Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine phasengleiche Bilanzierung bei Ausschüttungen einer GmbH aus ihrem Vermögen
Leitsatz (NV)
Die Ausschüttung einer GmbH aus einer Kapitalrücklage ohne deren Auflösung über den Bilanzgewinn (ergebnisneutrale Entnahme) ist beim Gesellschafter in dem Jahr zu aktivieren, in dem die Gesellschaft den Ausschüttungsbeschluß gefaßt hat.
Normenkette
EStG § 5 Abs. 1
Verfahrensgang
Niedersächsisches FG (EFG 1997, 479) |
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war im Streitjahr 1984 alleiniger Kommanditist und alleiniger Gesellschafter der persönlich haftenden GmbH einer KG. Er schied 1994 während des Klageverfahrens aus der KG aus.
Der Kläger war außerdem Alleingesellschafter der H-GmbH, die im Rahmen einer Betriebsaufspaltung ab 1. Januar 1984 das Unternehmen der KG fortführte. Mit Beschluß vom 6. Juli 1984 erhöhte die H-GmbH ihr Stammkapital von 120 000 DM auf 200 000 DM. Die Stammeinlage in Höhe von 80 000 DM übernahm P. Er hatte dafür an die H-GmbH insgesamt 697 000 DM zu zahlen. Das Aufgeld in Höhe von 617 000 DM buchte die H-GmbH als freie Rücklage. P leistete die Einlage durch Zahlung von 450 000 DM aus eigenen Mitteln und 247 000 DM aus Mitteln, die ihm der Kläger zur Verfügung stellte und die dieser dem betrieblichen Bankkonto der KG entnommen hatte.
Am 1. Januar 1985 beschlossen die Gesellschafter, die Rücklage aufzulösen und im Verhältnis ihrer Kapitalbeteiligung an sich auszuzahlen. Der auf P entfallende Anteil in Höhe von 246 800 DM wurde dem Konto des Klägers gutgeschrieben. Dieser verrechnete die Zahlung mit seiner Forderung gegenüber P in Höhe von 247 000 DM.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) wertete diesen Vorgang als Mißbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten i.S. von § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) und behandelte ihn als entgeltliche Veräußerung von Geschäftsanteilen des Klägers an P. Den auf den Kläger entfallenden Anteil der Rücklage aus dem Aufgeld erfaßte es als laufenden Gewinn im Sonderbetriebsvermögen des Klägers. Der Einspruch gegen den entsprechenden Gewinnfeststellungsbescheid blieb erfolglos.
Die Klage hatte insoweit Erfolg, als das Finanzgericht (FG) einen Mißbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten und damit eine entgeltliche Anteilsveräußerung des Klägers an P verneinte. Das FG war jedoch der Ansicht, daß die Ausschüttung der GmbH an den Kläger in Höhe von 370 200 DM insoweit zur Realisierung eines Gewinnes bei diesem geführt habe, als sie dessen Anschaffungskosten für die Beteiligung in Höhe von 120 000 DM überstieg (Entscheidungen der Finanzgerichte 1997, 479).
Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts (§§ 4 Abs. 1, 15 Abs. 1 Nr. 2, 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes ―EStG― 1984).
Der Kläger beantragt, unter teilweiser Aufhebung des Urteils des FG den Gewinnfeststellungsbescheid 1984 vom 6. Oktober 1987 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Oktober 1989 in der Weise zu ändern, daß der auf den Kläger entfallende Einkünfteanteil auf ./. 31 814 DM festgestellt wird.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
1. Der Senat geht mit dem FG davon aus, daß im Streitfall für die Kapitalerhöhung mit anschließender Einlagenrückgewähr außersteuerrechtliche Gründe maßgebend waren; es liegt deshalb ein dem Urteil des Senats vom 13. Oktober 1992 VIII R 3/89 (BFHE 169, 336, BStBl II 1993, 477) nicht vergleichbarer Sachverhalt vor. Die Würdigung des FG ist möglich; Verstöße gegen die Denkgesetze, allgemeinen Erfahrungssätze oder die Verfahrensordnung sind weder gerügt noch erkennbar (vgl. dazu u.a. Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 20. September 1994 VII R 40/94, BFH/NV 1995, 485, m.w.N.; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 118 Rz. 23, m.w.N.).
2. Die Ausschüttung der H-GmbH aus der Kapitalrücklage war beim Kläger nicht als Sonderbetriebseinnahme des Streitjahres 1984 zu erfassen. Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, daß der Kläger bereits in diesem Jahr einen Ausschüttungsanspruch zu aktivieren hatte.
a) Nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung muß der beherrschende Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft unter bestimmten Voraussetzungen den Anspruch auf die im Folgejahr ausgeschütteten Gewinne gemäß §§ 243 Abs. 1, 246 Abs. 1 Satz 1, 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 des Handelsgesetzbuchs (HGB) bereits in seinen Bilanzen zum 31. Dezember der Wirtschaftsjahre aktivieren, für die die Ausschüttung beschlossen wurde. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat diese Voraussetzungen im Anschluß an ein Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften im einzelnen dargestellt (Urteil vom 12. Januar 1998 II ZR 82/93, Deutsches Steuerrecht 1998, 383). Der erkennende Senat verweist auf diese Entscheidung.
b) Die vom BGH entwickelten Grundsätze stimmen weitgehend mit der Rechtsprechung des BFH überein (vgl. insbesondere BFH-Urteile vom 8. März 1989 X R 9/86, BFHE 156, 443, BStBl II 1989, 714, und vom 12. Februar 1992 XI R 18/90, BFHE 167, 499, BStBl II 1992, 723). Sie sind jedoch im Streitfall nicht anwendbar. Sie gelten nur für Gewinnansprüche. Ansprüche aus sonstigen Ausschüttungen sind nicht betroffen. Um solche Ausschüttungen handelt es sich hier.
aa) Die H-GmbH hat das Ausgabeaufgeld zutreffend in eine Kapitalrücklage eingestellt; das war vor Inkrafttreten der Verpflichtung zum Ausweis des Aufgeldes in einer Kapitalrücklage nach § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB bei einer GmbH zulässig (allgemeine Meinung, vgl. z.B. Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 14. Aufl., § 5 Rz. 9 und § 42 Rz. 61, m.w.N.). Die Rücklage konnte jederzeit nach freiem Ermessen aufgelöst werden (vgl. etwa Förschle/ Kofahl, Beck'scher Bilanzkommentar, 3. Aufl., § 272 HGB Rz. 74).
bb) Im Gegensatz zur Rechtslage bei Aktiengesellschaften (§ 58 Abs. 5 des Aktiengesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung) muß die Auflösung der Rücklage bei einer GmbH aber nicht über den Bilanzgewinn erfolgen; solange das Stammkapital nicht angegriffen wird, ist eine Ausschüttung auch als ergebnisunabhängige Entnahme möglich (ganz herrschende Meinung, vgl. z.B. Baumbach/Hueck, a.a.O., 16. Aufl., § 29 Rz. 64; Goerdeler/ Müller in Hachenburg, Kommentar zum Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 8. Aufl., § 29 Rz. 122, § 30 Rz. 12 f.; Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz, 14. Aufl., § 29 Rz. 46; Scholz/Emmerich, GmbH-Gesetz, 8. Aufl., § 29 Rz. 135 f.; Falkenstein, Grenzen für die Entnahmerechte der GmbH-Gesellschafter, 1992, S. 46 f., m.w.N.; Vonnemann, Betriebs-Berater 1989, 877). In diesem Fall schüttet die GmbH keinen Gewinn für ein Wirtschaftsjahr aus, sondern verteilt Vermögen in einem Wirtschaftsjahr.
Eine solche ergebnisunabhängige Entnahme liegt hier vor. Die H-GmbH hat die Kapitalrücklage nicht im Rahmen eines Gewinnfeststellungs- oder -verwendungsbeschlusses für das Streitjahr 1984 über den Bilanzgewinn aufgelöst, sondern einen selbständigen Auszahlungsbeschluß im Geschäftsjahr 1985 gefaßt.
Die Entnahme durch die Gesellschafter ist eine Ausschüttung aus dem EK 04 der GmbH. Das FA wird deshalb auf der Grundlage der Erwägungen des FG zur steuerrechtlichen Behandlung solcher Ausschüttungen für 1985 einen geänderten Feststellungsbescheid erlassen.
Fundstellen
Haufe-Index 56155 |
BFH/NV 1999, 1200 |
DStRE 1999, 737 |
HFR 1999, 718 |