Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerliche Förderungsgesetze
Leitsatz (amtlich)
Grundstücke, die im Rückerstattungsverfahren in das Eigentum von Nachfolgeorganisationen und Treuhandkörperschaften im Sinne von Art. 5 des Dritten Teiles des überleitungsvertrages übergegangen sind, unterliegen nicht der HGA.
Vertrag zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen vom 26. Mai 1952, Dritter Teil
Normenkette
ÜbV 6; LAG § 111/1; LAG § 111/3; 15-AbgabenDV-LA 2; 15-AbgabenDV-LA 3
Tatbestand
Die Abgabepflichtige ist eine nach englischem Recht errichtete Treuhandkörperschaft bzw. Nachfolgeorganisation mit dem Sitz in England. Sie verfolgt nach Ziff. 3 (A) ihres Gründungsprotokolls in der Fassung der änderung vom 14. August 1951 unter anderem den Zweck, auf Grund des Gesetzes Nr. 59 der ehemaligen Britischen Militärregierung in Deutschland - Rückerstattungsgesetz (REG) - Ansprüche auf Rückerstattung jüdischen Eigentums geltend zu machen, an dem weder Erb- noch Eigentumsrechte bestehen, oder dessen Rückerstattung aus sonstigen Gründen nicht geltend gemacht worden ist.
Gemäß der ihr durch Art. 8 und 9 REG in Verbindung mit der Siebenten Durchführungsverordnung zu diesem Gesetz eingeräumten Befugnis zur Verfolgung von Rückerstattungsansprüchen ist durch rechtskräftigen Beschluß eines Oberlandesgerichts die Rückerstattung eines Grundstückes an die Abgabepflichtige angeordnet worden, da es den früheren Eigentümern, jüdischen, polnischen Staatsangehörigen, am 29. April 1942 im Sinne des Rückerstattungsrechtes entzogen worden war.
Auf dem Grundstücke, das nach der am 20. März 1959 erfolgten Eintragung der Abgabepflichtigen in das Grundbuch von ihr am 24. März 1959 veräußert wurde, ruhte am 20. Juni 1948 zugunsten eines Kreditinstitutes eine Abgeltungslast zur Sicherung eines Hauszinssteuer-Abgeltungsdarlehens, das zu diesem Zeitpunkte noch in Höhe von 7.084 RM valutiert war und auf Grund der Umstellungsvorschriften im Verhältnis von zehn RM zu einer DM umgestellt worden ist.
In Anwendung der §§ 91, 99, 100, 106 und 137 LAG in Verbindung mit den §§ 2 und 3 der Fünfzehnten Durchführungsverordnung über Ausgleichsabgaben nach dem Lastenausgleichsgesetz (15. AbgabenDV- LA) hat das Finanzamt das Grundstück mit dem - auf Antrag der Abgabepflichtigen - am 12. April 1960 für endgültig erklärten vorläufigen Bescheide vom 13. März 1959 nach Abzug einer Kriegsschadensminderung zur Hypothekengewinnabgabe (HGA) herangezogen.
Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Die Berufung wurde ebenso wie der Einspruch auf die für Nachfolgeorganisationen von der Art der Abgabepflichtigen geltende Befreiungsvorschrift des Art. 5 des Dritten Teils des durch Gesetz vom 24. März 1955 (BGBl 1955 II S. 213) von der Bundesrepublik Deutschland ratifizierten Vertrages vom 26. Mai 1952 zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen (überleitungsvertrag) gestützt, der von der Bundesrepublik Deutschland mit den Vereinigten Staaten von Amerika, dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland und der Französischen Republik im Rahmen der sogenannten Bonner und Pariser Verträge (BGBl 1954 II S. 57, 157 (186), sowie 1955 II S. 301, 405 (422)) geschlossen worden ist. Es handelt sich um eine von den Beteiligten getroffene völkerrechtliche Sonderregelung, die, soweit sie - wie hier - Gegenstände der Bundesgesetzgebung berührt, durch Ratifizierungsgesetz zu innerstaatlichem Rechte geworden ist (vgl. v. Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz, Bem. 6 Abs. 4 zu Art. 59 (S. 321); v. Mangoldt-Klein, Das Bonner Grundgesetz, 2. Aufl., Bem. IV, 7 b zu Art. 59 (S. 1147)).
Laut Bekanntmachung vom 5. Mai 1955 (BGBl 1955 II S. 628) sind die mit Gesetzeskraft ausgestatteten Vereinbarungen - nach Hinterlegung der Ratifikationsurkunden - am 5. Mai 1955 in Kraft getreten (vgl. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bd. 1 S. 411).
Die Berufung führte zur Aufhebung des HGA-Bescheides sowie der Einspruchsentscheidung.
Das Finanzgericht vertrat die Auffassung, daß sowohl nach Sätze 1 und 2 wie nach Satz 3 des genannten Art. 5 die Befreiungsvorschrift zugunsten der Nachfolgeorganisationen auch für die HGA gelte, und stellte die Abgabepflichtige von sämtlichen HGA-Leistungen frei.
Mit der Rb. rügt der Vorsteher des Finanzamts unrichtige Anwendung des bestehenden Rechtes. Der Bundesminister der Finanzen ist dem Verfahren beigetreten; er bejaht die Abgabepflicht.
Der Senat hatte zunächst gemäß § 294 Abs. 2 AO durch Bescheid entschieden. Gegen diesen Bescheid hat die Abgabepflichtige gemäß § 294 Abs. 2 Satz 2 AO rechtzeitig Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Der Bescheid hat damit seine Rechtswirksamkeit verloren. Der Bf. und der Bundesminister der Finanzen sind ordnungsgemäß zum Termin zur mündlichen Verhandlung geladen worden, aber nicht erschienen.
Die Abgabepflichtige hat unter anderem vorgetragen, am 20. Juni 1948 habe eine RM-Verbindlichkeit der alten Eigentümer zugunsten eines Kreditinstitutes nicht bestanden, weil die Abgeltungslast nicht zur Entstehung gelangt sei. Voraussetzung hierfür sei nach der Verordnung des Ministerrats für die Reichsverteidigung über die Aufhebung der Gebäudeentschuldungsteuer vom 31. Juli 1942 (RGBl 1942 I S. 501), daß vom Grundstückseigentümer geschuldete Hauszinssteuern abgelöst werden. Die Forderung auf Hauszinssteuer sei aber durch Konfusion untergegangen. Auf Grund des Gesetzes über den Neuaufbau des Reiches vom 30. Januar 1934 (RGBl 1934 I S. 75) in Verbindung mit § 1 der Ersten Verordnung über den Neuaufbau des Reiches vom 2. Februar 1934 (RGBl 1934 I S. 81) sei Gläubiger der Forderung auf Hauszinssteuer das Reich geworden. Die Beschlagnahme des Grundstückes auf Grund der Verordnung über die Behandlung von Vermögen von Angehörigen des "ehemaligen" polnischen Staates vom 17. September 1940 (RGBl 1940 I S. 1270) komme einer Enteignung gleich. Deshalb sei das Reich wirtschaftlich als Eigentümer des Grundstückes und damit auch als Schuldner der Hauszinssteuer anzusehen.
Ferner hat die Abgabepflichtige Unterlagen vorgelegt, aus denen sich ergeben soll, daß Angehörige des Bundesfinanzministeriums zur Zeit des Abschlusses des überleitungsvertrages die Ansicht vertreten haben, die Nachfolgeorganisationen seien gemäß Art. 5 des Dritten Teiles des überleitungsvertrages von der HGA befreit.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist unbegründet.
I. - Der Auffassung der Abgabepflichtigen, daß eine RM- Verbindlichkeit am 20. Juni 1948 nicht bestanden habe, kann nicht gefolgt werden. Es mag dahingestellt bleiben, ob die Forderung auf Hauszinssteuer auf Grund der Gesetzgebung des Reiches zu einer Steuerforderung des Reiches geworden ist, und ob die Beschlagnahme des Grundstückes das Reich zum wirtschaftlichen Eigentümer gemacht hat. Auch braucht nicht erörtert zu werden, ob und inwieweit die Grundsätze des bürgerlichen Rechtes über das Erlöschen einer Forderung durch Vereinigung von Forderung und Schuld in einer Hand (Konfusion) im öffentlichen Recht Gültigkeit haben. Jedenfalls ist gemäß Art. 12 des hier maßgebenden Gesetzes Nr. 59 der Britischen Militärregierung über die Rückerstattung feststellbarer Vermögensgegenstände an Opfer der nationalsozialistischen Unterdrückungsmaßnahmen nach Ergehen einer Rückerstattungsanordnung die Beschlagnahme als nicht erfolgt anzusehen. Die polnischen Staatsangehörigen jüdischen Glaubens sind danach stets Eigentümer des Grundstückes und Schuldner der Hauszinssteuer geblieben. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Entstehung der Abgeltungslast waren also erfüllt.
II. - Die Abgabepflichtige ist gemäß Art. 5 des Dritten Teiles des überleitungsvertrages von der HGA-Pflicht befreit. Diese Vorschrift lautet wie folgt:
"Nachfolgeorganisationen und Treuhandkörperschaften, die auf Grund der in Unterabs. (a) des Art. 1 dieses Teiles bezeichneten Rechtsvorschriften bestellt worden sind, ohne Rücksicht darauf, ob sie nach deutschem Recht errichtet sind, genießen gegenwärtig Steuerfreiheit in der Bundesrepublik. Soweit die Steuern ausschließlich dem Bund zufließen, genießen die Organisationen und Körperschaften diese Steuerfreiheit auch weiterhin. Sie sind ferner von allen Sondersteuern, -abgaben und -auflagen befreit, die sich tatsächlich auf das Kapital auswirken und ganz oder zum Teil zu dem besonderen Zweck auferlegt werden, Lasten zu decken, die aus dem Kriege oder aus Reparationen oder Restitutionen an eine der Vereinten Nationen herrühren. Hinsichtlich der Steuern, die ganz oder teilweise den Ländern oder Gemeinden (Gemeindeverbänden) zufließen, wird die Bundesregierung eine Sondervereinbarung treffen, die die gemeinnützigen Zwecke dieser Organisationen und Körperschaften berücksichtigt."
Zwar beziehen sich, was das Finanzgericht verkannt hat, die Sätze 1 und 2 des Art. 5 lediglich auf bereits vor Inkrafttreten des überleitungsvertrages bestehende Befreiungen und damit nicht auf die HGA, weil vor dem 5. Mai 1955 - dem Inkrafttreten des überleitungsvertrages - weder das am 1. September 1952 in Kraft getretene LAG noch eine sonstige Normenquelle Befreiung der sogenannten Nachfolgeorganisationen von der HGA vorgesehen haben. Dem Finanzgericht ist aber im Ergebnis darin beizutreten, daß sich aus Satz 3 des Art. 5 eine Befreiung der Nachfolgeorganisationen von der HGA-Pflicht ergibt.
Da die tatsächliche Auswirkung der HGA auf das Kapital nicht in Zweifel zu ziehen ist, andererseits Reparationen oder Restitutionen an eine der Vereinten Nationen aus der Betrachtung ausscheiden, fragt es sich lediglich, ob es sich bei der HGA um eine Sonderabgabe im Sinne des Satzes 3 a. a. O. handelt, die ganz oder zum Teil zu dem besonderen Zwecke auferlegt wird, Lasten zu decken, die aus dem Kriege herrühren. Bereits aus § 16 Abs. 3 des von den Besatzungsmächten erlassenen Dritten Gesetzes zur Neuordnung des Geldwesens (Umstellungsgesetz) ergibt sich, daß die Schuldnergewinne, die durch die Umstellungsgesetzgebung entstanden sind, durch die deutsche Gesetzgebung zum Lastenausgleich herangezogen werden sollen. Die Schuldnergewinne werden hier als die Steuerquelle bezeichnet. Als Zweck der Verwendung wird allgemein der Lastenausgleich bezeichnet, ohne daß es auf den Ausgleich der den Schuldnergewinnen gegenüberstehenden Gläubigerverluste oder auf eine sonstige die Deckung von Kriegslasten ausschließende spezielle Verwendung abgestellt wird. Entsprechend ist die HGA auch nach dem LAG als eine Abgabe auf Schuldnergewinne gestaltet (Hinweis auf § 3 Nr. 2 in Verbindung mit § 91 LAG) und wird allgemein für die Leistungen auf Grund des LAG in Anspruch genommen. Sie fließt wie die anderen Ausgleichsabgaben - Vermögensabgabe und Kreditgewinnabgabe (Hinweis auf § 3 Nrn. 1 und 3 LAG) - gemäß § 5 Abs. 1 LAG einem Sondervermögen des Bundes - genannt Ausgleichsfonds - zu, das gemäß § 6 LAG auch einen Beitrag der öffentlichen Hand erhält. Aus diesem Ausgleichsfonds werden ohne Rücksicht auf die Quellen seiner Herkunft die verschiedenen in § 4 LAG aufgezählten Ausgleichsleistungen erbracht. Neben der dort erwähnten Entschädigung im Währungsausgleich für Sparguthaben Vertriebener und der Entschädigung nach dem Altsparergesetz (Hinweis auf § 4 Nrn. 8 und 9 LAG) werden die Hauptentschädigung, Eingliederungsdarlehen, Kriegschadenrenten, Hausratentschädigung, Wohnraumhilfe, Leistungen aus dem Härtefonds, Leistungen auf Grund sonstiger Förderungsmaßnahmen, Darlehen auf Grund des § 46 Abs. 2 des Bundesvertriebenengesetzes (Hinweis auf § 4 Nrn. 1 bis 7 und 10 LAG) aufgezählt. In der Präambel zum LAG heißt es unter anderem, daß das LAG
"in Anerkennung des Anspruchs der durch den Krieg und seine Folgen betroffenen Bevölkerungsteile auf einen die Grundsätze der sozialen Gerechtigkeit und die volkswirtschaftlichen Möglichkeiten berücksichtigenden Ausgleich von Lasten und auf die zur Eingliederung der Geschädigten notwendigen Hilfe" ergehe. § 1 LAG bezeichnet als Ziel des Lastenausgleiches die
"Abgeltung von Schäden und Verlusten, die sich infolge der Vertreibungen und Zerstörungen der Kriegs- und Nachkriegszeit ergeben haben, sowie die Milderung von Härten, die infolge der Neuordnung des Geldwesens ... eingetreten sind".
Anschließend heißt es in § 1 LAG, daß die für den oben genannten Zweck erforderlichen Mittel nach Maßgabe dieses Gesetzes aufgebracht werden (Lastenausgleich).
Da die HGA als Bestandteil des Ausgleichsfonds außer für die Zwecke des Ausgleichs von Gläubigerverlusten (§ 4 Nrn. 8 und 9 LAG) tatsächlich teilweise auch für die sonstigen in § 4 LAG aufgezählten Zwecke verwendet wird, dient sie im Sinne des § 1 LAG teilweise auch zur Abgeltung von Schäden und Verlusten, die sich infolge der Vertreibungen und Zerstörungen der Kriegs- und Nachkriegszeit ergeben haben. Im Sinne des § 1 LAG und der Präambel wird sie auch zu diesem Zwecke auferlegt. Wie weit man nun auch die Leistungen zur "Abgeltung von Schäden und Verlusten, die sich infolge der Zerstörungen und Vertreibungen der Kriegs- und Nachkriegszeit ergeben haben", als identisch mit den "Lasten" im Sinne des Art. 5 Satz 3 des Dritten Teiles des überleitungsvertrages ansehen mag, "die aus dem Kriege herrühren", ob man z. B. die Lasten aus den Vertreibungen der Nachkriegszeit einbezieht oder nicht, so kann doch nicht verkannt werden, daß es sich hierbei im Sinne des Art. 5 Satz 3 jedenfalls teilweise um Lasten handelt, die durch den Krieg entstanden sind. Die Verwendung der HGA und ihre Zweckbestimmung ist ebenso wie die der Vermögensabgabe eine gemischte (vgl. auch die rechtskräftige Entscheidung der Schiedskommission für Güter, Rechte und Interessen in Deutschland - A C/2/j (62) 1 - vom 23. März 1962, BStBl 1963 I S. 127, zur Rechtsnatur der Vermögensabgabe im Sinne des Art. 6 des Zehnten Teiles des überleitungsvertrages). Dem Bundesminister der Finanzen kann nicht darin beigepflichtet werden, daß sich der Zweck der HGA in der Heranziehung der Schuldnergewinne erschöpfe, wovon die tatsächliche Verwendung der aufgekommenen Mittel zu unterscheiden sei. Vielmehr ist der Schuldnergewinn für den Gesetzgeber das Motiv zur Heranziehung gerade dieser Steuerquelle gewesen. Der Verwendungszweck und somit der Zweck der Auferlegung im Sinne des Art. 5 Satz 3 ist - wie dargelegt - in den §§ 3 bis 6 LAG bestimmt und ergibt sich insbesondere aus der Zweckbestimmtheit und Zweckgebundenheit des Ausgleichsfonds, der zum Teil dem Aufkommen aus der HGA entstammt.
III. - Aus Art. 6 des Zehnten Teiles des überleitungsvertrages, der bei im wesentlichen gleicher Begriffsbestimmung den Umfang der Befreiung der Angehörigen der Vereinten Nationen regelt, aber eine Befreiung von der HGA nicht vorsieht, ergibt sich nichts anderes, obwohl diese Vorschrift bei teilweiser Zweckbestimmung einer Sonderabgabe zur Deckung der sich aus dem Kriege ergebenden Lasten grundsätzlich eine teilweise Befreiung von dieser Abgabe vorsieht. Art. 6 des Zehnten Teiles des überleitungsvertrages lautet einleitend in seinen Absätzen 1 und 2:
"(1) Bis zur endgültigen Regelung der sich aus dem Krieg ergebenden Ansprüche gegen Deutschland sind die in Abs. (2) dieses Artikels näher bestimmten Personen und ihr Vermögen von allen Sondersteuern, -abgaben oder -auflagen befreit, die sich tatsächlich auf das Vermögen auswirken und zu dem besonderen Zweck auferlegt werden, Lasten zu decken, die sich aus dem Kriege oder aus Reparationen oder Restitutionen an eine der Vereinten Nationen ergeben.
Wird eine solche Steuer, Abgabe oder Auflage nur zu einem Teil für die in Abs. (1) dieses Artikels bezeichneten Zwecke erhoben, so richtet sich die zu gewährende Befreiung grundsätzlich danach, in welchem Ausmaß die Steuern, Abgaben oder Auflagen den genannten Zwecken dienen. In den besonderen Fällen der Abgaben, die durch die Gesetzgebung des Zweizonenwirtschaftsrates und die entsprechende Gesetzgebung der Länder Rheinland-Pfalz, Baden und Württemberg-Hohenzollern über die Soforthilfe und durch das Gesetz über den Lastenausgleich vom 14. August 1952 (Bundesgesetzblatt Teil I S. 446) vorgeschrieben werden, sind die in den nachstehenden Bestimmungen dieses Artikels bezeichneten Personen und Vermögenswerte in dem dort vorgesehenen Umfange von den Leistungen befreit, die in dem Sechsjahreszeitraum vom 1. April 1949 bis 31. März 1955 als Soforthilfeabgabe und im Rahmen des Lastenausgleichs als Vermögensabgabe zu entrichten wären: ..." (Es folgen nähere Bestimmungen über den Kreis der Angehörigen der Vereinten Nationen und die Art der Vermögenswerte.)
Der Begriff "Sonderabgaben, die zu dem besonderen Zwecke auferlegt werden, Lasten zu decken, die sich aus dem Kriege ergeben" in Abs. 1 des Art. 6 entspricht fast wörtlich dem in Art. 5 Satz 3 des Dritten Teiles des überleitungsvertrages. Abs. 2 Satz 1 des Art. 6 stellt nun den Grundsatz auf, daß bei teilweiser Bestimmung der Sonderabgabe für den fraglichen Zweck eine dem Ausmaße dieser Zweckbestimmung entsprechende Befreiung eintreten soll. "In den besonderen Fällen" des Lastenausgleichs beschränkt sich Abs. 2 Satz 2 des Art. 6 aber darauf, eine zeitlich begrenzte, also teilweise Befreiung von der Vermögensabgabe vorzusehen. Eine Befreiung von der HGA tritt also nicht ein, was auch durch Abs. 7 des Art. 6 bestätigt wird; hier wird bestimmt, daß bei der Berechnung anderer Lastenausgleichsabgaben - wozu die HGA gehört - so zu verfahren ist, als ob die von der Vermögensabgabe teilweise Befreiten zur vollen Vermögensabgabe herangezogen worden wären. Demgemäß hat auch der Senat in seinem Urteil III 265/55 U vom 11. Dezember 1959 (BStBl 1960 III S. 107, Slg. Bd. 70 S. 287) entschieden, daß die Angehörigen der Vereinten Nationen nicht von der HGA befreit sind. Läge in der mittelbar durch Art. 6 Abs. 2 Satz 2 ausgesprochenen Vereinbarung, daß die Angehörigen der Vereinten Nationen nicht - teilweise - von der HGA befreit werden, eine Anwendung des Grundsatzes des Art. 6 Abs. 2 Satz 1, so könnte daraus gefolgt werden, daß die vertragschließenden Mächte die HGA nicht als teilweise den in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 bezeichneten Zwecken dienend angesehen haben. Indessen klingt im anschließenden Satz 2, der mit den Worten "In den besonderen Fällen ..." beginnt, an, daß bei den einzelnen Abgaben des Lastenausgleichs besondere Tatbestände vorliegen, die Veranlassung gegeben haben mögen, sich bei der Regelung des Satzes 2 nicht nur im Rahmen einer Subsumtion unter den Begriff des Satzes 1 zu bewegen, sondern auch anderen Erwägungen Raum zu geben. Dies lag insbesondere bei der HGA nicht fern, weil mit dieser in Gestalt der Schuldnergewinne Vermögensteile erfaßt werden, die die Umstellungsgesetzgebung der seinerzeitigen Besatzungsmächte von vornherein mit der Maßgabe ihrer Verwendung für den Lastenausgleich hat entstehen lassen, wie § 16 Abs. 3 des Umstellungsgesetzes ausdrücklich vorsah. Daß ein so wesentlicher Umstand, der von deutscher Seite gegen die Befreiung ins Feld geführt werden konnte, nicht außer Betracht geblieben ist, liegt dann nahe, wenn die Regelung in Art. 6 Abs. 2 Satz 2 auf einem Aushandeln der Einzelheiten durch die vertragschließenden Mächte beruht. Tatsächlich beruht der Umfang der in Art. 6 Abs. 2 Satz 2 vereinbarten Befreiung der Angehörigen der Vereinten Nationen auf einem nach langwierigen Verhandlungen zustande gekommenen Kompromiß. Insoweit kann auf die eingehende, auf Heranziehung der Quellen zur Entstehungsgeschichte der Vorschrift, insbesondere des zugrunde liegenden Schriftwechsels der Beteiligten, gestützte Darstellung des Verhandlungsverlaufes in der - bereits oben erwähnten - Entscheidung der Schiedskommission für Güter, Rechte und Interessen in Deutschland vom 23. März 1962 hingewiesen werden.
Dieser Kompromiß läßt es nicht zu, aus seinen Ergebnissen Folgerungen für die Auslegung des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 in dem Sinne zu ziehen, daß die HGA nicht zu den dort bezeichneten Abgaben gehöre. Mit Sicherheit kann nur gefolgert werden, daß die HGA in Satz 2 des Art. 6 Abs. 2 so behandelt wird, als ob sie nicht zu den in Satz 1 des Art. 6 Abs. 2 bezeichneten Abgaben gehöre. Jedenfalls sind diesem sich nur auf die Angehörigen der Vereinten Nationen beziehenden Kompromiß keine Anhaltspunkte dahin zu entnehmen, die vertragschließenden Mächte hätten mit der die HGA in die Teilbefreiung des Art. 6 Abs. 2 Satz 2 nicht einbeziehenden Regelung mit Wirkung über den Bereich des Art. 6 des Zehnten Teiles des überleitungsvertrages hinaus, in den Bereich des im Dritten Teile befindlichen Art. 5 übergreifend, mittelbar eine Begriffsbestimmung dahin treffen wollen, daß die HGA nicht zu den in Art. 5 Satz 3 genannten Abgaben zu rechnen sei. Dagegen spricht schon, daß der Dritte Teil des überleitungsvertrages die "Innere Rückerstattung" regelt, während der Zehnte Teil des überleitungsvertrages "Ausländische Interessen in Deutschland" behandelt. Letztlich spricht hiergegen die Tatsache, daß die vertragschließenden Mächte die Nachfolgeorganisationen in Art. 5 auch sonst in höherem Maße begünstigt haben als die Angehörigen der Vereinten Nationen in Art. 6. Einmal ergibt sich dies aus der Aufrechterhaltung der bisherigen Steuerbefreiungen nach Art. 5 Sätze 1 und 2 a. a. O., zum anderen soll sich die Bundesregierung nach Satz 4 für die Steuerbegünstigung bei den Ländern oder Gemeinden (Gemeindeverbänden) im Hinblick auf die gemeinnützigen Zwecke dieser Organisationen einsetzen. Schließlich soll die fragliche Befreiung nach Art. 5 Satz 3 schlechthin und vollständig auch bei nur teilweiser Zweckbestimmung im fraglichen Sinne gelten, während Art. 6 Abs. 1 eine Befreiung von der fraglichen Abgabe nur bis zum Abschluß eines Friedensvertrages vorsieht und Art. 6 Abs. 2 bei teilweiser Zweckbestimmung im fraglichen Sinne nur eine teilweise Befreiung gewährt.
Dem überleitungsvertrage ist mithin nicht zu entnehmen, daß die HGA abweichend von den aus dem LAG zu ziehenden Schlüssen - siehe oben zu II. - im Sinne des Art. 5 Satz 3 nicht als teilweise zu dem besonderen Zwecke auferlegt anzusehen ist, Lasten zu decken, die sich aus dem Kriege ergeben.
Diese Auslegung wird durch die Begründung der Regierungsvorlage zu Art. 5 des Dritten Teiles des überleitungsvertrages (Bundestagsdrucksache 1. Wahlperiode 1949 Nr. 3500 Anl. 4) bestätigt, in der es schlechthin heißt, daß die Nachfolgeorganisationen vom Lastenausgleich befreit seien, während zu Art. 6 des Zehnten Teiles hervorgehoben wird, daß eine Befreiung von der HGA für die Angehörigen der Vereinten Nationen nicht vorgesehen sei. Hat hiernach die Bundesregierung selbst den Standpunkt vertreten, der der vorstehend dargelegten Auslegung entspricht, so kommt es - abgesehen von der Frage des neuen Vorbringens in der Rechtsbeschwerdeinstanz - nicht zusätzlich darauf an, in welchem Sinne sich einzelne Angehörige des Bundesfinanzministeriums zu dieser Frage geäußert haben.
IV. - Der - anscheinend auf verfassungskonforme Auslegung zielende - Einwand des Bundesministers der Finanzen, eine Befreiung der Nachfolgeorganisationen könne deswegen nicht als vereinbart gelten, weil eine solche Befreiung im Hinblick auf die nicht in gleicher Weise begünstigten einzelnen Rückerstattungsberechtigten gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 des Grundgesetzes verstoßen würde, ist unzutreffend. Zwar sind die Nachfolgeorganisationen Rechtsnachfolger von Rückerstattungsberechtigten. Aber wesentliche Ungleichheiten liegen darin, daß die Nachfolgeorganisationen im Gegensatz zu den einzelnen Rückerstattungsberechtigten keine Leistungen nach dem LAG beanspruchen können und daß sie gemeinnützige Zwecke verfolgen. Es wird also nicht Gleiches ungleich behandelt.
Fundstellen
Haufe-Index 410741 |
BStBl III 1963, 222 |
BFHE 1963, 612 |
BFHE 76, 612 |