Leitsatz (amtlich)
Bei der Ermittlung der für die Staffelzollsätze maßgebenden Werte sind die Vorschriften für den Zollwert anzuwenden.
Normenkette
ZTG §§ 5-6
Tatbestand
Die Beschwerdeführerin (Bfin.) ließ am 29. März 1955 aus der Schweiz eingeführte Gewebe aus Honanseide, ungemustert, gefärbt, beim Zollamt X. zum freien Verkehr abfertigen. Die Zollstelle reihte die Ware unter die Tarifnr. 5010-B-1c ein. Diese Tarifstelle enthält nach dem Werte gestaffelte Zollsätze. Die Zollstelle wandte den für die Wertstufe von 9 bis 12 DM für 1 qm maßgeblichen Zollsatz von 18 % des Wertes an, nachdem sie den Wert von 1 qm Gewebe auf 9,09 DM festgestellt hatte. Als Zollwert ermittelte die Zollstelle unter Berücksichtigung eines Skontos von 3 % den Betrag von ..... DM. Unter Anwendung des Zollsatzes von 18 % auf diesen Zollwert forderte die Zollstelle von der Bfin. ..... DM Zoll und .... DM Umsatzausgleichsteuer, insgesamt ..... DM Eingangsabgaben.
Der Streit geht darum, ob die Feststellung der für den Zollsatz maßgeblichen Wertstaffel die Grundsätze über die Ermittlung des Zollwertes anzuwenden sind. Das Zollamt X. bejahte dies bei einer nachträglichen Nachprüfung des formlosen Zollbescheides vom 29. März 1955 und errechnete unter Berücksichtigung des Skontos von 3 % einen qm-Wert von 8,86 DM. Entsprechend diesem nunmehr ermittelten qm-Wert wandte die Zollstelle den dafür maßgeblichen Zollsatz von 22 % an und forderte von der Bfin. mit Steuerbescheid vom 6. April 1955 .... DM Zoll und ..... DM Umsatzausgleichsteuer, insgesamt .... DM Eingangsabgaben nach. Die Sprungberufung blieb erfolglos.
In der Rechtsbeschwerde trägt die Bfin. unter Wiederholung früheren Vorbringens vor, daß die Nachforderung unbillig sei und darüber hinaus gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoße, weil sie sich auf die ursprüngliche Zollberechnung verlassen und die Nachforderung nicht einkalkuliert habe. Hinsichtlich des Skontosatzes trägt die Bfin. vor, daß es auf Grund vertraglicher Vereinbarung mit der Lieferfirma ausgeschlossen gewesen sei, den im Vertragsformular erwähnten Skonto von 3 % in Anspruch zu nehmen. Im übrigen ist die Bfin. der Auffassung, daß der Skonto nur eine bedingte Ermäßigung des vereinbarten Preises darstelle, der um den Skontobetrag ermäßigte Rechnungspreis daher nicht als Normalpreis gelten könne, solange der Skonto nicht in Anspruch genommen werde.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde hat aus folgenden Gründen keinen Erfolg.
I. Zu Unrecht ist die Bfin. der Auffassung, daß die Nachforderung der Eingangsabgaben durch den Bescheid vom 6. April 1955 unbillig sei und gegen Treu und Glauben verstoße. Wie das Finanzgericht zutreffend dargelegt hat, war die Zollstelle zur Nachforderung der Abgaben nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet (§ 223 der Reichsabgabenordnung - AO - in Verbindung mit Urteil des Reichsfinanzhofs V z A 182/35 vom 27. August 1937, Slg. Bd. 42 S. 92, Reichssteuerblatt 1937 S. 1050). In der Nachforderung selbst kann daher weder ein Verstoß gegen die Billigkeit noch gegen Treu und Glauben liegen. Nur bei besonders gelagerten außergewöhnlichen Umständen könnte eine Nachforderung gegen Treu und Glauben verstoßen. Solche besondere Umstände sind aber von der Bfin. nicht vorgetragen worden. Der Umstand, daß die Bfin. sich auf die Berechnung verlassen und entsprechend kalkuliert hat, kann einen Verstoß gegen Treu und Glauben nicht rechtfertigen. Auch aus dem Inhalt der Akten ist ein solcher Verstoß nicht zu ersehen. Daraus ist vielmehr zu entnehmen, daß der ursprüngliche Zollbescheid am 29. März 1955 ergangen und die Nachforderung bereits wenige Tage später, nämlich mit Bescheid vom 6. April 1955 geltend gemacht worden ist. Bei der gesetzlichen Berechtigung der Zollstelle zur Nachforderung kann jedoch eine innerhalb so kurzer Zeit vorgenommene Nachforderung dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht widersprechen.
II. Auch soweit sich die Bfin. gegen die Berechnung der Abgaben wendet, kann sie mit ihrem Vorbringen nicht durchdringen. Nach den im Zeitpunkt der Einfuhr maßgebenden gesetzlichen Bestimmungen war der Einfuhrzoll nach den Einfuhrzollsätzen und den Maßstäben (Zollwert, Zollgewicht, Maß, Stück) des Zolltarifs zu erheben (§ 49 Abs. 1 des Zollgesetzes). Der Zoll für wertzollbare Waren ist nach ihrem Zollwert zu bemessen. Dementsprechend enthält der Zolltarif eine Spalte mit der überschrift "Zollsatz % des Wertes". Die hier in Rede stehende Tarifnr. 5010-B-1 c schreibt für ungemusterte, gefärbte oder bunt gewebte Seidengewebe einen unterschiedlichen Zollsatz je nach dem qm-Wert der Ware vor. Es handelt sich um nach dem Werte gestaffelte Zollsätze. Zwischen dem in der Zollsatzspalte angeführten Wert, mit dessen Hilfe unmittelbar der Zoll errechnet wird, und dem in der Warenbezeichnungsspalte angeführten Wert, der für die Ermittlung des anzuwendenden Zollsatzes dient, kann, wie auch die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat, kein Unterschied sein. In beiden Fällen handelt es sich um den Zollwert im Sinne der damals geltenden gesetzlichen Begriffsbestimmung des § 5 Abs. 2 des Zolltarifgesetzes - ZTG - 1951 (heute § 53 Abs. 2 des Zollgesetzes). Dies ergibt sich aus folgenden Gründen:
Der in Betracht kommende Zolltarif ist Bestandteil des ZTG vom 16. August 1951 (Bundesgesetzblatt - BGBl - 1951 Teil I S. 527), das die Vorschriften über den Zollwert enthält. Es ist schlechterdings ausgeschlossen, daß in einem einheitlichen Gesetze gleichlautende Begriffe in verschiedener Bedeutung verwendet werden, ohne daß dies vom Gesetzgeber besonders zum Ausdruck gebracht ist.
Der der Ermittlung des zutreffenden Zollsatzes dienende Wert bildet ebenso wie der Wert, auf den der zutreffende Zollsatz Anwendung findet, die Grundlage für die Bemessung des Zolls im Sinne des § 5 Abs. 1 ZTG 1951 (heute § 53 des Zollgesetzes in der Fassung des Dritten Zolländerungsgesetzes vom 9. August 1956 (BGBl I S. 735, Bundeszollblatt - BZBl - 1956 S. 594). Es kann daher der für die Feststellung des Zollsatzes maßgebende Wert nur der Zollwert im Sinne dieser Bestimmung sein (ebenso Siegert, Zollgesetz und Zolltarifgesetz, 5. Aufl. § 5 ZTG Anm. 1, Zepf, Wertverzollung, 2. Aufl. Teil II S. 3 Fußnote 1).
Die Ware ist aus der Schweiz eingeführt worden. Nach dem Zollvertrage (Anlage A Teil I) zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 20. Dezember 1951 (Gesetz vom 4. April 1952, BGBl 1952 II S. 405) findet für Gewebe der Tarifnr. 5010-B-1 mit einem Wert von mehr als 9 bis 12 DM für 1 qm der Vertragszollsatz von 18 % Anwendung. In Art. IX Abs. 1 des Zollvertrages ist ausdrücklich bestimmt, daß für die Ermittlung der Wertgrenzen, die in der Anlage A vereinbart sind, die Vorschriften über den Zollwert angewendet werden. Somit steht außer Zweifel, daß der für die Anwendung des Zollsatzes maßgebliche Wert nach den Vorschriften über die Ermittlung des Zollwertes zu bestimmen ist.
III. Hinsichtlich des Zollwertes ist im Streitfalle die Feststellung des Finanzgerichts von Bedeutung, daß der Bfin. nach dem Kaufvertrage von ihrer Lieferantin ein Barzahlungsskonto von 3 % eingeräumt worden ist und daß dieser Skonto handelsüblich ist. Ist aber ein Zahlungsskonto vereinbart, dann kann der Rechnungspreis nicht als Normalpreis und Zollwert angesehen werden. Bei dem Rechnungspreise handelt es sich nämlich in einem solchen Falle um einen sogenannten Bruttowarenpreis. Der Rechnungspreis stellt nicht nur den Preis für die gelieferte Ware dar, er enthält darüber hinaus auch noch die Kosten für die Kreditierung des Kaufpreises, wenn der Käufer diesen Kredit dadurch in Anspruch nimmt, daß er nicht bei Empfang der Ware oder innerhalb einer bestimmten Frist bezahlt. Nimmt der Käufer den Kredit nicht in Anspruch, vermindert der Verkäufer den in Rechnung gestellten Preis um den vereinbarten Skonto. Der Rechnungspreis kann daher nur dann als Zollwert angesehen werden, wenn er um den Betrag der Kreditkosten, d. h. um den Betrag des Skontos vermindert wird. Dabei ist es im Gegensatz zur Auffassung der Bfin. gleichgültig, ob der Skonto tatsächlich in Anspruch genommen wird oder nicht. Denn nur der Warenpreis ohne Kreditkosten, das ist der Nettokassenpreis, ist der erzielbare freie Marktpreis, der Normalpreis im Sinne des § 6 ZTG (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs V z 137/52 S und V z 8/53 S vom 25. März 1954, Slg. Bd. 58 S. 708, 712, Bundessteuerblatt - BStBl - 1954 III S. 180, 182). Die Bfin. hat für ihre Behauptung, daß auf Grund nachträglicher Vereinbarung mit der Lieferfirma die Inanspruchnahme des nach dem Kaufvertrag vereinbarten Skontos ausgeschlossen war, nähere Einzelheiten nicht vorgetragen. Das Vorbringen bezieht sich offensichtlich auf das bei den Akten befindliche Schreiben der Lieferfirma vom 30. Juli 1955. Darin heißt es, daß der Bfin. ein Skonto nicht genehmigt werden könne, "da die handelsübliche Frist für die etwaige Inanspruchnahme eines solchen Skontos längst verstrichen ist". Bei diesem Schreiben handelt es sich aber nicht um eine nachträgliche Vereinbarung, daß ein Skonto nicht in Anspruch genommen werden solle, sondern um eine Versagung des Skontos, weil die für die Gewährung eines Skontos maßgebliche Frist überschritten war. Dies hat die Bfin. verkannt.
Die Rechtsbeschwerde war aus diesen Gründen mit der Kostenfolge des § 307 der Reichsabgabenordnung (AO) als unbegründet zurückzuweisen. Die Feststellung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf § 320 AO.
Fundstellen
Haufe-Index 409122 |
BStBl III 1958, 347 |
BFHE 1959, 197 |
BFHE 67, 197 |