Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung Einfamilienhaus/ Zweifamilienhaus
Leitsatz (NV)
Zur Frage der gegenseitigen baulichen Abgeschlossenheit von zwei Wohnungen in einem Zweifamilienhaus, insbesondere beim Vorhandensein gemeinsamer Zugangs- und Verkehrsflächen.
Normenkette
BewG 1965 § 75 Abs. 5-6
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) haben ein im Jahre 1979 erworbenes Grundstück in 1980 bebaut. Die Hauptwohnung im Erdgeschoß umfaßt 130 qm, die Nebenwohnung im Obergeschoß 75 qm. Die Hauseingangstür führt im Erdgeschoß in einen Flur, von dem die Türen zu den Räumen der Hauptwohnung abgehen. Von diesem Flur gelangt man über eine offene Treppe ins Obergeschoß, und zwar unmittelbar in einen nicht eigens abgeschlossenen Raum, der im Bauplan als Diele bezeichnet ist. Im rückwärtigen Teil dieses Raumes ist seit Dezember 1981 eine mit einem Elektroherd, einem Spülbecken und einem Kühlschrank ausgestattete Kochnische eingerichtet. Bis dahin war lediglich ein mobiler Elektrokocher vorhanden. Zu der Nebenwohnung gehören daneben noch ein Wohnraum, ein Schlafraum sowie ein Bad mit WC. Seit März 1980 werden die Räume im Dachgeschoß von der Mutter der Klägerin bewohnt. Im Anschluß an eine Ortsbesichtigung stellte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) im Wege der Art- und Wertfortschreibung zum 1. Januar 1981 die Grundstücksart Einfamilienhaus fest.
Die nach erfolglos eingelegtem Einspruch erhobene Klage, mit der die Kläger die Bewertung als Zweifamilienhaus begehrten, hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung seiner Entscheidung, die in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1984, 13 veröffentlicht ist, aus: Das Wohngrundstück der Kläger enthalte zwar nach seiner inneren baulichen Gestaltung keine zwei gegeneinander abgeschlossenen Wohneinheiten. Auch fehle es der Nebenwohnung im Obergeschoß an einem eigenen Zugang. Unter dem Gesichtspunkt der Zweckbestimmung und der tatsächlichen Nutzung sei das Grundstück jedoch als Zweifamilienhaus zu bewerten, da es am Stichtag zwei Wohnungen enthalten habe. Dieser Beurteilung stehe nicht entgegen, daß am Stichtag die Küche als solche nicht eingerichtet gewesen sei. Die Zweckbestimmung hinsichtlich der Räumlichkeiten im Dachgeschoß, nämlich der Mutter der Klägerin eine selbständige Haushaltsführung zu ermöglichen, sei durch den Einzug der Mutter bereits im März 1980 und durch die Einrichtung der Küche im Dezember 1981 planmäßig innerhalb einer angemessenen Zeit nach dem Stichtag verwirklicht worden. Es sei deshalb davon auszugehen, daß bereits zum Stichtag 1. Januar 1981 zwei Wohnungen vorhanden gewesen seien.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung von § 75 Abs. 5 und Abs. 6, § 22 Abs. 4 Satz 2 des Bewertungsgesetzes 1965 (BewG). Bei fehlender baulicher Abgeschlossenheit seien Räumlichkeiten nach der bisherigen Rechtspraxis nur dann als eigenständige Wohnung beurteilt worden, wenn u.a. eine funktionsfähige Küche vorhanden gewesen sei. Das FG mindere die Anforderungen an den bewertungsrechtlichen Wohnungsbegriff in unzulässiger Weise ab, wenn es die zielgerichtete Zweckverwirklichung genügen lasse, wenn diese, wie im Streitfall, noch innerhalb eines Jahres nach Bezugsfertigkeit abgeschlossen sei. Die Entscheidung des FG verstoße insoweit gegen § 22 Abs. 4 Satz 2 BewG. Nach dieser Vorschrift seien bei einer Fortschreibung die Verhältnisse im Fortschreibungszeitpunkt zugrunde zu legen. Unter diesen Voraussetzungen seien die Räume im Obergeschoß zum 1. Januar 1981 nicht als selbständige Wohnung zu beurteilen.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
1. Nach § 75 Abs. 5 und Abs. 6 BewG ist für die Abgrenzung der Grundstücksarten Ein- und Zweifamilienhaus entscheidend, ob ein oder zwei Wohnungen in dem betreffenden Wohngrundstück enthalten sind. Zum Wohnungsbegriff i.S. von § 75 Abs. 5 und Abs. 6 BewG hat der Senat in der Entscheidung vom 5. Oktober 1984 III R 192/83 (BFHE 142, 505, BStBl II 1985, 151) Stellung genommen. Nach diesem Urteil ist - jedenfalls für Stichtage ab 1. Januar 1974 - für die Annahme einer Wohnung u.a. wesentlich, daß die Zusammenfassung von mehreren Räumen eine von anderen Wohnungen oder Räumen, insbesondere Wohnräumen, baulich getrennte, in sich abgeschlossene Wohneinheit bildet und ein eigener Zugang vorhanden ist (wegen weiterer Einzelheiten Hinweis auf das Urteil III R 192/83). Die Grundstücksart Zweifamilienhaus setzt voraus, daß beide Wohneinheiten diese Voraussetzungen erfüllen.
2. Die Anwendung der Grundsätze der Senatsentscheidung III R 192/83 auf den Streitfall ergibt, daß das Wohngrundstück der Kläger zu dem hier streitigen Fortschreibungszeitpunkt nur eine Wohnung enthält. Es fehlt insbesondere an einem baulichen Abschluß zwischen den beiden Wohnbereichen, sowie an einem eigenen Zugang für die Nebenwohnung im Obergeschoß. Zwar schließt das Vorhandensein von gemeinsamen Zugangs- und Verkehrsflächen die Annahme von zwei selbständigen Wohnungen nicht ohne weiteres aus. Sind jedoch - wie im Streitfall - solche gemeinsamen Verkehrsflächen vorhanden, müssen sie nach ihrer baulichen Lage und Funktion von den beiden Wohnbereichen vollständig getrennt sein. Ihrer baulichen Funktion nach dürfen solche Räume nur dem Zugang zu den einzelnen Wohneinheiten dienen. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht gegeben. Der Flur im Erdgeschoß eröffnet einerseits den Zugang zu den dortigen Räumlichkeiten und stellt zugleich die Verbindung zwischen den einzelnen Räumen der Hauptwohnung dar. Bei bestimmungsgemäßer Nutzung müssen die Bewohner des Erdgeschosses diesen Flur betreten, der zum anderen über die offene Treppe auch als Zugang zu den Räumen im Obergeschoß dient. Wegen der offenen Bauweise im Erdgeschoß als auch im Obergeschoß ist der ungehinderte Zugang zu allen Räumlichkeiten des Wohngrundstücks möglich.
Auf die Frage, ob die Annahme eines Zweifamilienhauses im Streitfall auch an dem Fehlen einer funktionsfähigen Küche scheitert, kommt es danach nicht mehr an.
3. Da das FG von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Da das Grundstück als Einfamilienhaus zu bewerten ist, war die Klage als unbegründet abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Fundstellen
Haufe-Index 413882 |
BFH/NV 1985, 22 |