Leitsatz (amtlich)
Für eine Klage, durch die einer Finanzbehörde untersagt werden soll, die von einem Gericht der Verwaltungsgerichtsbarkeit geforderten Auskünfte über die steuerlichen Verhältnisse des Klägers zu erteilen, ist der Finanzrechtsweg nicht gegeben.
Normenkette
FGO §§ 33-34
Tatbestand
Die Klägerin zu 2. betrieb in Hamburg ein Tanzlokal mit Gastronomie. Der Kläger zu 1. war Träger der Erlaubnis zum Betrieb der Schankwirtschaft.
Am ... nahm das Bezirksamt die dem Kläger zu 1. erteilte Erlaubnis zum Betrieb der Schankwirtschaft gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Gaststättengesetzes (GastG) zurück. Zur Begründung der Erlaubnisrücknahme berief sich das Bezirksamt auf steuerliche Unzuverlässigkeit des Klägers zu 1.
Auf die gegen die Rücknahme der Schankerlaubnis gerichtete Klage hob das Verwaltungsgericht (VG) Hamburg die Bescheide des Bezirksamtes ersatzlos auf. Das VG war der Auffassung, daß das steuerliche Verhalten des Klägers keinen Schluß auf eine fehlende Zuverlässigkeit zum Betriebe der Gaststätte zulasse.
Gegen dieses Urteil wandte sich die Freie und Hansestadt Hamburg mit der Berufung an das Oberverwaltungsgericht (OVG). In dem Berufungsverfahren hat das OVG folgenden Beweisbeschluß erlassen:
"Zur Klärung, ob der Kläger wegen nachlässiger Erfüllung seiner Steuerverpflichtungen unzuverlässig i. S. des GastG ist, wird das FA im Wege der Amtshilfe um eine ausführliche Aufstellung für die Jahre ... gebeten, die erkennen läßt: die dort entstandenen Steuerverpflichtungen, Zahlungen und Rückstände des Klägers in ihrer laufenden Entwicklung."
Aufgrund dieses Beschlusses wandten sich die Kläger an das FA und erklärten, daß sie mit der Erteilung der im Beweisbeschluß geforderten Auskünfte nicht einverstanden seien. Das FA erklärte demgegenüber, daß es bereit sei, die von dem OVG gewünschten Auskünfte zu erteilen.
Dagegen wandten sich die Kläger mit ihrer vor dem FG erhobenen Klage, mit der sie unter Berufung auf das Steuergeheimnis beantragten, dem FA zu untersagen, über die steuerlichen Verhältnisse Auskunft zu erteilen.
Das FG wies das Klagebegehren als unbegründet zurück (vgl. EFG 1970, 292). Es führte aus, für die Klage auf Wahrung des Steuergeheimnisses sei der Finanzrechtsweg gegeben, da es um die Anwendung einer abgabenrechtlichen Vorschrift (§ 22 AO) durch die beklagte Finanzbehörde gehe.
Das Klagebegehren sei aber sachlich nicht begründet, da sich die Befugnis zur Auskunftserteilung im gegebenen Fall aus § 12 GastG ergebe, der eine den § 22 AO einschränkende Sondervorschrift darstelle.
Gegen dieses Urteil wendet sich die vorliegende Revision, mit der die Kläger Verfahrensmängel und auch die Verletzung materiellen Rechtes rügen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils. Zu Unrecht hat das FG für die Klage auf Unterlassung der in dem verwaltungsgerichtlichen Beschluß angeordneten Auskunftserteilung den Finanzrechtsweg für gegeben erachtet.
Der Finanzrechtsweg ist gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 FGO gegeben in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten über Abgabenangelegenheiten, soweit die Abgaben der Gesetzgebung des Bundes unterliegen und durch Bundes- oder Landesfinanzbehörden verwaltet werden. Der Begriff Abgabenangelegenheiten umfaßt nach der in Abs. 2 der Bestimmung gegebenen Legaldefinition alle mit der Verwaltung der Abgaben oder sonst mit der Anwendung der abgabenrechtlichen Vorschriften durch die Finanzbehörden zusammenhängenden Angelegenheiten.
Von dieser Definition wird die Erteilung von Auskünften aufgrund eines in einem Verwaltungsrechtsstreit ergangenen Beweisbeschlusses nicht umfaßt.
Das FG ist zwar zutreffend davon ausgegangen, daß grundsätzlich die Entscheidung einer Finanzbehörde über die Vorlage von Urkunden oder die Erteilung von Auskünften über steuerliche Angelegenheiten eine Maßnahme auf dem Gebiet des Abgabenrechts darstellt, die der Nachprüfung durch die FG unterliegt. Will der Steuerpflichtige der Erteilung einer solchen Auskunft zuvorkommen, so kann er sich auch mit der vorbeugenden Unterlassungsklage gegen die beabsichtigte Auskunftserteilung an das FG wenden. Die Erhebung einer solchen Klage setzt aber voraus, daß der Erteilung der Auskunft eine eigene Willensentschließung der Finanzbehörde zugrunde liegt, die die streitige Auskunftserteilung oder Aktenvorlage als Maßnahme der Finanzbehörde erscheinen läßt, da der finanzgerichtliche Rechtsschutz nur gegen Maßnahmen der Finanzbehörden gegeben ist.
Diese Voraussetzung ist jedoch nicht gegeben, wenn die umstrittene Auskunftserteilung oder Aktenvorlage in Erfüllung eines in einem verwaltungsgerichtlichen Rechtsstreit ergangenen gerichtlichen Beweisbeschlusses erfolgt. Die Auskunftserteilung stellt sich in einem solchen Falle nicht als eine auf einer eigenen Entschließung beruhenden Maßnahme der Behörde dar, die, soweit es sich um eine Auskunftserteilung über Abgabenangelegenheiten handelt, abgabenrechtlichen Charakter trägt, sondern als Erfüllung einer der Behörde gemäß § 99 der VwGO auferlegten prozessualen Verpflichtung, deren Umfang und Wirkung nicht im Wege des Finanzrechtsstreits nachgeprüft werden kann. Die Rechtmäßigkeit der Aktenvorlage ist in einem solchen Falle nicht abhängig von Fragen des Abgabenrechts, sondern von der dem Verwaltungsprozeßrecht zugehörenden Frage einer Abwägung der durch § 99 VwGO begründeten prozessualen Gebundenheit der Behörde gegenüber einem möglichen, gesetzlich begründeten Auskunftsverweigerungsrecht. Diese Frage zu beurteilen ist nicht Aufgabe der FG, deren Zuständigkeit auf die Gewährung von Rechtsschutz in Abgabenangelegenheiten beschränkt ist. Die Grenzen des den VG gemäß § 99 VwGO zustehenden Auskunftsrechtes müssen vielmehr im Verwaltungsrechtswege selbst gefunden werden. Würden die FG über Grenzen und Durchsetzbarkeit verwaltungsgerichtlicher Beweisbeschlüsse befinden, so würden sie damit in den Ablauf eines Verwaltungsrechtsstreits, der ausschließlich der Zuständigkeit der VG vorbehalten ist, unmittelbar eingreifen, und damit die Abgrenzung der Gerichtsbarkeiten mißachten (vgl. Entscheidung des BVerwG vom 29. Mai 1959 VII C 12.58, BVerwGE 8, 324). Dementsprechend hat auch der Senat mit Beschluß vom 29. Mai 1969 VII B 199/67 (BFHE 95, 526, BStBl II 1969, 491) entschieden, daß ein Antrag, durch den einem Bezirksamt Hamburgs untersagt werden soll, die von einem Gericht der Verwaltungsgerichtsbarkeit mit Beweisbeschluß angeforderten Aufstellungen über die Verhältnisse der Antragsteller zu erteilen und Erklärungen hierzu abzugeben, keine Streitigkeit über Steuern i. S. des § 5 Abs. 2 Satz 1 des Hamburgischen Gesetzes zur Ausführung der Finanzgerichtsordnung vom 17. Dezember 1965 (Hamburgisches Gesetz- und Verordnungsblatt 1965 S. 225) darstellt.
Dem steht nicht entgegen, daß sich die Kläger gegenüber der in dem gerichtlichen Beweisbeschluß angeordneten Auskunftserteilung auf den in § 22 AO festgelegten Schutz des Steuergeheimnisses, also auf eine Vorschrift abgabenrechtlichen Charakters, berufen. Wie der Senat bereits mit Urteil vom 25. Januar 1972 VII R 109/68 (BFHE 104, 187, BStBl II 1972, 286) entschieden hat, hat eine Rechtsstreitigkeit nicht allein deshalb abgabenrechtlichen Charakter, weil die Rechtswidrigkeit der angegriffenen Maßnahme mit einer Verletzung des § 22 AO begründet wird. Entscheidend ist vielmehr allein die Rechtsnatur des Klagebegehrens. Dieses ist aber im gegebenen Falle auf die Feststellung der rechtlichen Grenzen des verwaltungsgerichtlichen Beweisbeschlusses und der daraus folgenden Auskunftsverpflichtung des FA und damit auf eine Entscheidung verwaltungsrechtlichen und nicht abgabenrechtlichen Inhalts gerichtet.
Der Rechtsstreit war deshalb aufgrund des von den Klägern gestellten Hilfsantrages unter Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils gemäß § 34 Abs. 3 FGO an das zuständige VG Hamburg zu verweisen. Eine Verweisung an das OVG kommt nicht in Betracht, da es sich nicht um eine Streitigkeit nach § 99 Abs. 2 VwGO handelt, sondern um einen selbständigen Klageantrag, der in die erstinstanzliche Zuständigkeit des VG fällt (§ 45 VwGO).
Fundstellen
Haufe-Index 71276 |
BStBl II 1975, 298 |
BFHE 1975, 159 |