Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Unter welchen Voraussetzungen sind Aushilfskräfte Arbeitnehmer?
Ob eine Aushilfs- oder Nebentätigkeit in selbständiger oder unselbständiger Stellung geleistet wird, ist in der Regel allein nach der Art dieser Tätigkeit zu beurteilen. Die Art der Haupttätigkeit ist für die Beurteilung der Aushilfs- oder Nebentätigkeit nur wesentlich, wenn beide Tätigkeiten unmittelbar zusammenhängen.
Für Aushilfskräfte ist die Lohnsteuer nach den allgemeinen Grundsätzen zu berechnen. Der Arbeitgeber darf den Lohnsteuerabzug nicht deswegen unterlassen, weil - auf das Kalenderjahr gesehen - der Arbeitnehmer voraussichtlich lohnsteuerfrei sein wird.
Wird der Arbeitgeber nach Ablauf des Kalenderjahrs vom Finanzamt wegen Nichteinbehaltung von Lohnsteuer in Anspruch genommen, so kann er im Haftungsverfahren den Einwand, daß der Arbeitnehmer - auf das abgelaufene Jahre gesehen - keine Lohnsteuer schulde, mindestens dann nicht erheben, wenn für den Arbeitnehmer die Fristen zur Beantragung des Lohnsteuer- Jahresausgleichs oder der Veranlagung verstrichen sind.
Bei der Ermessensentscheidung des Finanzamts, ob es den Arbeitgeber überhaupt oder den Arbeitnehmer vor dem Arbeitgeber haftbar machen soll, ist unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit von Bedeutung, ob der Arbeitgeber einem entschuldbaren Rechtsirrtum unterlegen ist. Das kann der Fall sein, wenn das Finanzamt eine unklare Auskunft erteilt hatte.
Normenkette
EStG §§ 19, 38 Abs. 3, §§ 41-42; LStDV §§ 1, 32-33, 37, 46; StAnpG § 2 Abs. 2, § 7/1
Tatbestand
Die Bfin., eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts, deren Gesellschafter zwei Frauen sind, betreibt einen Kohlengroß- und Einzelhandel. Sie beschäftigt keine ständigen Arbeitskräfte. Bei Bedarf werden Kleingewerbetreibende, Arbeiter, Rentner, Landwirte und Landwirtssöhne als Aushilfskräfte ganz- oder halbtägig herangezogen. Die an Kleingewerbetreibende und Landwirte gezahlten Vergütungen hielt auch das Finanzamt für nicht lohnsteuerpflichtig. Dagegen nahm es die Bfin. als Arbeitgeberin für die Lohnsteuer auf die in den Jahren 1956/1957 an Landwirtssöhne gezahlten Vergütungen in Anspruch und berechnete die Lohnsteuer pauschal mit 56,95 DM. In einem früheren Haftungsverfahren hatte die Bfin. behauptet, keine Aushilfskraft habe im Jahr mehr als 50 bis 100 DM erhalten. Das Finanzamt hatte damals für die Jahre 1951 bis 1956 Lohnsteuer nachgefordert, hatte aber später den Haftungsbescheid ersatzlos aufgehoben und mit der Bfin. vereinbart, daß diese in Zukunft keine Lohnsteuer einbehalten solle, soweit die Aushilfskräfte einer selbständigen Hauptbeschäftigung nachgingen; für Aushilfskräfte, die keiner selbständigen Hauptbeschäftigung nachgingen, solle die Lohnsteuer nach Abschn. 52 c Abs. 2 LStR pauschaliert werden. Die Bfin. hielt, wie sie behauptet, auch Landwirtssöhne in ihrer Haupttätigkeit für selbständig.
Das Finanzgericht, dessen Entscheidung in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 1960 S. 111 veröffentlicht ist, stellte in dem angefochtenen Zwischenurteil fest, die Bfin. sei zu Recht für die Lohnsteuer in Anspruch genommen worden, die auf die in den Jahren 1956 und 1957 an Landwirtssöhne gezahlten Vergütungen entfielen. Auch kurzfristig beschäftigte Personen könnten Arbeitnehmer sein (Hartz-Over, Lohnsteuer, Stichwort: "Aushilfskräfte"); ein Dienstverhältnis dauere unter Umständen nur einen Tag oder einen halben Tag. Treffe bei einer Person die Arbeitnehmertätigkeit mit einer anderen Tätigkeit zusammen, so könne eine im allgemeinen nichtselbständig ausgeübte Tätigkeit selbständig sein, sofern sie nur eine Nebentätigkeit (Hilfstätigkeit) zu der selbständigen Tätigkeit sei (Blümich-Falk, Anm. 3 zu § 19 EStG; Urteil des Bundesfinanzhofs V 49/51 U vom 23. Oktober 1952, BStBl 1953 III S. 21, Slg. Bd. 57 S. 58). Im Streitfall komme es darauf an, ob die Landwirtssöhne im Betrieb ihrer Eltern selbständig oder unselbständig tätig seien. Der Bundesfinanzhof erkenne Arbeitsverhältnisse zwischen Eltern und Kindern auch in der Landwirtschaft an (Urteil IV 520/53 U vom 17. Februar 1955, BStBl 1955 III S. 102, Slg. Bd. 60 S. 262). Im Streitfall seien die im landwirtschaftlichen Betrieb ihrer Eltern mitarbeitenden Söhne Arbeitnehmer gewesen; infolgedessen seien auch die von der Bfin. gezahlten Vergütungen Arbeitslohn. Der Einwand der Bfin., sie habe ohne grobes Verschulden an der Arbeitnehmereigenschaft zweifeln können, greife nicht durch. Wollte man das gelten lassen, so könnte sich jeder Arbeitgeber bei Aushilfskräften auf Unkenntnis berufen. Die Bfin. hätte aus Abschn. 52 c LStR entnehmen können, daß die Beschäftigung von Aushilfskräften die Lohnsteuer auslöse und daß eine Pauschbesteuerung möglich sei.
Die Bfin. rügt unrichtige Anwendung von § 19 EStG (§ 1 LStDV) und § 38 Abs. 3 EStG (§ 46 LStDV). Sie bestreitet, daß die Aushilfskräfte zu ihr in ein Dienstverhältnis getreten seien; sie hätten nur von Fall zu Fall begrenzte Aufträge übernommen. Die Art des Hauptberufs könne auch nicht, wie das Finanzgericht meine, die Art aller Einkünfte einer Person bestimmen; ob Landwirtssöhne im elterlichen Betrieb Arbeitnehmer seien, spiele darum keine Rolle. Zudem habe das Finanzgericht nicht festgestellt, ob die von ihr beschäftigten Landwirtssöhne wirklich Arbeitnehmer ihrer Eltern gewesen seien. Sie habe auf Grund der mündlichen Auskünfte der Betroffenen angenommen, daß diese im Hauptberuf nicht Arbeitnehmer seien.
Der Bundesminister der Finanzen, der dem Verfahren gemäß § 287 Ziff. 2 AO beigetreten ist, hält die Aushilfskräfte der Bfin. für Arbeitnehmer, hält es aber für vertretbar, im Streitfall von der Inanspruchnahme der Bfin. Abstand zu nehmen.
Entscheidungsgründe
I. Aushilfskräfte als Arbeitnehmer
Der Begriff "Arbeitnehmer" ist im EStG nicht umschrieben, wohl aber in § 1 Abs. 2 und 3 LStDV. In dieser Vorschrift sind die Merkmale des Begriffs "Arbeitnehmer" vorwiegend im Anschluß an die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des Bundesfinanzhofs bestimmt. § 1 Abs. 2 und 3 LStDV schafft kein zusätzliches Recht über das EStG hinaus, sondern legt nur zur Durchführung des EStG den im EStG enthaltenen Rechtsbegriff "Arbeitnehmer" aus (vgl. Urteil des Senats VI 51/61 S vom 7. Juli 1961, BStBl 1961 III S. 433).
Arbeitnehmer sind nach § 1 Abs. 2 und 3 LStDV Personen, die aus einem Dienstverhältnis Arbeitslohn beziehen. In einem Dienstverhältnis steht, wer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet, d. h. unter der Leitung des Arbeitgebers tätig wird oder in den Betrieb des Arbeitgebers eingegliedert ist und den Weisungen des Arbeitgebers folgen muß. Ob jemand, der für einen anderen tätig wird, in dessen Betrieb eingegliedert ist und als unselbständiges Glied dieses Betriebs den Weisungen des Unternehmers folgen muß, ist oft zweifelhaft; denn es kann jemand einem anderen zu Dienstleistungen verpflichtet und auch bestimmten Weisungen unterworfen sein, ohne in den Betrieb des anderen eingegliedert zu sein. Oft sprechen gleichzeitig bestimmte Merkmale für die Selbständigkeit und die Unselbständigkeit. In solchen Fällen ist das Gesamtbild maßgebend; d. h. die für und gegen die Unselbständigkeit sprechenden Tatsachen sind in solchen Fällen gegeneinander abzuwägen; die jeweils gewichtigeren Umstände sind ausschlaggebend für die Beurteilung, ob eine Tätigkeit selbständig oder unselbständig ausgeübt wird.
Besondere Schwierigkeiten in der Abgrenzung entstehen, wenn jemand nur nebenberuflich (neben einer Haupttätigkeit) oder aushilfsweise für einen fremden Betrieb tätig wird. Die Begriffe "Nebentätigkeit" und "Aushilfstätigkeit" berühren sich nicht unmittelbar. Eine Nebentätigkeit kann gleichzeitig eine Aushilfstätigkeit sein; aber ein solcher Zusammenhang ist nicht unbedingt erforderlich. Beiden Tätigkeitsarten ist aber gemeinsam, daß sie gewöhnlich die Arbeitskraft einer Person nicht voll in Anspruch nehmen und meist eine nur lose Beziehung zum Betrieb des Auftraggebers begründen. Der Begriff "Aushilfstätigkeit" wird vom Betrieb des "Dienstherrn" und der Begriff "Nebentätigkeit" vom Dienstleistenden her bestimmt.
In welche Einkunftsart Einkünfte aus einer Aushilfstätigkeit oder Nebentätigkeit fallen, ist grundsätzlich nach der Art der Tätigkeit selbst und unabhängig von der Haupttätigkeit zu beurteilen. Es ist nicht richtig, wenn das Finanzgericht hier entscheidendes Gewicht darauf gelegt hat, welchen Hauptberuf die von der Bfin. beschäftigten Personen hatten. Man kann in der Regel nicht dieselbe Tätigkeit, die mehrere Personen gleichzeitig leisten, in ihrer steuerlichen Beurteilung davon abhängig machen, ob die gleichzeitig beschäftigten Personen Landwirte oder Rentner sind oder als Landwirtssöhne zu ihren Eltern in einem Arbeitsverhältnis stehen oder nicht. Der Einwand der Bfin., sie könne nicht wissen, welche anderen Einkünfte die Beschäftigten gehabt hätten und könne nicht feststellen, ob diese Beschäftigten noch eine andere Haupttätigkeit ausübten und in welche steuerliche Einkunftsart diese einzuordnen sei, ist verständlich.
Der Grundsatz, daß Einkünfte aus einer Nebentätigkeit selbständig zu beurteilen sind, erfährt nur eine Einschränkung, wenn die Nebentätigkeit mit der Ausübung des Hauptberufs unmittelbar zusammenhängt und ihn zur Voraussetzung hat (vgl. z. B. die Urteile des Bundesfinanzhofs IV 405/53 U vom 7. Oktober 1954, BStBl 1955 III S. 17, Slg. Bd. 60 S. 45, betreffend Provisionen der Angestellten des Innendienstes einer Versicherungsgesellschaft; IV 46/54 U vom 9. Dezember 1954, BStBl 1955 III S. 55, Slg. Bd. 60 S. 141, betreffend Nebenvergütungen von Notarangestellten; IV 101/56 U vom 17. Juli 1958, BStBl 1958 III S. 360, Slg. Bd. 67 S. 223, betreffend Rechtsanwalt als Lehrbeauftragten einer Hochschule; IV 181/54 U vom 3. März 1955, BStBl 1955 III S. 153, Slg. Bd. 60 S. 400, betreffend schriftstellerische Nebentätigkeit eines angestellten Journalisten). In diesen Fällen ist die Nebentätigkeit steuerlich wie die Haupttätigkeit zu beurteilen, weil sie gewissermaßen nur deren Ausfluß ist. Die steuerliche Parallelbeurteilung von Haupttätigkeit und Nebentätigkeit darf aber nicht so weit ausgedehnt werden, wie es das Finanzgericht will. Grundsätzlich muß vielmehr eine Nebentätigkeit selbständig aus ihren eigenen Gegebenheiten beurteilt werden.
Bei der Prüfung, ob eine Aushilfstätigkeit oder Nebentätigkeit in selbständiger oder nichtselbständiger Stellung geleistet wird, können vor allem die folgenden Gesichtspunkte bedeutsam sein:
Daß eine Tätigkeit nur kurzfristig oder neben einer Haupttätigkeit ausgeübt wird, schließt die Eingliederung in den Betrieb des Auftraggebers und damit die Arbeitnehmereigenschaft nicht aus, wie auch das Finanzgericht zutreffend annimmt.
Bei einer zeitlich nur kurzen Berührung mit dem Betrieb des Auftraggebers ist die Eingliederung des Beauftragten sorgfältig zu prüfen. Dabei kann auch die Eigenart der Tätigkeit bedeutsam sein. Bei einfachen Arbeiten, vor allem bei Handarbeiten, bei denen das Weisungsrecht des Auftraggebers sich stärker auswirkt, ist eher eine Eingliederung in den Betrieb und die Gestellung der Arbeitskraft anzunehmen, als bei gehobenen Arbeiten, in denen die Weisungsbefugnis des Auftraggebers sich mehr auf äußere und organisatorische Dinge beschränkt, während im übrigen der Beauftragte in der Gestaltung seiner Arbeit freie Hand hat und der Arbeitserfolg wichtiger ist als Dauer und Umfang der Arbeitsleistung. Darum sind z. B. Aushilfskräfte in Gastwirtschaften oder Musiker, die in Gaststätten oder Kaffees spielen oder landwirtschaftliche Saisonarbeiter in der Regel unselbständig (vgl. z. B. Urteil des Senats VI 73/58 U vom 10. Juli 1959, BStBl 1959 III S. 354, Slg. Bd. 69 S. 243, betreffend landwirtschaftliche Aushilfskräfte). Nebenberuflich tätige künstlerische oder wissenschaftliche Kräfte sind dagegen gewöhnlich selbständig (Urteile des Bundesfinanzhofs IV 106/54 U vom 3. November 1955, BStBl 1956 III S. 110, Slg. Bd. 62 S. 296, betreffend Berufsmusiker, die vorübergehend im Rundfunk mitwirken, und VI 29/59 S vom 24. April 1959, BStBl 1959 III S. 193, Slg. Bd. 68 S. 504, betreffend nebenberufliche Lehrer an Abendschulen).
Muß der Beauftragte die Arbeit in der Betriebstätte des Auftraggebers leisten, so spricht das eher für die Eingliederung in den Betrieb, als wenn er die Arbeit außerhalb der Betriebstätte leisten kann.
Heimarbeiter sind daher im allgemeinen nicht Arbeitnehmer. Bei ihnen steht gewöhnlich der Arbeitserfolg im Vordergrund (Urteile des Bundesfinanzhofs IV 542/53 vom 2. Dezember 1954, Deutsche Steuer-Rundschau 1955 S. 231; IV 543/53 vom 20. Januar 1955 Steuerrechtsprechung in Karteiform, Rechtsspruch 34 zu § 19 Abs. 1 Ziff. 1 EStG). Gegen die Unselbständigkeit spricht es, wenn jemand die übernommene Arbeit auch durch eine andere Person, z. B. einen Familienangehörigen, leisten lassen kann; denn ein Arbeitnehmer muß in der Regel persönlich tätig werden (Urteile des Bundesfinanzhofs V 86/55 U vom 12. Januar 1956, BStBl 1956 III S. 119, Slg. Bd. 62 S. 322, betreffend Zeitungsausträger; VI 72/58 vom 3. Juli 1959, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Rechtsspruch 136 zu § 19 Abs. 1 Ziff. 1 EStG, betreffend Grabenausheber; VI 186/58 U vom 11. März 1960, BStBl 1960 III S. 215, Slg. Bd. 70 S. 578, betreffend Vertrauensleute einer Buchgemeinschaft).
Wesentlich ist, ob der Beauftragte seine Arbeit zu einer vom Auftraggeber festgesetzten Zeit leisten muß. Es spricht eher für Selbständigkeit, wenn ein Beauftragter die übernommene Arbeit erledigen kann, wann er will, ohne dabei an die Weisungen seines Auftraggebers gebunden zu sein.
Ein Arbeitnehmer ist kein Unternehmer und trägt kein unternehmerisches Risiko. Trägt darum der Beauftragte in größerem oder geringerem Umfang das Risiko des Arbeitserfolgs, so ist er selbständig (Urteil des Bundesfinanzhofs I 200/59 S vom 3. Oktober 1961, BStBl 1961 III S. 567, betreffend Generalagenten von Versicherungsgesellschaften).
Ob die Beteiligten bürgerlich-rechtlich eine freie Mitarbeiterschaft oder ein Arbeitsverhältnis vereinbaren, kann steuerlich nicht allein ausschlaggebend sein; denn im Steuerrecht kommt es in erster Linie auf die tatsächliche Handhabung an. In Grenzfällen, in denen im Geschäftsverkehr eine Tätigkeit bestimmter Art sowohl in selbständiger als auch in unselbständiger Stellung geleistet wird, kann indessen auch dem Vertragswillen der Beteiligten Bedeutung zukommen (Urteil des Bundesfinanzhofs I 200/59 S, a. a. O.).
Möglich ist, daß kein Arbeitsverhältnis begründet wird, sondern der Gedanke der Gefälligkeit in den Vordergrund tritt. Dann ist das Entgelt nicht Arbeitslohn. Ob es in eine andere Einkunftsart fällt, ist im Einzelfall zu prüfen. Diese Frage könnte z. B. auftreten, wenn ein Landwirt mit seinem Gespann Kohlen abholte und aus Gefälligkeit gegenüber der Bfin. oder seinen Nachbarn deren Kohlen mitnähme und dafür eine Entschädigung erhielte.
Die Behandlung bei der Sozialversicherung ist für die steuerliche Beurteilung nicht ausschlaggebend. Im Sozialversicherungsrecht ist die Interessenlage teilweise anders (Urteil des Bundesfinanzhofs VI 244/61 U vom 6. Oktober 1961 BStBl 1961 III S. 549). Die Begriffe "Arbeitnehmer" im Steuerrecht und "Beschäftigungsverhältnis" im Sozialversicherungsrecht stimmen zwar im wesentlichen überein. Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne des Sozialversicherungsrechts wird nämlich angenommen, wenn der Arbeitnehmer in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit zum Arbeitgeber steht, wobei die persönliche Abhängigkeit besonders in einem Weisungsrecht des Arbeitgebers und in der Regelung und überwachung der Arbeitszeit, der Arbeitsfolge und des Arbeitsverfahrens durch diesen zum Ausdruck kommt (Entscheidungen des früheren Reichsversicherungsamts vom 1. November 1926 in Amtliche Nachrichten des Reichsversicherungsamts - AN - 1927 S. 24; vom 13. Februar 1931 in AN 1931 S. 179; vom 28. Juni 1932 in AN 1932 S. 430; Urteile des Bundessozialgerichts vom 5. April 1956 in Entscheidungen des Bundessozialgerichts Bd. 3 S. 30, und vom 25. Februar 1958 in "Soziale Sicherheit" 1958 S. 153). Die Versicherungspflicht tritt grundsätzlich auch bei nur aushilfsweiser Beschäftigung ein; aber es gelten manche Sonderregelungen (vgl. § 168 der Reichsversicherungsordnung - RVO -, § 1228 RVO und § 4 des Angestelltenversicherungsgesetzes - AVG -). So sind z. B. Aushilfskräfte versicherungsfrei, wenn sie berufsmäßig eine die Versicherungspflicht begründende Beschäftigung oder Tätigkeit nicht ausüben, eine solche aber als Nebenbeschäftigung oder Nebentätigkeit übernehmen. Eine Nebenbeschäftigung und Nebentätigkeit in diesem Sinne liegt vor, wenn die an sich versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit nur gelegentlich, besonders zur Aushilfe, für eine in den Vorschriften bestimmte Zeitdauer oder nebenher gegen ein geringeres Entgelt ausgeübt wird.
Im Streitfall waren nach diesen Grundsätzen die Aushilfskräfte der Bfin. ihre Arbeitnehmer. Sie leisteten nur einfache Arbeiten im Betrieb und in der Betriebstätte der Bfin., bei denen sie der Weisungsbefugnis der Bfin. unterlagen; für eine individuelle Gestaltung ihrer Arbeit nach Inhalt, Zeit und Ort war kein Raum. Daß sie nur kurzfristig beschäftigt waren, ihre Einkünfte aus der Arbeit für die Bfin. im Jahre nur gering und sie sozialversicherungsfrei waren, ist unerheblich. Die Unterscheidung des Finanzgerichts, ob sie im Hauptberuf selbständig waren oder nicht, spielt demgegenüber keine Rolle.
Nach allem hat das Finanzgericht die Landwirtssöhne im Ergebnis mit Recht als Arbeitnehmer der Bfin. angesehen. Seiner Begründung ist aber nicht zuzustimmen, soweit es nicht alle Aushilfskräfte der Bfin. als Arbeitnehmer angesehen hat.
II. Steuerabzug und Berechnung der Lohnsteuer für Aushilfskräfte
Für Aushilfskräfte ist die Lohnsteuer nach den allgemeinen Grundsätzen zu berechnen, sofern sie nicht mit Zustimmung des Arbeitgebers vom Finanzamt pauschaliert wird (früher Abschn. 52 c LStR, jetzt § 35 b LStDV). Es ist die Lohnsteuertabelle anzuwenden, die für den im Einzelfall zu ermittelnden Lohnzahlungsszeitraum ( 33 LStDV) maßgebend ist. Legt der als Aushilfe beschäftigte Arbeitnehmer eine Lohnsteuerkarte schuldhaft nicht vor, so muß der Arbeitgeber nach § 37 Abs. 1 LStDV verfahren. Soll der Arbeitgeber, weil er Lohnsteuer nicht einbehalten hat, vom Finanzamt in Anspruch genommen werden, so ist zuvor zu prüfen, ob bei richtiger Handhabung im einzelnen Fall überhaupt Lohnsteuer einzubehalten gewesen wäre. Das ist gerade bei gering bezahlten Aushilfskräften oft nicht der Fall (Urteile des Senats VI 143/56 U vom 25. Oktober 1957, BStBl 1958 III S. 15, Slg. Bd. 66 S. 38; VI 73/58 U vom 10. Juli 1959, a. a. O.).
Von Löhnen der Aushilfskräfte ist zuweilen - gesehen auf den Lohnzahlungszeitraum - Lohnsteuer einzubehalten, während - auf das Kalenderjahr gesehen - eine Lohnsteuer-Jahresschuld nicht entsteht, so daß eine einbehaltene Lohnsteuer nach Ablauf des Kalenderjahrs dem Arbeitnehmer zu erstatten wäre. Die Bfin. will offenbar mit der Behauptung, daß die Bezüge ihrer Aushilfskräfte nur gering gewesen seien, einen entsprechenden Einwand erheben. Der Arbeitgeber kann aber damit im Lohnsteuer-Haftungsverfahren nicht gehört werden, wie der Bundesminister der Finanzen zutreffend annimmt. Nach § 39 EStG (§ 32 Abs. 1 LStDV) ist die Lohnsteuer als Jahressteuer zwar nach dem Arbeitslohn zu bemessen, den der Arbeitnehmer im Kalenderjahr bezogen hat. Im Lohnsteuer- Abzugsverfahren wird indessen nach § 41 EStG (§ 32 Abs. 2 LStDV) die Lohnsteuer nach dem im Lohnzahlungszeitraum gezahlten Arbeitslohn berechnet. Die Jahreslohnsteuer (Jahreseinkommensteuer) wird erst im Lohnsteuer-Jahresausgleich (§ 42 EStG) oder bei der Veranlagung des Arbeitnehmers (§ 46 EStG) festgestellt. Vor Ablauf des Kalenderjahrs ist also die Lohnsteuer eine Lohnzahlungszeitraumsteuer. Diese gesetzliche Regelung ist sinnvoll und ist bei dem derzeitigen Aufbau des Lohnsteuerverfahrens unumgänglich, weil zur Zeit der Lohnzahlung und des Steuerabzugs weder der Steuerpflichtige noch der Arbeitgeber noch das Finanzamt die zukünftige Entwicklung des Einkommens des Arbeitnehmers zuverlässig übersehen können. Nach den Grundsätzen des Lohnsteuerrechts kann darum der Arbeitgeber nicht schon im Laufe des Kalenderjahrs von der Einbehaltung der Lohnsteuer mit der Begründung befreit sein, daß im Lohnsteuer- Jahresausgleich oder bei einer Veranlagung voraussichtlich dem Arbeitnehmer die Lohnsteuer wieder erstattet werden müßte. Das bedeutete die Vorwegnahme einer erst später möglichen Entscheidung. Die Prüfung, wie hoch die Lohnsteuer (Einkommensteuer) für das Kalenderjahr ist, kann also erst nach Ablauf des Kalenderjahrs geschehen.
Eine andere Frage ist, ob der Arbeitgeber, wenn er wie im Streitfall erst nach Ablauf des Kalenderjahrs vom Finanzamt in Anspruch genommen wird, einwenden kann, daß jetzt - rückschauend auf das abgelaufene Kalenderjahr - ja ermittelt werden könne, ob für einen Arbeitnehmer eine Jahreslohnsteuerschuld (Jahreseinkommensteuerschuld) entstanden sei. In den Urteilen des Bundesfinanzhofs VI 105/55 U vom 20. Dezember 1957 (BStBl 1958 III S. 84, Slg. Bd. 66 S. 217) und VI 220/57 S vom 3. Juli 1959 (BStBl 1959 III S. 351, Slg. Bd. 69 S. 235) ist zwar anerkannt, daß der Arbeitgeber gegen seine Inanspruchnahme im Haftungsverfahren bestimmt aus der Person des Arbeitnehmers genommene Einwendungen erheben kann. Vorausgesetzt wird dabei aber, daß der Arbeitnehmer, wenn er statt des Arbeitgebers in Anspruch genommen würde, selbst mit den Einwendungen noch gehört werden könnte. Den Einwand, daß er - auf ein abgelaufenes Kalenderjahr gesehen - Lohnsteuer (Einkommensteuer) nicht zu zahlen brauche, kann aber der Arbeitnehmer mindestens dann nicht erheben, wenn die Frist zur Beantragung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs oder der Veranlagung verstrichen ist. Das Finanzamt kann zwar dem Arbeitnehmer wegen Versäumung der Antragsfrist Nachsicht gewähren oder aus Billigkeitsgründen (§ 131 AO) im Einzelfall die Lohnsteuer erlassen oder erstatten. Ob solche besonderen Umstände vorliegen, kann aber nicht im Haftungsverfahren gegen den Arbeitgeber geprüft werden; denn es entspräche nicht der Systematik des Gesetzes, das Lohnsteuerverfahren - und dazu gehört auch das Lohnsteuerhaftungsverfahren - derart mit anderen Verfahren zu vermengen. Dagegen spricht auch, daß dadurch dem Arbeitgeber leicht ein Anreiz gegeben würde, gesetzwidrig den Steuerabzug zu unterlassen und bei späterer Inanspruchnahme durch das Finanzamt der Haftung durch derartige Einwendungen zu entgehen.
Das Finanzgericht hat demnach mit Recht geprüft, ob - gesehen auf den Lohnzahlungszeitraum - Lohnsteuer einzubehalten war, ohne auf die Jahreslohnsteuerschuld einzugehen.
III. Geltendmachung des Haftungsanspruchs gegen den Arbeitgeber
Will das Finanzamt wegen Nichteinbehaltung von Lohnsteuer ein Haftungsverfahren einleiten, so muß es in jedem Fall prüfen und nach seinem Ermessen, d. h. nach Recht und Billigkeit, entscheiden, ob es den Arbeitgeber überhaupt oder ob es nicht zuvor den Arbeitnehmer als den eigentlichen Steuerschuldner in Anspruch nehmen soll (siehe § 38 Abs. 3 EStG, § 7 Abs. 1 und § 2 Abs. 2 des Steueranpassungsgesetzes; ferner aus der Rechtsprechung des Senats VI 134/57 U vom 18. Juli 1958, BStBl 1958 III S. 384, Slg. Bd. 67 S. 290; VI 48/57 S vom 21. November 1958, BStBl 1959 III S. 69 Slg. Bd. 68 S. 176 - am Schluß -; VI 252/57 U vom 6. Mai 1959, BStBl 1959 III S. 292, Slg. Bd. 69 S. 83; VI 219/60 U vom 24. April 1961, BStBl 1961 III S. 285). Unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit kann es gerade bei Aushilfskräften von Bedeutung sein, ob der Arbeitgeber bei der Unterlassung des Steuerabzugs nicht einem entschuldbaren Rechtsirrtum unterlegen ist. Im allgemeinen wissen heute die Arbeitgeber, daß sie Lohnsteuer einzubehalten haben; wenn sie Zweifel haben, können sie eine Auskunft beim Finanzamt einholen (§ 56 LStDV). Das Finanzgericht meint, die Bfin. habe schon aus Abschn. 52 c LStR entnehmen können, daß sie für die Aushilfskräfte Lohnsteuer hätte einbehalten müssen. Es kann dahingestellt bleiben, ob das nicht eine überspitzung ist und ob man wirklich auch von einem kleinen Arbeitgeber erwarten kann, daß er die LStR bis in die Einzelheiten kennt. Denn hier hat das Finanzgericht jedenfalls nicht gewürdigt, daß die Bfin. früher vom Finanzamt eine unklare Auskunft über die Einbehaltung der Lohnsteuer erhalten hatte, indem das Finanzamt damals die Einbehaltung der Lohnsteuer an so unklare Voraussetzungen knüpfte, daß es, wie auch der Bundesminister der Finanzen meint, bei den Verhältnissen der Bfin. als entschuldbarer Irrtum gelten kann, wenn sie auch für Landwirtssöhne die Lohnsteuerpflicht verneinte.
Die Vorentscheidung war deshalb aufzuheben. Gemäß § 296 Abs. 3 AO kann der Senat selbst entscheiden und stellt auf Grund der Aktenlage fest, daß die Bfin. für die streitigen Fälle nicht als Arbeitgeberin in Anspruch genommen werden kann.
Fundstellen
Haufe-Index 410295 |
BStBl III 1962, 37 |
BFHE 1962, 97 |
BFHE 74, 97 |