Entscheidungsstichwort (Thema)
"Blüten" im Sinne des Zolltarifs
Leitsatz (NV)
1. ,,Blüten" im botanischen wie zolltariflichen Sinne sind Pflanzenteile, bei denen die wesentlichen Blütenorgane noch vorhanden sind. Auf eine besondere Zierwirkung kommt es nicht an.
2. Zu den formellen Anforderungen an die Begründung einer verbindlichen Zolltarifauskunft.
Normenkette
KN Pos. 0603, 0604; AO 1977 § 121 Abs. 1, § 126 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2; AZO § 30 Abs. 2 Nrn. 4-6
Tatbestand
Die beklagte Oberfinanzdirektion (OFD) erteilte der Klägerin verbindliche Zolltarifauskünfte (vZTA) - Nr. . . . und Nr. . . . - über verschiedene Waren des Blumenhandels (,,Banksia Hookerana", ,,Banksia Prionote", ,,Sternchen", ,,Knopfblumen", ,,Big Button [Eriocaulaceae]", ,,Statice tatarica", ,,Everlasting", ,,Banksia Baxterii", ,,Nitens", ,,Ti Tree White"), die sie sämtlich als (andere) ,,Blüten" der Unterposition 0603 9000 der Kombinierten Nomenklatur (KN) zuordnete. Nach den Warenbeschreibungen in den vZTA handelt es sich teils um blütentragende Zweige (vZTA Nr. . . .), teils um blütentragende Halme oder Stengel bzw. Blütenstände (vZTA Nr. . . .), sämtlich geschnitten, getrocknet, zur Herstellung von Dekorationen, Gestecken, Sträußen bestimmt. Wegen des Vorliegens von ,,Blüten" bezog die OFD sich in allen Fällen auf Feststellungen des Instituts für Angewandte Botanik der Universität X. In den Begründungen der vZTA wird auf die maßgebenden Rechtsvorschriften sowie darauf verwiesen, daß auch blütentragende Zweige von Bäumen, Sträuchern und Büschen zu Position 0603 gehörten (in den vZTA Nr. . . . auf die Zugehörigkeit blütentragender Waren zu Position 0603 und den damit verbundenen Ausschluß von Position 0604). Der Einspruch der Klägerin, die die Position 0604 - Pflanzenteile, ohne Blüten und Blütenknospen, zu Binde- oder Zierzwecken - für zutreffend hält, wurde zurückgewiesen, im wesentlichen mit der Begründung, alle Erzeugnisse wiesen ,,Blüten" im botanischen Sinne auf; unerheblich sei, ob die Blüten bereits bestäubt seien, auch, in welchem Stadium der Befruchtung sie sich befänden. Blüten im zolltariflichen Sinne brauchten keine den Schnittblumen vergleichbare Auffälligkeit der Blüte aufzuweisen.
Hiergegen richtet sich die Klage, mit der vorgebracht wird, die angefochtenen Verwaltungsakte seien wegen mangelnder Begründung - Voraussetzungen für das Vorliegen von ,,Blüten" - rechtswidrig. In der Sache selbst verbiete es der allgemeine und botanische Blütenbegriff, Pflanzenteile der Spezialvorschrift über Blüten zuzuordnen, bei denen die sich aus der botanischen Definition ergebenden Bestandteile nicht vollständig vorhanden seien. Pflanzenteile, bei denen das Stadium der Fruchtbildung bereits begonnen habe, seien keine ,,Blüten". Die Befunde ließen nicht erkennen, inwieweit die Fruchtbildung bei den fraglichen Pflanzenteilen bereits begonnen habe. Unabhängig davon sei eine einschränkende Auslegung dahin geboten, daß ,,Blüten" nur solche Pflanzenteile seien, bei denen das Vorhandensein der verschiedenen Blütenbestandteile entsprechend ihrer Zierfunktion klar erkennbar sei (,,Zierblüten"). Auch wenn die vorgelegten Pflanzenteile Blüten im botanischen Sinne enthalten sollten, sei die Einordnung in die Position 0603 nicht gerechtfertigt. Derartige Blüten hätten nicht eine so deutliche Ausprägung, daß sie eine den Schnittblumen vergleichbare Zierfunktion hätten.
Die OFD führt u. a. aus, das äußere Erscheinungsbild der Pflanzenteile sei ein zusätzliches Indiz für die nach botanischen Kriterien gebotene Einreihung als Blüten in die Position 0603. Für einen unbefangenen Betrachter erwecke die Vielzahl der - wenn auch kleinen - Blüten den optischen Eindruck blühender Pflanzenteile.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet.
Die angefochtenen Verwaltungsakte sind weder in formeller noch in materieller Hinsicht zu beanstanden.
1. Entgegen der Ansicht der Klägerin leiden die ihr erteilten vZTA nicht an einem Begründungsmangel. Ein schriftlicher Verwaltungsakt ist - schriftlich - zu begründen, ,,soweit dies zu seinem Verständnis erforderlich ist" (§ 121 Abs. 1 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Diesem Erfordernis (zu ihm Klein / Orlopp, Abgabenordnung, 4. Aufl. 1989, § 121 Anm. 2) genügen die vZTA; soweit sie ergänzt worden sind, zumindest unter Berücksichtigung der Ergänzung. Aus ihnen ergibt sich, daß die OFD, gestützt auf Feststellungen eines Fachinstituts, in den Pflanzenteilen Blüten im zolltariflichen Sinne gesehen hat. In der Einspruchsentscheidung ist dies, unter Hinweis auf eine erneute Stellungnahme des Instituts und unter Eingehen auf den botanischen Begriff, näher ausgeführt worden. Damit wären selbst etwa verbliebene Mängel geheilt (§ 126 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 AO 1977). Einer Auseinandersetzung mit der im Urteil des Finanzgerichts (FG) München vom 30. November 1988 III 302/82 Z (Entscheidungen der Finanzgerichte 1989, 322; vgl. auch VSF-Nachrichten 74 89 Nr. 482) gegebenen Begriffsbestimmung bedurfte es nicht. Das Fehlen einer solchen (von der Klägerin geforderten) Auseinandersetzung vermag nicht in Frage zu stellen, daß die Finanzbehörde - wie allein erforderlich - die ihre Entscheidung maßgebend tragenden Erwägungen bekannt gegeben hat (vgl. hierzu Förster in Koch, AO 1977, 3. Aufl., § 121 Rz. 11). Auch dem speziellen Begründungserfordernis für eine vZTA (§ 30 Abs. 2 Nr. 6 der Allgemeinen Zollordnung - AZO -) ist damit entsprochen. Daß ferner Befunde und Warenbeschreibungen (§ 30 Abs. 2 Nr. 4 und 5 AZO) vorliegen, kann nicht zweifelhaft sein. Etwaige Schwierigkeiten bei der Feststellung, ob ,,die tariflich gleiche Ware" (§ 23 Abs. 2 Satz 1 des Zollgesetzes) eingeführt worden ist, bedeuten nicht, daß die vZTA formell mangelhaft wären.
2. In der Sache selbst sind die vZTA mit zutreffendem Ergebnis erteilt worden.
a) Blüten gehören zu Position 0603; das gilt auch für blütentragende Zweige von Bäumen, Sträuchern und Büschen (Erläuterungen Harmonisiertes System - ErlHS - zu Position 0603 Rz. 02.0; vgl. auch den im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1986 C 66/2 veröffentlichten Tarifierungsbeschluß). Andere Pflanzenteile sind in Position 0604 erfaßt, indessen nur, wenn sie keine Blüten oder Blütenknospen tragen; mit solchen gehören auch sie zu Position 0603 (vgl. auch ErlHS zu Position 0604 Rz. 02.0).
Die zu beurteilenden Erzeugnisse sind ,,Blüten", auch soweit sie - was nicht feststellbar war - bereits bestäubt gewesen sein sollten. Maßgebend ist der botanische Begriff, da eine besondere zolltarifliche Begriffsbestimmung fehlt (vgl. Lux in Bail / Schädel / Hutter, Zollrecht, F II 1 Rz. 205). Wie in der Stellungnahme des Fachinstituts ausgeführt, ist auch eine bestäubte (befruchtete) Blüte weiterhin ,,Blüte" im botanischen Sinne. Sie verliert ihren Charakter erst mit dem (weitgehenden) Abfallen der Blütenorgane. Ob auch deren Verwelken genügt (so FG München, a. a. O.), braucht nicht entschieden zu werden, da verwelkte Blütenorgane hier nicht vorliegen. Ebenso kann offenbleiben, ob - neben dem Abfallen der Blütenorgane - für das ,,Ende des Blühens" die Bestäubung / Befruchtung ausreicht (FG München, a. a. O.) bzw. für die Entstehung der Frucht der Zustand der Samenreife eingetreten sein muß (so das Institut). Entscheidend ist vielmehr allein, daß nach den hier getroffenen Feststellungen die Blütenorgane noch vorhanden sind. Bei der ,,Banksia" fehlen zwar offenbar Blütenkronblätter, doch sind die Fruchtblätter als wesentliche Blütenorgane erhalten. Auch insoweit liegen somit ,,Blüten" vor, wenn auch zum Teil solche, denen einige Blütenorgane fehlen. Unerheblich ist, daß in einem Falle Früchte erkennbar sind. Die Tarifierung bestimmt sich auch hier nach den (weißen) Blüten, die die betreffenden Zweige aufweisen.
b) Eine einschränkende Auslegung der Position 0603 ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht geboten. Auch ,,unscheinbare" Blüten werden von dieser Position erfaßt. Zwar werden Waren des Blumenhandels zu Zierzwecken gehandelt (Anmerkung 1 zu Kap. 6) - was bei den hier zu beurteilenden Erzeugnissen auch zutrifft -, doch stellt der Zolltarif insoweit keine besonderen Anforderungen an die ,,Zierfunktion" von Blüten. Eine solche ergibt sich nur bei den ausdrücklich aufgeführten Frischblumen (Rosen usw.), und zwar unmittelbar aus der Warenbenennung, nicht dagegen bei ,,anderen" frischen Blumen und erst recht nicht bei anderen als frischen Blumen und Blüten (Unterposition 0603 9000). Jedenfalls bei den letzteren ist es nach dem eindeutigen Tarifwortlaut und -aufbau nicht statthaft, Blumen / Blüten mit weniger auffälligem Erscheinungsbild als nicht erfaßt anzusehen. Abgesehen davon wäre eine entsprechende Unterscheidung willkürlich und nicht mit den Erfordernissen einer die maßgebenden objektiven Merkmale der Ware berücksichtigenden Tarifierung vereinbar. Die unterschiedliche Höhe des Zollsatzes - zur Zeit 20 v. H. bei Waren der Unterposition 0603 9000, 4 v. H. bei Waren der Unterposition 0604 9910 -, auf die die Klägerin noch verweist, vermag die zolltarifliche Einreihung nicht zu beeinflussen (Senat, Urteile vom 29. November 1988 VII R 29/86, BFHE 155, 219, 222, und vom 20. Februar 1990 VII K 8/89, BFHE 160, 91, 93).
Zweifel bei der Auslegung der maßgebenden zolltariflichen Vorschriften bestehen nicht. Da es sich um die Anwendung eindeutiger Vorschriften des Gemeinschaftsrechts handelt, kommt die Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften nicht in Betracht (vgl. dessen Urteil vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81, EuGHE 1982, 3415, 3430).
Fundstellen
Haufe-Index 418134 |
BFH/NV 1992, 355 |