Entscheidungsstichwort (Thema)
Pfändbarkeit des Gewerbesteuererstattungsanspruchs vor Änderung des Gewerbesteuerbescheids
Leitsatz (NV)
Ein Erstattungsanspruch, der auf einer fehlerhaften (überhöhten) Steuerfestsetzung beruht, entsteht, wenn der jeweilige Steuerabschnitt abgelaufen und die Überzahlung eingetreten ist. Er kann ab diesem Zeitpunkt auch vor der Änderung (Aufhebung) des fehlerhaften Steuerbescheides abgetreten, verpfändet und gepfändet werden.
Normenkette
AO 1977 § 37 Abs. 2, § 46 Abs. 2, 6; GewStG § 14 Abs. 2, §§ 18, 20 Abs. 3
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) zog als hebeberechtigte Gemeinde die W-GmbH (GmbH) zur Gewerbesteuer für die Jahre ... heran. Den Steuerbescheiden lagen geänderte Gewerbesteuermeßbescheide des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) zugrunde, die mit dem Einspruch angefochten waren. Die festgesetzten Gewerbesteuern wurden bezahlt. Die von der GmbH eingelegten Einsprüche führten im November ... zu einer Herabsetzung der einheitlichen Gewerbesteuermeßbeträge und nach Ergehen entsprechender Gewerbesteuerberichtigungsbescheide zu einem Gewerbesteuerguthaben.
In Kenntnis der zu erwartenden Gewerbesteuer-Erstattungen an die GmbH pfändete das FA mit Verfügung vom 2. November ... diese Beträge wegen anderer vollstreckbarer Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis der GmbH. Gleichzeitig wurde die Einziehung der gepfändeten Ansprüche erklärt. Gegen die am 6. November ... zugestellte Pfändungs- und Einziehungsverfügung richtete sich die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage, mit der geltend gemacht wurde, die Pfändungs- und Einziehungsverfügung sei nichtig, weil sie vor der Entstehung der Erstattungsansprüche erwirkt worden sei (§ 46 Abs. 6 Sätze 1 und 2 der Abgabenordnung - AO 1977 -).
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.
Mit der Revision macht die Klägerin geltend, das FG habe seine Entscheidung, wonach die Erstattungsansprüche der GmbH nicht dem Verbot des § 46 Abs. 6 Satz 1 AO 1977 zuwider vor ihrer Entstehung gepfändet worden seien, zu Unrecht auf die materielle Rechtsgrundtheorie und auf das Urteil des erkennenden Senats vom 6. Februar 1990 VII R 86/88 (BFHE 160, 108, BStBl II 1990, 523) gestützt. Steuererstattungsansprüche, die sich erst aufgrund berichtigter Veranlagungen ergäben, könnten nicht mit solchen, die auf Vorauszahlungen beruhten, gleichgesetzt werden; denn Vorauszahlungen seien durch ihre Vorläufigkeit charakterisiert, und ihre Anrechnung auf die Steuerschuld beruhe auf spezialgesetzlichen Regelungen.
Für den Streitfall mache § 37 Abs. 2 AO 1977 den Erstattungsanspruch von der rechtsgrundlosen Zahlung abhängig. Rechtsgrund für die Zahlung der (endgültigen) Gewerbesteuer sei hier nach § 218 Abs. 1 AO 1977 der Gewerbesteuerbescheid. Ohne Änderung der Steuerfestsetzung bleibe der ursprüngliche Zahlungsanspruch bestehen, sei mithin ein Erstattungsanspruch nicht gegeben. Hier verdiene deshalb die in Rechtsprechung und Schrifttum ebenfalls vertretene formelle Rechtsgrundtheorie den Vorzug. Anderenfalls hätte es das FA in der Hand, Grundlagenbescheide zu erlassen und Pfändungen wirksam auszusprechen, bevor die anderen Gläubiger Kenntnis von dem Erstattungsanspruch erhielten. Das FA könne auch Drittschuldnern die Aufrechnungsmöglichkeit abschneiden, indem es Grundlagenbescheide, die zur Erstattung führen müßten, eher erlasse als Grundlagenbescheide, die Nachzahlungsansprüche begründeten.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Das FG hat zu Recht entschieden, daß die Pfändungs- und Einziehungsverfügung des FA vom 2. November ... dem Verbot des § 46 Abs. 6 Satz 1 AO 1977 entsprechend nicht erlassen worden ist, bevor die Gewerbesteuererstattungsansprüche...der GmbH entstanden waren. Die von der Klägerin als Drittschuldnerin angefochtene Verwaltungsvollstreckungsverfügung ist somit nicht gemäß § 46 Abs. 6 Satz 2 AO 1977 nichtig.
1. Der erkennende Senat hat sich in dem von der Vorinstanz zitierten Urteil in BFHE 160, 108, BStBl II 1990, 523 mit der Entstehung steuerrechtlicher Erstattungsansprüche und der hierzu in Rechtsprechung und Schrifttum in Anlehnung entweder an die materielle oder an die formelle Rechtsgrundtheorie vertretenen unterschiedlichen Auffassungen auseinandergesetzt. Soweit es für den Bereich der Abtretung und Pfändung von Steuererstattungsansprüchen auf den Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs ankommt (vgl. § 46 Abs. 2 und Abs. 6 AO 1977), hat der Senat jedenfalls für solche Erstattungsansprüche, die auf einer Überzahlung von Vorauszahlungen und der überhöhten Einbehaltung von Steuerabzugsbeträgen beruhen (§ 36 Abs. 4 Satz 2 und - bis 1990 - § 42 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG -), entschieden, daß diese bereits mit Ablauf des jeweiligen Veranlagungs- bzw. Lohnzahlungszeitraums entstehen und damit abtretbar und pfändbar sind. Der Senat folgt damit, soweit es - wie bei der Pfändbarkeit - (§ 46 Abs. 6 Satz 1 AO 1977) lediglich um die Entstehung und nicht um die Verwirklichung (Durchsetzung) des Erstattungsanspruchs geht, der materiellen Rechtsgrundtheorie, nach der der Erstattungsanspruch schon entsteht, wenn etwas gezahlt ist, was nach dem materiellen Recht nicht geschuldet ist, unabhängig davon, ob bereits eine dem Erstattungsanspruch entsprechende Steuerfestsetzung (Änderung oder Berichtigung) vorliegt oder nicht (vgl. hierzu auch Hein, Überlegungen zur Entstehung des steuerrechtlichen Erstattungsanspruchs, Deutsches Steuerrecht - DStR - 1990, 301ff. m.w.N.). Wegen der Begründung der vorstehenden Auffassung wird auf das Senatsurteil in BFHE 160, 108, BStBl II 1990, 523 Bezug genommen.
Auch das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) folgt für den Zeitpunkt der Entstehung von Gewerbesteuererstattungsansprüchen der vorstehend dargestellten rein materiell-rechtlichen Betrachtungsweise. Nach dem Beschluß des BVerwG vom 14. Dezember 1984 8 B 112/84 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1985, 483) entsteht der Anspruch auf Erstattung zuviel entrichteter Gewerbesteuervorauszahlungen in dem Zeitpunkt, indem die (niedrigere) Gewerbesteuerschuld entsteht, d.h. mit Ablauf des Erhebungszeitraums -Kalenderjahrs - (§§ 14 Abs. 2 Satz 2, 18 des Gewerbesteuergesetzes - GewStG -) und nicht erst mit der Festsetzung der Jahressteuer. Zwar wird nach § 20 Abs. 3 GewStG der Unterschiedsbetrag zwischen der (Jahres-)Steuerschuld und der Summe der anzurechnenden Vorauszahlungen (vgl. § 20 Abs. 1 GewStG) erst nach Bekanntgabe des Steuerbescheids durch Aufrechnung oder Zurückzahlung ausgeglichen. Diese Vorschrift regelt indessen - wie das BVerwG ausgeführt hat - nicht die Entstehung des Erstattungsanspruchs, sondern dessen Fälligkeit, d.h. die Frage, von welchem Zeitpunkt an der Erstattungsanspruch geltend gemacht werden kann.
2. Soweit es - wie bei der Frage der Pfändbarkeit (§ 46 Abs. 6 Satz 1 AO 1977) - allein auf die Entstehung des Steuererstattungsanspruchs ankommt, führt - entgegen der Auffassung der Revision - die materielle Rechtsgrundtheorie auch dann zum zutreffenden Ergebnis, wenn der Erstattungsanspruch nicht auf überhöhten Vorauszahlungen beruht, sondern auf Überzahlungen gegenüber der materiell richtigen Steuerschuld, die - wie im Streitfall - auf fehlerhafte und deshalb änderungsbedürftige Steuerbescheide zurückzuführen sind. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat schon zu dem in § 151 der Reichsabgabenordnung genannten Erstattungsgrund, wonach, wenn eine Steuerfestsetzung durch Aufhebung, Rücknahme oder Änderung des früher erlassenen Bescheids berichtigt wird, die zu Unrecht gezahlte Steuer zurückzuzahlen ist, entschieden, daß der Erstattungsanspruch bereits entsteht, wenn der jeweilige Steuerabschnitt abgelaufen und die Überzahlung eingetreten ist, unabhängig davon, in welcher Höhe er entsprechend der gerade erfolgten Feststellung des Steueranspruchs selbst geltend gemacht werden kann (BFH-Urteil vom 7. März 1968 IV R 278/66, BFHE 92, 153, BStBl II 1968, 496, 499). Die Entstehung des Erstattungsanspruchs knüpft also - ebenso wie bei anderen Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis - allein an die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Tatbestandsverwirklichung an (§ 38 AO 1977). Danach ist das Fehlen des rechtlichen Grundes für eine Zahlung, das nach den §§ 38, 37 Abs. 2 AO 1977 den Erstattungsanspruch begründet, allein nach der materiellen Rechtslage zu beurteilen: Die Zahlung ist ungerechtfertigt, wenn sie vom materiellen Steuergesetz nicht gedeckt ist. Die formelle Rechtslage (Festsetzung, Aufhebung, Änderung oder Berichtigung eines fehlerhaften Bescheids) hat dagegen nur Bedeutung für die Fälligkeit und die verfahrensrechtliche Durchsetzbarkeit des (Erstattungs-)Anspruchs (BFHE 92, 153, BStBl II 1968, 496; Hein, DStR 1990, 301, 304).
Der Senat vermag der Auffassung der Revision nicht zu folgen, wonach für den Zeitpunkt der Entstehung von Erstattungsansprüchen danach zu differenzieren sein soll, ob sie auf überhöhten Vorauszahlungen beruhen oder - wie im Streitfall - auf Steuerzahlungen aufgrund fehlerhafter, später geänderter Steuerbescheide. Für eine derartige Unterscheidung finden sich in den Steuergesetzen keine Anhaltspunkte. Nach der hier vertretenen Rechtsauffassung kommt es für beide Fälle von Erstattungsansprüchen allein darauf an, daß die geleisteten Zahlungen die nach dem materiellen Steuergesetz geschuldete Steuer, deren Höhe regelmäßig mit dem Ablauf des Erhebungszeitraums feststeht, übersteigen. Auch in formeller Hinsicht unterscheiden sich die beiden Arten von Erstattungsansprüchen trotz des von der Revision betonten vorläufigen Charakters der Vorauszahlungen für die hier maßgebliche Rechtsfrage nicht wesentlich. In beiden Fällen beruhen die (Über-)Zahlungen auf Steuerfestsetzungen (Steuerbescheid, Vorauszahlungsbescheid), die gemäß § 124 Abs. 2 AO 1977 solange ihre Wirksamkeit behalten, bis der (fehlerhafte) Steuerbescheid - auch durch Rechtsmittelentscheidung wie im Streitfall - aufgehoben oder geändert wird und die Vorauszahlungsbescheide sich durch Erlaß des Jahressteuerbescheids auf anderer Weise erledigen (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 14. Aufl., § 124 AO 1977 Tz. 7; BFH-Urteil vom 29. November 1984 V R 146/83, BFHE 143, 101, BStBl II 1985, 370). Der Änderung der Steuerfestsetzung und des Ergehens des Jahressteuerbescheids bedarf es deshalb nur für die Durchsetzung (Verwirklichung, § 218 Abs. 1 AO 1977) der nach dem materiellen Steuerrecht bereits früher erstandenen Erstattungsansprüche.
Soweit in Urteilen des BFH, auf die sich die Klägerin beruft, ausgeführt wird, daß erst mit der Änderung (Berichtigung) von Steuerbescheiden zugunsten des Steuerpflichtigen Erstattungsansprüche entstehen, stehen diese mit der vorstehend dargestellten Rechtsauffassung des Senats nicht in Widerspruch. Wie der erkennende Senat in seinem Urteil in BFHE 160, 108, BStBl II 1990, 523, 525 bereits dargelegt hat, war in der Entscheidung des I.Senats vom 18. Dezember 1986 I R 52/83 (BFHE 149, 440, 444, BStBl II 1988, 521) die Frage der Entstehung des Erstattungsanspruchs nicht entscheidungserheblich; denn daß die vom Bundesamt für Finanzen erstattete Kapitalertragsteuer nur dann vom Steuerpflichtigen zurückgefordert werden konnte, wenn zuvor der Freistellungsbescheid aufgehoben worden war, ergab sich bereits unabhängig von der Frage des Entstehungszeitpunkts aus § 218 Abs. 1 AO 1977. Das Urteil des V.Senats vom18. März 1976 V R 127/71 (BFHE 118, 163, BStBl II 1976, 438) stimmt in den Gründen mit der hier vertretenen Rechtsauffassung überein (latenter Erstattungsanspruch, Anwartschaft auf Erstattung). Es ist nur in seinem Leitsatz 2, der aber den Erstattungszahlungsanspruch betrifft, und im übrigen als solcher den Senat nicht zu binden vermag, zu weit gefaßt (kritisch dazu schon BVerwG in HFR 1985, 483). Im übrigen hatte der V.Senat des BFH über die Wirksamkeit einer vom Steuerpflichtigen erklärten Aufrechnung zu entscheiden. Für diese war nach § 387 des Bürgerlichen Gesetzbuches Voraussetzung, daß er die ihm gebührende Leistung fordern konnte, d.h. der Erstattungsanspruch mußte nicht nur bestehen, sondern auch fällig sein.
3. Für die Beurteilung des Entstehungszeitpunkts eines Erstattungsanspruchs nach der materiellen Rechtsgrundtheorie in Fällen der Abtretung, Verpfändung und Pfändung spricht - wie der Senat in BFHE 160, 108, BStBl II 1990, 523, 524 dargelegt hat - auch die Praktikabilität. Wollte man die Wirksamkeit einer Abtretungs- bzw. Verpfändungsanzeige ebenso wie die Wirksamkeit einer Pfändung des Erstattungsanspruchs (§ 46 Abs. 2 und Abs. 6 AO 1977) bei überhöhten Vorauszahlungen von der Festsetzung der Jahressteuer und bei fehlerhaften Steuerfestsetzungen von dem Ergehen des Änderungsbescheids abhängig machen, wäre eine wirtschaftlich sinnvolle Abtretung, Verpfändung oder Pfändung von Erstattungsansprüchen praktisch ausgeschlossen; erfolgte nämlich die Abtretungs-/Verpfändungsanzeige oder die Pfändungsverfügung vor der dem Gläubiger unbekannten Zustellung des Steuerbescheides, wäre diese gemäß § 46 Abs. 2 bzw. Abs. 6 AO 1977 rechtlich unwirksam, erfolgte sie nach Bekanntgabe und Auszahlung der Steuererstattung, ginge sie wegen Erlöschens des Zahlungsanspruchs regelmäßig ins Leere. Pfändungen und Abtretungen wären danach rechtlich nur noch in dem seltenen Ausnahmefall möglich, daß sie in dem kurzen Zeitraum zwischen Bescheidbekanntgabe und Auszahlung vorgenommen würden. Dies entspräche jedoch nicht dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers. Mit der Ausschließung von Abtretungen, Verpfändungen und Pfändungen vor Entstehen des Steuererstattungsanspruchs durch § 46 AO 1977 war nicht beabsichtigt, diese Rechtshandlungen wirtschaftlich unmöglich zu machen (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf der AO, BTDrucks VI/1982 S. 113).
Im übrigen wird zum Teil auch von Vertretern der formellen Rechtsgrundtheorie im Zusammenhang mit der Zulässigkeit der Pfändung nach § 46 Abs. 6 AO 1977 die Auffassung vertreten, daß der Lohnsteuererstattungsanspruch mit Ablauf des Ausgleichsjahres und der Anspruch auf Erstattung überhöhter Einkommensteuervorauszahlungen mit Ablauf des Veranlagungszeitraums entsteht (vgl. Klein/Orlopp, Abgabenordnung, 4. Aufl., § 46 Anm. 8a im Gegensatz zu § 38 Anm. 3d).
4. a) Für den Streitfall ergibt sich aufgrund der Rechtsauffassung des Senats, daß die Gewerbesteuererstattungsansprüche der GmbH für die Kalenderjahre ... zu den Zeitpunkten, in denen die geleisteten Steuerzahlungen - sei es als Vorauszahlungen, sei es als Abschlußzahlungen aufgrund der später geänderten Steuerbescheide - die nach dem Gewerbesteuergesetz geschuldete - mit Ablauf des jeweiligen Erhebungszeitraums in der zutreffenden Höhe zur Entstehung gelangte (§ 18 GewStG) - Gewerbesteuer überstiegen, entstanden waren. Die Entstehungszeitpunkte der Erstattungsansprüche lagen somit in dem Zeitraum zwischen Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres (Entstehung der materiell richtigen Gewerbesteuer) und der jeweils letzten Zahlung der GmbH aufgrund der Gewerbesteuerbescheide ... die später durch die Berichtigungsbescheide vom ... (Herabsetzung der Steuerschulden) ersetzt worden sind. Da nach den Feststellungen des FG im Zeitpunkt des Ergehens der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 2. November ... die fehlerhaft (überhöht) festgesetzten Gewerbesteuern gezahlt und die jeweiligen Erhebungszeiträume abgelaufen waren, waren zu diesem Zeitpunkt die Erstattungsansprüche nach der materiellen Rechtslage entstanden und somit gemäß § 46 Abs. 6 AO 1977 pfändbar. Für die Wirksamkeit der Pfändungs- und Einziehungsverfügung bedurfte es nicht der Anpassung der formellen an die materielle Rechtslage durch den späteren Erlaß der Berichtigungsbescheide.
b) Daß das FA aufgrund des bei ihm anhängigen Rechtsbehelfsverfahrens vor allen anderen Gläubigern Kenntnis von der Herabsetzung der Gewerbesteuermeßbeträge und damit von der Entstehung der Erstattungsansprüche hatte und demzufolge vorzeitig Vollstreckungsmöglichkeiten ergreifen konnte, muß - wie das FG zutreffend ausgeführt hat - hingenommen werden. Nach dem Urteil des Senats vom 24. Juli 1990 VII R 62/89 (BFHE 161, 412, BStBl II 1990, 946, 949) ist dies Ausfluß des vom Gesetzgeber generell in Kauf genommenen Prinzips, daß die selbst vollstreckende Behörde ihre Rechte als Vollstreckungsgläubiger in vielen Fällen schneller und effektiver durchsetzen kann als ein privater Gläubiger.
Auch die Möglichkeit, daß das FA Gewerbesteuermeßbescheide, die zur Erstattung führen müssen, eher erläßt als Gewerbesteuermeßbescheide, die Nachzahlungsansprüche begründen, und damit i.V.m. einer frühzeitigen Pfändung der hebeberechtigten Gemeinde Aufrechnungsmöglichkeiten abschneidet, steht - entgegen der Auffassung der Revision - der Wirksamkeit der Pfändung im Streitfall nicht entgegen. Derartige Gestaltungsmöglichkeiten des FA hat der Gesetzgeber mit der verfahrensrechtlichen Ausgestaltung der Festsetzung und Erhebung der Gewerbesteuer und dem Selbstvollstreckungsrecht der Finanzbehörden ebenfalls in Kauf genommen. Im Streitfall ist aber nicht ersichtlich und von der Revision nicht vorgetragen worden, daß das FA Manipulationen zum Nachteil der Klägerin vorgenommen hat.
Fundstellen
Haufe-Index 419926 |
BFH/NV 1994, 839 |