Entscheidungsstichwort (Thema)
Übernahme von Verpflichtungen aus Aufwendungs darlehen als Gegenleistung für einen Grundstückserwerb
Leitsatz (NV)
1. Eine sonstige Leistung i. S. von § 9 Ab. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 kann auch in der schuldbefreienden Übernahme von Darlehensverpflichtungen liegen, die durch auf einem Grundstück ruhende Grundschulden gesichert werden. Die Übernahme der auf dem Grundstück lastenden Grundschulden durch den Erwerber stellt daneben keine (weitere) Gegenleistung dar.
2. Übernimmt der Erwerber eines im sozialen Wohnungsbau errichteten Mietwohngrundstücks Verpflichtungen aus zinslosen Aufwendungsdarlehen, mit denen er der Mietpreisbindung unterliegt, so stellt die Unverzinslichkeit der Aufwendungsdarlehen keinen Umstand dar, diese bei der Er mittlung der grunderwerbsteuerlichen Ge genleistung mit einem vom Nennwert ab weichenden (niedrigeren) Wert anzusetzen.
3. Werden als Gegenleistung übernommene Rückerstattungsansprüche aus einem Aufwendungsdarlehen vereinbarungsgemäß nicht geltend gemacht, soweit und solange die Ertragslage des Kaufobjekts bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung eine Bedienung der Darlehensforderung nicht ermöglicht, stellen diese Rückerstattungsansprüche keine aufschiebend bedingte Lasten dar, die nach § 6 Abs. 1 BewG bei der Gegenleistung unberücksichtigt bleiben müßten.
Normenkette
GrEStG 1983 § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1; BewG §§ 6, 12
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägrin (Klägerin), eine Wohnungsbaugesellschaft mbH, erwarb mit notariellem Kaufvertrag vom 4. März 19 ... ein in Berlin belegenes, mit Mietwohnungen im sozialen Wohnungsbau bebautes Grundstück. In Abteilung III des Grundbuches waren für das Grundstück mehrere Grundpfandrechte eingetragen, da runter zur Sicherung zweier Aufwendungsdarlehen zwei Grundschulden zugunsten der Wohnungsbau-Kreditanstalt Berlin (WBK). Als Kaufpreis wurde in dem Vertrag ein Betrag von insgesamt ... DM vereinbart. Dazu wurde in § 5 Abs. 2 des Kaufvertrags näher bestimmt:"
Der Kaufpreis wird dadurch belegt, daß die Käuferin (Klägerin) im Wege der befreienden Schuldübernahme als Allein- und Selbstschuldner die in ... angeführten Grundpfandrechte und die diesen Grundpfandrechten zugrundeliegenden Darlehensverbindlichkeiten der Verkäufer mit allen Zinsen und sonstigen Nebenleistungen mit Wirkung vom 1. März 19 ... an übernimmt, und zwar unter Anrechnung der sich per 28. Februar 19 ... ergebenden Valutastände auf den Kaufpreis. ... "
In den vereinbarten Kaufpreis gingen die Aufwendungsdarlehen der WBK mit einem Valutastand zum 28. Februar 19 ... in Höhe von ... DM ein. Für den Fall der Versagung der Schuldübernahmegenehmigung wurde unter § 6 des Kaufvertrags weiter vereinbart:"
1. Jeder der Vertragsparteien steht das Recht zum Rücktritt von diesem Vertrag zu, wenn
...
b) die WBK gegenüber der Käuferin (Klägerin) nicht eine Erklärung i. S. des § 88 Abs. 3 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes abgibt (wonach die WBK als Gläubigerin mit ihrer persönlichen Forderung hinter die Forderungen aller anderen Gläubiger in der Weise zurücktritt, daß sie nur aus künftigen Gewinnen oder aus dem die sonstigen Verbindlichkeiten des Schuldners übersteigenden Vermögen bedient zu werden braucht und daß darüber hinaus diese Ansprüche nicht geltend gemacht werden, soweit und solange die Ertragslage des Kaufobjekts bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung eine Bedienung der Darlehensforderung nicht ermöglicht).
... "
Eine entsprechende Erklärung wurde von der WBK am 26. Januar 19 ... gegenüber der Klägerin abgegeben.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) setzte unter Zugrundelegung des vereinbarten Kaufpreises Grunderwerbsteuer fest.
Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage, mit der die Klägerin die Nichteinbeziehung der Valutabeträge der übernommenen grundpfandrechtlich gesicherten Aufwendungsdarlehen in die Be messungsgrundlage der Grunderwerbsteuer begehrte, wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet ab. Das FA habe die streitigen Beträge dem Grunde und der Höhe nach zutreffend der Besteuerung zugrunde gelegt. Teil der Gegenleistung i. S. des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) seien die von der Klägerin übernommenen, die beiden Aufwendungsdarlehen der WBK sichernden Grundschulden. Weder die Erklärung der WBK gemäß § 88 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes (II. WoBauG) noch die Unverzinslichkeit der Aufwendungsdarlehen erlaubten die Grundschulden niedriger als die Valutastände der Aufwendungsdarlehen anzusetzen. Denn die in den übernommenen Grundschulden bestehende wirtschaftliche Belastung der Klägerin entfalle nicht aufgrund der Erklärung der WBK. Die Klägerin habe im Zeitpunkt der Übernahme der Grundschulden mit einer Inanspruchnahme seitens der WBK in Zukunft rechnen müssen. Dies ergebe sich daraus, daß die WBK als Gläubigerin für die spätere Geltendmachung ihrer Forderungen vertretbare Gründe anführe. Auch sei -- entgegen der Klägerin -- für die Bewertung der Grundschulden ohne Bedeutung, ob die Verbindlichkeiten aus den Aufwendungsdarlehen wegen der Erklärung der WBK aufschiebend bedingt seien. Denn weder seien die Grundschulden selbst aufschiebend bedingt noch würde eine den zu sichernden Darlehensforderungen beigefügte aufschiebende Bedingung infolge der fehlenden Akzessorietät der Grundschulden sich auf deren Wirksamkeit zum Zeitpunkt des Erwerbs auswirken. Eine niedrigere Bewertung der Grundschulden komme im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu den Wohnungsbaudarlehen auch unter dem Gesichtspunkt der Unverzinslichkeit der Darlehen nicht in Betracht.
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 sowie der §§ 6 und 12 des Bewertungsgesetzes (BewG). Aus der Erklärung der WBK ergebe sich, daß deren Ansprüche aus den Aufwendungsdarlehen aufschiebend bedingte Lasten i. S. von § 6 Abs. 1 BewG seien, die für die Berechnung der Grunderwerbsteuer nicht berücksichtigt werden dürften. Im Zeitpunkt des Erwerbs habe die Übernahme der die Aufwendungsdarlehen sichernden Grundschulden keine wirtschaftliche Belastung dargestellt. Die Erklärung der WBK gehe als modifizierter Forderungserlaß über eine Rangrücktrittserklärung i. S. von § 88 Abs. 3 II. WoBauG hinaus. Zudem sei es aus heutiger Sicht noch ungewiß, ob und zu welchem Zeitpunkt die genannten Bedingungen, die es der WBK ermöglichten, Rückzahlungsansprüche geltend zu machen, einträten.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und unter Abänderung des Grunderwerbsteuerbescheids die Grunderwerbsteuer um ... DM niedriger festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist zurückzuweisen (§ 126 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Das FG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
1. Als Gegenleistung gelten bei einem Grundstückskauf der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen (vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983). Eine sonstige Leistung im Sinne dieser Vorschrift kann auch in der schuldbefreienden Übernahme von Darlehensverpflichtungen liegen, die durch auf einem Grundstück ruhende Grundschulden gesichert werden. Die Übernahme der auf dem Grundstück lastenden Grundschulden durch den Käufer stellt daneben keine (weitere) Gegenleistung dar.
Im Streitfall erfolgte nach dem erkennbaren Willen der Vertragsparteien (§§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches -- BGB --) die Schuldübernahme der grundpfandrechtlich gesicherten Aufwendungsdarlehen nicht als Leistung an Erfüllung Statt, sondern stellte einen selbständigen Teil der Gegenleistung für den Grundstücks erwerb durch die Klägerin dar. Der im Kaufvertrag genannte "Kaufpreis" ist das Ergebnis einer Zusammenrechnung der Valutastände der einzelnen grundpfandrechtlich gesicherten Darlehensverbindlichkeiten der Verkäufer. Eine Geldforderung ist dadurch nicht entstanden (vgl. Putzo in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 53. Aufl., § 433 Rdnr. 33). Nach der Vereinbarung der Parteien sollte dementsprechend bei von dem Vertrag abweichenden tatsächlichen Valutaständen der "Kaufpreis" entsprechend angepaßt werden (vgl. § 5 Abs. 3 des Kaufvertrags).
2. Für die Besteuerung ist die Gegenleistung mit ihrem Wert anzusetzen (vgl. § 8 GrEStG 1983). Dies hat bei Übernahme grundpfandrechtlich gesicherter Darlehensverbindlichkeiten zur Folge, daß die Darlehensschulden mit ihrem wirklichen Wert anzusetzen sind. Maßgebend für die Bewertung der Gegenleistung sind die allgemeinen Vorschriften des Bewertungsrechts. Danach ist grundsätzlich von dem Nennwert der Gegenleistung auszugehen, wenn nicht besondere Umstände -- zum Zeitpunkt des Erwerbsvorgangs -- einen höheren oder geringeren Wert begründen (vgl. § 12 Abs. 1 BewG).
Entgegen der Vorentscheidung ist daher bei der Bewertung des streitigen Teils der Gegenleistung nicht auf die Grundschulden abzustellen, sondern auf die Ausgestaltung der ihnen zugrundeliegenden Aufwendungsdarlehen.
Besondere Umstände i. S. von § 12 Abs. 1 BewG, die einen vom Nennwert, also dem Valutastand, der übernommenen Darlehensverbindlichkeiten abweichenden niedrigeren Wert rechtfertigen, liegen indes im Streitfall nicht vor.
a) So stellt die Unverzinslichkeit der von der WBK gewährten Aufwendungdarlehen für sich keinen wertmindernden Umstand dar. Der Senat hat insoweit in seinem Urteil vom 24. März 1981 II R 118/78 (BFHE 133, 95, BStBl II 1981, 487) entschieden, daß die Zinsvergünstigung für Darlehen, die einem Grundstückseigentümer aus öffentlichen Mitteln zur Errichtung von Mietwohnungen gegeben werden, keine vom Nennwert abweichende Bewertung rechtfertigen. Denn maßgebend sei, daß die Zinsvergünstigung der Wohnungsbaudarlehen aus öffentlichen Mitteln an die Mieter gewissermaßen wie ein "durchlaufender Posten" in Form von preisgünstigen Mieten weitergegeben werden müsse. Die Zinsvergünstigung sei kein für den Grundstückseigentümer selbst bestimmter Vorteil, welcher als besonderer Umstand i. S. von § 12 Abs. 1 BewG einen geringeren Wert begründen könne. Diese Auffassung hat der BFH ebenfalls für die Bewertung von Mieter- und Lastenausgleichsdarlehen vertreten (Urteil vom 9. Juli 1982 III R 15/79, BFHE 136, 299, BStBl II 1982, 639). Nicht anders ist auch der vorliegende Fall zu beurteilen. Denn die Klägerin unterliegt mit den von ihr übernommenen Aufwendungsdarlehen ebenfalls einer Mietpreisbindung. Die Zinslosigkeit der Aufwendungsdarlehen muß die Klägerin mit kostengünstigen Mieten an ihre Mieter weitergeben. Ohne die zinsbegünstigten Aufwendungsdarlehen wäre die Klägerin auf andere Fremdmittel angewiesen, um die Deckungslücke zwischen ihren Aufwendungen und Erträgen zu schließen. Die dadurch anfallenden Finanzierungskosten müßten in höheren Mieten berücksichtigt werden.
b) Entgegen der Auffassung der Klägerin sind die Rückerstattungsansprüche aus den Aufwendungsdarlehen der WBK auch keine aufschiebend bedingten Lasten, die nach § 6 Abs. 1 BewG bei der Gegenleistung unberücksichtigt bleiben müßten. Denn die Rückzahlungsansprüche sind bereits aufgrund der zwischen der WBK und den Verkäufern geschlossenen Darlehensverträge und der Auszahlung der Darlehen an die Empfänger rechtsverbindlich entstanden (vgl. § 607 Abs. 1 BGB). Abreden, insbesondere Fälligkeits- oder Tilgungsabreden, über die Voraussetzungen einer Rückzahlung der Darlehen berühren den Bestand der Rückerstattungsansprüche nicht. Etwas anderes läßt sich insoweit auch nicht -- wie die Klägerin zu Unrecht annimmt -- aus der Erklärung der WBK vom 26. Januar 19 ... entnehmen. Denn die darin enthaltene Vereinbarung, die Rückerstattungsansprüche nur unter den näher bezeichneten Umständen geltend zu machen, setzt den rechtlichen Bestand dieser Ansprüche gerade voraus.
c) Das FG hat auch ohne Rechtsverstoß entschieden, daß die Aufwendungsdar lehen eine wirtschaftliche Belastung für die Klägerin darstellten. Entgegen der Auffassung der Klägerin steht dem die Erklärung der WBK der Klägerin gegenüber, die Ansprüche aus den Aufwendungsdarlehen nicht geltend zu machen, soweit und solange die Ertragslage des Kaufobjekts bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung eine Bedienung der Darlehensforderung nicht ermöglicht, nicht entgegen. Denn diese Erklärung der WBK betrifft lediglich die Fälligkeit des Rückgewähranspruchs nach § 609 BGB. Keinesfalls hat die WBK jedoch damit für die Zukunft ganz oder teilweise auf die Rückgewähr der darlehensweise hingegebenen Geldmittel verzichtet.
Soweit das FG im übrigen unter Bezugnahme auf das Schreiben der WBK vom ... davon ausgegangen ist, die Klägerin habe mit einer Inanspruchnahme aus den Aufwendungsdarlehen rechnen müssen, weil sich nach planmäßiger Tilgung der zur Dekung der Gesamtkosten in Anspruch genommenen Fremdmittel für die Klägerin Möglichkeiten ergäben, die Aufwendungsdarlehen zurückzuzahlen, handelt es sich um Schlußfolgerungen tatsächlicher Art, die das FG aufgrund des von ihm festgestellten Sachverhalts im Rahmen der ihm obliegenden Tatsachenwürdigung gezogen hat. An diese Würdigung des festgestellten Sachverhalts ist der BFH als Revisionsgericht nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden, es sei denn, daß in bezug auf die der Würdigung zugrundeliegenden Tatsachenfeststellungen zulässige oder begründete Revisionsgründe vorgebracht sind oder die aus den festgestellten Tatsachen gezogenen Schlußfolgerungen gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen (vgl. BFH- Urteil vom 27. August 1991 VIII R 84/89, BFHE 165, 330, BStBl II 1992, 9, 12).
Die Klägerin hat jedoch im Streitfall mit der Revision nicht geltend gemacht, der vom FG zugrunde gelegte Sachverhalt sei falsch oder unvollständig ermittelt worden, sondern hat -- der Tatsachenwürdigung des FG lediglich widersprechend -- behauptet, bei ordentlicher Bewirtschaftung sei auch zukünftig mit Überschüssen nicht zu rechnen. Auch ein Verstoß des FG gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze ist nicht ersichtlich, soweit es unter Bezugnahme auf die entsrpechende Beurteilung der WBK im Schreiben vom ... davon ausgegangen ist, die Klägerin werde zukünftig in der Lage sein, die Aufwendungsdarlehen zurückzuzahlen, weil sich die Rentabilität des Objekts nach Tilgung der übrigen Fremdmittel verbessern werde.
Fundstellen
Haufe-Index 420339 |
BFH/NV 1995, 638 |