Entscheidungsstichwort (Thema)
Feststellungsinteresse bei Klage wegen Unwirksamkeit einer Prüfungsanordnung
Leitsatz (NV)
Der Gesellschafter einer stillen Gesellschaft hat kein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Unwirksamkeit einer Prüfungsanordnung betreffend die stille Gesellschaft, wenn sie sich nicht gegen ihn als Adressaten richtet und ihm auch nicht bekanntgegeben wird.
Normenkette
FGO § 41 Abs. 1, § 40 Abs. 2
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) waren - soweit sie Rechtsnachfolger sind, deren Rechtsvorgänger - in den Jahren 1978 bis 1980 stille Gesellschafter der . . . AG (AG). Insgesamt hatte die AG etwa . . . stille Gesellschafter.
Am 10. November 1981 erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) eine Prüfungsanordnung, die an die ,,. . . AG atypisch stille Gesellschaft, G, D-Straße X" gerichtet war. Nach der Prüfungsanordnung sollte sich die Betriebsprüfung auf die einheitliche Gewinnfeststellung der Jahre 1978 und 1979, den Einheitswert des Betriebsvermögens jeweils zum 1. Januar 1979 und 1980 sowie auf die Gewerbesteuer 1978 und 1979 erstrecken. Mit der Prüfungsanordnung vom 30. November 1981 - gerichtet an denselben Adressaten - erweiterte das FA die Prüfungsanordnung vom 10. November auf das Jahr 1980 bzw. den Feststellungszeitpunkt 1. Januar 1981.
Gleichzeitig erließ das FA eine Prüfungsanordnung mit Erweiterung, die an die AG gerichtet war.
Die Prüfungsanordnungen wurden der AG zugesandt. Eine Bekanntgabe an die Kläger erfolgte nicht. Die Prüfungsanordnungen wurden nicht angefochten.
Nach Abschluß der Prüfung ergingen für die Prüfungsjahre Feststellungsbescheide.
Die Kläger erhoben 1987 Klage mit dem Antrag festzustellen, daß die Prüfungsanordnungen vom 10. und 30. November 1981 im Verhältnis zu jedem Kläger nichtig seien.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet zurück.
Die Klage sei unzulässig, soweit damit die Feststellung begehrt werde, daß die Prüfungsanordnungen im Verhältnis zu den jeweiligen Klägern nichtig seien; eine solche Feststellung sehe die Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht vor.
Soweit mit der Klage die Unwirksamkeit der Prüfungsanordnungen wegen fehlender Bekanntgabe geltend gemacht werde, sei sie unbegründet. Die Prüfungsanordnungen hätten den Klägern nicht bekanntgemacht werden müssen, weil sie nicht an sie gerichtet gewesen seien.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision (VIII B 82/88) rügen die Kläger Verletzung des § 197 der Abgabenordnung (AO 1977).
Da die stille Gesellschaft keine Adresse, keine Firma und keine Geschäftsleitung (,,Vertreter") habe, könne ihr ein Verwaltungsakt auch nicht bekanntgemacht werden. Die Mitunternehmerschaft der stillen Gesellschaft sei zur Zeit der Prüfungsanordnung schon lange beendet gewesen.
Wenn die Prüfungsanordnung sich gegen die stille Gesellschaft richten könne, so habe die AG als Bekanntgabeempfänger der stillen Gesellschaft benannt werden müssen.
Die Kläger beantragen, unter Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils festzustellen, daß die Prüfungsanordnungen gerichtet an die stille Gesellschaft, und zwar vom 10. und 30. November 1981 sowie vom 4. Februar 1982 im Verhältnis zum jeweiligen Kläger unwirksam seien.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Soweit die Kläger sich mit der Revision gegen das Schreiben des FA vom 4. Februar 1982 wenden, kann über ihren Antrag nicht entschieden werden. Die Rechtmäßigkeit dieses Schreibens war nach dem Klageantrag nicht Gegenstand des finanzgerichtlichen Verfahrens. Daher geht der Revisionsantrag insoweit über den Klageantrag hinaus. Eine Erweiterung des Klageantrags ist aber im Revisionsverfahren nicht zulässig (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 23. Oktober 1989 GrS 2/87, BFHE 159, 4, 8, BStBl II 1990, 327).
Im übrigen ist die Revision unbegründet mit der Maßgabe, daß die Klage unzulässig ist; ihr fehlt als Feststellungsklage das Feststellungsinteresse (§ 41 Abs. 1 FGO).
Das FG hat den Klageantrag zutreffend dahin ausgelegt, daß die Kläger nicht die Feststellung der Nichtigkeit der Prüfungsanordnungen vom 10. und 30. November 1981, sei es auch nur ,,im Verhältnis zum jeweiligen Kläger" begehren, sondern vielmehr die Feststellung ihrer Unwirksamkeit mangels Bekanntgabe.
Davon geht der Senat aus, obwohl das FG in den Entscheidungsgründen (zu 2. a) ausführt, die Klagen seien unzulässig, soweit mit ihnen die Feststellung der Nichtigkeit der Prüfungsanordnungen im Verhältnis zu den jeweiligen Klägern begehrt werde. Der Senat wertet dies als beiläufige Äußerung des FG, denn aus der weiteren Begründung (zu 2. b) aa) ergibt sich, daß das FG nur von einem einzigen Klageantrag, d. h. also keinem Haupt- und Hilfsantrag, ausgeht und diesen dahin auslegt, daß die Unwirksamkeit der Prüfungsanordnungen den Klägern gegenüber wegen mangelnder Bekanntgabe begehrt werde.
Ein Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit lediglich den Klägern gegenüber wäre auch nicht statthaft; die FGO sieht die persönlich begrenzte Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts nicht vor. Ein nichtiger Verwaltungsakt ist jedermann gegenüber unwirksam (vgl. § 124 Abs. 3 AO 1977). Die gerichtliche Feststellung der Nichtigkeit muß sich daran orientieren.
Nach der Rechtsprechung des BFH (grundlegend Urteil vom 25. Mai 1976 VIII R 66/74, BFHE 119, 36, BStBl II 1976, 606) können die Kläger aber grundsätzlich die Unwirksamkeit eines Verwaltungsakts ihnen gegenüber wegen unterbliebener oder fehlerhafter Bekanntgabe geltend machen. Diese Feststellung kann sich jeweils nur auf denjenigen Kläger beziehen, dem der Verwaltungsakt hätte bekanntgemacht werden müssen, um ihm gegenüber wirksam zu werden (§ 122 Abs. 1 AO 1977). Eine solche persönliche Beschränkung der Feststellung ist statthaft, weil bei mehreren Adressaten des Verwaltungsakts die Wirksamkeit der Bekanntgabe bei jedem Adressaten anders zu beurteilen sein kann. Daher ist es bereits zweifelhaft, ob die Unwirksamkeit eines Verwaltungsakts auch mit der Begründung geltend gemacht werden kann, er sei wegen mangelnder oder fehlerhafter Bekanntgabe keinem der Adressaten gegenüber wirksam geworden, also insgesamt nicht wirksam (vgl. auch BFH-Urteil vom 16. Oktober 1986 IV R 23/86, BFH/NV 1987, 686, zu 1). Die begehrte Feststellung des Gerichts würde dann zwar auch nur den Klägern gegenüber wirksam sein, jedoch mit einer Begründung, die die Wirksamkeit des Verwaltungsakts allen Beteiligten gegenüber verneint. Das liefe auf die in der FGO nicht vorgesehene persönlich begrenzte Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts hinaus. Entsprechendes gilt insbesondere dann, wenn nicht nur die Bekanntgabe, sondern außerdem die Adressierung des Verwaltungsakts gerügt wird.
Die Kläger begründen ihre Klage damit, daß die Prüfungsanordnungen ihnen und evtl. den anderen stillen Gesellschaftern nicht nur hätten bekanntgemacht, sondern auch an sie hätten adressiert werden müssen, weil die stille Gesellschaft nicht Adressat der Prüfungsanordnungen habe sein können. Der Senat läßt offen, ob die Klage nicht bereits im Hinblick auf diese Begründung unzulässig ist, denn ihre Unzulässigkeit muß hier jedenfalls wegen des mangelnden Rechtsschutzinteresses angenommen werden (§ 40 Abs. 2 FGO).
Die Kläger haben kein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Unwirksamkeit der Prüfungsanordnungen, weil sie sich nicht gegen sie als Adressaten richten. Sie richten sich ausdrücklich nur an die stille Gesellschaft. Die Kläger sind zwar möglicherweise mittelbar Betroffene der Prüfungsanordnungen, weil die Ergebnisse der Betriebsprüfung sich auf ihre Einkommensteuerveranlagungen auswirken können. Darauf kommt es aber hier nicht an. Entscheidend ist, daß sie im Streitfall durch die Prüfungsanordnungen nicht unmittelbar beschwert sind, d. h. daß sich für die Kläger daraus keine rechtlichen und tatsächlichen Verpflichtungen ergeben und auch nicht der Anschein erweckt wird, als würden solche Verpflichtungen begründet. Die Kläger sind weder als Adressaten benannt noch sind die Prüfungsanordnungen ihnen bekanntgegeben worden. Die Prüfungsanordnungen sind ferner auch ihrem Inhalt nach nicht für die Kläger bestimmt; aus ihnen ergeben sich für sie keinerlei mit der Betriebsprüfung unmittelbar zusammenhängende Verpflichtungen (§ 200 AO 1977). Das gilt jedenfalls für den Streitfall, in dem die stille Gesellschaft beim Erlaß der Prüfungsanordnungen noch bestand.
Fundstellen
Haufe-Index 417407 |
BFH/NV 1991, 401 |