Leitsatz (amtlich)
Erwerb der Verwertungsmacht an einem Gebäude durch den Grundstückseigentümer, das der Grundstückspächter auf seine Kosten errichtet hat.
Orientierungssatz
Die Verwertungsmöglichkeit an einem Gebäude, das der Grundstückspächter auf seine Kosten errichtet hatte, war dadurch auf den Grundstückseigentümer übergegangen, daß dieser entsprechend einer Vereinbarung das Gebäude (zusammen mit dem Grund und Boden) auf eigene Rechnung verkaufen durfte; denn er zahlte dem Pächter einen "Heimfallausgleichsbetrag", während es seine Sache war, welchen Preis er für das Gebäude im Rahmen des Grundstücksverkaufs an einen Dritten erzielte und ob dabei überhaupt für das Gebäude ein gesonderter Preis ausgewiesen wurde (vgl. BFH-Rechtsprechung). Die Steuer war nach dem Wert des "Heimfallausgleichsbetrags" zu berechnen. Auf den Wert des Verwertungsrechts kam es nicht an. Valutierte Grundstücksbelastungen, die auf den "Heimfallausgleichsbetrag" anzurechnen waren, waren nicht von der Gegenleistung abzuziehen.
Normenkette
GrEStG BE § 1 Abs. 2; GrEStG § 1 Abs. 2 Fassung: 1940-03-29; GrEStG 1983 § 1 Abs. 2; GrEStG BE § 20 Abs. 1
Tatbestand
I. 1. 1975 verpachtete der Kläger durch notariell beurkundeten Vertrag ein ihm gehörendes unbebautes Grundstück in Berlin an die H GmbH für die Dauer von 25 Jahren.
In § 3 des Pachtvertrages räumte der Kläger der Pächterin das Recht ein, das Grundstück auf ihre Kosten und Gefahr mit einem Betriebsgebäude für ihre Zwecke zu bebauen. Die Pächterin hatte nach § 5 Abs.2 hierfür auf die Dauer des Pachtvertrages die Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten zu tragen. In § 7 Abs.1 vereinbarten die Vertragsparteien, daß das Eigentum an den auf dem Grundstück errichteten Baulichkeiten spätestens mit Beendigung des Pachtvertrages auf den Kläger übergehen solle. Gemäß § 7 Abs.2 vereinbarten sie, daß die Baulichkeiten mit Beendigung des Pachtvertrages vom Kläger übernommen werden sollten. Für die Übernahme der Baulichkeiten vereinbarten sie in § 7 Abs.3 bis 7 eine Berechnung des "Heimfallwertes", der zu einem Ausgleichsbetrag zugunsten oder zuungunsten des Klägers führen sollte.
2. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom Dezember 1979 verkaufte der Kläger das Grundstück mit Gebäude an einen Dritten. Einen Tag vorher stimmte die Pächterin in einer notariell beurkundeten Vereinbarung der geplanten Veräußerung des Grundstückes durch den Kläger zu. Die Partner dieser Vereinbarung waren sich darüber einig, daß das Pachtverhältnis am 31.Januar 1980 ende. Außerdem vereinbarten sie, daß die gegenseitigen Ansprüche aus der vorfristigen Beendigung des Pachtverhältnisses durch einen vom Kläger zu entrichtenden Ausgleichsbetrag für den "Heimfallwert" in Höhe von 500 000 DM ausgeglichen sein sollten.
Das beklagte Finanzamt (FA) setzte gemäß § 1 Abs.1 Nr.1 i.V.m. § 2 Abs.2 Nr.2 des Grunderwerbsteuergesetzes Berlin (GrEStG Berlin) 35 000 DM Grunderwerbsteuer fest, berechnet nach dem zu zahlenden "Ausgleichsbetrag" von 500 000 DM. Die Pächterin habe sich in der Vereinbarung vom Dezember 1979 verpflichtet, dem Kläger das Gebäude auf dem verpachteten Grundstück zu übereignen.
Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Die Klage wies das Finanzgericht (FG) ab.
Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet. Das angefochtene Urteil läßt keine Rechtsverletzung erkennen.
1. Der Senat folgt dem FG darin, daß sich die Steuerpflicht nicht aus § 1 Abs.1 Nr.1, sondern aus § 1 Abs.2 GrEStG Berlin (entspricht § 1 Abs.2 GrEStG 1983) ergibt.
a) Die Pächterin konnte sich nicht i.S. des § 1 Abs.1 Nr.1 GrEStG Berlin zur Übereignung des Gebäudes auf den Kläger verpflichten, weil dieser Eigentümer des Grund und Bodens und damit gemäß den §§ 93 und 94 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) auch Eigentümer des Gebäudes war. Eigentum an Grundstück und Gebäude kann zwar verschiedenen Personen zustehen, wenn das Gebäude nur zu einem vorübergehenden Zweck errichtet worden ist und daher nicht zu den Bestandteilen des Grundstückes gehört (§ 95 Abs.1 BGB). Im vorliegenden Fall war das Gebäude nicht vorübergehend für die Zeit der Verpachtung errichtet worden. Es sollte nach Ablauf der Pachtzeit nicht abgerissen, sondern nach § 7 Abs.2 des Pachtvertrages "von dem Verpächter übernommen" werden. Die Klausel in § 7 Abs.1 dieses Vertrages, wonach die Vertragspartner "sich darüber einig (waren), daß spätestens mit Beendigung des Pachtvertrages das Eigentum an den auf dem Pachtgrundstück durch die Pächterin zu errichtenden Baulichkeiten nebst Zubehör auf den Verpächter übergeht", tritt demgegenüber in ihrer Bedeutung zurück. Sie war nur eine Vorsichtsmaßnahme. Falls es bei der Auslegung des Vertrages Schwierigkeiten geben sollte, wollte man sicherstellen, daß auf alle Fälle der Kläger als Verpächter am Vertragsende Eigentümer des Gebäudes wurde.
b) Mit der Errichtung des Gebäudes durch die Pächterin wurde demnach zwar der Kläger dessen Eigentümer. Aber für die Pächterin, welche das Gebäude auf eigene Kosten errichtet hatte und vor Beendigung des Pachtvertrages hierfür von dem Kläger keinen Ersatz verlangen konnte, war es ein Gebäude auf fremdem Boden i.S. des § 2 Abs.2 Nr.2 GrEStG Berlin. Die Vorschrift erfaßt auch Gebäude, die bürgerlich-rechtlich dem Grundstückseigentümer gehören (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 10.März 1970 II R 135/68, BFHE 99, 68, BStBl II 1970, 522). Solche Gebäude können dann allerdings nicht Gegenstand eines Erwerbsvorganges nach § 1 Abs.1 Nr.1, sondern nur eines solchen nach § 1 Abs.2 GrEStG Berlin sein. Die Pächterin hat die wirtschaftliche Möglichkeit, das Betriebsgebäude auf eigene Rechnung i.S. des § 1 Abs.2 GrEStG Berlin zu verwerten, dadurch erlangt, daß sie das Gebäude errichtet hatte, es ohne Mietzahlung nutzen konnte und aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen mit dem Kläger bei Beendigung des Pachtverhältnisses den "Heimfallwert" erstattet bekommen sollte (vgl. BFH-Urteil vom 18.September 1974 II R 92/68, BFHE 114, 279, 280, BStBl II 1975, 245). Diese Verwertungsmöglichkeit war auf den Kläger dadurch übergegangen, daß er entsprechend der Vereinbarung vom 11.Dezember 1979 das Gebäude (zusammen mit dem Grund und Boden) verkaufen durfte, und zwar auf eigene Rechnung; denn er zahlte der Pächterin als "Heimfallausgleichsbetrag" 500 000 DM, während es seine Sache war, welchen Preis er für das Gebäude im Rahmen des Grundstücksverkaufes an den Dritten erzielte und ob dabei überhaupt für das Gebäude ein gesonderter Preis ausgewiesen wurde (vgl. dazu die BFH-Urteile vom 2.Dezember 1971 II 136/65, BFHE 105, 165, BStBl II 1972, 495; vom 2.Juli 1975 II R 49/74, BFHE 116, 413, BStBl II 1975, 863, und vom 19.Juni 1975 II R 86/67, BFHE 117, 89, BStBl II 1976, 27). Bei dieser Sachlage bleibt kein Raum für die Auffassung, die Verwertungsmacht an dem Gebäude sei von der Pächterin direkt auf den Grundstückskäufer übergegangen.
Diese Entscheidung widerspricht nicht den Grundsätzen des BFH-Urteils vom 7.Juli 1976 II R 151/67 (BFHE 120, 66, BStBl II 1977, 12). Der Senat hat dort die Auffassung vertreten, daß neben dem Erwerb der Verwertungsmacht gemäß § 1 Abs.2 GrEStG deren spätere Verwirklichung nicht nochmals besteuert werden dürfe. Dementsprechend sei auch bisher keine weitere Steuer erhoben worden, wenn ein Gesellschafter das Grundstück, das er "dem Werte nach" der Gesellschaft überlassen habe, mit deren Zustimmung und auf deren Rechnung verkaufe. Um eine derartige doppelte Besteuerung nach § 1 Abs.2 GrEStG geht es im vorliegenden Fall nicht. Der Kläger hat die Verwertungsmacht über das Gebäude erst mit der Vereinbarung vom 11.Dezember 1979 erhalten und sie am 12.Dezember 1979 mit dem Verkauf des Grundstückes verwirklicht. Das FA hat diese Vorgänge nur einmal besteuert.
c) Die Steuer ist vom Wert der Gegenleistung zu berechnen (§ 20 Abs.1 GrEStG Berlin). Auf den Wert des Verwertungsrechtes kommt es daher entgegen der Meinung des Klägers nicht an. Maßgebend ist vielmehr der "Ausgleichsbetrag", zu dessen Entrichtung sich der Kläger in § 4 der Vereinbarung vom Dezember 1979 verpflichtet hatte. Er belief sich auf 500 000 DM, wobei die valutierten Grundstücksbelastungen anzurechnen waren, weil diese zur Finanzierung des Gebäudes gedient hatten und beim Verkauf des Grundstückes aus dem Verkaufserlös abzulösen waren; der verbleibende Restbetrag war vom Kläger bar zu zahlen. Entgegen dessen Ansicht sind diese valutierten Grundpfandrechte nicht von der Gegenleistung abzuziehen, auch wenn das Grundstück des Klägers dafür lediglich dinglich haftete. Die Anrechnung nach § 4 der Vereinbarung vom Dezember 1979 bedeutet gerade, daß im Innenverhältnis zwischen dem Kläger und der Pächterin letztere die gesicherten persönlichen Verbindlichkeiten hatte allein tragen und den Kläger von der dinglichen Haftung hatte freistellen müssen. Wenn jetzt aus dem für den Kläger bestimmten Verkaufserlös die Grundpfandrechte und damit die gesicherten Verbindlichkeiten abgelöst wurden, so erbrachte der Kläger auch insoweit der Pächterin eine Leistung. Die Beteiligten der Vereinbarung vom Dezember 1979 haben dies richtig erkannt, indem sie diese Leistung auf den vom Kläger zu zahlenden Ausgleichsbetrag anrechneten. Die Sachlage ist hier nicht anders, als wenn ein Grundstückskäufer auf dem Grundstück dinglich gesicherte Schulden übernimmt.
Fundstellen
Haufe-Index 60950 |
BStBl II 1985, 526 |
BFHE 143, 379 |
BFHE 1985, 379 |
BB 1985, 1714-1715 (ST) |
DStR 1985, 448-448 (LT) |
HFR 1985, 373-373 (ST) |