Leitsatz (amtlich)
Die Berechtigung zum Abzug der entrichteten Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG 1967 steht demjenigen Unternehmer zu, der im Zeitpunkt der Einfuhr die Verfügungsmacht über den eingeführten Gegenstand besitzt. Der Verfügungsmacht steht gleich, wenn die Lieferung an den Abnehmer gemäß § 3 Abs. 7 UStG 1967 als bewirkt gilt.
Normenkette
UStG 1967 § 3 Abs. 7, § 15 Abs. 1 Nr. 2
Tatbestand
Die Klägerin vertreibt Werkzeugmaschinen eines schweizerischen Herstellers. Die nach Vorliegen eines Kundenauftrags beim schweizerischen Hersteller bestellten Maschinen wurden von diesem nach Fertigstellung in der Schweiz einem von der Klägerin beauftragten Spediteur übergeben, der sie weisungsgemäß zum inländischen Abnehmer der Klägerin beförderte und diesem übergab. Die Klägerin entrichtete die bei der Einfuhr der Maschinen entstehende Einfuhrumsatzsteuer. Ihrem Abnehmer berechnete sie die gelieferten Maschinen zum Nettopreis, also ohne gesonderte Inrechnungstellung von Umsatzsteuer. Die entrichtete Einfuhrumsatzsteuer machte die Klägerin jeweils im Rahmen ihrer Umsatzsteuererklärung als abziehbare Vorsteuer geltend.
Das beklagte Finanzamt hielt dagegen die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1967) nicht für gegeben, da die Klägerin die Maschinen nichtsteuerbar vom Ausland an ihre inländischen Abnehmer geliefert und damit die Maschinen nicht für ihr Unternehmen eingeführt habe.
Bezüglich einer im Jahre 1970 zum Preise von 40 873 DM an einen inländischen Abnehmer in vorstehender Weise gelieferten Maschine machte die Klägerin zunächst unter Abgabe einer berichtigten Umsatzsteuererklärung für das Jahr 1970 von der "freiwilligen Versteuerung" gemäß dem Erlaß des Bundesministers der Finanzen vom 31. Januar 1968 (BStBl I 1968, 389, USt-Kartei § 15 S 7302 Karte 1) Gebrauch, zog dementsprechend die entrichtete Einfuhrumsatzsteuer von 4 046,46 DM als Vorsteuer gem. § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG 1967 ab und erteilte dem inländischen Abnehmer nunmehr eine berichtigte Rechnung, in der neben dem Nettopreis die darauf entfallende Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen war. Der Abnehmer weigerte sich jedoch, die gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer an die Klägerin zu entrichten.
Daraufhin gab die Klägerin für das Jahr 1970 eine weitere berichtigte Umsatzsteuererklärung ab, in der sie von der freiwilligen Versteuerung des an den inländischen Abnehmer bewirkten Umsatzes Abstand nahm. Das beklagte Finanzamt berichtigte daraufhin den zunächst gemäß § 100 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung (AO a. F.) ergangenen Umsatzsteuerbescheid 1970 vom 3. Juli 1972 durch den auf § 94 Abs. 1 Nr. 2 AO a. F. gestützten Umsatzsteuerbescheid 1970 vom 11. August 1972, in dem einerseits von der Versteuerung des Umsatzes abgesehen, andererseits aber der Abzug der entrichteten Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von 4 046,46 DM als Vorsteuer gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG 1967 auf Grund der vom Finanzamt eingenommenen Rechtsauffassung versagt wurde.
Mit der Klage hat die Klägerin begehrt, ihr den Betrag von 4 046,46 DM entrichteter Einfuhrumsatzsteuer als abziehbare Vorsteuer zuzuerkennen und die Umsatzsteuer 1970 entsprechend herabzusetzen.
Das Finanzgericht hat die Klage abgewiesen.
Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter: Sie habe vom Schweizer Hersteller eine Maschine zwecks Weiterveräußerung im Rahmen ihres Unternehmens erworben und damit auch für ihr Unternehmen eingeführt. Soweit die Finanzverwaltung (vgl. Erlaß des Bundesministers der Finanzen vom 28. Juni 1969 Abschnitt C Teil II Abs. 3, BStBl I 1969, 349, USt-Kartei § 15 S 7302 Karte 2) und ihr folgend das Finanzgericht das in § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG 1967 aufgeführte Tatbestandsmerkmal "für sein Unternehmen eingeführt" nur dann als vorliegend ansähen, wenn der eingeführte Gegenstand in den inländischen Unternehmensbereich eingehe - was Innehabung der Verfügungsmacht über den Gegenstand bei der Einfuhr voraussetze -, werde der Vorsteuerabzug von einer zusätzlichen, nicht im Gesetz enthaltenen Voraussetzung abhängig gemacht. § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG 1967 sei vielmehr dahin auszulegen, daß ein Gegenstand für dasjenige Unternehmen eingeführt werde, bei dem er direkt oder indirekt der Ausführung eigener Umsätze diene. Bezüglich der Einfuhrumsatzsteuer sei demgemäß abzugsberechtigt derjenige Unternehmer, der mit der Einfuhrumsatzsteuer im Rahmen seiner Umsatztätigkeit wirtschaftlich belastet werde, aber nach der Gesetzessystematik nicht endgültig belastet bleiben solle. Unbeachtlich sei folglich, ob die in der Weiterlieferung des eingeführten Gegenstandes bestehende wirtschaftliche Weiterverwendung zeitlich vor oder nach der Einfuhr liege. Die Richtigkeit dieser Auffassung erweise sich am Beispiel des Reihengeschäftes. Beim Inlandsreihengeschäft sei jeder Unternehmer in der Reihe vorsteuerabzugsberechtigt, obwohl nur der letzte Unternehmer in der Reihe Verfügungsmacht erlange. Hier gehe man davon aus, daß ein Umsatz in Reihe für das Unternehmen eines jeden Unternehmers in der Reihe ausgeführt werde. Es sei nicht einzusehen, weshalb diese Betrachtungsweise bei einem Reihengeschäft vom Ausland in das Inland nicht gelten solle. Ein mehrfacher Abzug der Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer sei ausgeschlossen, da der Vorsteuerabzug an die Vorlage des nur in einfacher Form vorliegenden Einfuhrumsatzsteuer-Belegs geknüpft sei. Das Finanzamt könne sich für seine Auffassung nicht auf § 3 Abs. 7 UStG 1967 stützen. Diese Vorschrift regele nur den Lieferungszeitpunkt, sage jedoch nichts über die Verschaffung der Verfügungsmacht aus.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet.
1. Gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG 1967 kann der Unternehmer bei Vorliegen der personenbezogenen Tatbestandsmerkmale die entrichtete Einfuhrumsatzsteuer für Gegenstände, die für sein Unternehmen eingeführt worden sind, als Vorsteuerbetrag abziehen. Die gesetzliche Voraussetzung einer Einfuhr "für sein Unternehmen" erfordert ebenso wie beim Bezug eines Gegenstandes für sein Unternehmen i. S. des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967, daß der Unternehmer den Gegenstand im Rahmen seiner gewerblichen und beruflichen Tätigkeit zur Bewirkung von Umsätzen einsetzt. Während der Bezug von Gegenständen im Rahmen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967 auf einem Liefervorgang, also auf einem abgeleiteten Erwerb beruht, kann die Einfuhr eines Gegenstandes i. S. des § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG 1967 sowohl im Rahmen eines Liefervorgangs als auch außerhalb eines solchen erfolgen. Anders als bei § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967 ist somit bei § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG 1967 der vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmer nicht in der Person des Leistungsempfängers vorbestimmt. Während also das Tatbestandsmerkmal "für sein Unternehmen" in § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967 (lediglich) zu der Frage führt, ob der Leistungsempfänger die bezogene Leistung im Rahmen seiner unternehmerischen Tätigkeit einsetzt, veranlaßt es in § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG 1967 die Feststellung des Unternehmers, dem die Abzugsberechtigung bezüglich der Einfuhrumsatzsteuer zusteht.
2. Eine "Einfuhr von Gegenständen für das Unternehmen" als das über die Rechtszuständigkeit des Unternehmers zum Vorsteuerabzug entscheidende Tatbestandsmerkmal kann somit inhaltlich nicht mit der rechtlichen Aussage definiert werden, der Kläger habe einen eingeführten Gegenstand zur Bewirkung von Umsätzen eingesetzt. Insbesondere zeigen die Fälle des Reihengeschäfts, in dessen Vollzug der Liefergegenstand vom Ausland in das Inland gelangt, daß mit der dargestellten Aussage der vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmer nicht bestimmt werden kann. Befördert oder versendet im Falle des Reihengeschäfts der erste Lieferer in der Reihe den Gegenstand unter Vornahme der Einfuhr an den letzten Unternehmer in der Reihe, so haben auch die anderen Unternehmer in der Reihe über den eingeführten Gegenstand Umsätze bewirkt. Bei allen Unternehmern in der Reihe (mit Ausnahme des letzten) wäre unter diesem Gesichtspunkt eine Einfuhr für das Unternehmen gegeben. Abzugsberechtigt bezüglich der entrichteten Einfuhrumsatzsteuer kann jedoch nur einer der Unternehmer in der Reihe sein.
3. Für die demnach notwendige Auswahl des einen abzugsberechtigten Unternehmers stehen zwei Kriterien zur Wahl, nämlich die Anknüpfung an den die Einfuhrumsatzsteuer entrichtenden Unternehmer oder an die Verfügungsmacht im Zeitpunkt der Einfuhr. Hätte der Gesetzgeber die Abzugsberechtigung dem die Einfuhrumsatzsteuer entrichtenden Unternehmer zusprechen wollen, so hätte es nahegelegen, dies durch die Formulierung "die von ihm entrichtete Einfuhrumsatzsteuer" zum Ausdruck zu bringen. Dies hat er jedoch vermieden. Gegen eine Anknüpfung an den die Einfuhrumsatzsteuer entrichtenden Unternehmer, wie sie von der Klägerin vertreten wird, spricht, daß dann bei gleichartiger Geschäftsabwicklung die Person des Abzugsberechtigten nach der vereinbarten Lieferkondition wechseln könnte, also je nachdem, ob "unverzollt und unversteuert" oder "verzollt oder versteuert" geliefert wird, was nicht unbedingt in der Reihe einheitlich durchgehalten zu sein braucht (vgl. Eckhardt/Weiß, Umsatzsteuergesetz 1967, Kommentar, § 1 Abs. 1 Nr. 3 Tz. 77 ff., 85 ff.). Die Abzugsberechtigung würde sich diesfalls nicht nach objektiven, für alle Fallgestaltungen gleichen Kriterien bestimmen, sondern letztlich nach den getroffenen Vereinbarungen.
Außer diesem Mangel spricht gegen diesen Anknüpfungspunkt, daß er zumindest eine weitere Fallgestaltung nicht befriedigend lösen könnte: Verbringt ein Unternehmer einen Gegenstand vom Ausland in das Inland, um ihn hier an einen anderen Unternehmer zu vermieten, so erbringt er im Inland steuerbare Vermietungsleistungen im Rahmen seines Unternehmens. Dem Mieter steht hinsichtlich der auf der Einfuhr liegenden Einfuhrumsatzsteuer keine Vorsteuerabzugsberechtigung zu, sondern nur bezüglich der auf das Mietentgelt entfallenden Umsatzsteuer. Die Anknüpfung der Vorsteuerabzugsberechtigung bezüglich der entrichteten Einfuhrumsatzsteuer an die Person des Entrichtenden versagt, falls nicht der Vermieter, sondern der Mieter nach den getroffenen Vereinbarungen neben dem Mietzins die zu entrichtende Einfuhrumsatzsteuer zu zahlen hat (vgl. Eckhardt/Weiß, a. a. O., § 1 Abs. 1 Nr. 3 Tz. 77 b).
4. Eine durchgängig tragfähige Grundlage für die Bestimmung des zum Abzug der Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer berechtigten Unternehmers bietet dagegen die Anknüpfung an die Verfügungsmacht über den eingeführten Gegenstand im Zeitpunkt der Einfuhr. Eine "Einfuhr für sein Unternehmen" ist nicht gegeben, wenn der Unternehmer den eingeführten Gegenstand nur wirtschaftlich nutzt (durch Verwendung zum Bewirken von Umsätzen), ohne ihn auch im umsatzsteuerrechtlichen Sinne seinem inländischen Unternehmensbereich einzugliedern. Dieses Erfordernis muß hinzutreten. Es liegt vor, wenn der Unternehmer im Zeitpunkt der Einfuhr die Verfügungsmacht über den Gegenstand besitzt. Dem steht gleich, daß die Lieferung an den Abnehmer als bewirkt gilt (§ 3 Abs. 7 UStG 1967).
Beim Reihenversendungsgschäft vom Ausland in das Inland, das durch Versendung des Gegenstandes vom ersten an den letzten Unternehmer in der Reihe bewirkt wird, gelangt der Liefergegenstand infolge § 3 Abs. 7 UStG 1967 im Wege nichtsteuerbarer Lieferungen im Ausland im Inland erstmals und nur in den inländischen Unternehmensbereich des letzten Abnehmers in der Reihe. Nur dieser kann mit dem Gegenstand, der ihm mit Beginn der Versendung geliefert ist, im Inland Umsätze bewirken. Es ist irrelevant, welche Lieferkonditionen bezüglich der Einfuhrumsatzsteuer vereinbart worden sind. An der Abzugsberechtigung ändert sich auch dann nichts, wenn dieser Abnehmer den Gegenstand im Ausland selbst abholt.
Beim Verbringen eines Gegenstandes in das Inland zwecks anschließender Vermietung ist unabhängig von der Entrichtung der Einfuhrumsatzsteuer abzugsberechtigt der Vermieter, da der vermietete Gegenstand in seinem Unternehmen verbleibt. Bei den Fällen des Verbringens, die im Zusammenhang mit einer anschließenden Lieferung im Inland stehen, hat der verbringende Unternehmer im Zeitpunkt der Einfuhr noch die Verfügungsmacht. Er ist abzugsberechtigt, auch wenn er die Entrichtung der Einfuhrumsatzsteuer auf seinen künftigen Abnehmer überwälzt (vgl. im einzelnen Eckhardt/Weiß, a. a. O., § 1 Abs. 1 Nr. 3 Tz. 75 ff.).
Die Anknüpfung an die Verfügungsmacht ermöglicht somit eine klare, für die Beteiligten am Leistungsaustausch jederzeit übersehbare Bestimmung des abzugsberechtigten Unternehmers. Der erkennende Senat ist daher der Auffassung, daß der im Erlaß des Bundesministers der Finanzen vom 28. Juni 1969 (Abschnitt C Teil II Abs. 3; BStBl I 1969, 349; USt-Kartei § 15 S 7302 Karte 2) insoweit eingenommene Rechtsstandpunkt zur Person des abzugsberechtigten Unternehmers, dem das Schrifttum gefolgt ist, im Ergebnis eine zutreffende Auslegung des Gesetzes enthält.
5. Nach den vorstehenden Erwägungen steht der Klägerin der begehrte Vorsteuerabzug nicht zu. Sie hat im Wege nichtsteuerbarer Lieferung von einem Schweizer Hersteller eine Maschine bezogen. Dieser hat die Maschine in der Schweiz einem Beauftragten des Klägers übergeben und damit geliefert. Der Beauftragte, ein Spediteur, hatte Weisung, den Liefergegenstand in Vollzug des Kaufvertrages, den die Klägerin mit dem inländischen Abnehmer geschlossen hatte, an diesen zu befördern. Mit dem Beginn dieses Beförderungsvorgangs galt die Lieferung an den inländischen Abnehmer als ausgeführt (§ 3 Abs. 7 UStG 1967). Die Rechtszuständigkeit zum Abzug der Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer war damit in der Person des inländischen Abnehmers entstanden. Bei Vereinbarung der Lieferkondition "unverzollt und unversteuert" hätte die Klägerin die Entrichtungsverpflichtung bezüglich der Einfuhrumsatzsteuer und die Abzugsberechtigung in der Person ihres Abnehmers zur Dekkung bringen können. Dies hat sie jedoch zu ihrem Nachteil verabsäumt.
Fundstellen
Haufe-Index 73598 |
BStBl II 1980, 615 |
BFHE 1980, 564 |