urteil wurde die unmittelbare Stellvertretung bejaht, weil der Auftraggeber bei Abschluß des Vertrages festgestellt werden konnte, und zwar auf Grund eines dem Notar übergebenen und von diesem zu öffnenden Briefes.
In dem Urteil II A 34/29 vom 16. Februar 1929 (Mrozek-Kartei, Grunderwerbsteuergesetz 1919 / 1927, § 5 Abs. 4 Nr. 2, Rechtsspruch 17) vertrat der Reichsfinanzhof die Auffassung, daß in Fällen, in denen der Vertragsgegner das Auftragsverhältnis nicht kannte, ohne weiteres anzunehmen sei, daß er den Beauftragten als seinen Vertragsgegner angesehen habe. Habe er dagegen das Auftragsverhältnis gekannt, so sei es Auslegungsfrage, ob der Käufer den Vertreter oder den Vertretenen als seinen Vertragsgegner angesehen hat. Wolle der Beauftragte die Rechte und Pflichten aus dem Vertrag nicht für sich erlangen, so müsse er erkennbar im Namen des Auftraggebers handeln (§ 164 Abs. 2 BGB). Wolle er den Auftraggeber nicht bezeichnen, so stehe es ihm frei, davon abzusehen. Er müsse dann aber dafür sorgen, daß der dem anderen Teil Unbekannte objektiv feststellbar sei (etwa in der Weise, daß dem Notar ein verschlossener Briefumschlag übergeben werde, in dem der Auftraggeber hinreichend genau bezeichnet ist). Immer sei Voraussetzung, daß die Mittelsperson im Namen des Auftraggebers handele.
Der Senat tritt den vorerwähnten Entscheidungen des Reichsfinanzhofs bei. Bei Grundstücksumsätzen handelt es sich nicht um Geschäfte des täglichen Lebens, bei denen der einen Vertragspartei die Person der Gegenpartei regelmäßig gleichgültig ist, sondern um Geschäfte mit weitreichenden Rechten und Pflichten, bei denen im allgemeinen für die eine Partei die Person der Gegenpartei wichtig ist. Hingewiesen sei auch auf § 925 Abs. 1 BGB. Dort ist - anders als bei Geschäften des täglichen Lebens - bestimmt, daß die Auflassung bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Vertragsteile erklärt werden muß.
Andererseits gilt auch bei Grundstücksgeschäften der Grundsatz der Vertragsfreiheit. Es sind Fälle denkbar, in denen beide Teile bei Abschluß des notariellen Vertrages darüber einig sind, daß der andere Vertragsteil nicht mit dem Vertreter, sondern nur mit dem Auftraggeber abschließen will und in denen der eine Teil nach dem klaren Vertragsinhalt nur als Vertreter tätig wird. Siehe dazu die Urteile des Reichsfinanzhofs II A 276/22 vom 5. Januar 1923 (Slg. Bd. 11 S. 153); II A 89/23 vom 24. April 1923 (Mrozek-Kartei, Grunderwerbsteuergesetz 1919 / 1927, § 5 Abs. 4 Ziff. 2, Rechtsspruch 8); II A 499/25 vom 2. Oktober 1925 (Mrozek-Kartei, Grunderwerbsteuergesetz 1919 / 1927, § 5 Abs. 4 Nr. 2, Rechtsspruch 9); II A 545/27 vom 13. Januar 1928 (Mrozek-Kartei, Grunderwerbsteuergesetz 1919 / 1927, § 5 Abs. 4 Nr. 2, Rechtsspruch 14) sowie II A 34/29 vom 16. Februar 1929 (siehe oben). Im übrigen ist es bei Grundstücksgeschäften auch im Hinblick auf § 6 Abs. 1 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) erforderlich, daß von vornherein eindeutige Rechtsverhältnisse bestehen. Es wird nicht anerkannt werden können, daß z. B. ein "Vertreter", der in Wirklichkeit Zwischenhändler ist, andere dadurch täuscht, daß er bei Abschluß des Kaufvertrages als unmittelbarer Stellvertreter für einen noch zu benennenden Dritten auftritt, erst nach dem Abschluß des Kaufvertrages den Interessenten ausfindig macht und diesen dann dem Veräußerer als den von ihm vertretenen Dritten bezeichnet. Vielmehr wird gefordert werden müssen, daß die Person des Vertretenen bereits bei Vertragsabschluß objektiv feststeht. Unter dieser Voraussetzung und unter der weiteren Voraussetzung, daß nach dem gesamten Vertragsinhalt nicht der Vertreter, sondern nur der Dritte selbst als die Vertragspartei anzusehen ist, bestehen keine Bedenken, eine unmittelbare Stellvertretung grunderwerbsteuerlich dann zu bejahen, wenn die bei Vertragsabschluß bereits objektiv feststehende Person des Vertretenen dem Veräußerer nicht schon bei Abschluß des Kaufvertrages, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt benannt wird.
Die angefochtene Entscheidung war hiernach aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Im Streitfall hat der Bf. behauptet, daß die Person des Vertretenen schon bei Annahme des Angebots objektiv festgestanden habe. Gegen die Richtigkeit dieser Behauptung bestehen keine Bedenken, zumal der Vertretene die Ehefrau des Vertreters ist.
Das der Veräußerer rechtlich nur mit dem Vertretenen, nicht aber auch mit dem Vertreter zu tun haben wollte, folgt nicht nur aus dem Wortlaut des Vertrages (Vertragspartei war nach dem gesamten Inhalt des Vertrages lediglich der noch zu benennende "Dritte"), sondern auch daraus, daß Rechte und Pflichten nur zwischen dem Veräußerer und dem Vertretenen entstanden und alle gegenseitigen Rechte und Pflichten, insbesondere auch die Zahlung des Kaufpreises, erst im Zeitpunkt der Auflassung entstehen sollten. Daß der Bf. aus eigenem Recht an dem Vertrag irgendwie mitberechtigt oder daß er irgendwie mitverpflichtet sein sollte, ist nirgends ersichtlich.
Der Bf. war somit unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung sowie der Einspruchsentscheidung und des Steuerbescheides des Finanzamts von der Steuer freizustellen.
Fundstellen
Haufe-Index 409585 |
BStBl III 1960, 233 |
BFHE 1960, 625 |
BFHE 70, 625 |