Leitsatz (amtlich)
Ein am 17. Dezember 1976 beurkundeter Kaufvertrag über eine Eigentumswohnung ist nicht deshalb erst "nach dem 31. Dezember 1976 verwirklicht" worden, weil erst am 12. Januar 1977 die Gemeinde mitgeteilt hat, sie werde ein ihr nach § 24 BBauG etwa zustehendes Vorkaufsrecht nicht ausüben.
Normenkette
GrEStEigWoG § 5 S. 1; BBauG § 24; StAnpG § 3 Abs. 5 Nr. 5; GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1; WEG § 3 Abs. 1; EGAO 1977 Art. 97 §§ 3-4; AO 1977 §§ 38, 37 Abs. 1; BGB § 158 Abs. 1, § 506
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) - Eheleute - kauften durch notariell beurkundeten Vertrag vom 17. Dezember 1976 eine Eigentumswohnung in B (Baden-Württemberg) je zur ideellen Hälfte. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) setzte durch Bescheide vom 8. Februar 1977 die Grunderwerbsteuer für den Ehemann (Vertrieb en er mit Ausweis A) auf 3 220 DM für seine Ehefrau auf 6 720 DM fest. Die Bescheide wurden bestandskräftig.
Am 15. Oktober 1977 beantragten die Kläger, die Grunderwerbsteuerbescheide aufzuheben. Der Kaufvertrag sei steuerfrei nach dem Bundesgesetz zur Grunderwerbsteuerbefreiung beim Erwerb von Einfamilienhäusern, Zweifamilienhäusern und Eigentumswohnungen vom 11. Juli 1977 - GrEStEigWoG - (BGBl I 1977, 1213 BStBl I 1977, 360). Dieses Gesetz sei auf den Erwerbsvorgang vom 17. Dezember 1976 anzuwenden, weil dieser Vertrag erst "nach dem 31. Dezember 1976 verwirklicht" worden sei. Er sei erst am 12. Januar 1977 mit der Mitteilung der Gemeinde B über die Nichtausübung ihres Vorkaufsrechts nach § 24 des Bundesbaugesetzes (BBauG) rechtswirksam geworden.
Das FA lehnte den Antrag durch Verwaltungsakt vom 25. November 1977 ab "die Einsprüche wies es zurück. Die Befreiungsvorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStEigWoG sei nicht anwendbar, weil der bezeichnete Erwerbsvorgang bereits am 17. Dezember 1976 verwirklicht worden sei.
Auf die gemeinschaftliche Verpflichtungsklage hat das Finanzgericht (FG) den ablehnenden Verwaltungsakt des FA vom 25. November 1977 sowie die Einspruchsentscheidungen vom 13. März 1978 aufgehoben und das FA verpflichtet, die Grunderwerbsteuerbescheide vom 8. Februar 1977 aufzuheben. Die Kläger könnten für die am 17. Dezember 1976 gekaufte Eigentumswohnung die Steuerbefreiung nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStEigWoG in Anspruch nehmen, da der grunderwerbsteuerbare Erwerbsvorgang (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes - GrEStG -) "tatbeständlich erst nach Inkrafttreten des GrEStEigWoG verwirklicht" worden sei.
Mit seiner Revision rügt das FA die unrichtige Anwendung des § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStEigWoG. Es beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision zu "verwerfen". Der Kaufvertrag vom 17. Dezember 1976 sei bis zur Erteilung des Negativattests der Gemeinde im Januar 1977schwebend unwirksam gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Das Urteil des FG beruht auf unrichtiger Anwendung des § 5 Satz 1 GrEStEigWoG. Nach dieser Vorschrift sind die Grunderwerbsteuerbefreiungen des § 1 GrEStEigWoG "auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 1976 verwirklicht werden".
Das FG meint, der Erwerbsvorgang vom 17. Dezember 1976 sei erst "nach dem 31. Dezember 1976 verwirklicht" worden, weil erst am 12. Januar 1977 die Gemeinde ein sog. Negativattest über das ihr "gemäß § 24 BBauG zustehende Vorkaufsrecht" erteilt habe. Bis zum 12. Januar 1977 sei der Kaufvertrag schwebend unwirksam gewesen. Diese Rechtsansicht steht nicht im Einklang mit dem Gesetz. Das Gesetz geht davon aus, daß ein Erwerbsvorgang in dem Zeitpunkt verwirklicht ist, in dem die Merkmale des gesetzlichen Steuertatbestandes erfüllt sind; in diesem Zeitpunkt entsteht die Leistungspflicht (§§ 38, 37 Abs. 1 der Abgabenordnung - AO 1977-, Art. 97 §§ 3, 4 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung - EGAO 1977 -, früher § 3 Abs. 1 Nr. 1 des Steueranpassungsgesetzes - StAnpG -). Im vorliegenden Falle war - nach dem vom FG festgestellten Sachverhalt der Erwerbsvorgang am 17. Dezember 1976 verwirklicht. Denn an diesem Tage war ein Kaufvertrag, der sich auf ein inländisches Grundstück bezog und an dem die Kläger als Käufer beteiligt waren, rechtswirksam zustandegekommen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1, § 31 Nr. 1 GrEStG, §§ 433, 313 BGB). Grundstück in diesem Sinne ist auch das Wohnungseigentum, denn Wohnungseigentum setzt Miteigentum an einem Grundstück voraus (§ 2 Abs. 1 GrEStG, § 3 Abs. 1 des Wohnungseigentumsgesetzes - WEG -, Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 15. Dezember 1954 II 114/54 U, BFHE 60, 135, 137, BStBl III 1955, 53). Der Kaufvertrag bedurfte zu seiner Wirksamkeit keiner behördlichen Genehmigung. Er war nicht schwebend unwirksam bis zur Erteilung des sog. Negativattestes durch die Gemeinde B. Denn dieses Negativattest sollte nicht - wie etwa das Negativzeugnis nach § 5 des Grundstücksverkehrsgesetzes (GrdstVG) bei der rechtsgeschäftlichen Veräußerung land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke - Zweifel über die Genehmigungsbedürftigkeit des Veräußerungsgeschäftes und damit über dessen Wirksamkeit beseitigen, sondern es sollte lediglich den Vertragsbeteiligten möglichst bald Klarheit darüber bringen, ob die Gemeinde B ein ihr nach § 24 BBauG etwa zustehendes Vorkaufsrecht ausüben, ob also das (rechtswirksame) Veräußerungsgeschäft von Bestand bleiben werde.
Das FG meint demgegenüber, das Vorkaufsrecht sei aufgrund der ab 1. Januar 1977 geltenden Neufassung des § 24 BBauG "in die Nahe der öffentlich-rechtlichen Genehmigung gerückt", da nunmehr das Grundbuchamt den Erwerber nur dann als Eigentümer in das Grundbuch eintragen dürfe, wenn ihm die Nichtausübung oder das Nichtbestehen des Vorkaufsrechts nachgewiesen sei (§ 24 Abs. 5 Satz 2 BBauG). Dieser Ansicht kann der erkennende Senat schon deshalb nicht zustimmen, weil die Neufassung des § 24 BBauG, aus der das FG seine rechtlichen Schlußfolgerungen ableitet, erst ab 1. Januar 1977 gilt. Bei Verkaufsfällen aus der Zeit vor dem 1. Januar 1977, also auch im vorliegenden Falle, sind für das Vorkaufsrecht die bisher geltenden Vorschriften anzuwenden (Art. 1 Nr. 23, Art. 3 § 4 Abs. 1, Art. 6 des Gesetzes zur Änderung des Bundesbaugesetzes vom 18. August 1976, BGBl 2221, 2228, 2253, 2255).
Das FG meint ferner unter Hinweis auf das Urteil des Reichsgerichts (RG) vom 2. Januar 1922 264/21 V Juristische Wochenschrift 1922 S. 576 - JW 1922, 576 -), der Kaufvertrag vom 17. Dezember 1976 sei stillschweigend mit der aufschiebenden Bedingung der Nichtausübung des Vorkaufsrechts abgeschlossen worden und infolgedessen erst am 12. Januar 1977 mit der Erklärung der Gemeinde B, sie werde ein ihr etwa zustehendes Vorkaufsrecht nach § 24 BBauG nicht ausüben, wirksam geworden".
Diese Ansicht teilt der erkennende Senat nicht. Selbst wenn der Kaufvertrag stillschweigend von der Erklärung über die Nichtausübung eines etwaigen Vorkaufsrechts abhängig gemacht worden sein sollte (vgl. § 506 BGB), wäre die Erklärung über die Nichtausübung eines etwaigen Vorkaufsrechts keine "aufschiebende Bedingung" (§ 158 Abs. 1 BGB), wie sie § 3 Abs. 5 Nr. 5 Buchst. a des damals noch geltenden StAnpG voraussetzte, sondern eine auflösende. Nichts anderes ist dem vom FG angeführten Urteil des RG (JW 1922, 576) zu entnehmen. Dort heißt es: "Entfällt diese Bedingung dadurch, daß das Vorkaufsrecht ausgeübt wird....so wird der Kaufvertrag zwischen dem Verpflichteten und dem Dritten hinfällig". Auch in dem vom FA angeführten Urteil vom 7. Juli 1927 VI 10/27 (RGZ 118, 5, 8) hat das RG eine Vereinbarung des Verkäufers mit dem Käufer, durch welche der Kauf von der Nichtausübung des Vorkaufsrechts abhängig gemacht wird, als "auflösende" Bedingung beurteilt (gleicher Ansicht Dyong in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Bundesbaugesetz, § 24 Rdnr. 52). Die auflösende Bedingung aber beeinträchtigt die Wirkung des Erwerbsvorgangs nicht. Sie führt dazu, daß mit dem Eintritt der Bedingung die Wirkung des Rechtsgeschäfts endigt (§ 158 Abs. 2 BGB).
Der erkennende Senat entscheidet in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).
Die gemeinschaftliche Verpflichtungsklage ist abzuweisen, weil der ablehnende Verwaltungsakt des FA vom 25. November 1977 rechtmäßig ist.
Fundstellen
Haufe-Index 413397 |
BStBl II 1981, 332 |
BFHE 1981, 316 |