Leitsatz (amtlich)
Die Steuerschuldermäßigung für Darlehen gemäß § 16 BerlinFG entfällt, wenn ein Ehegatte das Darlehen unmittelbar dem mit ihm zusammen veranlagten Ehegatten gewährt.
Normenkette
BerlinFG § 16; EStG § 26b
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die zur Einkommensteuer zusammen veranlagt werden. Der Kläger (Ehemann) betrieb in Berlin (West) eine Gärtnerei. Die Klägerin (Ehefrau) bezieht vor allem Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Die Klägerin gewährte dem Kläger 1974 ein Darlehen von 40 000 DM. Der Kläger verwandte den Darlehensbetrag abredegemäß zum Erwerb eines Radladers für seine Gärtnerei (Anschaffungspreis 43 900 DM). Er nahm hierfür erhöhte Absetzungen nach § 14 des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG) und Investitionszulage nach § 19 BerlinFG in Anspruch. Die Berliner Industriebank AG bestätigte, daß das Darlehen im Rahmen des § 16 BerlinFG gewährt worden sei, für den Erwerb des Radladers verwendet werde und sie die bestimmungsgemäße Verwendung des Darlehens und die Durchführung des Vertrags überwachen werde.
Die Kläger begehrten eine Kürzung ihrer Einkommensteuer 1974 gemäß § 16 Abs. 1 und 4 BerlinFG um 12 v. H. von 40 000 DM = 4 800 DM. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) versagte die Kürzung. Der Einspruch blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt (Urteil des FG Berlin vom 24. April 1980 IV 226/79, Entscheidungen der Finanzgerichte -- EFG -- 1981, 67) und führte aus: Die Darlehenshingabe, die ernsthaft gewollt sei und keine Umgehungsabsicht erkennen lasse, erfülle die Voraussetzungen des § 16 BerlinFG. Die Klägerin habe eine fremde Investition gefördert, nämlich den Erwerb des Radladers durch den Kläger für dessen Betrieb. Die Investition könne nicht wegen der Zusammenveranlagung als eigene Investition der Klägerin angesehen werden. Das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 16. Mai 1975 VI R 155/72 (BFHE 116, 78, BStBl II 1975, 704) erwecke zwar für den vergleichbaren Fall der Darlehensgewährung nach § 17 des Berlinhilfegesetzes (BHG 1968), § 17 BerlinFG (Förderung von Baumaßnahmen) den Eindruck, das durch ein Darlehen der Ehefrau geförderte Vorhaben des Ehemannes sei bei Zusammenveranlagung auch als Vorhaben der Ehefrau anzusehen. Eine solche Aussage dürfte der BFH jedoch nicht beabsichtigt haben, weil er darauf abgestellt habe, daß das vom Ehemann erstellte Gebäude auch von der Ehefrau bewohnt worden sei. Bei einer solchen Gestaltung werde freilich, wirtschaftlich betrachtet, auch aus der Sicht der Ehefrau eine eigene Investition gefördert.
Das FA rügt mit der Revision, das FG sei von den Grundsätzen des Urteils in BFHE 116, 78, BStBl II 1975, 704 abgewichen.
Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage.
Nach § 16 BerlinFG ist die Darlehensgewährung an die Berliner Industriebank AG oder an die Deutsche Industriebank Berlin (Abs. 1) unter bestimmten Voraussetzungen (Abs. 2) dadurch begünstigt, daß sich die Einkommensteuer für den Veranlagungszeitraum der Hingabe um 12 v. H. der hingegebenen Darlehen mindert (Abs. 1), höchstens jedoch um 50 v. H. der Einkommensteuer (Abs. 5); die Darlehen sind zweckgebunden; die genannten Kreditinstitute haben die Gelder an Unternehmen weiterzugeben, die die Darlehen unverzüglich und unmittelbar zur Anschaffung oder Herstellung abnutzbarer Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens einer in Berlin (West) belegenen Betriebsstätte verwenden müssen (Abs. 3). Außer dieser mittelbaren Darlehensgewährung ist auch die unmittelbare Darlehensgewährung begünstigt, bei der der gemäß Abs. 3 investierende Unternehmer in unmittelbare Vertragsbeziehungen zum Darlehensgeber tritt und die genannten Kreditinstitute lediglich die zweckentsprechende Darlehensverwendung und die Durchführung des Vertrags überwachen (Abs. 4). Eine ähnliche Steuerermäßigung gewährt § 17 BerlinFG für Darlehen zur Förderung des Baues von Wohnungen in Berlin (West), ebenfalls in der Form der unmittelbaren Darlehensgewährung an Bauherren (Abs. 1 bis 4) oder der mittelbaren Darlehensgewährung über bestimmte Kreditinstitute (Abs. 5).
Es braucht nicht zu der von den Klägern aufgeworfenen Frage Stellung genommen zu werden, wie die mittelbare Darlehensgewährung des § 16 Abs. 1 bis 3, § 17 Abs. 5 BerlinFG zu beurteilen ist. Die Kläger haben eine Darlehensgewährung nach § 16 Abs. 4 BerlinFG gewählt, die zivilrechtlich unmittelbare Rechtsbeziehungen zwischen ihnen begründete. Für die vergleichbare unmittelbare Darlehensgewährung unter Eheleuten nach § 17 Abs. 1 bis 4 BHG 1968 (§ 17 Abs. 1 bis 4 BerlinFG) hat der VI. Senat des BFH in dem Urteil in BFHE 116, 78, BStBl II 1975, 704 ausgeführt, die Begünstigung entfalle jedenfalls bei Zusammenveranlagung. Dem schließt sich der Senat für § 16 Abs. 4 BerlinFG an.
Bei der Zusammenveranlagung sind die Einkünfte der Ehegatten zusammenzurechnen (§ 26 b Satz 2 des Einkommensteuergesetzes -- EStG -- in der noch im Streitjahr 1974 geltenden Fassung). § 26 b EStG 1975 führt diese Regelung fort und ergänzt klarstellend (BT-Drucks. 7/1470 S. 299), daß zusammengerechnete Einkünfte den Ehegatten gemeinsam zugerechnet werden und diese sodann, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, gemeinsam als Steuerpflichtige behandelt werden. Demgemäß sind die Einkünfte zusammen zu veranlagender Eheleute getrennt zu ermitteln, was zur Folge hat, daß sich die Ehegatten in diesem Bereich wie Fremde gegenüberstehen und die zwischen ihnen getroffenen Vereinbarungen, sofern sie ernstlich gewollt sind und tatsächlich durchgeführt werden, auch steuerrechtlich zu beachten sind (u. a. BFH-Urteile vom 22. Januar 1980 VIII R 74/77, BFHE 129, 485, BStBl II 1980, 244; vom 26. Mai 1982 I R 104/81, BFHE 136, 118, BStBl II 1982, 594).
Außerhalb der Einkünfteermittlung sind zusammen zu veranlagende Eheleute jedoch grundsätzlich als ein Steuerpflichtiger zu behandeln. Sie bilden für den Abzug von Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen eine Einheit (BFH-Urteil vom 22. März 1967 VI R 300/66, BFHE 89, 69, BStBl III 1967, 596). Verlustabzüge mindern sich auch um positive Einkünfte des anderen Ehegatten (BFH-Urteil vom 13. November 1979 VIII R 193/77, BFHE 129, 262, BStBl II 1980, 188). Tarifliche Freibeträge oder Freigrenzen bestimmen sich nach dem Einkommen beider Ehegatten (vgl. BFH-Urteile vom 5. Dezember 1963 IV 28/62 S, BFHE 78, 239, BStBl III 1964, 96, zum Freibetrag nach § 13 Abs. 3 EStG 1958; vom 21. Februar 1964 VI 193/62 U, BFHE 79, 31, BStBl III 1964, 244, zur Freigrenze nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG 1958). Sowei der IV. Senat des BFH bei der tarifbegünstigten Besteuerung von Nebeneinkünften nach § 34 Abs. 4 EStG 1975 allein auf die Einkünfte eines Ehegatten abgestellt hat, hat er betont, daß die Vorschrift an die getrennt ermittelten Einkünfte anknüpft und § 26 b EStG 1975 nicht berührt wird (Urteil vom 12. Juni 1980 IV R 124/77, BFHE 131, 46, BStBl II 1980, 645).
§§ 16, 17 BerlinFG gewähren Tarifvergünstigungen in der Form der Steuerschuldermäßigung (BFH-Urteil vom 25. Oktober 1979 VIII R 153/78, BFHE 129, 342, BStBl II 1980, 352). Sie werden im Falle der Zusammenveranlagung von der bereits nach der Splittingtabelle errechneten Steuerschuld abgesetzt. In diesem Bereich gilt die durch die Zusammenveranlagung hergestellte Einheit der Eheleute ohne Einschränkung. Rechtsbeziehungen zu dem anderen Ehegatten sind insoweit steuerrechtlich nicht zu beachten. Hieraus folgt für die §§ 16, 17 BerlinFG, daß die unmittelbare Darlehensgewährung unter Ehegatten so anzusehen ist, als ob derselbe Steuerpflichtige das Darlehen gewährt und in Anspruch nimmt. Die Tarifvergünstigung entfällt. Ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) ist nicht gegeben. Eheleute haben es in der Hand, von der Zusammenveranlagung abzusehen und getrennte Veranlagung zu wählen; bei getrennter Veranlagung führt die Darlehensgewährung in der Person des darlehensgebenden Ehegatten zur Steuerschuldermäßigung.
Das Urteil in BFHE 116, 78, BStBl II 1975, 704 steht dieser Auffassung nicht entgegen. Das Urteil versagt die Steuerschuldermäßigung jedenfalls bei Zusammenveranlagung und schließt nicht aus, daß sie bei getrennter Veranlagung gewährt wird. Ob die Vergünstigung bei der Förderung von Baumaßnahmen nach § 17 BerlinFG unabhängig von der Zusammenveranlagung auch deswegen zu versagen ist, weil der darlehensgebende Ehegatte das erstellte Gebäude mitbewohnt und dieses deswegen zu einem "eigenen" Bauvorhaben des darlehensgebenden Ehegatten wird, braucht nicht entschieden zu werden. Dem weitergehenden Verständnis dieses Urteils durch die Vorinstanz, die unabhängig von Zusammenveranlagung oder getrennter Veranlagung nur bei "eigenen" Investitionen des darlehensgebenden Ehegatten die Vergünstigung versagen möchte, folgt der Senat nicht. Er versteht die Ausführungen des Urteils auch nicht dahin, daß zusammen zu veranlagenden Ehegatten ein Wahlrecht zwischen den Investitionsvergünstigungen nach den §§ 14 bis 15, 19 BerlinFG und den Darlehensvergünstigungen nach §§ 16, 17 BerlinFG eingeräumt werden sollte. Die Investitionsvergünstigungen der §§ 14 bis 15, 19 BerlinFG bleiben vielmehr erhalten, während die Vergünstigungen der §§ 16, 17 BerlinFG Bei Zusammenveranlagung und unmittelbarer Darlehensgewährung entfallen.
Die Kläger haben in der mündlichen Verhandlung vorgebracht, ausgehend von den dargelegten Grundsätzen müßte auch einem Arbeitgeber-Ehegatten die Steuerermäßigung nach § 14 des Dritten Vermögensbildungsgesetzes (3. VermBG) versagt werden, soweit bei Zusammenveranlagung vermögenswirksame Leistungen zugunsten des im Betrieb mitarbeitenden Ehegatten erbracht würden. Der Streitfall gibt keinen Anlaß, zu dieser Frage Stellung zu nehmen. Einer Versagung würde jedenfalls nicht entgegenstehen, daß der Arbeitnehmer-Ehegatte seinerseits die Arbeitnehmersparzulage nach § 12 3. VermBG beanspruchen kann (BFH-Urteil vom 19. September 1975 VI R 172/73, BFHE 117, 133, BStBl II 1976, 81); denn die Arbeitnehmersparzulage wird außerhalb der Einkommensteuerveranlagung gewährt.
Fundstellen
Haufe-Index 74721 |
BStBl II 1983, 674 |
BFHE 1984, 69 |