Entscheidungsstichwort (Thema)
Abfindungsverpflichtung nach der HöfeO als wirtschaftliche Last. Bindung der Steuerverwaltung und Finanzgerichte an Entscheidungen anderer Behörden
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Frage der Abzugsfähigkeit einer etwaigen Abfindungsverpflichtung als wirtschaftliche Last, wenn zum Feststellungszeitpunkt die endgültigen rechtlichen Erb- und Eigentumsverhältnisse am Hof nicht klargestellt waren.
2. Eine allgemeine Bindung der Steuerbehörden und Steuergerichte an die Entscheidungen anderer Behörden besteht nicht.
3. Für die Frage, ob die Hoffolge im Sinne des § 19 Abs. 6 HöfeO vom 24.4.1947 (Britische Zone, Amtsblatt der Militärregierung Deutschland, britisches Kontrollgebiet 1948 S. 982) als geregelt anzusehen ist, kommt es auf die Klarstellung der anerbenrechtlichen Hoffolge an.
Normenkette
AO § 204 Abs. 1; BewG §§ 62, 74 Abs. 1; HöfeO § 19 i.d.F. vom 24.4.1947
Gründe
Im Rechtsbeschwerdeverfahren ist streitig, ob der Abzug einer sich nach § 12 der Höfeordnung (HO) ergebenden Abfindungsverpflichtung des Bg. im Rahmen der Vermögensabgabeveranlagung und unter Berücksichtigung der am Währungsstichtage bestehenden rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zulässig ist.
In einem im Jahre 1939 vor dem Notar errichteten Testament hat die Ehefrau den Bg. unter Übergehung ihrer gemeinsamen Abkömmlinge zum Hoferben (Anerben) des auf ihren Namen im Grundbuch eingetragenen Hofes eingesetzt. Sie ist im Jahre 1940 verstorben. Obwohl die testamentarische Erbeinsetzung des Bg. nach den Vorschriften des damals geltenden Reichserbhofgesetzes rechtsunwirksam war, blieb dieser unangefochten im Besitze des Hofes. Nach Inkrafttreten der HO wurde die Rechtslage in bezug auf die Hoffolge gemäß § 19 Abs. 6 HO und § 58 Abs. 2 Buchst. a der Verfahrensordnung für Landwirfschaftssachen als noch nicht geregelt angesehen und durch Erteilung der Zustimmung zu der testamentarischen Erbeinsetzung des Bg. nunmehr die Rechtswirksamkeit des 1939 errichteten Testamentes herbeigeführt. Dies geschah durch rechtskräftigen Beschluß des Landwirtschaftsgerichtes beim Amtsgericht vom Jahre 1951.
Auf Grund dieses Sachverhaltes hat das FA den Bg. unter anderem mit dem Einheitswert des landwirtschaftlichen Betriebes zur Vermögensabgabe (VA)herangezogen, ihm aber den Abzug der nach § 12 HO bestehenden Abfindungsverbindlichkeiten gegenüber seinen Miterben versagt.
Es hat in der Einspruchsentscheidung die Auffassung vertreten, der Bg. sei am Währungsstichtage noch nicht rechtlicher Eigentümer des Hofes gewesen; das sei er erst mit der Rechtskraft des Beschlusses des Landwirtschaftsgerichts geworden. Wohl aber sei er am 21. Juni 1948 bereits als wirtschaftlicher Eigentümer des Hofes anzusehen. Eine Verpflichtung zur Zahlung der Abfindung nach der HO habe jedoch zu dieser Zeit noch nicht bestanden. Diese sei vielmehr erst durch einen Erbauseinandersetzungsvertrag vom Jahre 1957 festgelegt worden, der aber nicht bis zum Währungsstichtage, sondern höchstens bis zum 1. Januar 1952 zurückwirke.
Das FG hat einen gegenteiligen Standpunkt eingenommen. Es hat ausgeführt, der Bg. sei am Währungsstichtage nicht nur der wirtschaftliche, sondern auch der rechtliche Hofeigentümer gewesen. Denn gemäß § 1922 BGB gehe das Vermögen des Erblassers bereits im Zeitpunkte seines Todes auf den oder die Erben über. Daran werde auch durch die Anordnung einer Sondererbfolge in den Hof als Sondervermögen nichts geändert. Demgegenüber bedeute aber der Beschluß des Landwirtschaftsgerichtes nur eine rechtliche Klarstellung der Eigentumsverhältnisse, durch die der neue Hofeigentümer (Hoferbe) festgestellt werde. Eine weitergehende Bedeutung komme dem Beschlüsse insoweit nicht zu. Was den Abzug der Abfindungen an die Miterben anlange, so sei der auf § 12 HO beruhende gesetzliche Abfindungsanspruch mit dem Inkrafttreten der HO, d.h. am 24. April 1947, rechtlich zur Entstehung gelangt, fraglich sei nur, ob dieser Anspruch am Währungsstichtage bereits eine wirtschaftliche Last bedeutet habe. Dies sei zu bejahen, da der Bg. seine Kinder wegen ihrer Abfindungsansprüche nach § 12 HO nicht auf die bereits früher – vor dem Inkrafttreten der HO – gemachten Zuwendungen verweisen könne.
Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) wendet sich der Vorsteher des FA unter Bezugnahme auf das Urteil des BFH III 9/54 S vom 5. November 1954 (BStBl 1954 III S. 381) vor allem dagegen, daß das FG die Abfindungsverpflichtung des Bg. als eine bereits am Währungsstichtage bestehende wirtschaftliche Last anerkannt habe. Zu diesem Zeitpunkte sei ungeklärt gewesen, ob, wann und in welcher Höhe eine solche Abfindung zu zahlen war. Erst mit dem Abschluß des Verfahrens vor dem Landwirtschaftsgerichte im Jahre 1951 habe sich eine rechtliche Zahlungsverpflichtung des Bg. ergeben, die ihre endgültige Regelung im Erbauseinandersetzungsvertrage vom Jahre 1957 gefunden habe. Selbst wenn am Währungsstichtage vorauszusehen gewesen sei, daß die Miterben ihre Abfindung später einmal beanspruchen würden, seien jedenfalls damals tatsächliche Leistungen noch nicht erbracht worden. Deshalb könne auch eine tatsächliche Belastung am Währungsstichtage noch nicht anerkannt werden.
Die (Rb.) führt zur Aufhebung der Vorentscheidung. Seit dem Tode seiner Ehefrau ist der Bg. unbestrittener Eigenbesitzer des von ihr hinterlassenen Hofes. Die Vorinstanzen haben ihn deshalb mit Recht schon für den Währungsstichtag als den wirtschaftlichen Eigentümer des Hofes angesehen.
Darüber hinaus hat das FG angenommen, daß der Bg. zum damaligen Zeitpunkte auch schon der rechtliche Eigentümer des Hofes gewesen sei. Es hat sich dabei auf den Beschluß des Landwirtschaftsgerichtes vom Jahre 1951 gestützt, der allerdings dahin lautet, der Eigentumsübergang an dem Hofe der verstorbenen Ehefrau auf ihren Ehemann, d.h. auf den Bg., werde genehmigt. Ungeachtet des Wortlautes dieses Beschlußtenors handelt es sich in Wirklichkeit der Sache nach darum, daß durch den Beschluß des Landwirtschaftsgerichtes die gemäß § 7 Abs. 2 HO erforderliche Zustimmung zur Erbeinsetzung des Ehemannes der Erblasserin, die unter Übergebung der gemeinsamen Abkömmlinge erfolgt war, vom Landwirtschaftsgericht erteilt werden sollte. Dies hat das OLG in seiner Beschwerdeentscheidung klargestellt, auf Grund deren der vorerwähnte Beschluß des Landwirtschaftsgerichts rechtskräftig und die darin erteilte Zustimmung wirksam geworden ist. Der Erlaß eines solchen Beschlusses setzt voraus, daß die Hoffolge beim Inkrafttreten der HO als noch nicht geregelt anzusehen ist. Davon ist das Landwirtschaftsgericht bei seiner Entscheidung auch tatsächlich ausgegangen. Obwohl der BFH ebenso wie die Vorinstanz nach der Entscheidung III 78/51 U vom 14. August 1953 (BStBl 1953 III S. 331) an diese rechtliche Beurteilung nicht in jedem Falle gebunden ist, spricht doch im Streitfalle sehr vieles für die Richtigkeit dieser Annahme des Landwirtschaftsgerichtes. Denn gemäß § 58 Abs. 2 a der Verfahrensordnung für Landwirtschaftssachen ist die Erbfolge dann als noch nicht geregelt anzusehen, wenn beim Inkrafttreten der HO entweder der Anerbe auf Grund gewisser erbhofrechtlicher Vorschriften noch nicht bestimmt ist oder aus sonstigen Gründen nicht oder noch nicht endgültig feststeht. Diese Voraussetzung für die Anwendung der HO dürfte hier zutreffen. Denn der Bg., der den Hof beim Inkrafttreten der HO im alleinigen Besitz hatte, war nach den Vorschriften des Reichserbhofgesetzes nicht Erbe und Eigentümer des Hofes geworden. Andererseits hatten die erbhoffähigen Söhne des Bg. und der Erblasserin die Erbschaft am Hofe bzw. die Hoffolge bis dahin nicht angetreten. Sie befanden sich auch nicht im Besitze des Hofes, und ebensowenig war klargestellt, wer von ihnen zur Hoffolge nach Erbhofrecht berufen sein würde. Die Frage, wer der erbhofrechtliche Anerbe des Hofes sei, konnte somit vom Landwirtschaftsgericht als noch nicht geklärt angesehen werden, zumal auch die Tatsache, daß der Bg. schon damals an seine Kinder gewisse Zahlungen geleistet bzw. ihnen zur Abfindung Bauernstellen gekauft hatte – sofern diese Behauptungen des Bg zutreffen –, noch nicht geeignet war, die Frage der Anerbenfolge als solche klarzustellen. Auf die Klarstellung der anerbenrechtlichen Hoffolge aber kommt es allein an, ob der Nachlaß als geregelt anzusehen war oder nicht.
Es braucht indessen nicht näher erörtert zu werden, ob etwa sonstige Bedenken gegen die Rechtsauffassung des Landwirtschaftsgerichtes erhoben werden könnten.
Denn die angefochtene Entscheidung unterliegt aus anderen Gründen der Aufhebung. Selbst wenn gemäß der rechtlichen Beurteilung der Vorinstanz der Bg. auf Grund der Bestimmungen der HO Erbe und damit Eigentümer des Hofes geworden ist, und deshalb ihn auch die Abfindungsverbindlichkeiten gegenüber den Miterben aus der HO treffen (§ 12 HO), deren Entstehung hier mit dem Inkrafttreten der HO am 24. April 1947 zusammenfallen würde, so bleibt doch die Frage offen, ob insoweit bereits am Währungsstichtage eine wirtschaftliche Last bestanden hat. Der Bf. will dies unter Hinweis auf das Urteil des BFH III 9/54 S vom 5. November 1954 (BStBl 1954 III S. 381) mit der Begründung in Abrede stellen, daß auch im Streitfalle tatsächliche Leistungen zur Tilgung der Schuld bis zum Währungsstichtage noch nicht erbracht worden seien. Dabei übersieht der Bf., daß das vorgenannte Urteil III 9/54 S vom 5. November 1954 zur Frage des Abzuges von Altenteilsleistungen ergangen ist, bei denen es sich um Verbindlichkeiten im Sinne des § 74 Abs. 1 Ziff. 2 BewG handelt, während die hier in Rede stehenden Abfindungsverbindlichkeiten zu den in § 74 Abs. 1 Ziff. 1 geregelten (Kapital-)Schulden gehören. Die rechtliche Behandlung dieser beiden verschiedenen Schuldgruppen ist nicht in allen Punkten gleichartig. Insbesondere ist bei Kapitalschulden, deren rechtliches Bestehen am Stichtage außer Frage steht, in der Regel auch das Vorhandensein einer wirtschaftlichen Belastung zu bejahen, wenn nicht ausnahmsweise der Abgabenpflichtige am Stichtage damit rechnen kann, der Gläubiger werde seine Forderung nicht geltend machen (vgl. hierzu Gürsching-Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, Tz. 5 zu § 74 BewG). Im Streitfalle kann jedoch die Tatsache, daß die streitigen Abfindungsverbindlichkeiten bis zum Währungsstichtage noch nicht geltend gemacht worden waren, schon deshalb nicht im Sinne eines Wegfalles der wirtschaftlichen Belastung gewertet werden, weil eine zweckdienliche Rechtsverfolgung der Abfindungsansprüche durch die Miterben vor der endgültigen rechtlichen Klarstellung der Erb- und Eigentumsverhältnisse am Hof nicht möglich war. Dagegen lassen andere Tatsachen es bedenklich erscheinen, das Vorhandensein einer wirtschaftlichen Belastung für den Währungsstichtag ohne nähere Nachprüfung zu bejahen. Tatsache ist, daß die Abfindungsansprüche der Miterben erst sechs Jahre nach der Klarstellung der Hoffolge und erst, nachdem bereits die VA-Veranlagung durchgeführt war, im Jahre 1957 durch einen Erbauseinandersetzungsvertrag geregelt worden sind. Tatsache ist weiter, daß in diesem Vertrage zwar unter Ziff. 2 die Zahlung eines Betrages von je 2.500 DM an die sämtlichen Miterben des Bg. festgelegt worden war, jedoch mit der Maßgabe, daß diese Beträge erst ab 1. Januar 1952 fällig und verzinslich sein sollten. Außerdem fällt die ausdrückliche Bezugnahme auf vorangegangene unter Ziff. 1 des Vertrages wiedergegebene Vereinbarungen der Beteiligten auf, die offenbar erst im Hinblick auf das Verfahren vor dem Landwirtschaftsgericht und die damit angestrebte formelle Hofübernahme durch den Bg. getroffen worden sind. Weiterhin hat der Bg. im Vermögensteuerrechtsmittelverfahren auf den Abzug der Verbindlichkeiten zum Währungsstichtage ausdrücklich verzichtet und erklärt, er habe irrtümlich die Abfindung an seine Kinder in Abzug gebracht, weil er zunächst angenommen habe, die Vermögenserklärung beziehe sich auf das Jahr 1952. Die sich hiernach ergebenden Zweifel an der Ernsthaftigkeit der vertraglichen Regelung überhaupt bzw. an ihrer Rückwirkung auf den Währungsstichtag werden noch dadurch erhöht, daß der Bg. in dem vom Bf. erwähnten Schreiben vom 3. März 1951 ausdrücklich erklärt hat, er habe nach dem Tode seiner Frau zwecks Abfindung der weichenden Erben seinen beiden noch lebenden Söhnen je eine Bauernstelle gekauft und den vier Töchtern je 2.500 RM in bar gezählt; er habe sich die Zahlung der Beträge bescheinigen und außerdem bestätigen lassen, daß den Empfängern keine Ansprüche an den Hof mehr zuständen. Da danach die Kinder des Bg. offenbar schon vor dem Inkrafttreten der HO ihre volle Abfindung erhalten hatten, muß es nach Lage der Dinge auf jeden Fall zweifelhaft erscheinen, ob der Bg. am Währungsstichtage überhaupt mit seiner Inanspruchnahme durch die Miterben rechnen mußte oder gerechnet hat, und zwar selbst dann, wenn man berücksichtigt, daß die Ansprüche nach der HO erst im Jahre 1947 zur Entstehung gelangt sind. Das FG hätte jedenfalls auf diese Fragen näher eingehen müssen und sich nicht auf die Bemerkung beschränken dürfen, der Bg. habe seine Kinder in Ansehung des § 12 HO nicht mit ausschließender Wirkung auf die bereits früher gemachten Zuwendungen verweisen können.
Da die Vorinstanz auf die Frage der wirtschaftlichen Belastung des Bg. nicht näher eingegangen ist, auch weitere Ermittlungen nach dieser Richtung hin unterlassen hat, war die angefochtene Entscheidung aufzuheben.
Fundstellen